Jedes Jahr werden bei RB Leipzig die Local Player ausgewürfelt. Eine Regel, die für die Bundesliga gar nicht extrem relevant ist und die besagt, dass man vier Spieler als Profis beschäftigen muss, die zwischen 15 und 21 für mindestens drei Jahre im eigenen Verein ausgebildet wurden (plus weitere vier Spieler, die irgendwo in Deutschland ausgebildet wurden, aber diesen Teil der Regel vernachlässigen wir mal, auch wenn der RB-Kader auch diesbezüglich langsam sehr dünn besetzt ist).
Inzwischen ist das mit den selbstausgebildeten Profis bei RB Leipzig gar keine ganz triviale Geschichte mehr. Denn im eigentlichen Profibereich gibt es keinen einzigen Spieler, der diese Regel erfüllt. Es gab mal Zeiten, in denen die Local Player dann einfach aus der U23 kamen und entsprechend Profiverträge erhielten. Da auch dieses Team inzwischen nicht mehr existiert, bleiben dann als potenzielle Spieler für die Rolle des Local Players nur noch Akteure aus der eigenen U19 übrig, die allerdings mindestens 18 Jahre alt sein müssen, weil sie vorher noch keinen Profivertrag unterzeichnen dürfen (bzw. der Profivertrag erst mit dem 18. Geburtstag wirksam werden würde). Was dann die Auswahl noch mal deutlich beschränkt.
Während zu Zeiten einer existierenden U23 noch Spieler wie Alexander Sorge oder Sören Reddemann oder Patrick Strauß die ab der zweiten Liga aufwärts geltende Local-Player-Regel über mehr als ein Jahr lang ausfüllten und entsprechend zumindest ein wenig Konstanz zu entdecken war, wurde aus der Erfüllung der Regel seit einem Jahr und seit der Abmeldung der U23 eher ein wildes Würfelspiel, bei dem pro forma vier Nachwuchsspieler mit Verträgen ausgestattet werden, die dann eben für ein Jahr die Local Player sind, bis dann die nächsten vier Spieler dran sind.
Zu Saisonbeginn 18 Jahre alt sein bedeutet, dass man ins letzte Jahr bei der U19 geht. Das ist in Leipzig de facto gleichbedeutend mit dem letzten Jahr bei RB. Entsprechend sind alle vier Local Player der Vorsaison schon weg. Kilian Senkbeil und Mert Yilmaz sind jetzt bei der U23 der Bayern, Marc Dauter bei der U23 von Hannover 96 und Dominic Minz ist noch vereinslos, tauchte aber zuletzt bei einem Testspiel von Union Fürstenwalde auf (die Karrieren zeigen auch, dass Local Player sein, nicht automatisch bedeutet, auch sportlich das Potenzial für die Bundesliga zu haben).
Bei den Local Playern der kommenden Saison kann man davon ausgehen, dass ihre Wege ähnlich denen ihrer Vorgänger verlaufen werden. Dass Nico Böhme, Naod Mekonnen oder Lukas Krüger in einem Jahr zu Bundesliga-Profis reifen, ist eher unwahrscheinlich. Bei Keeper Julian Krahl wäre vom Leistungsstand her zumindest ein längeres Leihmodell denkbar, aber RB und junge Torhüter, das ist noch mal eine ganz eigene Geschichte.
Egal wie, für die Bundesliga ist die Sache mit den Local Playern relativ egal, weil sie nur vor der Saison auf dem Papier, aber nicht an den Spieltagen im Kader stehen müssen. Entsprechend hat man diese lokal ausgebildeten Spieler und lässt sie aber für die U19 kicken (oder früher halt für die U23). Ist zwar vergleichsweise mühselig, jedes Jahr vier neue solcher Spieler zu suchen, aber es gibt vermutlich schlimmeres.
In den vergangenen vier Spielzeiten seit dem Aufstieg in die zweite Liga war jedenfalls Benjamin Bellot der einzige Local Player, der überhaupt im Profi-Team Spielzeit bekam. Und das auch nur in der ersten Zweitligasaison. Und Bellot erfüllte die Regel sowieso nur ganz knapp (wurde 19 kurz nach Beginn der ersten Saison bei RB) und spielte überhaupt nie in der U19, weil er dafür bei seinem innerstädtischen Wechsel vom FC Sachsen zu RB schon zu alt war.
Problematisch wird dieses Local-Player-Zeug halt in europäischen Wettbewerben. Denn dort nehmen diese vier Eigengewächse feste Plätze in einem maximal 25 Spieler umfassenden Kader ein, der der UEFA gemeldet werden muss. Kein einziger Spieler aus dem eigentlichen Profikader erfüllt die Regel, sodass hier die Pro-Forma-Kräfte Böhme, Mekonnen, Krüger oder Krahl halt die Regelplätze besetzen oder die Plätze alternativ leer bleiben (was auch möglich wäre) und sich die Zahl der Spieler, die man melden darf, entsprechend verringert.
Das zeigt auch eines der Probleme der Fokussierung in der RB-Nachwuchsarbeit auf Toptoptop-Talente, weil man darüber keine Basis schafft, sich vielleicht auch mal Spieler für die Plätze 17 bis 19 im Kader heranzuziehen. Spieler, die gleichzeitig Regularien erfüllen, aber trotzdem auch über eine Rolle als Kaderleiche hinauskommen. Bei Elias Abouchabaka hätte man gedacht, dass er eventuell in eine solche Rolle zumindest ansatzweise schlüpfen könnte (eng an den Profis dran, aber hauptsächlich Spielzeit bei der U19; schon seit drei Jahren im Verein und deswegen dank Profivertrag ein potenzieller Local Player), aber er soll sich nun zwei Jahre lang leihweise in der zweiten Liga bei der SpVgg Greuther Fürth entwickeln (wo er am ersten Spieltag über einen Platz auf der Bank nicht hinaus kam).
Weil man sich bei RB Leipzig mindestens einen 20er-Kader plus Torhüter zusammenbasteln wird, aber (jenseits der Kaderleichen-Nachwuchskräfte, die formal eine Regel erfüllen) in diesem Kader keine Local Player sind, darf man dann schon mal für eine eventuelle Gruppenphase der Europa League auswürfeln, wer für den Wettbewerb gemeldet wird. Zieht man von den 25 möglichen Plätzen die vier Pro-Forma-Regelerfüller ab, dann bleiben noch 21 Plätze für die Profis.
Mindestens 23 Spieler im Kader (und Bruno und Nukan sind da noch nicht mal mitgezählt), maximal 21 verfügbare Plätze. Da kann man schnell abzählen, wie viele von vornherein um die Doppelbelastung Europa/ Bundesliga herumkommen würden. Wahrscheinlich auch, dass einer der Torhüter allererster Streichkandidat ist (weil man mit Julian Krahl einen dritten Torhüter hätte, der als Local Player (oder über eine zusätzliche Liste ausschließlich mit maximal 21-jährigen Nachwuchsspielern, die mindestens zwei Jahre bei RB sind) gemeldet werden kann und keinen Profi-Kaderplatz verschwendet). Vermutlich wäre keiner der drei Profi-Keeper sehr begeistert, wenn er aus einer eventuellen Europa-League-Gruppenphase gestrichen werden würde..
Aber das ist nur Zukunftsmusik, weil bis zu diesem Punkt noch zwei Europa-League-Quali-Runden gespielt werden müssen und die derzeitige Ausfalllage bei RB da noch keine Schwierigkeiten bei der Erfüllung von Kaderanforderungen macht. Aktuell vor allem interessant, dass die Spieler, die die Local-Player-Regel erfüllen, noch stärker als in der Vergangenheit nur Akteure sind, die den Verbandsformalien Rechnung tragen. Damit ist ein ganz gutes Jahreseinkommen verbunden, da haben dann auch die Spieler was davon. Für den Verein kann es allerdings eben auch in Sachen Spieltags- und Saisonplanung durchaus nicht unproblematisch sein, wenn die geforderten Local Player keine echte Profirolle ausfüllen.
Interessant dabei auch ein Spieler wie Niclas Stierlin, der von Ralf Rangnick zumindest körperlich als einer gesehen wurde, der auf dem Niveau der Profis bereits mithalten kann. Damit wäre er einer der wenigen der Nachwuchsakteure, denen man Chancen nach oben zurechnen kann. Dass Stierlin mit seinen 18 Jahren schon einen Profivertrag über zwei Jahre in der Tasche hat, passt da gut ins Bild. Auch gut ins Bild passt, dass Stierlin weit davon entfernt ist, ein Local Player zu sein. Denn der Mittelfeldmann kam erst vor einem Jahr aus Kaiserslautern und würde also entsprechend erst in zwei Jahren zu einem lokal ausgebildeten Spieler werden.
Für die Spiele gegen Häcken und gegen Craiova rutschte er aufgrund der Ausfallsituation noch in den Kader, der der UEFA gemeldet wurde. Sobald alle Spieler zurück sind und vor allem die avisierten Neuzugänge eingetütet wurden, dürfte Stierlin recht schnell aus dem Europapokalkader rutschen (so RB weiterkommt und einen weiteren Europapokal-Kader für die Playoffs oder später für die Gruppenphase melden muss). Da er erst ein Jahr in Leipzig ist, kann er auch nicht über die Nachwuchsliste nachrutschen (genausowenig man einen Upamecano oder Konaté einfach über die Nachliste melden und Platz auf der Profiliste schaffen könnte). Schade für ein Talent wie Stierlin (und das gilt ja auch für andere Talente wie Noah Holm), dann so komplett rauszurutschen, aber der Kader von RB Leipzig, der komplett mit externen Spielern zusammengestellt wurde, führt halt genau zu solchen Problemen.
Sind natürlich alles nur Petitessen, aber interessant ist es dann doch, dass Verbandsvorgaben zur Integration von Nachwuchsspielern nicht viel nach sich ziehen, außer deren formaler Erfüllung. Da ist natürlich RB Leipzig kein Einzelfall und es hat natürlich auch viel mit dem Niveau zu tun, das man braucht, um bei einem auf die Champions League schielenden Verein wie RB Leipzig Fuß zu fassen, aber dass ein Verein, der so viel in den Nachwuchs investiert, über die Jahre nicht mal einen Spieler hervorgebracht hat, der die Local-Player-Regelung nicht nur formal erfüllt, sondern seinen Profivertrag auch mit Profileben füllt, bleibt halt erstauntlich. Und hat in der Kaderplanung für europäische Wettbewerbe eben auch seine Tücken.
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Die Local Player bei RB Leipzig in den Spielzeiten seit dem Aufstieg in die zweite Liga. In Klammern jeweils der aktuelle Verein.
- 2014/2015: Benjamin Bellot (Bröndby IF), Sören Reddemann (SV Wehen Wiesbaden), Alexander Sorge (nach Verletzung vereinslos, trainiert weiter beim FSV Zwickau mit), Alexander Siebeck (Karlsruher SC)
- 2015/2016: Benjamin Bellot (Bröndby IF), Patrick Strauß (Erzgebirge Aue), Sören Reddemann (SV Wehen Wiesbaden), Alexander Sorge (nach Verletzung vereinslos, trainiert weiter beim FSV Zwickau mit), Alexander Siebeck (Karlsruher SC)
- 2016/2017: Benjamin Bellot (Bröndby IF), Patrick Strauß (Erzgebirge Aue), Sören Reddemann (SV Wehen Wiesbaden), Alexander Siebeck (Karlsruher SC)
- 2017/2018: Kilian Senkbeil (Bayern München II), Marc Dauter (Hannover 96 II), Dominik Minz (vereinslos) und Mert Yilmaz (Bayern München II)
- 2018/2019: Nico Böhme, Julian Krahl, Naod Mekonnen sowie Lukas Krüger (alle RB-U19)
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Die Entwicklung mal bitte im Vergleich der Nachwugsentwicklung aller anderen Bundesligisten “mit Name u. Hausnummer” veröffentlichen…
Die U23 abzuschaffen, ja ich nie verstanden. Es ist doch gut, junge Spieler weiterzuentwickeln und in der U23 sind dann gereifte Talente vielleicht auch dabei.