Das geht ja diesmal zeitig los mit den Transfers für die neue Saison. Wie vor zwei Jahren als man Davie Selke schon Anfang April an Land zog. Diesmal ist ein Torhüter dran. Yvon Mvogo kommt zur neuen Saison von Young Boys Bern aus der Schweiz nach Leipzig und wird das Torhüterteam komplettieren. Das nach heutigem Stand aus vier Keepern bestehen wird.
Yvon Mvogo ist ein Transfer der Rangnick-Idealvorstellung. Jung, talentiert, mit einer gewissen Erfahrung ausgestattet und gleichzeitig mit dem Schritt zu RB Leipzig in die Bundesliga den nächsten logischen Schritt machend. Dazu gilt der 22-Jährige auch als charakterlich über jeden Zweifel erhaben und bodenständig. Passt also auch diesbezüglich in das ausgerufene Anforderungsprofil bei RB.
Dazu ist Mvogo auch noch vergleichsweise preiswert. Zumindest wenn man mögliche Wertsteigerungen in seiner vorerst vierjährigen Vertragslaufzeit mitdenkt. Einen mittleren, einstelligen Millionenbetrag dürfte RB Leipzig als Ablöse in den Keeper investiert haben, dessen Vertrag in Bern im nächsten Jahr ausgelaufen wäre.
Wobei das mit den Perspektiven von jungen Torhütern bei RB Leipzig so eine Sache ist. Marius Müller, der erst letzte Saison aus Kaiserslautern gekommen war und dem man damals die Rolle zudachte, die jetzt Mvogo einnehmen könnte, reiht sich ein in die Liste der jungen Keeper, die nach Leipzig oder aus dem eigenen Nachwuchs kamen und nur eine kurze Verweildauer hatten. Thomas Dähne, Fabian Bredlow, Matthias Hamrol, Andreas Kerner und Christopher Gäng könnte man hier nennen. Wobei bis auf Dähne, der inzwischen in Helsinki auch internationale Spiele bestreitet, keiner eine Karriere im höherklassigen Fußball starten konnte. Allerdings geht ein Bredlow diesen nächsten Schritt mit seinem Wechsel von Halle nach Nürnberg auch gerade erst.
Wie auch immer, die Geschichte mit den jungen, talentierten Torhütern war in Leipzig bisher nicht unbedingt eine glückliche. Und Marius Müller, der nun verliehen werden soll, reiht sich da vorerst mit ein. Sodass sich natürlich auch die Frage stellt, warum bei Yvon Mvogo nun alles anders werden soll und hier ein ernsthafter Kandidat auf die dauerhafte Nummer 1 verpflichtet wurde.
Fakt ist schon mal, dass der Schweizer angesichts seines Alters unheimlich viel Erfahrung mitbringt. Schon im Dezember 2013 feierte er mit gerade mal 19 Jahren sein Debüt im Profiteam der Young Boys Bern. Seitdem ist er dort ununterbrochen Stammkeeper und absolvierte fast 150 Pflichtspiele in der Schweizer Topliga, im Pokal und in europäischen Wettbewerben. Zum Vergleich: Marius Müller kam letzte Saison (bei gleichem Alter wie Mvogo jetzt) mit der Erfahrung von 44 Spielen in zweiter Liga und DFB-Pokal mit Kaiserslautern nach Leipzig.
Entsprechend kommt Mvogo mit anderen Startvoraussetzungen zu RB. Allerdings ist auch er eher ein Torwart Marke Rohdiamant, der in Sachen Zuverlässigkeit und Konstanz und allgemeinem Torwartspiel noch Feinschliff braucht. Was aber auch keine überraschende Feststellung ist.
Sein Torwarttrainer in Bern beschreibt ihn jedenfalls als stimmiges “Gesamtpaket”. Einer, der nicht nur auf der Linie seine Stärken hat, sondern fußballerisch stark sei. Und auch Ralf Rangnick glaubt bei Mvogo neben Reaktionsschnelligkeit ein “offensives Stellungsspiel und sehr gute Athletik” zu sehen. Wenn man Mvogo in Bildern sieht, dann kann man zumindest den Part mit der Athletik gut erkennen. Eine gewisse Explosivität zeichnet sein Verhalten im Tor besonders aus.
Yvon Mvogo dürfte nach Stand der Dinge bei der Planung der Torhüterposition für die kommende Saison die Rolle des direkten Herausforderers von Peter Gulacsi zukommen. Gulacsi war diese Saiosn in einer unumstritteneren Form Stammtorwart als man sich das vielleicht vereinsseits gewünscht hätte. Der Ungar spielt eine solide Bundesligasaison, in der er sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er nur sehr wenige Fehler macht (in Freiburg führte einer zu einem Gegentor, in München einer zu einem Elfmeter) und seinen Job mit viel Ruhe und Gelassenheit erledigt, die für Ralph Hasenhüttl immer besonders wertvoll war.
Mit Yvon Mvogo kriegt man nun vielleicht noch mal einen etwas offensiveren Torwarttyp, der seinem Kontrahenten auf der Linie in wenig nachsteht, aber im Herauslaufen eventuell einen Ticken weniger zurückhaltend ist. Von der Körpergröße her nehmen sich beide nichts. 1,90 m ist ein vernünftiges Torwartmaß. Wenn man nicht gerade neben Coltorti steht, der 1,97 m groß ist.
Mit Yvon Mvogo ist RB Leipzig nun auch den Weg gegangen, nicht per se eine neue Nummer 1 anstelle von Peter Gulacsi holen zu wollen. Vor einem Jahr hatte man noch nicht so richtig gewusst, in welcher Kategorie Keeper man zuschlagen will. Diverse Hochkaräter waren als Namen im Gespräch. Timo Horn hatte letzten Sommer erklärt, dass es großes Interesse aus Leipzig gegeben habe. Vereinsseits war ein entsprechendes Angebot nicht bestätigt worden. Auch bei Bernd Leno soll es Interesse gegeben haben. Stattdessen entschied man sich dann doch für die kleine Lösung und Marius Müller vom 1.FC Kaiserslautern.
Diese Saison hätte man denken können, dass man die letzte Saison nicht gewählte große Lösung nun nachholt und mit der Perspektive, kommende Saison in Europa zu spielen, auch andere Überzeugungskraft hat. Aber es wurde wieder eine kleinere Lösung als eine neue Nummer 1. Vermutlich auch, weil Ralph Hasenhüttl mit Gulacsi zufrieden ist. Möglich auch, dass man die hohen Ablösen, die man für einen Torwart der Marke Leno (der zudem bisher keine überragende Spielzeit 2016/2017 in der Bundesliga bestritten hat) hätte investieren müssen, nicht investieren wollte.
Weil der Kader beim Schritt nach Europa in der Breite sowieso zusätzliche Investitionen braucht, die wichtiger sind, als auf der Torwartposition einen soliden bis guten Bundesligakeeper durch einen guten bis sehr guten Keeper zu ersetzen. Und mit Mvogo scheint man tatsächlich einen Keeper gefunden zu haben, der perspektivisch zu einem guten bis sehr guten Bundesligatorwart werden kann, der also mehr Potenzial mitbringt als dies ein Gulacsi vielleicht tut. Ob sich Mvogo dann tatsächlich in diese Richtung entwickelt, ist natürlich bei weitem nicht ausgemacht.
Mit Yvon Mvogo scheint die Planung für die Torhüterposition bei RB Leipzig für die kommende Saison abgeschlossen zu sein. Gulacsi und Mvogo als die beiden Keeper, die sich um die Nummer 1 streiten sollen. Vielleicht mit kleinen Vorteilen für den aktuellen Keeper, gegen den sich Mvogo als Herausforderer in besonderem Maße beweisen muss. Dazu kommt Keeper Fabio Coltorti (er selbst will noch ein Jahr bleiben, der Verein dürfte das vermutlich auch offiziell demnächst wollen), bei dem man mit seinen 36 Jahren keine Probleme hätte, ihn ins Wasser zu werfen, wenn die Situation es erfordern sollte. Und der ansonsten auch kein Problem hätte, Teil des Trainingsteams ohne größere Einsatzchancen zu sein und den jüngeren Torhütern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
Zu den jüngeren Torhütern wird als Nummer 4 mit Philipp Köhn auch noch ein 19-jähriges Talent gehören. Denn Köhn wurde bereits Ende Februar, also noch deutlich vor Mvogo nach Leipzig geholt. Köhn kommt ablösefrei aus der Jugend des VfB Stuttgart (spielte vorher aber auch schon in Duisburg und bei Schalke 04), wo er bei der U19 derzeit Stammtorwart ist. Wie Mvogo erhält auch Köhn einen Vertrag bis 2021.
Der 19-Jährige dürfte ohne große Ambitionen auf Bundesliga-Spielzeit nach Leipzig kommen. Zeit zum lernen heißt es im ersten Jahr. Wobei unklar ist, wo er das Gelernte anwenden soll, da es 2017/2018 bei RB Leipzig keine U23 mehr gibt. Eigentlich wäre Köhn ein klassischer Leihkandidat, weil Torhüter in diesem Alter Spielpraxis brauchen und es in Leipzig mit hoher Wahrscheinlichkeit nur in Freundschaftsspielen die Möglichkeit dazu geben wird.
Wie bei Yvon Mvogo sieht Ralf Rangnick auch bei Philipp Köhn Aktivität beim Mitspielen und Mut als wichtige Eigenschaften, die ihn offenbar besonders interessant machten. Wobei das bei einem 19-jährigen Talent gerade im Torwartbereich auch viel Kaffeesatzleserei ist. Weil der Übergang in den Männerbereich angesichts von gerade mal 36 Stammtorwartpositionen in den ersten zwei Ligen, also realistisch 50 Plätzen mit halbwegs vernünftigen Einsatzchancen enorm schwer ist.
Von daher muss man sich mit der Personalie Philipp Köhn auch vorerst gar nicht allzu lange beschäftigen, weil man frühestens in zwei, drei Jahren eine Idee kriegen wird, wohin die Reise geht. Bis dahin ist es eines von vielen Talenten, das schon dadurch hervorsticht, dass es einige Jahrgangsstufen der deutschen Nachwuchsnationalmannschaft durchlaufen hat und nun für die U19 der Schweiz spielt. Denn Köhn verfügt neben der deutschen auch über die schweizerische Staatsbürgerschaft.
Das ist alles zusammengenommen in der Planung der Torwartposition (mal abgesehen von der fehlenden Spielpraxis für Köhn) in der Theorie eigentlich eine sehr gute Konstellation, die man sich da zusammenbaut. Eine, die erstmal stimmig und befruchtend klingt und nicht sofort die Frustration aufbaut, die mit einer klaren Nummer 1 und zwei bis drei unzufriedenen Torhütern dahinter gegeben wäre. Einer im Duo Gulacsi oder Mvogo wird natürlich bei der Bekanntgabe der Aufstellung zum ersten Pflichtspiel enttäuscht sein. Aber letztlich ist es dann nur einer und für den ist die offene Konkurrenzsituation, die vermutlich auch für den Rest der Spielzeit gelten wird, klar und eine, mit der er zumindest für ein Jahr wird umgehen können.
Fazit: Yvon Mvogo ist sicherlich eine absolut nachvollziehbare Verpflichtung mit viel Talent und Potenzial. Mit dem Schweizer, der in Leipzig mit dem zweiten Neuzugang Philipp Köhn und Fabio Coltorti zwei Landsleute an seiner Seite hat (wobei das bei Köhn eher relativ ist und sowieso keine allzu große Rolle spielen dürfte), wurde die Torwartposition (nach heutigem Stand) für die kommende Saison auch absolut sinnig und vernünftig komplettiert. Ob es am Ende alles so funktioniert, wie man es sich ausmalt und ob das für alle Beteiligten passt, kann man gerade angesichts der Vorgeschichte mit jungen Torhütern bei RB Leipzig natürlich nicht wirklich wissen.
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na endlich neue Torhüter. :-)
Ich hoffe das dadurch eine gesunde Rivalität entsteht und bei nun bald einer Dreifachbelastung vill. mal gewechselt werden kann. Zusätzlich gefällt mir Gulacsi immer besser in den letzten Spielen. Sehe da eine deutliche Steigerung seiner Präsenz im 1v1, ich denke da wird an den richtigen Baustellen gearbeitet.
Vielleicht haben die Verantwortlichen von RaBa , die sich wie die Spieler aufgrund der zu erwartenden „internationalen Eroberung“ auch verbreitern werden und gerade neue Funktionen erfinden, nicht daran gedacht, dass sich in der bald abzustoßenden U-23- Mannschaft auch noch interessante Torhüter befinden!
Die schönste und zutreffendste Formulierung in diesem Beitrag ist für mich aber der Abschnitt über das 19-jährige Talent Köhn, der im ersten Jahr viel dazulernen soll, doch niemand weiß, in welcher Mannschaft……Allein die Praxis wird zeigen, wie bei vielen anderen „Neueinkäufen“ vorher, in welchem Verein er als „Leihspieler“ für den zukünftig international beschäftigten Leipziger Club eine Werterhöhung erreichen kann!
Der „Entflechtungsprozess“ ist bekanntlich innerhalb des Clubs abgeschlossen, und Mintzlaff sowie Rangnick haben sich dabei etwas zurückgezogen, indem sie sich nur noch mit den Funktionen als Geschäftsführer bzw. Sportdirektor in Leipzig zufriedengeben. Wer etwas weiterdenkt, könnte meinen, dass das gefallene Interesse des bekannten Konzerns hinter den hohen Bergen etwas mit den wesentlich gestiegenen höheren Erwartungen für die Sachsen zusammenhängen könnte, die „in Europa“ möglichst nicht die Klingen mit ihren österreichischen Brüdern kreuzen sollen!
Da der Geschäftsführer noch nebenbei an einer „Strategie zur Internationalisierung“ arbeitet, die Verbindungen zu den asiatischen und lateinamerikanischen Märkten öffnen soll, wäre ihm zu wünschen, dass er dabei nicht mit den Gedanken des noch neu einzustellenden „Direktors für Internationalisierung und Strategie“ in die Quere kommt……