Neue Kreativität gefragt

Am Wochenende feierten nicht nur die Profis ihren Erfolg des Einzugs in die Champions Leauge. Im Nachwuchsbereich endete parallel für die U19 zumindest die aufgrund ihres schlechten Verlaufs und den Dissonanzen im Nachwuchsbereich mit den Abgängen von Renat Dadashov, Idrissa Touré und Vitaly Janelt quälend lange Bundesliga-Saison. Und die Saison für die U23 ist auch in den letzten Zügen.

Gerade in diesen zwei Mannschaften gibt es unheimlich viele Spieler, deren Zukunft nicht geklärt ist. Die U23 wird aufgelöst, sodass die dort spielenden Akteure genauso eine neue Heimat brauchen wie der ältere Jahrgang der U19, der mehr nicht zu großen Teilen einfach in die U23 übertreten kann.

Das stellt RB Leipzig vor die Frage, welche Talente man behalten will, um den Profi- und Champions-League-Kader breit genug aufzustellen, welche Talente vielleicht über Leihen gehalten werden und Spielpraxis bekommen und welche Talente komplett gehen. Da müssen viele Entscheidungen getroffen werden. Die Abgänge von U23-Kapitän Alexander Siebeck und von Anthony Barylla jeweils in die dritte Liga (Karlsruhe bzw. Zwickau) verweisen darauf, dass da im Hintergrund schon einiges gewerkelt wird. Auch Alexander Vogel war zuletzt im Probetraining beim Halleschen FC, dürfte also zu den Abgängen gehören.

Mit bedenken muss man bei der Zukunft der Nachwuchsspieler, dass RB Leipzig noch vier Lizenzspieler im Profiteam braucht, die die Local-Player-Regelung erfüllen. Also eigentlich braucht man acht Spieler, die bei einem Klub im Geltungsbereich des DFB ausgebildet wurden, aber diese Regelung ist eher einfach zu erfüllen. Vier Spieler davon müssen allerdings im Alter zwischen 15 und 21 drei Jahre lang bei RB Leipzig ausgebildet worden sein bzw. gespielt haben.

Entsprechend müssten eigentlich inzwischen Lukas Klostermann und Yussuf Poulsen als Local Player im engeren Sinne der im Verein ausgebildeten (bzw. drei Jahre lang angemeldeten oder angestellten) Spieler gelten (wobei bei Poulsen die Frage ist, ob sein drittes Jahr in Leipzig gilt, da er kurz vor Ablauf der Spielzeit bereits 22 wurde; das Regelwerk der DFL ist an der Stelle nicht sehr präzise). Aber es braucht dann auch noch zwei (oder eben drei) weitere. Im Idealfall findet man diese im jüngeren Jahrgang der U19, die auch weiterhin in der U19 spielen können. Also bei den Kilian Senkbeils, Marc Dauters oder Lukas Schelenz’. Aber dann sollte man vielleicht auch überzeugt sein von deren Perspektive. Ansonsten macht das wenig Sinn.

In jedem Fall wird es nicht mehr so wie früher sein können, dass die Local-Player-Regelung einfach über U23-Akteure erfüllt wird bzw. über Spieler, die dann in der U23 agieren. Entweder man übernimmt die Spieler komplett zu den Profis oder man verliert sie. Wie eben einen Alexander Siebeck, der bisher ein Akteur zur Erfüllung der Local-Player-Regelung war.

Wenn man mal über den recht erfolgreichen Kader der U23 von dieser Saison drübergeht, dann bleiben auf den ersten Blick nicht allzu viele Kandidaten, bei denen man das Gefühl hat, sie könnten in Betracht kommen, dass der Verein sie auch für die kommende Saison halten will. Circa 16 Feldspieler dürften aus dem aktuellen Kader auch kommende Saison noch dabei sein. Unter 24 Feldspielern in eine Saison mit drei Wettbewerben zu gehen, könnte eher eng sein. Zumal wenn man keine U23 hat, aus der man im Bedarfsfall Spieler rekrutieren kann.

Um den Kader in der Breite noch zu stärken, kommen eigentlich aus dem Kader der U23 dieser Saison nur wenige Spieler in Frage.

  • Felix Beiersdorf
  • Dominik Franke
  • Federico Palacios
  • Gino Fechner
  • Sören Reddemann
  • Timo Mauer
  • Fridolin Wagner

Und da sind schon diverse Namen dabei, für die das nur mit erheblichen Abstrichen gilt. Der offensive Mittelfeldmann Felix Beiersdorf ist sowieso schon im Besitz eines Profivertrags (und wäre auch einer, der die Local-Player-Regelung erfüllen würde) und wäre wohl vor einem Jahr noch die naheliegende Wahl gewesen, wenn es um Spieler gegangen wäre, die man an den Profikader heranführen will. Vor der Bundesliga machte er Teile der Vorbereitung mit den Profis mit. Ein Jahr später scheint er aber eher noch weiter weg von der Bundesliga als damals. Muss spielen und nicht unzufrieden auf einer Tribüne rumsitzen.

Das mit der Spielzeit gilt eigentlich für Linksverteidiger Dominik Franke ganz ähnlich. Der war im Saisonverlauf aber immerhin ab und zu relativ nah dran am Profikader und konnte dort immer mal auf der Bank sitzen und am Training teilnehmen. Von der Seite her wäre es gar nicht ausgeschlossen, ihn (auch ein Local Player) mit bei den Profis zu integrieren. Aber hinsichtlich seiner Entwicklung könnte sich das auch eher als Sackgasse erweisen. Vielleicht macht es ja aber auch ein Modell, wie erst mal bis zur Winterpause zu gucken und dann im Fall der Fälle eine Leihe anzugehen.

Federico Palacios war diese Saison derjenige mit den besten Chancen bei den Profis. Zwei Einsätze hat er inmitten größerer Verletzungsprobleme gekriegt. Und Lob auch. Nach dreieinhalb Jahren RB Leipzig kommt er langsam an den Punkt, wo er in den Profibereich hereinwachsen könnte. Mehr als eine Backup-Rolle wäre für Palacios in Leipzig aber auf keinen Fall drin. Für den Verein würde das eventuell Sinn machen, jemanden mit ordentlichen Qualitäten in der Hinterhand zu haben. Für Palacios eigentlich weniger, weil genau die Entwicklung, die er gerade macht, weitergeführt werden müsste. Im besten Fall bei einem ambitionierten Drittligisten oder bei einem Zweitligisten. Bundesliga kommt eigentlich noch einen Schritt zu früh.

Bei Gino Fechner weiß man aktuell nicht so richtig. War in der Vergangenheit auch schon mal wesentlich näher am Profikader als aktuell. Ist ein solider und flexibel einsetzbarer Defensivakteur. Aber offensichtlich keiner, der im Fokus von Ralph Hasenhüttl steht. Von daher stehen dort die Zeichen wohl eher auf Leihe oder Abschied, denn auf Profiteam.

Gilt ähnlich für die Herren Reddemann, Wagner und Mauer. Drei gute Spieler, mit vielen Qualitäten. Aber Stand heute nicht mit der Chance, sich in der Bundesliga zeigen zu können. Alle drei könnten aber rein vom Alter her noch Kandidaten für eine Leihe sein. Aber wahrscheinlicher scheinen hier Abgänge.

Macht aus der U23 mit Dominik Franke und Federico Palacios zwei mögliche Kandidaten für den Profikader. Dazu kommen mit Felix Beiersdorf und Gino Fechner zwei Leihkandidaten. Und mit Sören Reddemann, Fridolin Wagner und Timo Mauer drei Spieler, bei denen es tendenziell wohl eher auf Abgänge hinausläuft, aber auch noch andere Optionen wie Leihe denkbar wären.

Für andere Spieler wie Benjamin Bellot, Henrik Ernst, Dominik Martinovic, Ken Gipson, Patrick Strauß (hinter Siebeck einer der besten im aktuellen U23-Team, aber ohne realistische Perspektive nach oben), Hannes Mietzelfeld, Marcel Becher oder Joshua Endres gibt es kaum realistische Optionen einer Zukunft bei RB Leipzig unter den aktuellen Bedingungen einer fehlenden U23 (bzw dürften sie selbst ihre Zukunft dort nicht sehen, wenn man an einen Gipson denkt). Von den Keepern Florian Sowade und Dominic Heine (geht zum FC International) ganz zu schweigen.

Etwas verrückter wird es dann in der U19. Dort will man von den Talenten des älteren 1998er-Jahrgangs, der jetzt dem Nachwuchs entwächst, eigentlich so richtig niemanden abgeben. Wenn man mal von den Torhütern Valentino Jovic und Tom Wallenstein, die bei RB Leipzig eher keine Perspektive haben, mal absieht.

Mit Agyemang Diawusie, Julian Chabot, Kamil Wojtkowski, Przemyslaw Placheta, Ermedin Demirovic, Paul Grauschopf hat man dort eine ganze Ansammlung von Nachwuchsnationalspielern, denen man eine Perspektive anbieten müsste. Zumindest wenn man von der Ausbildung dieser Talente profitieren will.

Auch hier stellt sich dann wieder schnell die Frage, was für die Beteiligten die beste Lösung wäre. Nummer 22 im Profikader macht eigentlich für alle Beteiligten wenig Sinn, wenn man nicht komplett überzeugt ist, dass die Spieler auch reale Chancen haben, Spielpraxis in Pflichtspielen zu sammeln. Bei keinem der Spieler würde man diese Frage spontan mit einem uneingeschränkten Ja beantworten. Was vielleicht auch daran liegt, dass die U19 eine unerwartet schlechte Saison gespielt hat. Immerhin hat Kamil Wojtkowski bereits viel bei den Profis trainiert und war mit im Trainingslager im letzten Winter, verletzte sich zuletzt allerdings schwer.

Bei den sechs Namen wird schon die erste Problematik deutlich, die mit der Abmeldung der U23 einhergeht. Man hat relativ viele Spieler, für die man individuelle Lösungen finden muss, die für Verein und Akteure trag- und zukunftsfähig sind. Da dürfte dann viel über Leihen funktionieren, die aber auch dann in jedem Einzelfall gut passen und Spielzeiten wahrscheinlich erscheinen lassen müssen.

Zudem zeigt sich bei den sechs Spielern auch deutlich ein weiteres Problem des frühen Aussiebens und der frühen Elitenbildung. Man bevorzugt dabei Spieler, die in ihren Jahrgängen zu den älteren gehören und entsprechend in ihrer Entwicklung weiter und so im Vorteil sind. Gleich fünf der sechs Nachwuchsakteure wurden im ersten Quartal, also bis Ende März, ihres Jahrgangs geboren. Nur Paul Grauschopf fällt da mit einem Geburtsdatum im August etwas aus der Reihe.

Mit Julian Chabot und Ermedin Demirovic hat man zwei echte Kanten unter den U19-Akteuren, bei denen die Frage ist, wie weit sie die körperlichen Vorteile, die sie im Nachwuchsbereich hatten, auch im Profibereich tragen. Beide gehören zumindest zu den Talenten, bei den es viele Interessenten auch für eine feste Verpflichtung geben würde. Beide erfüllen aber auch die Local-Player-Regel und wären für RB Leipzig so von zusätzlichem Eigeninteresse. Aber während man bei Demirovic noch halbwegs Phantasie aufbringen könnte, wie er kurzfristig im Sturm bei den Profis ein Backup sein könnte, fällt das beim noch sehr unfertigen Julian Chabot in der Innenverteidigung angesichts von Konkurrenz und Anforderungen doch einigermaßen schwer.

Für Diawusie, Wojtkowski, Placheta und Grauschopf gilt auf unterschiedlichen Positionen und in unterschiedlicher Qualität, dass sie im Vergleich mit Chabot und Demirovic vielleicht die filigraneren Kicker sind, ihnen aber entsprechend auch noch ein Stück die Physis fehlt, um bei den Profis auf Einsatzzeit hoffen zu können.

Wenn man über U23 und U19 drüberguckt, dann hat man auf den ersten Blick (und es gibt Beobachter und natürlich Vereinsverantwortliche, die da wesentlich näher dran sind) insgesamt etwa zehn Kandidaten, die man eigentlich ungern komplett ziehen lassen würde. Weil sie durchaus aus heutiger Sicht am ehesten die Chance haben, sich zu einem Bundesligaprofi zu entwickeln. Es ist aber abgesehen von Palacios auch keiner dabei, den man per se an einem Punkt sehen würde, dass man ihn schon diesen Sommer in einen Bundesligakader setzt.

Während sich bei Palacios wohl am ehesten die Frage stellt, ob man ihn noch mal mit einer Vertragsverlängerung ausstattet (der aktuelle läuft 2018 aus) oder ob man ihn angesichts seiner 22 Jahre ganz ziehen lässt, läuft es bei den anderen neun Spielern (wenn man sich auf diesen Kandidatenkreis einigen kann) wohl auf die Frage nach einer Leihe hinaus (was dann auch beinhaltet, dass man erst mal entsprechende Verträge und Laufzeiten braucht, um sie verleihen zu können). Franke, Beiersdorf, Fechner, Diawusie, Chabot, Demirovic, Wojtkowski, Placheta und Grauschopf sind allesamt Spieler, die man eigentlich nicht zu einem so frühen Zeitpunkt der Entwicklung ganz verlieren will, sondern bei denen man erst noch mal ein, zwei Jahre abwarten müsste, wohin die Reise für sie geht.

Ob man ein, zwei Spieler aus dem Kandidatenkreis für reif genug hält, dass sie bereits jetzt zum Bundesliga-Kader gehören können, wird sich zeigen. Man möchte halt nur nicht wie bei einem Vitaly Janelt dabei zugucken müssen, wie sie sich woanders entwickeln, ohne dass man was davon hat (Janelt ist mit Kaufoption nach Bochum verliehen und bestreitet dort inzwischen Spiele in der Startelf). Das wäre nicht ganz der Sinn der Nachwuchsausbildung, die man sich so einiges kosten lässt, die aber bisher noch gar keinen Ertrag einbrachte. Nach der Abmeldung der U23 braucht man einige Kreativität, um die Spieler beim Übergang in den Männerbereich nicht ganz zu verlieren. Dieser Sommer wird schon mal ein guter Anhaltspunkt, wie man diese Dinge künftig so zu lösen gedenkt, dass damit den Talenten aber auch RB geholfen ist.

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Wo zieht es Talente wie Agyemang Diawusie künftig zum Ende ihrer U19-Zeit hin, wenn es die U23 nicht mehr gibt? | GEPA Pictures - Andreas Pranter
GEPA Pictures – Andreas Pranter

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3 Gedanken zu „Neue Kreativität gefragt“

  1. Eine sehr gute Übersicht der aktuellen Situation!
    Aber wie man es dreht und wendet, aus meiner laienhaften Sicht bleibt es ein Fehler, dass die U23 aufgelöst wird.

  2. Wenn man den Zeitungen glaubt löst man das Problem den BL Kader zu verstärken indem man nochmal 40 Mill.
    auf Pump investiert in 5 -7 Talente anderer Mannschaften.
    Nicht vergessen sollte man das inzwischen 7 oder 8 Spieler verliehen sind von denen 6 (Damari, Quaschner, Jung, Nukan, Kalmar?, Damari) wieder auf der Matte stehen werden.
    Dann hat man noch einige im Kader die sicher weg wollen.
    (Khedira, Gipson, Müller, Selke).
    Kaiser wird wohl seinen Vertrag aussitzen.
    Burke wird sich auch fragen was er in LE soll.

    Man hat also mit den von Dir angesprochenen Spielern die man halten sollte, neben dem jetzigen BL- Kader, an die 50 Akteure für die man Lösungen braucht.
    Oder eben bezahlen muss.
    Das ist deutlich zu viel.

    Deutlich wird dass immer mehr angefangen wird sich einen Kader international passend zusammen zu kaufen.
    Die 30 Mill. für das NLZ hätte man sich sparen können.
    Oder ein paar Nummern kleiner hätte da auch gereicht.

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