Kaderschmiede RB Leipzig 2016

Ein Spiel noch bis zur Winterpause, in der dann ab dem 01.01.2016 die Transferperiode II, wie es im Fußballbeamtendeutsch so schön heißt, beginnt. Also jene Zeit beginnt, die den ganzen Januar dauert und in der noch mal Spieler von A nach B wechseln und Millionen verbrannt oder auch gut angelegt werden können.

Bei RB Leipzig hieß es in den letzten Wochen in Bezug auf die kommende Winterpause immer, dass man es eher ruhig angehen wird und gar nicht wirklich Neuzugänge plane. Nun ja, rund um den RasenBallsport mag man viele Sachen glauben. Dass eine ganze Wintertransferperiode lang kein Neuzugang zu verzeichnen ist, gehört aber ziemlich gewiss nicht dazu. Auch wenn es nicht immer so spektakulär zugehen mag wie letzte Saison, als man für Damari und Forsberg im Winter mal eben 10 Millionen Euro auf den Tisch legte.

Wie sehr man sich um Zugänge bemüht, wird auch davon abhängen, wie viele Spieler im Winter Bedarf anmelden, ihre unbefriedigende Situation im Kader gegen einen Spielzeit woanders einzutauschen. Faustformel dafür, ist das untere Drittel in der Liste der Einsatzzeiten abzuklappern.

Wo mit Stefan Hierländer einer steht, dessen Abgangsgelüste seit ein paar Wochen offiziell sind (sowieso läuft sein Vertrag nur noch bis zum Sommer). Bei Zsolt Kalmár könnte langsam eine Leihe anstehen. Gerade mal 70 Zweitligaminuten sind für den Ungarn gerade im Hinblick auf eine mögliche EM-Nominierung nächsten Sommer viel zu wenig. Ken Gipson passt mit seinen 19 Jahren einsatzzeitentechnisch noch genauso gut in die U23 wie Patrick Strauß. Nils Quaschner dürfte mit nur 150 Zweitligaminuten nicht ganz zufrieden sein, aber nach einem halben Jahr in Leipzig wird er die Flinte noch nicht ins Korn werfen.

Tim Sebastian dürfte als fünftes Rad am Innenverteidigerwagen auch nicht sonderlich zufrieden sein. Dass es mit einer Vertragsverlängerung über Einsätze noch was wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Von den verbleibenden 16 Zweitligapartien müsste er in 13 auflaufen, um eine automatische Verlängerung seines Arbeitspapiers um ein weiteres Jahr zu erreichen. Bedeutet das, dass sich Sebastian schon im Winter neu orientieren will? Unwahrscheinlich. Ähnliches gilt für Rani Khedira, der mit seinem Sturz vom Stammspieler zum Ergänzungsspieler absolut nicht zufrieden sein kann, aber für den ein Absprungwunsch auch noch mindestens ein halbes Jahr zu früh kommen dürfte.

Macht nicht allzu viele ernsthafte Abgangskandidaten für den Winter. Hierländer, Kalmár und mit größeren Abstrichen Khedira. Vielleicht ja auch noch ein Georg Teigl, dessen Vertrag im Sommer ausläuft. Falls man ihm einen weiteren Konkurrenten vor die Nase setzt, könnte seine Lust auf ein Minimum schwinden. Was natürlich für andere Positionen auch gilt, dass ein Neuzugang mit großen Qualitäten noch mal Wirbel in die Sache bringen könnte.

Wenig Veränderungsbedarf gibt es auf der Torhüterposition. Falls man dort das große Neuzugangsrad drehen möchte, dann kriegt man entsprechende Kandidaten sicherlich nicht vor einem feststehenden Bundesligaaufstieg nach Leipzig. Mit Coltorti, Gulacsi und Bellot ist man für die zweite Liga und für den Aufstiegskampf sehr gut aufgestellt.

In der Innenverteidigung hat man mit Orban, Nukan, Compper und Sebastian ein gutes Quartett und mit Klostermann noch einen in der Hinterhand. Ist halt die Frage, wie Rangnick mittelfristig plant. Falls Klostermann weiter als Außenverteidiger gesehen wird und Sebastian im Sommer wegfällt, wird eine Position hinter Orban frei. Keine Position, die akut zu besetzen wäre, aber eine um die man sich zumindest perspektivisch kümmern muss.

Auf den Außenverteidigerpositionen hat man links das Duo Halstenberg/ Jung. Das dürfte ziemlich sicher nicht in Frage stehen, zumal man im Nachwuchs (z.B. mit Dominik Franke) Spieler hat, die in diese Position reinwachsen können. Rechts hinten sieht es schon eher nach Baustelle aus. Klostermann ist dort aktuell gesetzt. Teigl wird es schwer haben, eine Verlängerung seines Vertrages über den Sommer hinaus zu kriegen. Und Gipson ist zwar ein Talent, wie schnell er aber auf das Niveau eines Zweitligaspitzenaußenverteidigers und potenziellen Bundesligaaußenverteidigers kommt, ist ziemlich offen. Da könnte man sich durchaus perspektivische Verstärkung schon im Winter vorstellen.

Im zentralen, eher defensiven Mittelfeld ist man mit Stefan Ilsanker, Diego Demme, Rani Khedira und im Fall der Fälle auch Dominik Kaiser eigentlich ganz gut besetzt. Eigentlich, denn wenn man genauer hinschaut, dann kann man aus diesen Kadermöglichkeiten kaum eine Doppelsechs bilden, die auch eine größere Hilfe für das Offensivspiel sein kann. Stefan Ilsanker ist ein hervorragender Balleroberer und Nach-vorn-Verteidiger und hat dadurch auch schon einige Tore eingeleitet. Abgesehen davon kann bis auf Kaiser, der normal weiter vorn eingeplant ist, keiner mit großartiger Beteiligung an Offensivaktionen glänzen. Da fehlt ein wenig von der Dynamik, die ein Reinhold Yabo oder ein Valon Berisha bspw. in ihren guten Zeiten in Karlsruhe oder Salzburg hatten oder die ein Naby Keita (wenn man in Salzburg bleiben will) hat.

Gut vorstellbar, dass auf die Probleme in Sachen Offensivgeist und Dynamik noch mal auf dem Transfermarkt mit der Verpflichtung eines Spielers, der eher Achter denn Sechser ist, reagiert wird. Was natürlich dann auch bedeuten würde, dass Spieler wie Khedira oder Demme ihre Perspektiven nochmal neu bewerten müssen. Bei einem Diego Demme, der schon zu Beginn der Saison wenig amüsiert auf der Bank Platz nahm und sich dann durch sehr gute Leistungen einen Platz im Team erkämpfte, zuletzt aber (auch formationsbedingt) wieder Richtung Bank rutschte, wüsste man nicht, ob er eine Herabstufung in der Kaderhierarchie hinnehmbar finden würde. Was wohl vor allem Richtung Sommer das Nachdenken über einen Wechsel mit sich bringen würde. Khedira ist zudem vereinsseits als direkter Backup von Ilsanker schwer zu ersetzen und würde es selbst bei Wechselwunsch eher schwer haben, dass man ihn gehen lässt.

In der Offensivreihe hat man aktuell mit Forsberg, Sabitzer, Kaiser, Bruno und Kalmár für zwei bis drei Positionen sehr viel Qualität im Kader. Trotzdem gut vorstellbar, dass ein Kalmár wegen mangelnder Spielpraxis Leihgelüste hat und sich RB Leipzig dafür noch mal einen etwas anderen Spielertyp der Marke schneller, direkter Spieler für die Außenbahn holt.

Bliebe noch der Sturm, in dem aktuell Selke, Poulsen, Quaschner und auch Sabitzer spielen können. Wenn Terrence Boyd noch mal zurückkommen sollte, wäre das schön, darauf setzen sollte man nicht unbedingt, schon gar nicht für die aktuelle Rückrunde. Aber auch ohne Boyd ist der Sturm mit so hoher Qualität besetzt, dass es schwer vermittelbar scheint, abseits von einem ganz jungen Perspektivspieler dort noch jemanden in den direkten Konkurrenzkampf zu schmeißen.

Nimmt man alles zusammen, dann ist der akute Bedarf an Neuzugängen eher gering. Die meisten Positionen sind relativ gut und doppelt besetzt. Falls man den Transfermarkt abgrast, dann vielleicht auf der Suche nach einem Rechtsverteidiger, einem Sechser, der eher dynamischer Achter ist und einen besseren Einfluss auf die Offensivabläufe hat oder im Falle einer Kalmár-Leihe auch einem Offensivspieler zwischen Zehn und Außenbahn. Dahinter zurück bliebe ein möglicher Zukunftstransfer auf der Innenverteidigerposition.

Wenn man die erstmals nach Leipzig gekommenen Leihspieler Bruno und Sabitzer mit zu den Neuzugängen rechnet, dann haben sich diese Saison fünf von zehn Sommerneuzugängen sofort einen Stammplatz bei RB Leizpig erkämpfen können. Sabitzer, Orban, Ilsanker, Selke und Halstenberg. Auch Bruno hat fast die Hälfte aller Spielzeit und damit mehr als Yussuf Poulsen bestritten, war aber in den letzten Wochen meist nur zweite Wahl.

Atinc Nukan hätte wohl einen Stammplatz gehabt, wenn er sich zwischendurch nicht länger verletzt hätte. Lediglich der sehr junge Gipson, Sturmbackup Quaschner und der zweite Torwart Gulacsi sind in Sachen Einsatzzeit noch nicht verwöhnt worden. Das ist im Vergleich mit den Vorjahren eine recht gute Erfolgsquote in Sachen Transfers. Wobei man natürlich auch sehr hohe individuelle Qualität verpflichtet hat, von der man durchaus erwarten durfte, dass sie auch einschlägt.

In den vergangenen Wintertransferperioden hatte RB Leipzig meist zumindest einen Spieler dabei, der auch auf Dauer einschlagen konnte, wenn man an einen Thiago Rockenbach oder einen Niklas Hoheneder oder einen Diego Demme oder einen Emil Forsberg denkt. Insgesamt war aber gerade die letzte Wintertransferperiode eine überschaubar gute, die mit Damari, Reyna und Rodnei (aus unterschiedlichen Gründen) nicht so richtig gut funktioniert hat.

Damals hatte man sich intern noch mal verstärkt das Ziel Aufstieg mit viel neuer Offensivpower gesetzt und mit Reyna und Rodnei eher Alibitransfers aus der Not heraus getätigt. In dieser Saison werden Verzweiflungstransfers bei einem funktionierenden Kader und einer sehr guten Tabellensituation und Ausgangslage für den Aufstiegskampf nicht nötig sein. Weswegen eventuelle Transfers vermutlich eher Qualitätstransfers und ganz gezielte Verstärkungen sein werden. Vielleicht Verstärkungen, denen man ein paar Wochen bis zu einem halben Jahr Anpassungszeit zubilligt, aber ein 29jähriger neuer Rodnei, der den Kader auffüllt, wird nicht dabei sein.

Fazit: Es wird in diesem Winter sicherlich keine extrem umfangreiche Transferperiode bei RB Leipzig geben. Die großen Kaderumwälzungen hat man vor der Saison erledigt und es gibt keine ganz akuten Baustellen im aktuellen Kader. Trotzdem wird man im Hinblick auf einen möglichen Aufstieg in die Bundesliga schon jetzt gucken, an welchen Stellschrauben man drehen muss, um nächsten Sommer nicht große Teile des Teams auf Erstligareife umbauen zu müssen. Rechtsverteidigerposition, irgendwas zwischen Sechser und Achter und vielleicht ein Offensivspieler fallen da am ehesten ins Auge. Perspektivspieler für andere Positionen wie die Innenverteidigung und den Sturm sind natürlich auch immer denkbar. Fraglich dabei, inwieweit man im Hintergrund bereits den einen oder anderen Nachwuchsspieler von Fechner über Touré bis hin zu Diawusie im Auge hat, perspektivisch Rollen im Kader einzunehmen, was ja auch Einfluss auf die externe Transferpolitik hätte.

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Der aktuelle Kader (Liste wird beständig aktualisiert. Spieler, die den Verein – und sei es per Leihe – verlassen, werden durchgestrichen. Neuzugänge werden kursiv dargestellt.)

  • Tor: Fabio Coltorti, Peter Gulacsi, Benjamin Bellot
  • Außenverteidiger: Marcel Halstenberg, Lukas Klostermann, Georg Teigl, Anthony Jung, Ken Gipson
  • Innenverteidiger: Willi Orban, Atinc Nukan, Marvin Compper, Tim Sebastian
  • Mittelfeld defensiv: Stefan Ilsanker, Diego Demme, Rani Khedira, John-Patrick Strauß, Stefan Hierländer
  • Mittelfeld offensiv: Emil Forsberg, Marcel Sabitzer, Dominik Kaiser, Massimo Bruno, Zsolt Kalmár
  • Sturm: Davie Selke, Yussuf Poulsen, Nils Quaschner, Terrence Boyd

Ein Gedanke zu „Kaderschmiede RB Leipzig 2016“

  1. Sehr gute Analyse!
    In der PK hat ja Ralf auch eindeutig “Nein” gesagt, ob es notwendig ist im Winter neue Spieler zu kaufen.
    Bei Tim Sebastian habe ich die Hoffnung, das er in irgendeiner Form dem Verein erhalten bleiben kann. Falls Kalmar und Hierländer gehen/verliehen werden, dann hat man doch in Belek die Gelegenheit sich aus dem Nachwuchs “zu bedienen”.

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