Die etwas andere Traumelf

Drüben auf der offiziellen Vereinshomepage wird ja über die Sommerpause die Traumelf der ersten sieben Vereinsjahre gewählt. Kann man nach so kurzer Zeit etwas schräg finden, aber es ist durchaus auch interessant, welche Namen da auftauchen bw. wegen der vereinsseitigen Beschränkung auf vier Kandidaten pro Position eben nicht auftauchen.

Weswegen hier der Spieß ein wenig umgedreht werden soll und elf Traumelfler aufgestellt werden, die längst in Vergessenheit geraten sind oder eher eine tragische Geschichte hatten oder beim Fanumfeld nicht so richtig gut gelitten waren. Also eine Traumelf der etwas anderen Art, die auf die eine oder andere Art auch vereinsprägend war.

Da fällt einem auf der Torhüterposition sofort Pascal Borel ein, der sich in seiner Karriere in Bremen nicht gerade den besten Ruf eingehandelt und in Leipzig bereits einen schweren Start hatte, weil er den eher beliebten Sven Neuhaus ersetzen sollte. Als Neuhaus gegangen wurde, rechnete man damit, dass sich RB Leipzig auf der Position des Torhüters deutlich verbessern würde. Als dann Borel kam, hatte man das Gefühl, dass man einen beliebten, aber auch unbequemen Keeper geopfert hatte, um jemanden zu holen, der weder jünger noch besser war.

Pascal Borel war durchaus ein angenehmer Typ, dem man ganz gut zuhören konnte, wenn er denn mal redete. Und er machte seine Sache in der ersten Saisonhälfte auch sportlich sehr gut und präsentierte sich als sicherer Rückhalt. In der Rückrunde wurde es dann etwas schlechter, sodass Borel bei den sowieso von Anfang an eher skeptischen Fans auf dem Kicker war. Die Sache explodierte nach ein paar fehlerhaften Spielen, als Pascal Borel im vorletzten Saisonspiel der Regionalliga-Saison 2011/2012 gegen Wolfsburg II in der Schlussminute einen Ball vor die Füße von Sebastian Polter fallen ließ, der den Ball zum 2:2 und zum vorzeitigen Ende der RB-Austiegsträume über die Linie drückte. Verbrannt war der Keeper spätestens nach diesem Tag in Leipzig. Er sollte auch anderswo kein Profispiel mehr absolvieren.

Aus anderen Gründen tragisch die Geschichte bei Rechtsverteidiger Christian Müller, der unter Peter Pacult nach Leipzig kam und immer zu den Leistungsträgern und sympathischen Gesichtern des Teams gehörte. Und sich in einem besch… Testspiel in einem Trainingslager in der Türkei Anfang 2014 sein linkes Knie komplett zertrümmerte und nie wieder in den aktiven Fußballsport zurückkehrte. Eine dieser tragischen Geschichten, bei denen die Karriere praktisch von einem Tag auf den anderen beendet wird. Eine Geschichte auch, die noch lange in den Köpfen der Mannschaft, die das auf dem Spielfeld mitansehen musste, steckte.

In Vergessenheit geraten dürfte inzwischen Umut Kocin sein, der auch unter Peter Pacult nach Leipzig kam und links hinten oft eine gute Figur machte und einen viel zu selten bzw. fast nie genutzten linken Hammer hatte. Lange Verletzungszeiten und das Gefühl später unter Zorniger ein wenig aus dem System gefallen zu sein, führten dazu, dass Kocin nie die prägende Rolle spielte, die er verletzungsfrei vielleicht hätte spielen können. Kocin kickt 28jährig inzwischen im Hamburger Lokalfußball, wo er es aus toretechnisch aus der Ferne noch mal krachen lässt [broken Link].

Auch vor allem an Verletzungen scheiterte in Leipzig Innenverteidiger Marcus Hoffmann, der 2011 mit viel Hoffnungen und Vorschusslorbeeren aus Babelsberg kam, unter Peter Pacult aber nur selten ins Team fand. Alexander Zorniger setzte dann gar nicht mehr auf ihn, sodass der einzige Moment einer überschaubar guten RB-Zeit, an den man sich erinnert, der 1:2-Anschlusstreffer in einem Spiel gegen Halberstadt bleibt, mit dem er zehn Minuten vor Beginn die in einem 3:2-Sieg kulminierende Aufholjagd einleitete.

Fabian Franke hatte dagegen wesentlich erfolgreichere Zeiten bei RB Leipzig. Schon unter Tomas Oral 2010 gekommen, bekam er damals 21jährige nach der Winterpause seine Chance und nutzte sie. Und nutzte sie auch unter den nächsten Trainern in den nächsten Jahren und gegen jede Konkurrenz immer wieder. Sehr guter Innenverteidiger, der manchmal etwas ungelenk und am Ball unsauber wirkte, aber schnell und extrem zweikampfstark war. Unvergessen sein Jubellauf nach seinem Tor zum 2:2-Ausgleich im Sachsenpokalfinale gegen den Chemnitzer FC 2013. Fast schon tragisch, dass Fabian Franke nach dem Zweitligaaufstieg wegen Achillessehnen-Geschichten in Leipzig nie mehr zum Zuge kam und so auch keine Chance bekam, sich in der zweiten Liga zu beweisen. Auch bei seinem neuen Verein SV Wehen Wiesbaden hat er in der abgelaufenen Spielzeit viele Spiele verpasst.

Zentrale Mittelfeldspieler sammeln, war bei RB Leipzig eine Zeitlang mal ein eher seltsames Hobby. Skurril in dem Zusammenhang die Geschichte um den Polen Adrian Mrowiec, der 2012 noch von Peter Pacult verpflichtet wurde, aber nach den Veränderungen hin zu Ralf Rangnick und Alexander Zorniger kurz nach seinem Dienstantritt schon wieder aussortiert wurde. Einen Testspieleinsatz hatte Mrowiec bei RB Leipzig und nach eineinhalb Monaten eine sicherlich gut dotierte Vertragsauflösung in der Tasche.

Ein paar Spiele mehr konnte der Finne Pekka Lagerblom (auch so eine klassische Pacult-Sechser-Verpflichtung) schon aufweisen. Acht sollten es in einer Saison unter Pacult werden, bevor er von Zorniger als nicht ins System passend aussortiert wurde. Ein Fersensporn bremste Lagerblom in seiner Leipziger Zeit ordentlich ein und machte ihn sportlich unsichtbar. Am glamourösesten war da noch der Verweis auf seine Ex-Frau Anna-Maria Lagerblom, mit der er zwischen 2005 und 2009 verheiratet war und die später an der Seite von Mesut Özil den Islam lieben lernte, um anschließend bei Bushido in den Hafen der mal mehr mal weniger harmonischen Ehe einzulaufen.

In Sachen Glamourösität so etwas wie das Gegenteil von Lagerbloms Lebensumfeld dürfte Alexander Laas gewesen sein, der in seinem Auftreten eher zu den ruhigen Vertretern gehörte. Und als dieser ruhige Typ immer ein wenig unter dem Radar flog. Beim HSV einst als großes Talent gestartet, ging es bei seiner Karriere in der Ligenleiter immer weiter nach unten (woran unter anderem ein Schritt zu Felix Magaths Megakader-Wolfsburg nicht unschuldig war). Unter Tomas Oral bekam Alexander Laas noch vergleichsweise regelmäßig das Vertrauen ausgesprochen. Peter Pacult schien dann bereits die Anwesenheit von Laas als persönliche Beleidigung zu empfinden und schubste ihn höchstens mal bei einem Testspiel über das Feld. Fast schon unbemerkt verließ Laas nach einem weiteren Jahr in tragender Rolle bei der U23 Leipzig wieder und betreibt inzwischen im Norden der Republik einen Supermarkt.

Eines der großen Missverständnisse seiner Zeit war Roman Wallner, der nach einem öffentlich ausgetragenen Transfer-Hickhack zwischen Salzburg und Leipzig, an dem ein gewisser Ricardo Moniz und dessen Mitteilungsbedürfnis nicht ganz unschuldig war, nach Sachsen zog (er war der erste Spieler, der diesen Weg ging) und dort als große Nummer und Hoffnung galt. Schließlich kam da ein in Österreichs Bundesliga gut funktionierender Stürmer in die deutsche Viertklassigkeit. Bei Wallner hatte man immer das Gefühl, dass er nie richtig in die Mannschaft integriert wurde. Zudem schob ihn Pacult irgendwann auf den Flügel, wo Wallner wenig bis nichts zu suchen hatte oder von seinen Kollegen selbst dann nicht angespielt wurde, wenn er völlig allein in der Gegend herumstand. Fünf Tore in den ersten vier RB-Spielen schoss Wallner. Der Rest war das halbjährige Aussitzen eines Missverständnisses, das man wohl noch nicht mal überwiegend dem Spieler anlasten konnte.

Matthias Morys kam seinerzeit als Wunschspieler von Alexander Zorniger noch in die Regionalliga. Seinen großen Auftritt hatte er in der Vorbereitung des Willers-Eigentors in Lotte, mit dem Leipzig den Aufstieg in die 3.Liga praktisch perfekt machte. Abgesehen davon erkannten nicht viele Menschen die Dinge in Morys, die Zorniger in ihm sah. Was Morys so ein bisschen zum Borel unter den Stürmern machte. Wenn etwas offensiv nicht gut lief, dann wurde oft zuerst auf Morys gezeigt, der aus seiner Geschwindigkeit und seinem Zug zum Tor nicht immer genug effektives herausholte. In der zweiten Liga wirkte Morys dann tatsächlich oft etwas überfordert in einer Offensive, die sowieso nicht immer gut funktionierte. Nüchtern betrachtet war Morys ein ordentlicher Drittligaspieler, in dem Zorniger das Potenzial für mindestens Zweitligaspitze sah. Im Leipziger Umfeld gab hielt manch einer selbst die dritte Liga schon für zu viel des Guten.

Bliebe noch Carsten Kammlott, der einst für ordentliches Geld aus Erfurt kam und das Gesicht von RB Leipzig werden sollte bzw. auf der Vereinswebsite auch anfangs wurde, am Ende aber gleich unter drei verschiedenen Trainern scheiterte bzw. nie in die tragende Rolle hineinwuchs, die man sich von ihm erhofft hatte. Alle Trainer hatten es sich auf die Fahnen geschrieben, Kammlott in die Spur zu bringen. Alle gaben dieses Ziel irgendwann mehr oder weniger offen auf. Kammlott war in Freundschaftsspielen immer für Tore gut und hatte spektakuläre Tage wie beim oben schon erwähnten 3:2 gegen Halberstadt. Als Stürmer war er in Pflichtspielen allerdings zumeist eher Chancentod und wirkte manchmal in dieser RB-Welt mit den großen Ansprüchen seltsam verloren. Den großen Rückhalt hatte er in der Fanwelt sowieso genau wie in der sportlichen Leitung irgendwann nicht mehr, sodass der Weg zurück nach Erfurt nach immerhin dreieinhalb Jahren logisch war.

Ja, es gab da auch noch andere Spieler, die man hätte nennen können. Doch es konnten halt auch nur elf ins Team. Vieles geht auf die Regionalliga-Tage zurück, was zwangsläufig so ist, wenn es auch um Spieler geht, die in Vergessenheit geraten sind.

Überblick über die etwas andere Traumelf:

Borel – Müller, Hoffmann, Franke, Kocin – Mrowiec, Lagerblom, Laas – Morys, Wallner, Kammlott.

Müsste ich dagegen tatsächlich so etwas wie eine Elf der letzten sieben Jahre mit den Verein prägenden Spielern wählen, dann käme wohl irgendwas wie das hier heraus:

Coltorti – Ch. Müller, Sebastian, Franke, L. Müller – Schulz, Kimmich – Kaiser, Röttger – Poulsen, Frahn..

2 Gedanken zu „Die etwas andere Traumelf“

  1. Man sollte meinen, dass man sich nach 7 Jahren noch an alle Gesichter erinnert, aber die Strahlkraft der aktuellen Helden ist so groß, dass man leider schnell vergisst wo man hergekommen ist. Vielen Dank für die tollen Erinnerungen…

  2. Schöner Artikel.

    Das wäre doch mal was, eine Choreo oder ein Shirt mit den Spielernamen unserer Fußballer seit 2009.

    Sektor B und RB Leipzig, bitte übernehmen Sie!

Schreibe einen Kommentar zu Friedrich Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert