Weiter offene Fragen – RB Leipzigs Nachwuchssaison 2017/2018

Irgendwas mit Nachwuchs war letzte Saison ja auch noch (Running Gags hier selber einfügen). Nehmen wir es mal ganz nüchtern, dann bleiben von den Nachwuchsteams in den höheren Altersklassen ja mit der U17 und der U19 nur noch zwei übrig. Also jene zwei Mannschaften, bei denen man dann schon den Anspruch hat, dort Talente auszubilden, bei denen dann mal jemand für die Bundesliga-Mannschaft abfällt.

Wenn man erstmal nur nach dem sportlichen Erfolg der Mannschaften geht, dann hat die U17 eine sehr erfolgreiche Saison hinter sich gebracht. Trotz des fast kompletten Ausfalls vom teuren Winter-Neuzugang Mads Bidstrup qualifizierte sich das Team für das Halbfinale der deutschen Meisterschaft, bekam dort aber von den Bayern mehr als deutlich die Grenzen aufgezeigt.

Die U19 ihrerseits, die in der Winterpause vom Sportdirektor in klaren Worten als die schlechteste seit 2012 abgekanzelt wurde, spielte nach einer schwachen Hinrunde eine gute Rückrunde, die nur vom Aus im Landespokal getrübt wurde und landete in der Bundesliga noch auf Rang 4. Bei der Bewertung der Saison muss man dann aber eben auch in Betracht ziehen, dass gerade in der Hinrunde mit der Youth League auch Dinge dazu kamen, die für Jungs im Alter von 17, 18 Jahren in der Menge an Spielen und Themen halt auch schwer zu verarbeiten sind. Dazu war Robert Klauß häufig eim Trainerlehrgang eingespannt, was dann keine ganz ideale Gessamtlage ergab.

Aber eigentlich ist das sportliche Abschneiden der Nachwuchsteams ja auch nur zweitrangig (auch wenn Matthias Sammer in seiner Zeit beim DFB richtigerweise auch immer wert auf die Ausbildung von so etwas wie Siegeshunger gelegt hat), denn im Kern bemisst sich dieser Bereich der Vereinsarbeit nicht wirklich daran, ob man am Ende einer Saison auf Platz 1, 2, 3 oder 4 herauskommt, sondern ob man Talente auf eine Zukunft als Profifußballer einstellen und diesbezüglich ausbilden kann.

Nimmt man dies als Maßstab, dann war die letzte Saison für RB Leipzig mal wieder eine ohne vorzeigbare Erfolge. Bei den Einsätzen von Spielern, die mal in den eigenen Nachwuchsteams gespielt haben, steht in der Bundesliga weiter eine Null (und zuvor sah es in den Ligen darunter nicht wesentlich besser aus). Und die Local-Player-Regelung hat man mit Pro-Forma-18-Jährigen ausgefüllt.

Nicht nur das, auch der 1999er-Jahrgang, also jene Spieler, die 1999 geboren wurden und letzte Saison ihre letzte im U19-Bereich bei RB hatten, ist wieder komplett verloren gegangen. Alle entsprechenden Spieler haben den Verein bereits verlassen (aufgrund ihres aktuellen Leistungsstandes waren die Abgänge aber weitgehend logisch) oder haben keine Perspektive. Lediglich bei Emre Aslan könnte man zumindest aufgrund seiner Leistungen im letzten Jahr noch ein leichtes Fragezeichen setzen, ob es nicht lohnen würde, ihm eine Perspektive über Profivertrag und Leihe aufzuzeigen. Aber das ist schon sehr ins Blaue rein interpretiert.

Was bleibt ist, dass auch nach Jahr 9 der Vereinsgeschichte die Investitionen in den Nachwuchs praktisch null Gegenwert in Form von Stärkungen für die erste Mannschaft oder in Form eines relevanten Unterbaus mit sich bringen. Wenn man bedenkt, dass die Salzburger Nachwuchsarbeit ein echtes Erfolgsmodell ist, erstaunt es um so mehr, dass das beim großen Bruder, der nicht mehr Bruder sein darf, so gar nicht klappen will.

Man kann es sich natürlich ganz einfach machen und feststellen, dass das Talent der bisherigen Spieler im eigenen Nachwuchs einfach nicht ausreichte, um aus diesen Akteuren auch Profis zu machen, die bei einem Verein wie RB Leipzig mit seinen stets hohen Zielen Erfolg haben können. Gerade der Blick in die frühen Nachwuchsjahrgänge würde diese These stützen. Von den Akteuren, die in den ersten Jahren von RB Leipzig  die U19 durch Spielzeit geprägt haben (siehe Übersicht unten), hat es fast keiner überhaupt in den gehobenen Profifußball geschafft. Benjamin Girth (inzwischen auch schon 26) ist da noch einer der wenigen, der künftig in Kiel immerhin in der zweiten Liga kicken wird. Alexander Sorge wäre sicher in Zwickau ein solider Drittligakicker, wenn er sich denn nicht schwerwiegend verletzt hätte. Danach wird es dann schon dünn.

Auch für die These spricht, dass es noch kein Spieler, der mal im RB-Nachwuchs prägend tätig war, bisher überhaupt in die Bundesliga geschafft hat. Mit Fabian Bredlow steigt gerade ein solcher Spieler in die Bundesliga auf. Ob er da in Nürnberg auch künftig Stammtorwart sein wird, ist noch unklar. In der Rückrunde der Aufstiegssaison war er auch nicht immer sicher. Mit seinen 23 Jahren ist er für einen Torhüter aber auch immer noch recht jungen Alters. Neben Bredlow könnte auch Ex-RBL-Nachwuchsmann Felipe Pires künftig Bundesligaspieler sein. Nach erfolgreicher Leihe kehrt er nach Hoffenheim zurück und soll beim Champions-League-Klub erst mal mit ins Training einsteigen.

Daneben gibt es auch immer noch ehemalige RB-Nachwuchsspieler, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie sich noch auf das Niveau einer europäischen Topliga entwickeln. Idrissa Toure hat in Bremen einen Vertrag für das Bundesligateam unterzeichnet. Dass er Talent hat, war schon immer klar. Wenn er klar im Kopf bleibt, dann kann das mit ihm und der Bundesliga auch noch was werden. Auch Spieler wie Ermedin Demirovic, Kamil Wojtkowski oder auch Agymenag Diawusie oder Dominik Franke sollte man diesbezüglich noch nicht abschreiben.

Was ehemalige RB-Nachwuchsspieler und deren Abschneiden nach ihrer Zeit in Leipzig angeht, ist die Situation also etwas widersprüchlich. Es gibt schon ein paar Spieler, die das Zeug haben, auch in der Bundesliga (oder einem entsprechenden, europäischen Äquivalent) gegen den Ball zu treten, aber so richtig in den Vordergrund hat sich bisher noch keiner gespielt. Wobei festzustellen bleibt, dass aus den U19-Jahrgängen der letzten Jahre dann doch der eine sehr viel näher an einer Topliga dran ist, als es die Jahrgänge davor sind.

Letztlich sind das aber auch alles Spieler, bei denen der Übergang zum Topniveau bei den Männern teils deutlich jenseits des U19-Alters stattfindet. Auch von den Spielern, die aktuell den Verein aufgrund ihres Alters verlassen haben, ist keiner in einer höheren Liga gelandet. Die meisten spielen künftig bei U23-Teams von Bundes- oder Zweitligisten in der Regionalliga. Lediglich Lukas Schelenz ist zu einem Drittligisten gewechselt. Kilian Ludewig unterschrieb derweil einen Profivertrag in Salzburg, wo über die Kooperationsspieler-Regel, durch die junge Spieler in Liefering Einsatzzeit kriegen, die Situation dann doch noch mal eine spezielle ist, die sich nicht kopieren lässt, wenn man keine U23 hat.

Dass einige RB-Spieler zu U23-Teams gewechselt sind und an diesen offenbar schätzen, dass sie die prinzipielle Anschlussmöglichkeit an ein In-House-Profiteam bieten, verweist darauf, dass diese Ausbildungsstufe und die Regionalliga dann für Talente doch nicht so uninteressant ist, wie hierzulande in der Vergangenheit immer mal wieder argumentiert wurde. Damals jedenfalls hieß es rund um die U23-Abmeldung ganz gern mal, dass die jungen Spieler eh kein Interesse haben, in der vierten Liga zu kicken. So ganz prinzipiell kann man das aber offenbar dann doch nicht sagen.

Für RB Leipzig bleibt letztlich aktuell weiter die Frage, wie man den Übergang von der U19 in den Profibereich gewinnbringend gestalten kann. Zumal vor dem Hintergrund, dass offensichtlich gerade mit Blick auf die eigenen Talente klar wird, dass es eben jenseits der U19 auch noch mal eine Zeit braucht, bis man sagen kann, ob das für die Bundesliga reicht oder nicht reicht.

In Frankfurt kam Marco Pezzaiuoli zuletzt interessanterweise mit dem Vorschlag um die Ecke, eine U21-Bundesliga einführen zu wollen, um die weitere Ausbildung von Spielern nach der U19-Zeit zu gewährleisten (auch die Wiederanmeldung einer U23 sieht er als Option, wenn die in der vierten oder fünften Liga anfangen dürfte). Was genau ein Kernproblem bei der Ausbildung von Talenten trifft, dass die Altersgrenze U19 zumindest für die Breite der Spieler ein, zwei Jahre zu niedrig liegt. Eine U21-Bundesliga wäre ja vielleicht auch für RB Leipzig eine interessante Option, nicht den harten Cut nach der U19 zu haben, aber gleichzeitig auch nicht den Aufwand einer U23 im Männer-Ligabetrieb betreiben zu müssen (Sicherheitsspiele und Co).

Bisher hat man aber den harten Cut und so braucht es halt andere Wege und Möglichkeiten, den Übergang von der U19 zu den Profis zu gestalten. Vor der Saison hatte man bei RB diesbezüglich den Plan ausgerufen, die Profis enger mit der U19 zu verzahnen. Testspiele sollte es mit Profianschlusskader und U19-Talenten geben. Regelmäßiges Training mit den Profis für die drei, vier besten Talente der U19 waren auch ein Teil des Plans. Davon ging relativ wenig auf. Die Testspiele waren in der Dichte des Terminplans gar nicht realisierbar. Die Trainingseinheiten mit dem Nachwuchs reduzierten sich enorm, weil man schnell feststellte, dass in den vielen englischen Wochen gar kein regelmäßiges reguläres Training, das den Talenten auch was bringt, möglich ist.

Eine andere Option wären natürlich Leihen von Spielern, die mit 18 bzw. 19 den Sprung zu den Profis noch nicht geschafft haben, die aber das Potenzial dazu hätten. Diesbezüglich ist bei RB Leipzig auch noch nicht viel passiert. Agyemang Diawusie wäre ein positives Fallbeispiel einer gelungenen Leihe gewesen, den hat man aber nach einem Jahr in Wiesbaden nun komplett nach Ingolstadt abgegeben. Ansonsten ruht da der See auch sehr still. Auch diesen Sommer gibt es diesbezüglich bisher keine neuen Versuche.

Die Leihgeschichten sind natürlich auch mit ihren ganz eigenen Problemen verbunden. Mit Felix Beiersdorf hat man ein Paradebeispiel eines Talents, das RB mit einem Fünfjahresvertrag bis 2021 ausgestattet hatte, der aber inzwischen seine Karriere praktisch an den Nagel gehangen hat, wenn man überspitzt interpretieren will, dass es für ihn zuletzt nicht mal für Spielzeit bei einem Regionalligisten wie Chemie Leipzig gereicht hat.

Dazu kommt, dass man mit Leihen die Kontrolle über die Art der Ausbildung des Spielers abgibt. Selbst wenn man den Leihverein sehr genau wählt, kann es immer passieren, dass da Trainer und oder Sportdirektor nach drei Monaten weg sind und eine neue Spiel- und Trainingsphilosophie in eine ganz andere Richtung führt.

Zudem bleibt auch das Problem, dass Spieler Leihen nicht zwangsläufig so richtig gut finden müssen. Zumal wenn es Spieler sind, die erst zwei, drei, vier Jahre zuvor von einem anderen Verein aus größerer Entfernung als dem Leipziger Umland zu RB kamen. Es sich also um Spieler handelt, die in den Profifußball wollen, aber diesen Traum nicht zwangsläufig an Leipzig binden. Bei englischen Vereinen hat man inzwischen nicht selten das Phänomen, dass Spieler Leihen nicht mehr wollen, weil sie nie irgendwo so richtig ankommen, sondern dann Lösungen präferieren, bei denen sie fest zu einem Verein wechseln, von dem sie wissen, wie und dass er mit ihnen plant.

Übertragen auf den RB-Nachwuchsbereich bedeutet das, dass Leihen natürlich für Spieler, die aus der U19 kommen, nicht zwangsläufig interessant sind. Weil es immer irgendwie auch Übergangslösungen sind, bei denen sie in Vereinen unterkommen, in denen sie als Leihspieler im Fall der Fälle kritischer Situationen eher hintenan stehen. Dass Spieler wie ein Kilian Senkbeil jedenfalls die Chance, in den Profifußball zu kommen, bei einem traditionell nicht sehr durchlässigen Verein wie den Bayern als größer ansehen als bei RB Leipzig (weil dort nach der U19 Schluss ist) sollte dem hiesigen Verein auch in Sachen Außenwirkung durchaus zu denken geben.

Eine Möglichkeit die Probleme bei Leihen zu umgehen, wären Kooperationen mit anderen Vereinen, bei denen neben Spielern auch Know How getauscht wird. Alexander Zorniger brachte zuletzt via BILD sein Bröndby IF als einen Verein ins Gespräch, der doch wüsste, was Spieler bräuchten, die RB Leipzig gern noch weiter ausgebildet haben möchte. Erfurt bot sich ebenfalls öffentlich für Kooperationen an. Auch hier gilt allerdings, dass solche Geschichten immer sehr von den aktuell handelnden Personen abhängig sind und entsprechend die Basis der Zusammenarbeit nicht immer so richtig belastbar und nicht immer dauerhaft verlässlich ist. Zudem müssten es dann auch Vereine mit einer gewissen sportlichen Wertigkeit sein. Sprich, Bröndby IF wäre für sowas eventuell interessant. Ein Regionalligist wie Erfurt eher nicht.

Den Übergang zu den Profis zu gestalten, ist ohne U23 also durchaus mit allerlei Problemen behaftet und nicht wirklich eine einfache Aufgabe. Die Lösung, die Ralf Rangnick vorschwebte, bestand darin, einfach noch größere Talente im U17-Alter zu finden. Also letztlich Spieler, die auch mit 17 schon das Niveau hätten, in den Männerbereich hineinzuschnuppern. Bei Umaro Embolo war Rangnick bereit dafür mehr als 15 Millionen Euro in die Hand zu nehmen. Was vielleicht auch aus seiner Geschichte resultiert, dass er mal Ronaldo nicht holen konnte, weil der VfB Stuttgart die damals exorbitante Ablösesumme nicht bezahlen wollte. Sich einen künftigen Weltstar entgehen zu lassen, obwohl man ihn doch ganz jung entdeckt hat und von ihm zu 100% überzeugt ist, das will Ralf Rangnick vielleicht nicht noch mal haben. Und das kostet eben.

Man kann das wirtschaftlich als Form von Gambling und Wetten auf eine zukünftige Entwicklung des Talents fragwürdig finden. Interessanter sind allerdings die Implikationen für den eigenen Nachwuchs. Mal eben den Talenten (und potenziell an RB interessierten Talenten) das  Gefühl zu geben, dass man lieber 15 Millionen Euro in einen 16- bzw. inzwischen 17-Jährigen steckt, als (kurzfristig gedacht) für einen Bruchteil davon eine U23 zu unterhalten, dürfte die interne Motivation nicht wirklich erhöhen. Zumal klar ist, dass ein Talent in den Transferdimensionen per se erst mal einen Platz besetzt, der für die anderen Talente nicht mehr frei ist. In kleinerem Rahmen gilt das ja auch für Milionentransfer Mads Bidstrup, der für die anderen Talente immer auch bedeutet, dass ihnen für enorm viel Geld jemand in der Entwicklung vor die Nase gesetzt wird, egal wie der erstmal spielt.

Es geht dabei gar nicht so sehr um eine Art fußballkulturkritische Ebene. Zuerstmal ist es eine wirtschaftliche Frage und ob es sinnvoll ist oder nicht, muss der Verein wissen und selber anhand des Bankkontos entscheiden. Die Frage ist darüber hinaus ganz praktisch, was das mit einem Mannschaftsgefüge mit lauter Menschen macht, die gerade erwachsen werden und entsprechend in einer Lebensphase sind, in der Identitäten noch sehr stark geprägt werden. Dass die Idee, Millionentalente im U17-Alter einzukaufen, zu einer besonderen Stärkung der Verbundenheit von Spielern mit dem Mutterverein oder zur Stärkung positiver Charaktereigenschaften bei den Spielern führt, ist jedenfalls eher nicht anzunehmen.

Damit in Verbindung steht auch die Frage, welche Folgen ein Internat für Nachwuchsspieler hat, in dem dann Menschen, die für ihr Alter sehr viel Geld damit verdienen, quasi schon berufstätig zu sein, gemeinsam abhängen. Dass sich da auch eine ganz eigene Parallelwelt mit bei weitem nicht nur positiven Folgen für die Beteiligten entwickeln kann, liegt nahe. Sonderlich fördernd für die eigene Entwicklung, die viel mit Fleiß und Selbstaufopferung zu tun hat, dürfte das nicht zwangsläufig sein.

Interessanterweise behauptete Stuttgarts Sportvorstand Michael Reschke kürzlich im Kicker, dass der größere Teil der Spieler, die es aus Nachwuchsleistungszentren in die Bundesliga schafften, zu Hause und nicht in Vereinsinternaten wohnten. Das würde für die These sprechen, dass diese Parallelwelt Internat mit Heranwachsenden, die in der Phase der Suche nach Identität in eine seltsame, nicht alltägliche Konstellation geworfen werden, keine sonderlich positiven Nebenwirkungen hat. Auch nicht auf ihre sportliche Entwicklung. Wie valide die Reschke-Beobachtungen sind, bleibt dabei unklar.

Festhalten darf man aber auch, dass selbst gelungene Nachwuchsarbeit nicht zu mehr als einem Talent pro Jahrgang führt, der es tatsächlich im eigenen Verein in den Profibereich schaffen kann. Und das ist schon hoch angesetzt. Von daher ist es aus rein statistischer Sicht auch nicht unwahrscheinlich, dass man da über sechs Jahre (wenn man mal die ersten RB-Jahre außen vor lässt) kein Talent in den Profibereich kriegt.

Interessant ist dabei aber trotzdem, dass tendenziell RB-Nachwuchsspieler (zumindest die Toptalente) sehr früh Nationalspieler sind, während dies Richtung U19 dann deutlich abnimmt. Ein Kilian Senkbeil war beispielsweise in allen Jahrgangsstufen U-Nationalspieler, aber zuletzt nicht mehr dabei. Es könnte also bei RB einen Effekt zu geben, dass Talente im Laufe ihrer Ausbildung eher stagnieren als aufzublühen. Den Effekt müsste man aber auch noch mal genauer quantifizieren, um ihn als valide bezeichnen zu können.

In dem Zusammenhang auch interessant ein Phänomen, das generell bei der Ausbildung von Talenten in Deutschland zu beobachten ist. Dass unter den Nachwuchsspielern kaum jemand ist, der spät im Jahr geboren wurde. Von den neun Spielern, die diese Saison aus dem Nachwuchsbereich von RB Leipzig herauswachsen, ist keiner nach dem September geboren. Sechs von ihnen sind im Mai oder früher auf die Welt gekommen. Beim 2000er-Jahrgang ist es noch extremer. Alle Spieler dieses Jahrgangs, der kommende Saison der älteste im RB-Nachwuchs ist, wurden zwischen Januar und April geboren.

Früh im Jahr geborene Spieler haben vor allem in frühen Ausbildungsjahren einen deutlichen Entwicklungsvorsprung. Da in Deutschland die Nachwuchsausbildung nach Jahrgängen geordnet ist, spielen in der U15 dann bspw. Spieler, die schon in der Winterpause (also Januar, Februar) 15 werden, theoretisch zusammen mit Spielern, die kurz vor der Winterpause (also November, Dezember) gerade 14 wurden. Sie sind zwar im selben Jahr geboren, aber es liegt fast ein Lebensjahr zwischen ihnen.

Klar, dass in den frühen Jahrgangsstufen entsprechend die älteren Spieler aufgrund ihrer körperlichen Entwicklung auffälliger sind und eher in Leistungszentren und in Nationalmannschaften landen als die jungen Spieler. Dieser Entwicklungsvorteil relativiert sich aber im Laufe der Jahre und ist dann bei 18- bis 19-Jährigen nicht mehr ganz so extrem. Wenn man als RB Leipzig gerade bei den 15-Jährigen zuschlägt, weil man ab diesem Alter die Spieler auch vertraglich binden kann, dann nimmt man solche Entwicklungseffekte automatisch mit, muss dann aber auch unter Umständen damit leben, dass man nur auf einen Entwicklungsvorteil in jungen Jahren und nicht auf tatsächlich überdurchschnittliches Potenzial gesetzt hat, sodass dann im U19-Bereich eben die Entwicklung eher stagniert und für die Profis nicht reicht.

In dem Zusammenhang kommt dann wiederum auch die spieltaktische Entwicklung von Spielern hinzu. Wiederum Michael Reschke meinte im Kicker, dass in den frühen Jahren zu sehr auf die taktische Ausbildung geschaut wird, aber mehr Wert gelegt werden muss auf die technische Ausbildung. Generell gibt es ja in Deutschland viele Stimmen, die meinen, dass man in Sachen Nachwuchsausbildung von anderen Nationen überholt wurde und die das an den Ausbildungsinhalten festmachen.

Rund um RB Leipzig wird diesbezüglich immer mal wieder die frühe Fokussierung auf Physis, Geschwindigkeit und Umschalten diskutiert bzw. kritisiert. Als These könnte man diesbezüglich festhalten, dass dieser Ausbildungsfokus früh zu Erfolgen im Nachwuchsbereich führt, weil man die Gegner einfach physisch beherrscht, dass dieser Vorteil in den höheren Jahrgangsstufen aber geringer wird (weil die Gegner auch körperlicher werden) und die Spieler nicht das Rüstzeug haben, variabel spielen zu können (was dann eben wiederum Auswirkugen darauf hat, als wie auffällig und stark RB-Spieler wahrgenommen werden).

Das U17-Halbfinale gegen die Bayern war dafür vielleicht ein schönes Beispiel. Weil die Bayern in Sachen Geschwindigkeit das Massaker, das RB da im Rückspiel eine Viertelstunde lang veranstaltete, gut mitgehen konnten (die beidseitige Geschwindigkeit in dieser Spielphase war mehr als beeindruckend), aber die Bayern-Spieler das sehr viel komplettere Repertoire an fußballerischen Möglichkeiten hatten. Sprich, sie konnten einen Ball unter Druck auch mal sauber verarbeiten. Sie hatten ein vernünftiges Passspiel. Sie waren letztlich in einer Art von gesamtheitlicher Ausbildung eine Klasse besser als RB Leipzig, die es mit ihren langen Bällen versuchten, hinter denen das Team dann hinterherwetzen sollte.

Wenn man auf die RB-Nachwuchsausbildung und ihre unbefriedigenden Ergebnisse schaut, gibt es am Ende keine einfachen Antworten, sondern vornehmlich Fragen und Themenkomplexe. Die drehen sich um Geld und Ablösen und ein Internatsleben, das für die Entwicklung von Persönlichkeiten eventuell wenig optimal ist. Sie drehen sich um Alterseffekte und um Leihmodelle und Kooperationen. Und drehen sich um Spielsysteme und Ausbildungsinhalte, die eventuell frühe Nachwuchserfolge sichern, aber auf Dauer keine technisch gut ausgebildeten Profis hervorbringen (witzig, dass die extern geholten Spieler wie Lookman, Bruma oder Augustin kreative Spieler waren, denen man noch das Arbeiten gegen den Ball beibringen musste, was aber wesentlich einfacher erscheint, als selbst Spieler auszubilden, die gegen den Ball arbeiten können, denen man aber plötzlich im Übergang zum Profitum noch Kreativität und Technik beibringen müsste (ja, das ist eine sehr grobe Polarisierung)).

Die Fragen drehen sich natürlich weiterhin auch um die nicht mehr existente U23. Man muss ein solches Team nicht überhöhen, aber die Vorteile, die so eine Mannschaft (jenseits von finanziellem und organisatorischem Aufwand) mit sich bringt, liegen weiter auf der Hand und demonstrieren sich in Salzburg/ Liefering im Gewinn des Youth-League-Titels und in einer permanenten Talentezufuhr für Salzburg (wobei der Vergleich unfair ist, denn Liefering mag liegentechnisch auf schwächerem Drittliganiveau und damit nah an einer potenziellen U23 von RB Leipzig spielen, aber Salzburg ist als Ausbildungszielpunkt von den Alltagsanforderungen her deutlich unter Leipzig anzusiedeln, sodass es wesentlich einfacher ist, dort Talente einzubauen und ihnen Spielzeit zu geben).

Letzlich bleibe es die Optimalvariante, eine U23 zu haben, in der die älteren U19-Jahrgänge schon mal in den Männerbereich hineinschnuppern können und bei entsprechender Eignung anschließend noch ein, maximal zwei Jahre in dem U23-Team haben, das faktisch ein U20/ U21-Team wäre. Dass es Interesse an so einem Team gibt, beweisen die Senkbeils, Yilmaz’, Schimmels, Dauters und Co, die in den letzten Wochen zu U23-Teams gegangen sind, eindrucksvoll. Vielleicht kommt ja RB Leipzig über eine U21-Bundesliga zu einem solchen Team, auch wenn das dann nicht im Männerbereich spielen würde.

Da es eine U23 nicht gibt (und damit auch nicht die Möglichkeit, Spätentwickler wie einen Halstenberg oder mit Abstrichen einem Demme selbst auszubilden), braucht es halt andere Ideen, wie man junge Talente zu den Profis kriegt. Dass man junge Spieler im Profiteam einbauen kann, hat man mit externen Neuzugängen wie Klostermann, Upamecano oder Konate ja schon eindrucksvoll bewiesen. Der Nachweis, dass man das auch mit Spielern schafft, die man im U15-Bereich (oder auch im U16- oder U17-Bereich) mit viel Aufwand gescoutet und verpflichtet und anschließend selbst ausgebildet hat, steht aber weiterhin aus. Dafür muss man den Verein nicht an die Wand nageln. Viele offene Fragen und interessante Themen gibt es aber weiterhin.

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Ehemalige RB-Nachwuchsspieler, die in der U19 tragende Kräfte waren und wo sie in der letzten Saison spielten (Name – aktuelles Alter – Zahl der Einsätze und die Liga, in der die Einsätze stattfanden)

  • Benjamin Girth – 26 Jahre – 36 Einsätze in der dritten Liga (Meppen)
  • Matthias Buszkowiak – 26 Jahre ??? Einsätze in der Landesliga Sachsen-Anhalt (Calbe)
  • Tom Dietze – 26 Jahre – 29 Einsätze in der Landesklasse (7.Liga) (Taucha)
  • Hardy Stapel – 26 Jahre – ??? Einsätze in der Kreisliga (Radefeld)
  • Alexander Sorge – 25 Jahre – 0 Einsätze (Kreuzbandriss) in der dritten Liga (Zwickau)
  • Tom Nattermann – 25 Jahre – 17 Einsätze in der Regionalliga (Halberstadt)
  • Kevin Schiller – 25 Jahre – 25 Einsätze in der Oberliga (VfL Halle)
  • Richard van den Bosch – 25 Jahre – ???
  • Roman Jaworski – 25 Jahre – ???
  • Matthias Hamrol – 24 Jahre – 4 Einsätze in der ersten polnischen Liga (Kielce)
  • Alexander Siebeck – 24 Jahre – 8 Einsätze in der dritten Liga/ 11 Einsätze in der Regionalliga (Karlsruhe/ Cottbus)
  • Marc Böttger – 24 Jahre – 31 Einsätze in der Regionalliga (Chemie Leipzig)
  • Michael Schlicht – 24 Jahre – 14 Einsätze in der Regionalliga (Schweinfurt)
  • Maximilian Röhrborn – 24 Jahre – 26 Einsätze in der Oberliga (Eilenburg)
  • Felix Habeland – 24 Jahre – 10 Einsätze in der Oberliga (Barleben)
  • Tom Schladitz – 24 Jahre – 25 Einsätze in der Landesklasse (Taucha)
  • Sebastian Henske – 24 Jahre – ???
  • Felipe Pires  – 23 Jahre – 32 Einsätze in der ersten österreichischen Liga (Austria Wien)
  • Smail Prevljak – 23 Jahre – 32 Einsätze in der ersten österreichischen Liga (Mattersburg)
  • Fabian Bredlow – 23 Jahre – 22 Einsätze in der zweiten Liga (Nürnberg)
  • Vincent Rabiega – 23 Jahre – 26 Einsätze in der Regionalliga (BFC Dynamo)
  • Hannes Mietzelfeld – 23 Jahre – 20 Einsätze in der Regionalliga (Neugersdorf)
  • Toni Majetschak – 23 Jahre – 28 Einsätze in der Oberliga (Eilenburg)
  • Victor Lindau – 23 Jahre – 11 Einsätze in der Oberliga (Rathenow)
  • Alexander Schlager – 22 Jahre – 1 Einsatz in der österreichischen Bundesliga (LASK)
  • Patrick Strauß – 22 Jahre – 15 Einsätze in der zweiten Liga (Aue)
  • Elvis Osmani – 22 Jahre – 17 Einsätze in der zweiten tschechische Liga (Inter Bratislava)
  • Firat Suczus – 22 Jahre – 26 Einsätze in der dritten Liga (Jena)
  • Michel Niemeyer – 22 Jahre – 23 Einsätze in der dritten Liga (Magdeburg)
  • Sören Reddemann – 22 Jahre – 16 Einsätze in der dritten Liga (Wehen Wiesbaden)
  • Dennis Rothenstein – 22 Jahre – 2 Einsätze in der Regionalliga (Mannheim)
  • Sebastian Konik – 22 Jahre – 16 Einsätze in der Oberliga (Schott Jena)
  • Anthony Barylla – 21 Jahre – 28 Einsätze in der dritten Liga (Zwickau)
  • Timo Mauer – 21 Jahre – 16 Einsätze in der dritten Liga (Jena)
  • Patrik Dzalto – 21 Jahre – 10 Einsätze in der Regionalliga (Koblenz)
  • Joshua Endres – 21 Jahre – 9 Einsätze in der Regionalliga (Uerdingen)
  • Florian Sowade – 21 Jahre – 0 Einsätze in der Regionalliga (Viktoria Köln)
  • Alexander Vogel – 21 Jahre – 24 Einsätze in der Oberliga (Eilenburg)
  • Marcel Becher – 21 Jahre – 24 Einsätze in der Sachsenliga (Lößnitz)
  • Kamil Wojtkowski -20 Jahre – 22 Einsätze in der polnischen ersten Liga (Krakau)
  • Julian Chabot – 20 Jahre – 20 Einsätze in der holländischen ersten Liga (Sparta Rotterdam)
  • Ermedin Demirovic – 20 Jahre – 3 Einsätze in der spanischen ersten Liga (Alaves)
  • Gino Fechner – 20 Jahre – 17 Einsätze in der zweiten Liga (Kaiserslautern)
  • Przemyslaw Placheta – 20 Jahre – 10 Einsätze in der zweiten polnischen Liga (Siedlce)
  • Agyemang Diawusie – 20 Jahre 35 Einsätze in der dritten Liga (Wehen Wiesbaden)
  • Idrissa Toure – 20 Jahre – 35 Einsätze in der dritten Liga (Werder II)
  • Fridolin Wagner – 20 Jahre – 29 Einsätze in der dritten Liga (Zwickau/ Werder II)
  • Dominik Franke – 19 Jahre – 28 Einsätze in der Regionalliga (Wolfsburg II)
  • Paul Grauschopf – 19 Jahre – 19 Einsätze in der  Regionalliga (Ingolstadt II)
  • Felix Beiersdorf – 19 Jahre – 1 Einsatz in der Regionalliga (Chemie Leipzig)

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Frühere Nachwuchssaisonanalysen:

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Das letzte Mal, dass ein Talent aus dem eigenen Nachwuchs bei RB Leipzig wenigstens ein paar Minuten Spielzeit bekam, ist schon wieder über zwei Jahre her. Idrissa Toure (inzwischen Bremen) im Spiel gegen 1860 München in der zweiten Liga. | GEPA Pictures - Roger Petzsche
GEPA Pictures – Roger Petzsche

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Ein Gedanke zu „Weiter offene Fragen – RB Leipzigs Nachwuchssaison 2017/2018“

  1. Hat zwar nix mit RBL zu tun, aber im Grunde passt es hier sehr gut.
    Heute kam gerade die Meldung, das der BVB einen Linksverteidiger aus dem Nachwuchs nach Bremen II “verschenkt”

    https://twitter.com/BVB/status/1014495849831976960

    Der BVB mach im Nachwuchsbereich ja auch so einiges richtig und hat auch eine U23.
    Der Junge ist 2x Meister geworden, hat richtig viel Talent, aber bekommt nicht den Sprung zu den Profis und das bei seiner Position.
    Es ist wirklich verdammt schwer, diesen Sprung zu schaffen.

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