Zwischen verkorkster Transferperiode und Zufriedenheit

Ich kann mich an diverse Zeitungsartikel erinnern, in denen von einer verkorksten Transferperiode die Rede war, in der vieles schief gelaufen sei. Jetzt zahlt sich aus, dass wir den Spielern, die wir haben, Vertrauen geschenkt haben. Das sind die Besten, die wir haben können. In Paul Mitchell haben wir einen der besten und begehrtesten Chefscouts Europas. Ich bin sehr zufrieden und mir sicher, dass wir die Mannschaft in den nächsten Transferfenstern mit weiterer Qualität versorgen werden. (Ralf Rangnick nach dem Sieg gegen Leverkusen)

Die Sache hat ja gleich mehrere Ebenen. Ja, die Neuverpflichtungen des Sommers waren gut und aufgrund der damit verbundenen Verbreiterung des Kaders mit Spielern mit neuen, sich von den bisherigen Akteuren unterscheidenden Qualitäten hilfreich.

Saracchi bringt bspw. völlig neue Eigenschaften mit auf die linke Defensivbahn, wie das Spiel in Wolfsburg nach Einwechslung quasi im Schnelldurchlauf gezeigt hat. Viel Dynamik und viele Möglichkeiten Bälle zu erobern und offensiv auch mal in gefährliche Räume vorzudringen. Aber auch ein gerade im Vergleich mit Halstenberg unsaubereres Pass- und Positionsspiel, was immer mit einem gewissen Risiko in der Defensive und mit schlecht ausgespielten Situationen in der Offensive verbunden ist.

Mukiele ist rechts hinten eine Maschine und bringt da im Vergleich mit Klostermann noch mal eine andere Physis ein. Cunha ist dazu ein Stürmer, der etwas tiefer agieren und auch aus torentfernteren Positionen gefährlich werden kann.

Dass der Kader breiter wurde, zeigt sich bisher noch gar nicht mal unbedingt in den Einsatzzeiten. 18 Spieler bestritten letzte Saison mindestens 20% der Spielzeit, diese Saison sind es 20, wobei da ein Torhüter mehr dabei ist. 57 Minuten standen die zehn meisteingesetzten Feldspieler bisher in dieser Saison im Schnitt pro Spiel auf dem Platz. 60 Minuten waren es letzte Saison. Wobei diese Saison da sechs Europa-League-Quali-Spiele dabei sind, in denen automatisch mehr durchrotiert und sogar in den ersten beiden Runden in den Rückspielen einige Nachwuchsspieler aufgestellt wurden.

Wenn man die 57 Minuten diesbezüglich bereinigen würde, käme man auch eher auf die 60 Minuten der Vorsaison. Auf der anderen Seite sinkt der Wert im Saisonverlauf noch mal, wenn man im Winter Neuzugänge verpflichtet, sodass sich letztlich in den Einsatzzeiten dann doch auch ein Stück zeigen wird, dass man mehr Möglichkeiten zum Durchwechseln hatte.

Qualitativ führt die Rotation diese Saison im groben gesprochen zudem kaum zu Leistungseinbußen. Die 18 verfügbaren Feldspieler plus die zwei Torhüter kann man relativ problemlos durchwechseln, ohne dass dabei Probleme entstehen würden. Entsprechend hat Ralf Rangnick durchaus Recht damit, dass er von einem kleinen, aber feinen Kader spricht.

Recht hat er auch damit, dass es Sinn gemacht hat, den alteingesessenen Spielern das Vertrauen zu schenken. Denn die Tatsache, dass man vor allem auch einen jungen Kader hat (wenn man mal fußballerische Aspekte fokussiert und Dinge wie Teamhierarchien außen vor lässt, führt halt dazu, dass sich die Spieler von Jahr zu Jahr noch mal weiterentwickeln können, eine Verbesserung im Auftreten also nicht zwangsläufig durch das Agieren auf dem Transfermarkt hergestellt werden muss. Poulsen oder Konaté sind diese Saison bisher vielleicht die hervorstechendsten Beispiele (fühlt sich bei einem Poulsen, der nun schon fünf Jahre in Leipzig ist, seltsam an, so etwas zu schreiben, aber er ist ja nunmal trotzdem erst 24).

Wie man schon vor der Saison ahnen konnte, fangen die Folgeprobleme der Kaderplanung erst dann an, wenn man längerfristige Ausfälle kompensieren muss. Vor allem auf den Positionen zwischen der Acht und der Zehn, auf denen man im Sommer nicht die Verstärkungen bekommen hat die man wollte (Lookman, Haidara).

Entsprechend ist das Rangnicksche Frohlocken, dass die Kritiker der Transferperiode falsch gelegen haben, auch ein wenig schwierig. Denn genaugenommen zeigten die Spiele in Glasgow und Wolfsburg, wie schwierig es wird, wenn RB Leipzig sowieso schon einen längerfristigen Ausfall von Forsberg verkraften muss (der für das Erreichen des RB-Maximums eigentlich eine essenzielle Personalie ist) und dann noch weitere Akteure dazukommen, die mit offensivem Kreativpotenzial auf der Acht oder Zehn spielen können.

Vor allem einen Kampl (oder auch einen Demme) zu ersetzen, ist derzeit nicht möglich, während man in vorderster und letzter Reihe durchaus Optionen hat, immer mal durchzurotieren, unterschiedliche Qualitäten aufs Feld zu schicken und auf Belastungen und Ausfälle zu reagieren. Wenn ein Upamecano verletzt ist, ist das unschön, aber grundsätzlich auffangbar. Wenn ein Kampl ausfällt, dann wird es schon deutlich schwieriger, weil dann die Verbindungen aus der Zentrale in die Offensive nicht mehr so gut funktionieren. In Wolfsburg sah man das schön, wie Demme da von der vordersten Reihe ein wenig abgeklemmt war und ein Laimer (aufgrund anderer Qualitäten) nicht in die Bresche springen konnte.

Der Kader wird hier im Blog sicherlich in der Winterpause noch mal intensiver beleuchtet werden. Bis hierhin kann man erstmal festhalten, dass das Scouting bei den Neuzugängen, die man gekriegt hat, einen guten Job machte (wobei von außen immer schwer einzuschätzen ist, wer da welchen Anteil hat). Es ist aber auch Teil der Wahrheit, dass die nicht geklappten und auf den Winter verschobenen Transfers dem Klub vor allem im zentralen Mittelfeld immer mal wieder auf die Füße fallen.

Mit der Fokussierung auf Balleroberungen und Umschalten fällt das nicht immer auf. In Situationen, in denen man aber Kreativität in der Mittelfeldzentrale braucht (Kreativität, die bei RB vor allem individuell hergestellt werden muss, weil die Abläufe mit dem Ball nicht im Zentrum der Spielidee stehen und die entsprechenden Strukturen nicht gleichermaßen verinnerlicht sind wie das Spiel gegen den Ball), wird es allerdings wie in Glasgow oder Augsburg oder Wolfsburg dann auch schnell dünn. Zudem merkt man dem Mittelfeld bei weiteren Ausfällen neben Forsberg auf den tieferen Positionen an, dass es selbst nicht extrem pressingresitent ist. Auch das fällt einem in Spielen wie in Glasgow oder in Wolfsburg, wo man was mit dem Ball anfangen muss, auf die Füße.

Letztlich ist es halt trotz der schon 24 Pflichtspiele noch etwas früh in der Saison, um darüber zu frohlocken, dass die Transferstrategie von RB Leipzig im Sommer aufgegangen ist oder (im anderen Extrem) diese als gescheitert anzusehen. Fakt ist, dass man im Sommer zwei Neuzgänge nicht bekommen hat, von denen es wochenlang hieß, dass man diese noch unbedingt braucht (und ursprünglich hatte man die Zahl der Neuzugänge eher Richtung sechs, sieben beziffert). Es ist schon rein logisch so, dass analytisch fehlende Spieler auch Probleme mit sich bringen müssen. Weil man nicht genug durchrotieren kann (was bisher trotz fehlendem Nachwuchsunterbau noch nicht das große Problem war) oder weil man auf bestimmten Positionen von den Spielertypen her zu dünn besetzt ist, um zwei oder gar drei gleichzeitige oder längerfristige Ausfälle aufzufangen. Das ist der aktuelle Punkt. Ganz egal wie großartig Paul Mitchell und die Spieler, die schon letzte Saison da waren, sind.

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Das neuralgische Dreieck der Kaderplanung von RB Leipzig. | GEPA Pictures - Roger Petzsche
GEPA Pictures – Roger Petzsche

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