Kaum ist sie vorbei die Saison geht es nahtlos mit Transfergerüchten weiter. Wobei das in diesem Jahr schon fast spät ist, denn in den letzten zwei Jahren hatte man zu diesem Zeitpunkt schon einiges zu besprechen. Unter den aktuell Verantwortlichen scheint es jedenfalls besser zu gelingen, Geheimnisse auch geheim zu halten. Glücklicherweise ist das nun Geschichte, denn eigentlich gibt es in der Sommerpause nichts besseres als schlau über potenzielle Neuzugänge und Abgänge nachzudenken, die Kaderbesetzung hin- und herzuschieben und sich die gesammelten Gedanken dann von den ersten Freundschaftsspielaufstellungen und anschließend von den Pflichtspielen zertrümmern zu lassen. Hehe. Na dann, auf gehts.
Stefan Kutschke: Das Gerücht, das die LVZ am 24.05. (also gestern) ausführlich beschrieb, ist natürlich spektakulär. Stefan Kutschke, 23jähriger Stürmer und Spezialist für klare Worte und geradliniges Spiel steht auf der Wunschliste von Felix Magath und dem VfL Wolfsburg. Bundesliga. Soweit ich sehe der erste Spieler von RB Leipzig, der trotz noch laufendem Vertrag von einem höher- bzw. sogar höchstklassigen Club umworben wird. Ob das jetzt für die Qualität des Kaders von RB spricht oder eher für das recht breite Scouting des VfL Wolfsburg sei einmal als offene Frage dahingestellt.
Spontan würde ich “Mensch Stefan, lass die Finger davon” sagen. Man kennt ja die Geschichten von Magaths reichlich überbesetzten Kadern und von einigen Spielern, die sich im dichten Kadergedränge karrieretechnisch verlaufen. Und dass ein Viertligastürmer, der zeitweise nur von der Bank kommt, nun ausgerechnet bei einem Bundesligisten die große Nummer wird, scheint eine leicht unwahrscheinliche Geschichte. Zumal Kutschke in der abgelaufenen Spielzeit eher dann getroffen hat, wenn er von Beginn an auflief. 10 seiner 13 Treffer erzielte er in den 16 Spielen als Starter (insgesamt 28 Spiele). Nun wäre es aber reichlich irrig anzunehmen, dass Kutschke in Wolfsburg darauf bauen kann, als Stammspieler aufgebaut zu werden. Wenn überhaupt, dann dürfte es anfangs nur zu Einwechslereinsatzzeiten reichen. Ein hartes Brot.
Für den Kader von RB Leipzig wäre der Verlust vielleicht gar nicht extrem schmerzhaft. Solange Daniel Frahn Kapitän ist, kommt Kutschke sowieso nicht an ihm vorbei, sodass ihm im 4-4-2-Zweistürmersystem nur die Rolle als zweiter Stürmer bliebe (bemerkenswerterweise wurde Kutschke in der vergangenen Spielzeit nie für Daniel Frahn eingewechselt). In dieser Rolle sehe ich ihn an der Seite Frahns weiterhin nicht optimal besetzt, da sich die beiden Stürmer eigentlich zu sehr ähneln. Die optimale Zweisturmbesetzung von den Spielertypen her wäre weiterhin Frahn/ Wallner, da sie sich (theoretisch) besser ergänzen. Wodurch der Platz für Stefan Kutschke sehr eng würde. Und Stefan Kutschke als Edelreservist in Liga 4 ist eigentlich weit unter seinem Niveau.
Allerdings wird es schwierig, wenn Frahn ausfällt. Denn dann blieben mit Wallner und Kammlott nur zwei übrig, die nun alles andere als Stoßstürmer gegen kompakte Abwehrreihen sind (weswegen Moniz Wallner in Salzburg auch ziehen ließ). Und ob Tom Nattermann diese Rolle nächstes Jahr aushilfsweise ausfüllen kann, erscheint ungewiss. Ginge Kutschke, bräuchte man also noch eine Art Frahn-Backup.
Kadertechnisch wäre ein Abgang Stefan Kutschkes aber insgesamt nicht extrem schwerwiegend, da die Sturmposition aktuell eher überbesetzt ist und dadurch eher Probleme entstehen (z.B. Wallner auf den Flügel zu schicken). Eine etwas leichtere Backup-Variante für Frahn täte es auch. Den Typen Stefan Kutschke zu verlieren, wäre da schon schwerwiegender Verlust. Die Art und Weise wie er sich in jedem Spiel in jeden Zweikampf wirft, kann man wohl nicht kopieren und tut jedem Verein gut. Zumal Kutschke sich in der Rückrunde nach dem Havelse-Platzverweis auch jederzeit unter Kontrolle zu haben schien, sodass seine frühere unfaire Spielweise tatsächlich zu einer (im Rahmen der Spielordnung) harten wurde. Einstecken und austeilen, das ist seit jeher das Credo von Stefan Kutschke, das er inzwischen etwas intellegenter anzuwenden scheint.
Fazit: Ich bin mir unschlüssig, was ich vom Gerücht halten soll. Wäre ein Wechsel nach Wolfsburg Karrierekiller oder -beschleuniger? Wäre ein Wechsel für den RB-Kader akzeptabel? Wäre Pacult überhaupt willig, den Stürmer ziehen zu lassen, an dem er als Typ offenbar zu hängen scheint? Spielt die Höhe der Transfersumme (mit dem sich Pacults Budget erweitern würde) dabei eine Rolle? 500.000 plus diverse Nachschläge bei Erfolg? Wer weiß. Entscheidend dürfte aber sein, was sich Stefan Kutschke für seine kurzfristige Karriere vorstellt: die kleine Chance, sich bei einem Bundesligsten zu versuchen (bei größerer Wahrscheinlichkeit auf der Bank zu versauern) oder bei einem Viertligisten mit Ambitionen um Einsatzzeiten als zweiter Stürmer zu kämpfen (mit Unklarheit, ob Pacult zukünftig überhaupt auf einen Zweiersturm setzt). Man möchte sie eigentlich nicht treffen müssen, seine Entscheidung..
[Update 04.06.2012: Dank BILD und Wolfsburger Allgemeine von heute weiß man nun definitiv, dass Kutschke gern nach Wolfsburg möchte und sich mit Magath auch schon einig ist. RB Leipzig und VfL Wolfsburg müssen nun offenbar nur noch die Transfermodalitäten klären.]
Telmo Teixeira-Rebelo: Das zweite Gerücht ist nicht weniger spektakulär wie die Kutschke-Geschichte und wurde von der BILD am 23.05. verbreitet. Telmo Teixeira-Rebelo, Spielmacher beim Aufstieger Hallescher FC und Siegtorschütze im Hinspiel zwischen RB Leipzig und dem HFC (0:1), liegt ein Angebot von RB vor. Der 24jährige Deutsch-Portugiese wäre dank auslaufendem Vertrag ablösefrei zu haben und gilt ein wenig als mitentscheidender Aufstiegsbaustein. Wurde er im vergangenen Jahr noch in die zweite Mannschaft abgeschoben und sollte den Verein schon verlassen, kämpfte er sich letztes Jahr im Oktober in die Aufstiegsmannschaft und war seitdem aus dieser nicht mehr wegzudenken. In 24 Einsätzen, bei denen er nur einmal nicht in der Startelf stand, brachte er es immerhin noch auf 12 Torbeteiligungen (7 Tore, 5 Vorlagen).
Ich muss zugeben, dass mir aus eigenem Augenschein nicht viel zu Teixeira-Rebelo einfällt. Aus dem Hinspiel habe ich maximal noch das Tor vor Augen. Und im Rückspiel fand ich andere wesentlich auffälliger (vor allem die Flügelspieler). Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass Teixeira in dieser Saison vor allem deswegen glänzen konnte, weil seine Mitspieler ein phänomenales Pressing spielten und so automatisch Räume für einen offensiven Mann im zentralen Mittelfeld entstehen. Man hat das gut an Thiago Rockenbach beim Spiel in Halle gesehen, der in seinen 15 Minuten auf der 10 dank einiger Ballgewinne im Mittelfeld plötzlich viel Raum vor sich hatte und so auch sofort Gefahr entstand.
Andersherum gesagt, stellt sich die Frage, inwieweit ein Teixeira-Rebelo in einem anderen System als dem Hallenser funktioniert und wie er wohl gegen massive Abwehrreihen aussieht, denen sich RB Leipzig gegenübersieht. Wobei ich mir nicht anmaße, diese Frage beantworten zu wollen. Was festzuhalten bleibt, ist die Tatsache, dass es bei RB Leipzig bisher keine 10 gibt, sodass strenggenommen kein Bedarf für einen Spielmacher da ist und man mit Rockenbach auch bereits eine Option hätte. Ich würde doch arg staunen, würde sich Pacult dauerhaft für ein 4-2-3-1 oder ein 4–4-2 mit Raute entscheiden, in denen ein Spielmacher Sinn machte. Zumal im optimalen Falle Wallner in einem Zweisturmsystem die hängende Spitze gibt und deshalb eh wenig Platz für einen klassischen Spielmacher wäre.
Andererseits bleibt natürlich der Fakt, dass RB Leipzig dem Spielmacher ein Angebot gemacht hat. Pacult also einen Spielmacher will, so wie man in der Winterpause ja bereits gerüchteweise an Maik Kegel dran war (der nun zum Chemnitzer FC wechselt). Bliebe zu hoffen, dass er nicht einen Spielmacher holt, um ihn wie Rockenbach aus Systemgründen auf den Flügel zu schicken.
Letztlich glaube ich aber nicht an den Transfer. Dass Teixeira das RB-Angebot öffentlich zugegeben hat, um gleichzeitig darauf zu verweisen, dass er zuerst mit dem HFC rede, scheint eher zu zeigen, dass hier ein Spieler Kontakte zu einem anderen Verein zur Verbesserung der Verhandlungslage gegenüber dem alten nutzt. Und ich glaube nicht, dass Teixeira die Schraube in den Verhandlungen mit dem HFC überdehnen wird. Er wäre auch der erste, an den ich mich erinnern kann, der öffentlich ein RB-Angebot zugibt und dann tatsächlich nach Leipzig wechselt.
Fazit: Für mich sehr unwahrscheinlich, dass sich Teixeira darauf einlässt und nicht ganz klar, ob man ihn tatsächlich bräuchte. Fakt bleibt aber, dass RB Leipzig im Hallenser Revier räubern wollte. Man kann das als eine Art Bayern-Signal werten. Die Konkurrenz schwächen, indem man ihnen wichtige Spieler wegschnappt. Und sei es auch nur als quasi nachholender Akt der Rache für den verbauten Aufstieg. Quasi auch als Gegengewicht zu den von RB zum HFC-Aufstieg geschalteten, ganzseitigen Glückwunsch-Anzeigen in den Tageszeitungen Sachsen-Anhalts. Trotzdem: Ich glaube nicht an Teixeira-Rebelo in Leipzig.
[Update: Kaum geschrieben, schon wieder beendet. Telmo Teixeira-Rebelo hat für ein weiteres Jahr beim HFC verlängert. Bleibt also für die Kaderspekulationen nur der Fakt übrig, dass RB einem zentralen Spielmacher ein konkretes Angebot gemacht hat.]
Jeremy Karikari: Auch in der BILD vom 23.05. wird Jeremy Karikari als Transfergerücht benannt. Der demnächst 25jährige spielte bisher bei Eintracht Trier und ist im – täterätä – defensiven Mittelfeld zu Hause. Das klingt auf den ersten Blick witzig, da gerade diese Position in der vergangenen Spielzeit überbesetzt war, ist es aber bei genauerem Hinsehen gar nicht. Denn mit Daniel Rosin und (so wie die Signale stehen) Tom Geißler werden zwei Mittelfeldspielerverträge nicht verlängert, sodass nur noch vier Spieler für die Position des Sechser bis Achters blieben, von denen nur einer, nämlich ausgerechnet Henrik Ernst in dieser Spielzeit auch dauerhaftes Vertrauen spürte. Die Herren Ex-Bundesligisten Rost, Lagerblom und Schulz brachte Pacult dagegen nur sporadisch und ohne Konstanz.
Karikari gilt in Trier als Leistungsträger und war sich eigentlich mit dem Verein schon fast über eine Vertragsverlängerung einig. Nun ist er es nicht mehr, was in Trier für einiges Raunen und Unzufriedenheit sorgt. AUs Augenschein habe ich keine Ahnung, wie Karikari seine Mittelfeldrolle interpretiert (an seinen Auftritt im Testspiel in Leipzig kann ich mich nicht erinnern), aber in 28 Regionalliga-Spielen nur zwei Tore und keinerlei Vorlagen verweisen darauf, dass er eher ein defensiver Zerstörer als ein kompletter Allrounder mit Defensiv- und Offensivqualitäten ist.
Glaubt man aber einem recht interessanten “Taktikcheck” mit Fokus auf Jeremy Karikari, dann ist der Deutsch-Ghanaer ein zweikampfstarker Balleroberer mit großen spielstrategischen Qualitäten. Also einer, der absichert und trotzdem in der Lage ist, je nach Situation im Umkehrspiel schnell und im Spielaufbau ruhig und sicher zu spielen. Was in Ungefähr dem Kieler Sechser Deran Toksöz entspräche, der mich mit seiner Leistung im Spiel gegen RB vollends überzeugt hatte. Stimmen nur drei Viertel der Dinge, die man in Trier über Karikari behauptet, dann darf man sich auf ihn freuen. Allerdings sollte man auch nicht unerwähnt lassen, dass Karikari in Trier offenbar als alleiniger Sechser in einem 4-1-4-1 eingesetzt wurde, was noch mal etwas andere Anforderungen an die Position hat, als der Sechser in einem 4-4-2 mit zwei Sechsern.
Fazit: Ein Gerücht, das im ersten Moment absurd klingt und sich im zweiten als absolut nachvollziehbar und vielleicht sogar wünschenswert erweist. Zumindest als Spielertypus würde er RB Leipzig gut tun. Und wenn er gut gescoutet sein sollte, dann Herzlich Willkommen..
[Update 19.06.2012: Mit heutigem Datum wurde Jeremy Karikari offiziell als RB-Neuzugang vorgestellt [broken Link].]
Lukasz Mierzejewski: Beim auch von BILD am 23.05. auf den Gerüchtemarkt geworfenen, 29jährigen polnischen Rechtsverteidiger fängt das Ausdenfingernsaugen dann endgültig an. Laut transfermarkt.de verbrachte er die Rückrunde der aktuellen Saison in der polnischen ersten Liga und half dort dem Verein Podbeskidzie Bielsko-Biala den Klassenerhalt zu sichern. Allerdings war sein Beitrag mit lediglich fünf Einsätzen auch nicht allzu groß. Glaubt man noch einmal den transfermarkt-Statistiken, dann wurde er in diesen Spielen sowohl als Links- als auch als Rechtsverteidiger eingesetzt.
2010 feierte Mierzejewski sogar sein Debüt für die Nationalelf. In seiner Zeit von 2000 bis 2010 hatte er sich in der polnischen Fußballliga offenbar stetig verbessert und wurde zwischenzeitlich sogar polnischer Meister. Seit 2010 geht es aber stetig bergab. In Krakau kein Stammspieler mehr, wurde er 2011 vom polnischen Fußballverband (so wie viele andere Spieler, unter ihnen Łukasz Piszczek) für die Beteiligung an einer Spielmanipulation im Jahre 2006 für neun Monate gesperrt (soweit ich sehe nur für die Nationalmannschaft gesperrt?) und wechselte im selben Jahr in die erste, griechische Liga (wo ja auch Tomasz Wisio noch im letzten Jahr spielte). Sein neuer Verein AO Kavala musste aber justament auch (Ironie des Schicksals) wegen eines Manipulationsskandals gleich drei Klassen runter. Warum Mierzejewski dort dann nicht spielte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Seit der Winterpause agierte Mierzejewski dann wie schon geschrieben wieder in Polen, allerdings offenbar nicht überglücklich. Da er bereits vergangenen Winter schon einmal zur Probe bei RB Leipzig trainieren sollte (aber aus Verletzungsgründen nichts draus wurde), war der Weg zu einem neuerlichen Probetraining ein kurzer. Jedenfalls konnte man schon im Winter erkennen, dass Pacult gerne noch einen Rechtsverteidiger neben Christian Müller gehabt hätte und dieses Thema nun wieder auf der Tagesordnung steht. Offenbar sieht Pacult in Tim Sebastian weiterhin keine zufriedenstellende Option für die Aushilfe rechts hinten.
Da dem so ist, könnte Mierzejewski nicht die schlechteste Lösung sein. Ein Spieler mit Meriten und Können, bei dem man nicht weiß, ob das Können noch zu 100% herauskitzelbar ist, der aber ein solider Backup mit leistungsbezogenem Vertrag sein könnte. Und wenn er sich dann doch noch mal auf Nationalmannschaftsniveau schraubt, hätte sicherlich niemand etwas dagegen. Relativ risikolos eine Kaderlücke schließen, würde man das wohl nennen. Ich persönlich finde, dass gerade hinter Christian Müller ein junges, förderbares Talent besser passen würde, da diese Position auch nächstes Jahr im Stamm keine Baustelle sein wird.
Fazit: Überzeugt mich nicht zu 100% das Gerücht. Die Tatsache, dass er aktuell zum Probetraining weilt, verweist darauf, dass das der sportlichen Führung ähnlich geht. Vermutlich wird er heute im Test in Bernburg auflaufen dürfen, sodass Beobachter erste Eindrücke mitbringen könnten. Mal gucken.
“…Zumal Kutschke in der abgelaufenen Spielzeit eher dann getroffen hat, wenn er von Beginn an auflief. …”
Ich finde die Gegenüberstellung: Tore als Stammspieler gegen Tore in der Jokerrolle nicht vergleichbar. Nach meiner Meinung ist der Einsatz eines Jokers ja spieltechnisch zwingend, da der Trainer die Absicht hat, meinen Angriff hier zu verstärken. Meistens geschieht dies, wenn man im Rückstand liegt bzw. unbedingt noch ein Tor benötigt wird. Somit ist es leichter, in der Stammformation gegen einen leichten Gegner viele Tore zu schiessen, als in der Jokerrolle gegen eine Betonwand das Tor machen zu müssen. Um einschätzen zu können, ob Kutschke für die Jokerrolle geignet wäre, müsste man die Verwertung der Chancen vergleichen.
Mit Deiner Anmerkung hast Du sicher ein Stückweit recht. Aber.. Nein, Punkt. ;-)
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