Rotation als neue Herausforderung

Die große Veränderung im Vergleich zur Vorsaison wird die steigende Belastung für die Profis von RB Leipzig. Gerade mal 35 Pflichtspiele absolvierte man in der Vorsaison. Abgesehen von Werder Bremen musste kein Bundesliga-Team so selten ran. Im Vergleich dazu warten 2017/2018 allein bis zur Winterpause schon mindestens 24 Pflichtspiele. Wenn man von einem Weiterkommen im DFB-Pokal in der ersten Runde ausgeht, dann sogar 25.

Bei RB Leipzig hat man darauf mit einer Verbreiterung des Kaders bzw. eine Verbesserung der Qualität in der Breite reagiert. 20 Feldspieler plus 4 Nachwuchsfeldspieler hat man als Kaderplanungsparole ausgegeben. Nominell wäre man damit aktuell abgesehen von noch einem noch nicht benannten, vierten Nachwuchsakteur, der regelmäßig bei den Profis mittrainiert, durch.

Ob man damit breit genug aufgestellt ist, wird die kommende Saison zeigen. Letztlich ist es vor allem eine Frage von Qualität und nicht Quantität, denn wenn du im Saisonverlauf durchrotieren musst, brauchst du auch bis runter zur Nummer 18 bis 20 verlässliche Qualität im Kader.

Dass man die Rotationsmaschine anwerfen will, das hat Ralph Hasenhüttl schon angekündigt. Eine Stammelf im engeren Sinne soll es nicht mehr geben. Wobei man davon ausgehen kann, dass es auch weiterhin Spieler gibt, auf die man in wichtigen Spielen eher nicht verzichten will und welche, die dann eher auf der Bank sitzen. Bei 42 Spielen aufwärts in dieser Saison werden aber tatsächlich mehr Spieler zum Zuge kommen, als noch in der Vorsaison.

2016/2017 hatte RB Leipzig gerade mal 16 Feldspieler, die auf 200 oder mehr Einsatzminuten in Pflichtspielen kamen. Bei keinem Bundesliga-Team waren es so wenig. Ingolstadt und die Bayern folgen mit 18. Wobei gerade diese 18 bei den Bayern sehr erstaunlich sind. Bei insgesamt 50 Pflichtspielen hat man nur 18 Feldspieler in mehr als zwei kompletten Spielen eingesetzt. Dass man Ancelotti gelegentlich einen etwas eigenen Umgang mit dem Kader und der Entwicklung von Spielern nachsagt, klingt da durchaus nachvollziehbar.

Wenn man noch weiterschaut, dann hatte RB Leipzig letzte Saison auch die stammelfigste Stammelf aller Bundesligisten. Rund 73 von 90 Minuten standen die zehn meisteingesetzten Spieler im Vorjahr in den Pflichtspielen auf dem Platz. Sprich vier Fünftel der kompletten Spielzeit des Jahres wurden von zehn Spielern bestritten. Lediglich 17 Minuten fielen pro Spiel für drei andere Spieler ab. Das ist nicht viel und über mehr als 40 Spiele so auch nicht durchzuhalten.

Wenn man mal von den Bayern absieht, wo die zehn meisteingesetzten Spieler tatsächlich erstaunliche 71% der gesamten Pflichtspielzeit absolvierten (bei 50 Saisonspielen..), landen in der oberen Hälfte dieser Tabelle sonst nur Teams, die nicht europäisch spielten (bzw. landet genaugenommen auch noch Hertha in der oberen Hälfte, aber deren europäische Saison war schon vor Saisonbeginn und nach zwei Quali-Spielen wieder zu Ende, von daher zählt das nicht wirklich). Dortmund, Gladbach, Leverkusen, Mainz und Schalke. Bei all diesen Teams lag der Anteil an den Pflichtspielminuten der zehn meisteingesetzten Spieler bei (teils deutlich) unter 70 Prozent.

Lediglich 58 von 90 Minuten deckten dabei die meisteingesetzten Spieler von Schalke ab. Das ist mal eben eine Viertelstunde weniger als bei RB. Was nicht heißt, dass sie weniger belastet wurden. Bei 50 Spielen hatten die Stammspieler trotzdem eine höhere Belastung als die von RB, aber brauchten dadurch auch immer mal eine Pause. Die Rotation muss bei dieser Belastung (und musste bei Schalke auch verletzungsbedingt) einfach zwangsläufig stärker zur Praxis werden. 3180 Pflichtspielminuten oder 53 Stunden verzeichnete RB Leipzig, 4530 Minuten  oder 75,5 Stunden waren es bei Schalke 04. Die Differenz ist durchaus ordentlich.

Entsprechend war auch die Anzahl der Spieler mit mindestens 200 Minuten Einsatzzeit bei den in Europa spielenden Teams recht hoch.  20 Spieler aufwärts verzeichneten Gladbach, Leverkusen, Dortmund, Mainz und Schalke. Bei Schalke 04 waren es insgesamt 25, was neben der Mehrfachbelastung aber auch mit der fehlenden sportlichen Konstanz und einigen Feldversuchen von Markus Weinzierl zu tun hatte. 25 Feldspieler mit mindestens 200 Minuten, insgesamt 30 eingesetzte Feldspieler brauchte Schalke über die Saison. Da wird der 24er-Kader, mit dem RB Leipzig nun starten will, schon mal schnell ganz schön arg eng. Zumal man eben keine U23 mehr zum Auffüllen des Kaders bei Problemen hat. Bei Verletzungssorgen wird man relativ schnell bei der U19 zulangen müssen. Da dann mal eben Spieler zu finden, die das Niveau für Bundesligaspiele mitbringen, wird allerdings nicht ganz so einfach.

Insgesamt neun Teams kamen in der letzten Saison mit 24 eingesetzten Feldspielern aus. 16 Teams hatten allerdings auch weniger als 24 Feldspieler, die mindestens 200 Minuten spielten. Wobei die Bayern dann eben auch zeigen, dass es vor allem auch eine Frage von Qualität und nicht von Quantität ist. Gerade mal 21 eingesetzte Feldspieler (zusammen mit Ingolstadt die wenigsten der Liga), nur 18 Feldspieler mit mindestens 200 Spielminuten. Man kann auch mit einem schmalen Kader locker Meister werden und im Halbfinale des DFB-Pokal und im Viertelfinale der Champions League unglücklich ausscheiden, wenn denn der schmale Kader bis runter zur 20 die entsprechende Qualität hat.

Dass dies bei RB Leipzig auch der Fall ist und man bis runter zur 18 bis 20 praktisch ohne Qualitätsverlust wechseln kann, ist dann doch eher nicht anzunehmen. Von daher wird es eine spannende Frage, wie man in der kommenden Saison (so der Kader in der Breite so bleibt wie jetzt) in drei Wettbewerben agieren kann. Auf jeden Fall wird der Anteil der Spielzeit, den die zehn meisteingesetzten Spieler kriegen, zurückgehen. Dass diese 80% der Spielzeit bestreiten, garantierte letzte Saison eine sehr gute Eingespieltheit und perfekt funktionierende Abläufe. Auch diesbezüglich sind in der kommenden Saison eher Reibungsverluste durch wechselnde Formationen zu erwarten.

Abgesehen davon zeigen die Vergleichszahlen unten, dass 24 Feldspieler, wovon vier Nachwuchsspieler mit völlig unklaren Entwicklungsperspektiven sind, für eine Mannschaft in drei Wettbewerben eher ziemlich schmal und an der Grenze des Machbaren sind. Viel passieren darf da im Saisonverlauf an Verletzungen nicht. Das dürfte wiederum eine ordentliche Herausforderung für die Trainings- und Belastungssteuerung werden.

[SpZ = Anzahl der Feldspieler, die jedes Team letzte Saison eingesetzt hat; SpZ > 200 = Anzahl der Feldspieler je Team, die mindestens 200 Minuten Einsatzzeit hatten; Top10 = Anzahl der Minuten von 90, die die zehn meisteingesetzten Spieler je Team für ihre Mannschaft absolvierten (73 heißt, dass jeder der zehn Spieler pro Spiel 73 von 90 Minuten auf dem Platz stand); Sp = Anzahl der Pflichtspiele, die das jeweilige Team absolvierte]

 SpZSpZ > 200Top10Sp
Bayern21186450
Leipzig22167335
Dortmund27236251
Hoffenheim22196936
Köln23206437
Hertha24196939
Freiburg24196236
Bremen30236435
Gladbach23206251
Schalke30255850
Frankfurt27206340
Leverkusen24216044
Augsburg27226236
Hamburg26216138
Mainz26235942
Wolfsburg31225839
Ingolstadt21186936
Darmstadt30255536

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Marcel Sabitzer will eigentlich immer spielen. Nächste Saison wird er auch manchmal aus dem Team rotieren. | GEPA Pictures - Roger Petzsche
GEPA Pictures – Roger Petzsche

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Ein Gedanke zu „Rotation als neue Herausforderung“

  1. Kaum da, schon wieder voll im Programm!!
    Und gleich mit “stammelfigste” ein Begriff kreiert, den es so nicht gibt ;-)
    Schön.

    Also ich sehe das rotieren im Herbst entspannt bei sovielen Spielen. Die Frage ist nur, wen “schenkt” RH die CL? Im Frühjahr könnte dies schon wieder hinfällig werden, wenn man nur noch ein Wettbewerb haben sollte. Da kommt mit Sicherheit viel Arbeit auf das Trainerteam zu.

    Einen Sabitzer zu erklären, daß er nicht spielt, da bin ich auf die Sprintqualitäten von RH gespannt ;-)

    Aber er sagt ja selber, er will lieber diese Qual der Wahl haben. Denn ich denke mit Bruma, Jika und Laimer ist richtig gute Qualität dazu gekommen.
    Und Verletzungen gehen ja relativ schnell, wie man in Seefeld sehen konnte.

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