Nach den Zahlen und Fakten und folgt nun ein qualitativer Rückblick auf die Saison bei RB Leipzig (die Zeit der Rückblicke ist noch lang nicht vorbei, ist ja schließlich Sommerpause), die schon eine gefühlte Ewigkeit her zu sein scheint. Immerhin fand das Sachsenpokal-Finale ja auch schon vor drei Wochen statt..
Es war – man kann das nicht anders sagen – für RB auf vielen Ebenen eine denkwürdige, abwechslungsreiche Saison. Im administrativen Bereich fast noch mehr als im sportlichen. Vor der Saison hatten wohl viele – mich eingeschlossen – das Gefühl, das Regionalliga-Jahr könne gar nichts anderes als ein Selbstläufer werden. Als Lars Müller vor der Saison jedenfalls anmerkte, dass das Ziel von RB Leipzig sei, eine gute Saison zu spielen, er die Meisterschaft aber nicht als Pflicht ansehe, war ich ein wenig irritiert, weil ich alles andere als den Aufstieg für den Verein als eine Enttäuschung ansah.
Der Start in die Saison war dann weder gut, noch aufstiegsreif. Die drei Unentschieden zum Auftakt gegen die späteren Absteiger Türkiyemspor und Braunschweig II und gegen Hannovers Reserve waren der sofortige Bruch mit den großen sportlichen Ambitionen. Im Nachhinein sind es genau diese drei Spiele, die in den allermeisten Saisonanalyse immer wieder angeführt werden. Die Story geht dann so: Wir hatten eine gute Vorbereitung mit Topp-Auftritten gegen Schalke (knapp verloren) und Hertha (gewonnen) und dachten vielleicht, dass es zu einfach ginge und deshalb ging der Saisonstart in die Hose.
Ich persönlich halte das nicht für unplausibel, wenn auch eher eine aus der Not heraus geborene Erzählung. Ich persönlich glaube auch, dass der mit dem Fehlstart verbundene öffentliche Druck (Fans und Medien) und die allgemeine Häme durchaus ihren Teil dazu beitrugen, dass man bei RB Leipzig nie wieder so richtig unbelastet durch die Saison gehen konnte. Sofort hinterherlaufen zu müssen, vom Chemnitzer FC immer nur die Rücklichter zu sehen und immer unter dem Druck zu stehen, dass jeder Fehltritt den Rückstand und den öffentlichen Gegenwind größer werden lässt, weil man als großer Saison-Favorit nur etwas zu verlieren und wenig zu gewinnen hatte, das waren sicherlich wenig optimale Bedingungen, in denen sich das damalige Fehlen eines Sportdirektors am schmerzlichsten bemerkbar machte. Dass sich die Spieler dabei auch noch mit Randbedingungen, wie einem beschädigten Bus (in Braunschweig) herumschlagen musste, tat für den einen oder anderen Neuzugang sicherlich ein Übriges.
Andererseits ist das Herumreiten auf den drei Anfangsunentschieden natürlich auch ein schwieriges Argument, denn anschließend startete man eine Serie von fünf Siegen in Folge, zu denen die aus unterschiedlichen Gründen hochemotionalen Siege gegen Kiel und Wilhelmshaven genauso gehörten, wie bspw. der Sieg gegen den 1.FCM. Man kann es drehen und wenden wie man will, die Erzählung, dass die drei Unentschieden zu Beginn die Saison entschieden hätten, stimmt in ihrer Schlichtheit definitiv nicht. Gerade in der Hinserie gab es diverseste Momente, die einen Stimmungsumschwung hätten bedeuten können. Die 15 Punkte am Stück und Platz 2 nach 8 Spielen bei vergleichsweise überschaubaren 4 Punkten Rückstand waren so ein Moment, der eigentlich nach Attacke schrie. Man hatte in diesen fünf Spielen sicherlich nicht vollumfänglich überzeugt, aber trotzdem einen Schritt nach vorn gemacht, spielerisch und moralisch.
Die folgenden zwei Spiele in Lübeck und gegen Wolfsburg II waren einer dieser Knackpunkte, die die Saison in die falsche Richtung laufen ließen. Ein glückliches 0:0 in Lübeck, ein 0:1 inklusive Katastrophenfußball in Hälfte 1 gegen Wolfsburg und schon betrug der Rückstand nach oben neun Punkte und die Aufbruchstimmung war komplett dahin.
Der Rest der Hinserie ergab sich in diesem Hin und Her. Vergleichweise überzeugenden Siegen in Plauen und gegen Hertha folgte eine peinliche Niederlage in Cottbus, ein zwar vom Ergebnis her (3:0), aber spieltaktisch wenig überzeugender Sieg gegen Meuselwitz und ein glückliches 0:0 beim HFC. Nichts könnte die Durschnittlichkeit von RB Leipzig als Spitzenmannschaft deutlicher machen als diese Serie. Anschließend war man von Chemnitz schon 11 Punkte weg und vor dem Duell mit dem CFC unter Siegzwang. Das Spiel gegen den Chemnitzer FC war für RB in der Hinrunde sicherlich eines der besseren. Spieltaktisch vergleichsweise gut eingestellt, fehlte lediglich die Genauigkeit und Schnelligkeit im Umkehrspiel um aus einem guten Spiel mit einem Unentschieden ein sehr gutes und vielleicht sogar einen Sieg zu machen. Dass man in dem Spiel (auch dank Chemnitzer Anhang) die Rekordkulisse der Regionalliga von reichlich 13.000 Zuschauern begrüßen durfte, blieb angesichts des sportlichen Ausgangs nur eine Randbemerkung.
Insgesamt war die Hinserie geprägt von viel Auf und Ab, das sich nicht wirklich durch die Anfangsunentschieden erklären ließ. Taktisch spielte man nie ein optimales Spielsystem ein, wechselte vom 4-4-2 zum in verschiedenen Varianten gespielten 4-3-3 und wieder zurück zum 4-4-2. Und auch die Besetzung des Kaders wechselte in unregelmäßigen Abständen, ohne dass man manchmal einen Grund hätte ausmachen können. Insbesondere die komplette Ausbootung des eigentlich guten Rechtsverteidigers Shaban Ismaili verwunderte nicht wenige Beobachter, so auch mich. Insgesamt könnte man sagen, dass das herausragende, konstante Merkmal der Hinrunde die fehlende Konstanz war. In allen sportlichen Bereichen.
Abseits des sportlichen Bereichs gab es zwei Themen die vor der Winterpause das herausragende Interesse auf sich zogen. Da war zum einen die Ende November bekannt gewordene Kooperationsvereinbarung in der Nachwuchsarbeit zwischen RB und Lok, etwas was ich zu jener Zeit für eine „sportpolitische Bombe“ hielt. Dass sie später zum Rohrkrepierer und von den Lok-Mitgliedern abgelehnt wurde, konnte man in jenen Tagen vielleicht schon ahnen, war aber noch nicht absehbar. Was blieb, war staunen über eine Kooperation, die niemand für möglich gehalten hatte. Dass sich RB Leipzig jemals in einer offiziellen Mitteilung zu dieser Kooperation und ihrem Niedergang geäußert hat, ist mir nicht bekannt.
Was gut zum zweiten, administrativen Thema der Hinrunde passt, den Wirbel um die Planung des Baus eines neuen Trainingszentrums. Nach langen öffentlichen Querelen, bei denen allerlei Interessensgruppen und Einzelpersonen kreuz und quer Meinung und Wissen in den Raum warfen und nur RB Leipzig durch kommunikative Abwesenheit glänzte, beschloss der Leipziger Stadtrat im Dezember 2010 den Weg frei zu machen für den Bau des Trainingszentrums am Cottaweg. Was ich letztlich für vernünftig hielt. Im Gegensatz zur Kommunikation bei RB Leipzig. Man stelle sich das mal vor. Da will ein Viertligist 30 Millionen Euro in ein Trainingszentrum investieren, möchte aber nicht drüber reden. Das kann man eigentlich nicht verstehen, nicht mal vor dem Hintergrund, dass Geldgeber Red Bull gerne nur von Sachen spricht, die fertig und erledigt sind und über die man dann staunen soll. Dass bei RB Leipzig damals und derzeit der Weg das Ziel war und ist, so ein Trainingszentrum – neben Bedenken – auch ganz viel positives Interesse auf sich zieht und man demzufolge über gutes hätte auch gut sprechen/ informieren sollen (Stichwort Diskursgesellschaft), war den damaligen Verantwortlichen offenbar so nicht bewusst oder strategisch von ihnen nicht gewollt. ‘Schön’ in dem Zusammenhang auch, dass man bei RB den Streit mit den Naturschutzverbänden Ende Januar einfach als nichtexistent deklarierte und die Schuld bei „nicht vollumfänglich informierten Pressevertretern“ suchte. Tja, wie hätten sie auch informiert sein sollen..
Anfang Februar wurde es dann wieder sportlich. Die Rückrunde stand an und Trainer Oral hatte seinen kreativen Wunschspieler Thiago Rockenbach als Weihnachtsgeschenk bekommen. Alle waren guter Dinge, was mit einem lockeren 3:0 in Hannover seine Bestätigung fand. Nun war Aufbruch, Angriff, Euphorie angesagt. Wir kommen, wollen da sein, wenn Chemnitz schwächelt. Nun ja, zuerst einmal kam Holstein Kiel und die Saisonklatsche schlechthin. 1:5, in einem Spiel, in dem Kiel im Konterspiel alles richtig machte, die RasenBallsportler in der Rückwärtsbewegung katastrophal aussahen, insgesamt aber auch witzigerweise nicht unbedingt wie ein chancenloses Team wirkten. Den Rest der Saison kann man sportlich – zumindest für die Regionalliga – unter Herunterplätschern verbuchen. Erwähnenswert noch die selbst gegenüber der Kiel-Pleite noch viel deprimierendere Niederlage in Magdeburg, die zu jenem Zeitpunkt bereist so ewig sieglos waren, dass sich schon niemand mehr an den letzten Erfolg erinnern konnte. Anschließend gewann RB Leipzig gleich acht Regionalliga-Heimspiele in Folge (ein paar davon sogar recht überzeugend), ließ der Niederlage in Magdeburg aber auch noch sechs weitere Auswärtsspiele ohne Dreier folgen. Darunter so ‘glorreiche’ Unentschieden wie die in Havelse und Wilhelmshaven.
In den Mittelpunkt rückten in der Rückrunde nicht die sportlichen Aspekte, sondern Personalfragen. Das fing mit der Verpflichtung von Thomas Linke nach der Kiel-Niederlage eigentlich sehr gut an. Linke brachte ein wenig Ruhe in den Verein. Tomas Oral begann im Verbund mit dem neuen Sportdirektor auch lockerer zu werden, sodass man ihn im Kreise der Presse auch schon mal lächeln sah und die Spieler bekamen klare Ansagen, wie man mit ihnen weiter plant.
Im März nahm das Personal-Spiel seinen ersten Wendepunkt, als Pressechef Hans-Georg Felder seinen Hut nahm bzw. nehmen musste. Doch das war nur ein leichter, relativ unkomplizierter Aufgalopp für das Folgende. Zuerst einmal war der Trainer dran. Der gab seinen Abschied zum Saisonende Ende April im Anschluss an das Sachsenpokal-Viertelfinale in Auerbach bekannt. Zu diesem Zeitpunkt wurde er allerdings medial schon ordentlich durchs Dorf getrieben. Peter Pacult hatte bereits mit Dietrich Mateschitz bei einem Glaserl Wein zusammen gesessen, war aber nur bei den Medien bereits neuer RB-Trainer. Ich persönlich halte den Abschied Orals immer noch für eine absolut richtige Entscheidung in der Folge der Anwesenheit Thomas Linkes in Leipzig. Die Art und Weise wie man ihn durch die Nicht-Kommentierung der Gerüchte um Pacult nicht vor der Öffentlichkeit schützte, halte ich hingegen für fragwürdig.
Die Knalleffekte der Personalentscheidungen bei RB Leipzig kamen aber erst danach. Zuerst indirekt durch die Entlassung von Dietmar Beiersdorfer als Chef der Gesamtabteilung Fußball bei Red Bull. Ein Erdbeben, das später indirekt auch die Demission von Thomas Linke als Sportdirektor bei RB Leipzig nach sich zog, der sich offenbar vom zentralistischen Entscheidungsprinzip beim Fußball im Zeichen der Bullen etwas arg unangetan zeigte. Ich halte sowohl den Abgang Beiersdorfers, als auch den Abgang Linkes für zwei Entscheidungen, die eher zwei Schritte zurück sind als einer nach vorn. Beide standen für Ruhe und Sachlichkeit und eine Art des Arbeitens, deren mögliche Früchte sowieso erst in einem Jahr wären zu begutachten gewesen. Mit Thomas Linke musste gleichzeitig auch ein (potenziell langfristiger) Sympathieträger RB Leipzig verlassen. Ob sein Nachfolger Wolfgang Loos diese Rolle auch nur ansatzweise ausfüllen kann, muss man abwarten. Man kann es aber auch leise anzweifeln.
Neben diesen Wirren im Bereich der sportlich Verantwortlichen erwischte es auch diverse Spieler: Hertzsch, Kläsener, L. Müller, Frommer, Baier, Gäng und Neuhaus. Wobei ich ehrlich gesagt bis auf letztgenannten alle Abgänge/ Vertragsnichtverlängerungen sportlich nachvollziehbar finde. Hier wird letztlich nur der Kaderumbruch fortgeführt, der in Sachen Verjüngung bereits im vergangenen Jahr noch von Beiersdorfer und Oral begonnen wurde.
Bliebe noch ein Punkt von der vergangenen Saison übrig. Einer, an den man sich sicherlich gern erinnert und der ja auch für die Zukunft noch relevant ist. Der Sachsenpokal, dessen Gewinn auch ein DFB-Pokal-Erstrundenspiel gegen den VfL Wolfsburg einbrachte. Die Sachsenpokal-Saison war sicherlich auch nicht übermäßig glanzvoll. Aber sie wurde von den RasenBallsportlern mit der nötigen Einstellung absolviert, die es eben braucht, wenn es spielerisch nicht sonderlich läuft. In Bautzen, beim FC Sachsen und in Auerbach hatte man es mit robusten Oberliga-Mannschaften zu tun, gegen die zu spielen zu versuchen auch oft eklig enden kann. Und so setzte man in diesen Spielen einfach die eigene Robustheit gegen die Oberliga-Robustheit und kämpfte sich so nicht schön, aber erfolgreich ins Halbfinale. Welches ein hochinteressantes Spiel gegen Dynamo Dresden versprach, das es aber dank der Probleme mit dem Termin kurz vor dem Dresdner Aufstiegs-Relegationsspiel und einer Dresdner B-Elf nicht wurde. Umso interessanter und emotionaler das Finale, das in der Form das denkbar würdigste war und mit dem 1:0 gegen den Chemnitzer FC vor knapp 14.000 Besuchern auch noch den ‘richtigen’ Gewinner hatte. Ein Spiel, in dem RB Leipzig sichtlich befreit war, mal ohne Favoriten-Rolle auslaufen zu dürfen und sehr viel richtig machte. Defensiv UND offensiv.
Es war ein Spiel, bei dem man einen Eindruck davon bekam, wie das mit Fußball-Leipzig und RB im positiven Sinne gehen könnte. Ob diese Story vom Miteinander von Publikum und Verein weitergeschrieben wird und weiterwachsen kann oder ob der nun wartende dritte Neuanfang im dritten Jahr nicht auch negative Folgen für die Zukunft hat, wird sich erst noch zeigen. Ich glaube, dass man sich durch das wilde Personalkarussell ein Stückweit der Identifikationskraft beraubt bzw. sich diese immer wieder neu herstellen muss und dies definitiv zu Streuverlusten führt und eventuell auch zu einer distanzierteren Anhängerschaft beiträgt.
Fazit: Es war insgesamt eine sportlich unbefriedigende Saison mit sportlich versöhnlichem Abschluss. Eine Saison, die mich oft hat den Kopf schütteln lassen, ob der vermeintlichen Unzulänglichkeiten im spieltaktischen Bereich, des Rein und Raus einzelner Spieler von Spiel zu Spiel, der Vereins-Nichtkommunikation und der Personalentscheidungen. Eine Saison, die nie in eine Flow-Situation kam, in der dem Verein nichts in den Schoß fiel und in der kaum eine Woche verging, in der nicht ein möglicher Aufwärtstrend durch irgendein sportliches oder administratives Ereignis konterkariert wurde. Eine Saison, die aber reduziert auf das Sportliche, nämlich den Besuch der Red Bull Arena – auch in den weniger erfolgreichen Tagen – eine Menge Spaß gemacht hat. Weswegen ich mich auch ganz grundsätzlich auf eine neue Saison in der Schüssel freue. Trotz all der Fragezeichen, die für mich hinter dem neuen RB Leipzig 2011/2012 derzeit noch stehen.
Wichtig erscheint mir auch: Insgesamt blieb es bei den RB-Spielen überwiegend friedlich und entspannt, kein Spiel stand wirklich vor dem Abbruch, bespucken unserer Idole wie in Lübeck blieb die Ausnahme (ich war vor Ort), kurzum – man hat sich mehr oder weniger an RB gewöhnt, auch in unserem schönen L.E. und das ist gut so.
Viele Kids mit RB-Schal etc. alleine mit ihren Freunden in Block A, das finde ich „alter Sack“ sensationell gut.
Und sehr wichtig: P.P. wird das alte Feuer wieder entfachen, Rasenschach a la Oral ist ihm fremd, meine bedingungslose Unterstützung hat.
Wir müssen dieses Jahr aufsteigen, danach wird die 4. Liga unkalkulierbar!