Mit Naby Keita, Timo Werner, Benno Schmitz und Marius Müller wurden bisher vier Neuzugänge verkündet. Zeit, sich nach den ersten Kadereinschätzungen mal wieder einen kleinen Überblick über den aktuellen Kader von RB Leipzig und seine sehr viel kleiner gewordenen Baustellen zu verschaffen. Dabei werden alle Spieler einbezogen, die derzeit über einen Vertrag in Leipzig verfügen, also auch zurückkehrende Leihspieler.
Tor: Peter Gulacsi (26), Fabio Coltorti (35), Marius Müller (22), (Benjamin Bellot, 25)
Die Planungen für die Torwartposition sind zumindest vorerst abgeschlossen. Peter Gulacsi und Fabio Coltorti haben sich medial schon positioniert, dass sie den Kampf um die Nummer 1 annehmen werden, sodass man derzeit davon ausgehen kann und ausgehen muss, dass man zusammen mit Neuzugang Marius Müller mit einem Dreikampf in die Saison geht.
Das ist durchaus eine ungewöhnliche Situation. Dass mal zwei Keeper um dem Platz im Tor kämpfen, ist nicht allzu selten. Keinen einzigen Torhüter im Kader zu haben, der mit einem Platz auf der Bank, geschweige denn auf der Tribüne gut leben kann, kommt dagegen fast nie vor.
Von daher findet Coach Ralph Hasenhüttl (so sich in den kommenden zwei Monaten nicht noch Änderungen ergeben) eine Situation vor, die er gut moderieren muss. In Ingolstadt hat er versucht zwei seiner Torhüter mit Spielzeit zu versorgen, um ihnen gerecht zu werden. Mal sehen, ob es dann in Leipzig drei Keeper werden, die Spielzeit bekommen, ohne dass dies auf Verletzungen der Konkurrenten zurückzuführen wäre.
Drei Keeper im Kampf um die Nummer 1, das spricht für sehr viel Breite bei der Besetzung der Torwartposition. Allerdings darf man auch festhalten, dass im Vergleich zur Vorsaison zumindest vom Personal her dem Kader kein Qualitätsgewinn hinzugefügt wurde (vielleicht kommt der ja aber auch durch den Konkurrenzkampf) und die Frage bleibt, inwiefern jeder einzelne der drei Keeper auf ordentlichem Bundesliganiveau konkurrenzfähig sein wird.
Was auf der Torwartposition noch fehlt, ist eine Lösung für Benjamin Bellot, der in Bezug auf den Bundesligakasten außen vor bleibt und bei dem sich die Frage stellt, ob er dem Regionalliga-Team weiter zur Verfügung steht oder ob er nach sieben Jahren RB Leipzig noch mal eine ganz andere Herausforderung sucht.
Außenverteidiger: Marcel Halstenberg (24), Lukas Klostermann (20), Benno Schmitz (21), Anthony Jung (24)
Die Außenverteidigerposition ist nur unter der Maßgabe fertig besetzt, dass Lukas Klostermann auch weiter Außenverteidiger bleibt. BILD und Mitteldeutsche Zeitung waren zuletzt der Meinung, dass Klostermann auch in die Innenverteidigung rutschen könnte bzw. dort eingeplant ist. Falls dem so sein sollte, fehlt natürlich noch ein Außenverteidiger.
Am linken Duo Halstenberg/Jung sollte allerdings nicht mehr zu rütteln sein. Eine vergleichsweise klare Nummer 1 auf dieser Position mit einem Halstenberg, der die Bundesliga auf jeden Fall sportlich drauf hat und einem Jung, der dem zumindest an guten Tagen wenig nachsteht.
Auf der rechten Seite wäre man mit Klostermann und Schmitz sehr, sehr jung besetzt. Sowohl Lukas Klostermann, als auch Benno Schmitz haben allerdings auch schon diverse Pflichtspiele im Männerbereich in den Knochen, kommen also nicht völlig unbeleckt in die Bundesliga. Inwiefern die Qualität, die beide mitbringen, für Bundesliga-Ansprüche reicht, müsste man abwarten.
Entwicklungspotenzial, um in die Rolle hineinzuwachsen, ist auf jeden Fall da. Und Angst müsste man auch nicht haben, wenn Klostermann als Stammrechtsverteidiger in die neue Saison geht.
Innenverteidiger: Marvin Compper (31), Willi Orban (23), Atinc Nukan (22)
Wenn man Klostermann nicht mitrechnet, hat RB Leipzig auf der Innenverteidigerposition (von Zusatzoptionen wie Ilsanker oder auch Jung abgesehen) bisher nur drei Spieler im Kader. Das ist natürlich zu wenig.
Man könnte diese Lücke aus dem eigenen Kader füllen und einen Lukas Klostermann hier als enge Option hinschieben, wenn man dafür noch eine Außenverteidigerverpflichtung (wie den gerüchtelten Toljan) in der Hinterhand hätte. Wäre halt für Lukas Klostermann unter Umständen eine schwierige Lösung. Denn, bedenkt man die vorhandenen Zweikampfprobleme bei Klostermann, die in der Vergangenheit auf der Innenverteidiger-Position noch deutlich stärker sichtbar wurden als auf der Außenverteidigerposition, dann wäre er gegen Orban erst mal recht deutlich hinten dran.
Ein Verschieben von Klostermann nach innen würde auch bedeuten, dass sich die individuelle Qualität in der Innenverteidigung nicht durch Kaderveränderungen verbessern würde (wenn man davon absieht, dass Klostermann dem Trio die bisher gelegentlich fehlende Geschwindigkeit beim Verteidigen in der Tiefe hinzufügen könnte), sondern man darauf setzt, dass Orban und Nukan den nächsten Schritt machen und Compper zumindest auf seinem hohen Niveau der vergangenenen Spielzeit bleibt.
Insgesamt keine Kaderbesetzung, bei der man tiefenentspannt in die Zukunft gucken möchte. Ein bisschen hätte man damit rechnen können oder wollen, dass auf der Position noch was passiert. Gerade auch weil Atinc Nukan in der vergangenen Saison so gar nicht zum Faktor wurde und hinter der Personalie diverse Fragezeichen hinsichtlich der näheren Zukunft stehen. Im Idealfall hätte man an einen Spieler gedacht, der nebenher auch noch den zentralen Sechser im defensiven Mittelfeld geben kann (wie beim gerüchtelten Dragovic).
Mittelfeld: Naby Keita (21), Stefan Ilsanker (27), Dominik Kaiser (27), Diego Demme (24), Massimo Bruno (22), Emil Forsberg (24), Rani Khedira (22), (Zsolt Kalmár, 21)
Hier werden die offensiven und defensiven Positionen im Mittelfeld mal zusammengeschmissen. Viel hängt bei der Besetzung natürlich auch vom künftigen RB-System ab, das noch eher unklar ist, aber auch so ergibt sich natürlich schon ein klares Bild.
Die Position des alleinigen Sechsers können von den vorhandenen Spielern im Kern Stefan Ilsanker und Rani Khedira besetzen. Als Notoptionen wären auch Demme, Kaiser oder Keita denkbar. Mit Betonung auf Not.
Ob man noch einen zentralen Sechser (wie den gehandelten Mario Lemina) braucht, wird vor allem davon abhängen, wie es mit Rani Khedira weitergeht. Nimmt man die Spielzeiten von letzter Saison als Maßstab, könnte für Khedira ein Jahr vor Auslaufen des Vertrags noch mal eine Luftveränderung anstehen. Khedira könnte allerdings auch geneigt sein, sich in Leipzig durchsetzen zu wollen.
Die Position des zweiten Sechsers können bei RB Leipzig (neben der nicht idealen Variante der Doppelsechs Ilsanker/Khedira) Diego Demme, Dominik Kaiser und auch Naby Keita sehr gut ausfüllen. Diesbezüglich besteht im RB-Kader wenig Bedarf noch mal auf dem Transfermarkt tätig zu werden.
Falls Ralph Hasenhüttl ein wenig auf sein in Ingolstadt gern genommenes System mit einem Sechser und zwei Achtern zurückgreifen will, dann hätte er vor allem mit Keita, Kaiser und Demme auf der Acht die optimale Besetzung. Aber auch Forsberg und Bruno sind dort als sehr offensive Varianten denkbar. Wenn sie denn vernünftig gegen den Ball mitarbeiten.
Die Zehner-Position können in der zentralen Version Keita, Kaiser, Bruno und wohl auch Forsberg spielen. Wenn man an die äußeren zwei Zehner, wie sie in der abgelaufenen Spielzeit oft genutzt wurden, denkt, dann bleiben wohl vor allem Forsberg, Kaiser und Bruno übrig. Oder wenn man sie mit Stürmern besetzten will auch Sabitzer, Poulsen oder Werner.
Insgesamt hat man eigentlich für alle denkbaren Mittelfeldvarianten Lösungen im aktuellen Kader. Veränderungen sind vor allem dann denkbar, wenn man nicht mehr mit Khedira plant. Zsolt Kalmár wiederum, der formell von seiner Leihe zum FSV Frankfurt zurückkehrt, sollte sich im Sinne seiner eigenen Entwicklung im besten Fall noch mal einen Zweitligaverein suchen, um dort Spielzeit zu ergattern.
Sturm: Yussuf Poulsen (22), Davie Selke (21), Marcel Sabitzer (22), Timo Werner (20), Terrence Boyd (25), Nils Quaschner, 22, (Omer Damari, 27)
Auch beim Sturm wird viel davon abhängen, mit welcher Formation RB Leipzig am Ende auflaufen wird. Davie Selke ist wohl nur als zentrale Spitze in einem Dreistürmer- oder Einstürmersystem denkbar. Das gilt für Terrence Boyd genauso, mit dem man allerdings nach eineinhalb Jahren Verletzung für die Saison nicht unbedingt planen kann. Vielleicht schafft er den Anschluss, dann wäre er eine Art gefühlter Neuzugang. Vielleicht reicht es nur für Einsätze in der Regionalliga. Was für Boyd nach der Horrorzeit schon das Fußballkönigreich wäre.
Sabitzer und Werner sind Spieler, die sehr gut als zweite, etwas hängende Spitze auflaufen können, ihre Stärke nicht unbedingt in einer Selke-Rolle haben und alternativ auch auf den Flügeln stürmen bzw. die äußeren Zehner in einem 4-2-2-2 besetzen könnten. Yussuf Poulsen wiederum wäre als zentrale Spitze wie Selke oder auf der Außenbahn gut aufgehoben.
Wenn man an eine Dreistürmerlösung denkt, dann ist man mit im Kern vier Stürmern eher dünn aufgestellt. Was auch erklärbar macht, warum man dem Kade einen Embolo, der auch als zweite Spitze oder außen hätte stürmen können, hinzufügen wollte. Wäre jetzt nicht unlogisch, wenn man nach einer neuen Lösung für die Position sucht. Auf der anderen Seite muss man ja auch noch einen Emil Forsberg irgendwo unterbringen und in einem 4-3-3 mit zwei Achtern wäre Forsberg wohl als Teil des Dreiersturms wesentlich besser aufgehoben als auf der Acht.
Zudem steht auch noch die Personalie Nils Quaschner im Raum. Nach sehr wenigen Einsatzzeiten in der abgelaufenen Saison wäre man eigentlich davon ausgegangen, dass er in der kommenden Saison zumindest verliehen wird, um seiner Entwicklung nicht im Weg zu stehen. Falls man nach dem vorläufigen Platzen einer Embolo-Verpflichtung nicht mehr weiter den Offensivmarkt abgrast, würde man Quaschner wohl eher nicht ziehen lassen und hätte eine weitere Option eines Stürmers, der außen oder innen spielen kann. Wenn ein weiterer Stürmer kommt, wäre Quaschner wohl allerdings sicher weg.
Eine Lösung braucht man schließlich auch für Omer Damari (kehrt von seiner Leihe nach Salzburg zurück), mit dem man in Leipzig nicht mehr plant und dessen ordentliche Millionenablöse, die Rangnick einst bezahlte, man wohl abschreiben kann. Vertrag hat Damari noch bis 2018, weswegen auch eine erneute Leihe denkbar wäre. Qualitäten hat Damari als spielender Stürmer mit viel Überblick und Blick für die Mitspieler auch. Nur als Goalgetter sollte man ihn nicht verpflichten wollen.
Rechnet man die (aus unterschiedlichen Gründen) Fragezeichen Khedira, Quaschner und Boyd mit, aber Kalmár und Damari, die für die Profis in der kommenden Saison keine Rolle spielen werden, nicht, dann kommt man aktuell auf die immer formulierte Optimalzahl von 20 Feldspielern (bzw. 19 plus der uneinschätzbare Boyd), zu denen dann noch zwei, drei regelmäßig mittrainierende Talente dazukommen.
Gebraucht wird definitiv noch ein Defensivspieler, egal ob das dann ein Innenverteidiger oder ein Rechtsverteidiger wird. Und alles was darüber hinausgeht, wären Zugaben und wohl verbunden mit Abgängen anderer Spieler. Denkbar wären dann noch ein Spieler, der die alleinige Sechs spielen kann, was einen Khedira-Abgang nahelegen würde. Denkbar wäre auch ein Stürmer, der außen, aber im Fall der Fälle auch innen spielen kann. Das wäre dann für Quaschner das endgültige Signal, viel zu weit von Einsatzzeiten weg zu sein.
Bedenkt man, dass vor zwei Wochen in Sachen Neuzugängen noch gar nichts los war rund um RB Leipzig, ist man inzwischen schon relativ weit in der Kaderplanung. Irgendwas zwischen einem und drei weiteren Neuzugängen ist realistisch. Mal abgesehen davon, ob sich später Richtung Ende der Transferperiode vielleicht noch Schnäppchen ergeben oder vielleich eine langfristige Verletzung mit einem zusätzlichen, kurzfristigen Transfer ausgeglichen wird.
Neben ein bis drei Neuzugängen muss sich Ralf Rangnick vor allem auch darum kümmern, Spieler abzugeben. Gerade bei Damari dürfte es schwer sein, ein Ziel zu finden, der den Stürmer auch nur halbwegs mit dessen Gehalt übernimmt. Mit Bellot, Kalmár und (je nachdem wie die Transferperiode weitergeht) eventuell Quaschner oder Khedira gibt es zudem auch noch andere Spieler, für die man Lösungen finden müsste.
Insgesamt kein Hexenwerk mehr, das man vollbringen muss, um den Kader für die kommende Saison zusammenzukriegen. Vor einem Jahr hat man diesbezüglich gut gearbeitet und den Kader von vielen Altlasten befreit. Davon profitiert Ralf Rangnick in diesem Sommer arbeitstechnisch durchaus.