Die Argumentation hätte auch vor drei Jahren gelten könne. Stellen Sie sich mal vor, wir wären damals mit der Truppe nicht aufgestiegen. Ich meine gar nicht so sehr Sie in der Runde. Ich halte Sie zumindest für Journalisten, die es grundsätzlich gut mit uns meinen und die auch wollen, dass Leipzig auch in Zukunft erfolgreich spielt. Aber überregional gibt es ja noch ein paar andere, die sich damals ins Fäustchen gelacht hätten. (Ralf Rangnick bei seiner Antritts-PK am 09.07.2018)
Mit seiner Aussage antwortete der Sportdirektor und Trainer von RB Leipzig auf die Frage, warum man sich gegen eine Konstellation mit einem Trainerteam mit einem gleichberechtigten Chef-Trainer Jesse Marsch entschieden habe. Mit seiner Antwort wollte Rangnick darauf hinaus, dass eine solche Konstellation auch wegen des medialen Drucks verantwortungslos gewesen wäre, weil alle Beteiligten einen klaren Plan bräuchten, wer die Verantwortung trägt, weil einem die Konstellation (zum Beispiel in Form von Schadenfreude bei Misserfolg) sonst um die Ohren fliegt.
Mal von den Fragen abgesehen, wie funktionabel gleichberechtigte Trainerteams sind und ob ein Jesse Marsch auch in Bezug auf die Medienarbeit den Posten als Chef-Trainer bei RB Leipzig hätte ausfüllen können, scheint durch die Anwort mal wieder eine interessante Sicht auf die Rolle der Presse rund um RB durch.
Alexander Zorniger hatte einst in seiner späten Phase bei RB noch über die lokale Presse geklagt und ihr eine Rolle zugewiesen, in der sie quasi in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit den Fans und mit dem Verein am Erfolg des Klubs arbeiten soll, indem man Polarisierungen vermeidet und weniger aufgeregt berichtet.
Dieser Vorwurf, das die lokale Presse hinderlich für sportlichen Erfolg sei, ging schon damals relativ ins Leere, weil Alexander Zorniger in Leipzig eigentlich ein tatsächlich sehr wohlwollendes Presseumfeld hatte. Trotzdem bleibt natürlich die Frage, welche Rolle lokaler Sportjournalismus irgendwo zwischen kritischer Distanz und patriotischer Fanboy-Brille spielen soll und spielen kann. Die entsprechenden Fragen wurden hier im Blog schon damals bei Zornigers Aussagen thematisiert. Entsprechend soll das hier nicht noch mal aufgerollt werden.
Interessant aber, dass Ralf Rangnick quasi mit ähnlicher Schlagrichtung wie einst Zorniger die lokalen Sportjounalisten als treue Klubbegleiter und Quasiunterstützer lobt. Auch Rangnick sieht die Lokaljournalisten (bzw. jene Journalisten, die regelmäßig über RB berichten und vergleichsweise nah am Klub dran sind) als Vertreter mit einem Interesse, das wie jenes von RB in sportlichem Erfolg und Vorankommen des Vereins besteht. Im Gegensatz zu Zorniger sieht der Sportdirektor diese Vorstellung von der Zunft aber als erfüllt an (was zumindest für den einen oder die andere der gemeinten JournalistInnen eher befremdlich sein dürfte), während Zorniger es ja eben kritisierte, dass diese Vorstellung sich nicht erfüllt.
Gehen wir mal von der anderen Seite heran, dann ist es natürlich nachvollziehbar, wenn beispielsweise ein Guido Schäfer, der Leipziger Vereine schon versuchte in den Profifußball zu schreiben, als noch niemand über RB überhaupt nur ansatzweise sprach oder nachdachte, lieber nach München oder Neapel fährt als nach Torgelow oder Halberstadt und nun auch mal die Chance kriegt, in überregionalen TV-Stationen aufzutauchen.
Auch aus Sicht von hiesigen Verlagshäusern oder Medienbetrieben ist es natürlich nachvollziehbar, wenn sie ein veritables Interesse an einem national und möglichst auch international erfolgreichen Verein in ihrem lokalen Umfeld haben. Dass jedes Blatt von Freier Presse bis Mitteldeutscher Zeitung und von Sächsischer Zeitung (naja, die vielleicht nicht so sehr) bis Thüringer Lokalzeitungen spätestens in den letzten zwei Jahren immer mehr auf RB-Content setzte und sich an die Seite der Alteingesessenen von BILD über LVZ bis hin zu Kicker und MDR schob, verweist darauf, dass RB-Content durchaus ein lohnenswertes Zugpferd ist.
Es gibt entsprechend durchaus subjektive und objektive Gründe aus Sicht von Medienunternehmen und Journalisten, einen dauerhaften Erfolg von RB Leipzig als wünschenswert zu empfinden. Vielleicht nicht von Herzen danach zu dürsten, aber es zumindest rational als wünschenswert zu erachten. Das ist aber das eine, denn auf der anderen Seite bleibt es erstaunlich, wenn Vereine danach klingen, als würden sie diese Haltung tatsächlich auch erwarten bzw. diese Haltung als gegeben annehmen. Denn im Kern ist es jenseits von wirtschaftlichen Erwägungen oder subjektiven Empfindungen zu Spielklassen nun wahrlich nicht der Job des Lokaljournalisten dem heimatlichen Verein gewogen zu sein (auch wenn Fans von Vereinen das nicht nur in Leipzig oft erwarten) und schon gar nicht kann man diese Rolle von ihnen erwarten bzw. diese Rolle in positiver Abgrenzung zu überregionalen Medien, die mit einer anderen Distanz berichten, skizzieren.
Dass Fans von Vereinen in lokalen Sportredaktionen landen, ist in Deutschland durchaus verbreitet und es ist auch logisch, dass sportinteressierte Menschen mit einem gewissen Schreibtalent dann eben auch in Sportredaktionen landen und dort mit ihrem Dasein als Fan vs. Journalist klarkommen müssen (auch hier im Blog läuft es ja darauf hinaus, den Fan aus dem Stadion ein Stück außen vor zu lassen und nüchterner auf Dinge zu schauen als das bei einem Coltorti-Tor im Stadion bspw. der Fall wäre..). Es als gegeben anzunehmen, dass in den Sportredaktionen Menschen sitzen, die ein Eigeninteresse am Erfolg des Vereins, über den sie berichten sollen, haben, bleibt dabei trotzdem seltsam.
Aber es ist im Verhältnis von Presse zu Vereinen in einem Umfeld, in dem offene Auseinandersetzungen nicht gewünscht bzw. durch Schlagzeilenorientierung auf Presseseite kaum mehr möglich sind, auch nicht die einzige Seltsamkeit. Zuletzt sorgte die Beschreibung der Frankfurter Rundschau für Stirnrunzeln, die berichteten, dass Fortuna Düsseldorf künftig nicht nur schriftliche Interviews vor Veröffentlichung gegenlesen und freigeben, sondern generell mit dem gesprochenen Wort so verfahren wollte. Wie das in der Praxis und bei Äußerungen in der Mixed Zone oder auf Pressekonferenzen möglich sein soll, bleibt unklar. Dem Bericht zufolge ist Fakt, dass das Vorgehen sogar Chef-Trainer Friedhelm Funkel zu blöd war. “Wenn jemand meint, meine Zitate doch noch jemandem vorlegen zu müssen, ist das ganz allein seine Sache”, grenzte er sich deutlich von den angeblichen Vereinsvorgaben ab.
Wobei es letzlich auch subtilere Methoden gibt, Medien auf Linie zu bringen bzw. die Berichterstattung über den entsprechenden Verein in gewünschtem Maße zu steuern. Denn de facto sind gerade lokale Berichterstatter in erheblichem Ausmaß davon abhängig, dass der Informationsfluss vom Verein nicht versiegt, dass man Stimmen von und Interviews mit Vereinsakteuren bekommt und hier und da immer mal was durchgesteckt wird bzw. man in Hintergrundgesprächen Zugang zu Vereinsabläufen bekommt. Dort Hähne zuzudrehen, wenn es einem Verein nicht passt, was ein Medium wie zitiert oder schlagzeilt, dürfte durchaus ein verlässliches Mittel sein.
Generell, die obigen Beispiele sind da ja nur Schlaglichter, bleibt das Verhältnis von Vereinen und Medien in einer Zeit, in der die Klubs selber zu Medienhäusern mit eigenen Kanälen werden, interessant. Union Berlin drohte ja einst noch in Düwel-Zeiten mal ganz offen damit, die Kommunikation künftig über die eigenen Kanäle und nicht über die Presse laufen zu lassen. Bei den Bayern gibt es einen TV-Sender, der in Sachen Spielerpräsentation den herkömmlichen Medienhäusern schon mal den ursprünglich dort präsentierten Content wegnimmt. Damit geht natürlich auch eine gewisse Kontrolle über die Schlagrichtung der Inhalte einher. Und es stellt sich die Frage, warum Medienhäuser in einer Interessensgemeinschaft mit den Vereinen agieren sollten, wenn doch die Vereine dann letztlich bei ähnlichen Inhalten eine Art Konkurrenz mit eigenen Publikationskanälen sind.
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Kann es sein, Du hast die neue Folge vom Rasenfunk: “Trainer” gehört?
War dort zumindest auch ein von vielen Themen
Nein, leider noch nicht. Die Podcast-Liste ist in der Urlaubszeit leider etwas zu sehr angewachsen und der Rasenfunk muss noch ne Weile warten, bis er dran ist..
Dann kreuze diese Folge mal an bzw schiebe sie nach ganz oben, damit Du sie nicht vergisst.
Ich habe noch nie so viel über Trainerfunktionen gehört wie dort (kein Wunder, wenn ein Trainer spricht) und habe dann immer überlegt, wer macht das nun bei RBL.
Löw war ja der, der von Sky in der Hz immer befragt wird (Auswechslung etc.) – wer macht das z.B. jetzt?