RB Leipzig in der Bundesliga 2016/2017

Bundesliga. Wie ungewohnt das noch klingt. Aber jetzt darf man sich ja damit beschäftigen. Und was böte sich als Anlass für eine erste Annäherung an die kommende Saison besser an als die Tatsache, dass seit gestern die Zusammensetzung der Liga klar ist.

Dass RB Leipzig der 55. Neuling der Bundesliga sein würde, war klar. Auch dass Freiburg, der Inbegriff eines deutschen Top20-Teams (ok, Top23), wieder dabei sein würde. Seit nunmehr 25 Jahren war Freiburg immer Bundesligist oder nie schlechter als Fünfter in der 2. Liga.

Vervollständigt wurde das Bundesliga-Feld gestern durch Eintracht Frankfurt, die in der Relegation vergleichsweise dominant den 1.FC Nürnberg besiegten und die Klasse hielten. Und damit den scheidenden Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen zu einem freudetrunkenen Grüßmarathon vor laufenden Kameras zwangen. Eltern, Freunde, Gartenzwerge, Krümelmonster und all die anderen, die gegrüßt wurden, werden sich sehr gefreut haben.

Freuen kann sich auch RB Leipzig. Nämlich auf neun Mannschaften, gegen die man noch nie oder höchstens gegen deren zweite Mannschaften gespielt hat. Auf der anderen Seite stehen acht Teams, die man schon von der einen oder anderen Gelegenheit her kennt. Darmstadt, Ingolstadt und Freiburg aus dem Ligabetrieb. Wolfsburg und Augsburg aus dem DFB-Pokal. Und Hertha, Bremen und Schalke von Testspielen.

Die Dinge in der Bundesliga sind natürlich etwas klarer verteilt als sie dies in der zweiten Liga bisher (oder auch in der dritten Liga oder partiell in der Regionalliga, die Älteren unter uns werden sich erinnern) waren. Zumindest was die vorderen Tabellenplätze angeht.

Egal mit welchem Trainer die Bayern an den Start gehen und egal, welche Spieler da möglicherweise noch hin- oder auch herwechseln, ganz nach oben kann man den Rekordmeister setzen. Schlechter als Zweiter war man in den letzten neun Spielzeiten nur einmal. Und die Wahrscheinlichkeit, dass man in naher Zukunft mal schlechter als Zweiter wird, ist in der jüngeren Vergangenheit noch mal deutlich gesunken.

Wenn man sich zwei Kontrahenten malen will, dann kommen dafür eigentlich nur Dortmund und Leverkusen in Frage. Wobei beide in Sachen Dreifachbelastung durch Liga, Champions League und DFB-Pokal nicht so gut aufgestellt sein dürfte wie die Bayern.

Gerade bei Bayer Leverkusen und deren aufwändiger Spielweise ist das über die Saison gesehen durchaus ein Faktor. Auch wenn man mit den frühen Verpflichtungen von Kevin Volland und Julian Baumgartlinger schon mal gut gearbeitet hat und der Kader ja vielleicht auch in der Breite an Qualität gewinnen wird. Auch der Chilene Charles Aránguiz kann nach Verletzungsseuchensaison von Beginn an dabei sein und noch mal einen Qualitätsgewinn mit sich bringen.

In Dortmund auf der anderen Seite kann man, das hat sich unter Tuchel schon in der abgelaufenen Saison gezeigt, viel über taktische Finesse abfangen. Sprich, auch die Nummer 18 bis 20 im Kader findet im Spielkorsett einen Platz, der es ihm ermöglicht, gegen fast jeden Bundesligaclub konkurrenzfähig zu sein. Spannend beim BVB vor allem, wie der Kader dann Ende August aussehen wird und ob es da zu viele Veränderungen für erneutes Topniveau gibt.

Hinter dem Toptrio sind Schalke 04, Wolfsburg und Möchengladbach die klassischen Kandidaten für die Plätze, die die Teilnahme an internationalen Wettbewerben bedeuten. Hinter allen drei Clubs stehen jeweils ganz eigene Fragezeichen.

Mönchengladbach bleibt ein Club, der bei der Kaderplanung kein kleiner Fisch mehr ist, aber im Fall der Fälle die besten Spieler dann eben doch verkaufen muss, weil diese weg wollen oder Mönchengladbach dadurch die Einnahmeseite verbessert. Dazu kommt die Frage, wie weit man mit André Schubert kommt, falls es mal nicht so läuft. Das mediale Umfeld war schon in der abgelaufenen Saison nicht sonderlich ruhig und positiv dem Coach gegenüber. Das wird ganz schnell ein Brandherd, wenn die Ergebnisse ausbleiben.

In Wolfsburg steht man bei der Kaderplanung auch durchaus vor einigen Herausforderungen. So richtig zusammengepasst hat die Gruppe zuletzt nicht. Im Sturmbereich ist man nicht so richtig gut aufgestellt, wenn ein Bas Dost nicht zündet oder man ihn nicht zünden lässt. Die deutsche Nationalspielerfraktion um Kruse, Schürrle, Draxler rechtfertigt das Vertrauen in sie bisher kaum. Trainer Dieter Hecking ist sicherlich kein schlechter, aber auch keiner, der aus den bekannten Bahnen ausbricht. Dazu schwelt im Hintergrund immer die Frage, wie viel Geld seitens VW noch fließt oder ob man in Sachen Transfers eher Richtung ausgeglichenen Haushalt denken muss.

Bleibt Schalke, das Fragezeichen in Vereinsform. Kann eigentlich auch immer alles passieren. Viel Talent hat man auf vielen Positionen. Vielleicht findet man nun auch nach vielen Versuchen und wenig Zufriedenheit mit Heidel plus x (also im besten Fall Weinzierl) eine Lösung, die nicht nur kurzfristig funktioniert, sondern auch eine Entwicklung der Mannschaft mit sich bringt. Kann sehr gut funktionieren, kann aber auch eine Saison in der Tradition der letzten werden.

Abstiegskandidaten in einem Sinne aus der Bundesligameute zu extrahieren, dass sie sich vom Rest wesentlich abheben würden, ist schwierig. Dazu liegen die unteren zwei Drittel der Liga meist zu eng beeinander.

Schwer dürfte es der FC Ingolstadt haben. Mit Markus Kauczinski hat man zwar einen prima neuen Trainer gefunden. Aber nach zweieinhalb Jahren Hasenhüttl und dessen intensiver Spielweise wäre es nur normal, wenn es im Team einen leichten Spannungsabfall geben würde. Topspieler wittern nach dem Hasenhüttl-Abgang vielleicht (wie ein Hübner) ihre Chance, den nächsten Karriereschritt zu machen und Ingolstadt zu verlassen. Und Kauczinski hat zwar angekündigt eher dem Hasenhüttl-Stil zu folgen, stand aber bisher bei aller Defensivstärke und guter Arbeit gegen den Ball in Karlsruhe vor allem auch für ein gepflegtes Spiel mit dem Ball. Mal sehen, wie das alles zusammenpasst. Die Wahrscheinlichkeit, dass es für Ingolstadt von Anfang an nur um den Relegationsplatz geht, ist jedenfalls ziemlich hoch.

Im weiteren Sinne dürfte man wohl Augsburg und Darmstadt zum engeren Abstiegskandidatenkreis zählen. In Augsburg gelten dieselben Gründe wie in Ingolstadt. Ein erfolgreicher Trainer geht und geht nicht, weil die Mannschaft ihn über hat. Ein bisschen Spannungsabfall und erst mal den neuen Coach beschnuppern liegt da immer drin. Wenn das zu lange dauert, steckt man schnell mal im Abstiegskampf drin.

Eigentlich macht es keinen Sinn, Darmstadt als Abstiegskandidaten zu nennen, weil es seit drei Schuster-Jahren jede Saison dasselbe Spiel ist. Irgendwie stellen sie bis zum Saisonstart ein Team zusammen, von dem man nicht glaubt, dass es große Qualität hat. Dann schreiben alle einmal im Monat, dass der Zusammenbruch und Absturz kurz bevor steht. Und am Ende der Saison schicken sich alle gegenseitig Youtube-Videos vom Lilien-Song und wundern sich.

Solange Dirk Schuster Trainer in Darmstadt ist, sollte man das Team nie und erst recht nicht in Drucksituationen abschreiben. Selbst wenn das Kaderpotenzial auch in dieser Saison wieder deutlich gegen den Club sprechen und man einige schmerzhafte Abgänge verkraften müssen wird. Spannend wird es erst, falls Schuster, dem laut Kicker und BILD ein Angebot des FC Augsburg vorliegt, den Club irgendwann verlässt. Bis dahin sollte der Verein sich infrastrukturell und organisatorisch so verbessert haben, dass er sich in erster oder (realistischer) zweiter Liga etablieren kann.

Der Rest des Feldes zeichnet sich dadurch aus, dass er wohl genauso gut in den Abstiegskampf hineinrutschen, aber auch an Europa heranschnuppern kann. Da reihen sich die beiden Aufsteiger aus Freiburg und Leipzig genauso ein, wie die bunte Restmischung aus Mainz, Hertha, Köln, Hamburg, Bremen, Hoffenheim und Frankfurt.

In diesem bunten Strauß von neun Teams aller Marktwert- und Himmelsrichtungen gibt es sicherlich Mannschaften, die man eher nach unten einordnen würde, wie Werder Bremen, die sich unter Viktor Skripnik Richtung Tabellenkeller stabilisiert haben und bei denen das Geld auch nicht auf Bäumen wächst. Und es gibt sicherlich Teams wie RB Leipzig, die man nicht auf dem Relegationsplatz 16 oder schlechter erwarten würde.

Mainz würde da vielleicht auch dazugehören, wenn sie nicht in Europa starten würden. Frankfurt wäre ein klassischer Vorzeigekandidat, der sich nach Relegationssieg gleich mal eine sehr gute Saison mit Europacupambitionen leistet. Wobei da die Frage steht, was Niko ’11 Krieger müsst ihr sein’ Kovac im Ligaalltag als Trainer zu leisten in der Lage ist.

Allein dieses Neuner-Mittelfeld plus die drei engeren Abstiegskandidaten, die da eher direkt anschließen als davon getrennt zu sein, plus ein, zwei Teams aus dem oberen Tabellendrittel wie eben Mönchengladbach, wenn sie eine nicht ganz so optimale Saison erwischen, versprechen schon ganz viel Hauen und Stechen für die neue Saison.

Wie man jetzt RB Leipzig in diesem Konglomerat aus Teams, bei denen es auch viel von Saisonflow, Verletzungen, Glück bei der Kaderplanung und Ruhe im Umfeld abhängt, positioniert, ist wohl auch eine Frage der persönlichen Präferenz. Rein formallogisch hat jemand wie Roger Schmidt natürlich Recht, wenn er meint, dass man Leipzig für einen europäischen Platz auf der Rechnung haben sollte, wo doch Hasenhüttl schon ein Team mit weit weniger Potenzial in der abgelaufenen Saison recht locker auf Platz 11 gecoacht hat.

Das ist aber eine rein formale Sichtweise. In der Praxis stehen hinter RB Leipzig zum jetzigen Zeitpunkt und wohl auch noch zu Saisonbeginn mehr Frage- als Ausrufezeichen. Weswegen die Stimmen, dass Leipzig eben zuerst einmal nur ein Aufsteiger ist und man abwarten müsse, wie sie sich schlagen, auch Recht haben. Das beginnt bei Hasenhüttl selbst und der Frage, wie er auf seiner ersten Station bei einem Team mit hoher Erwartungshaltung zurechtkommt und wie die Spieler seinen intensiven Spielstil annehmen und mit Leben erfüllen werden.

Dazu kommt die Frage, was der Kader von seinem Potenzial auch in der Bundesliga auf den grünen Rasen bekommt. Keine Frage, Talent ist einiges am Start, allerdings hat auch (mal sehen, was die Transfers daran ändern) noch kaum ein Spieler größere Bundesligaerfahrung. Schon in der Schlussphase der Zweitligasaison konnte man sehen, dass das junge Team unter Druck durchaus noch lernen muss.

Und Druck wird es in der Bundesliga, mal abgesehen von den gesteigerten sportlichen Anforderungen, genug geben. Ergebnisdruck einerseits, aber auch den Druck, der aus dem nochmal steigenden, öffentlichen Grundrauschen resultieren wird. Mit einem Aufstieg von RB Leipzig ist auch verbunden, dass völlig neue Gegner, ihr Fanumfeld und die entsprechenden lokalen Medien sich mit dem Verein auseinandersetzen und die Fragen rund um den Club noch mal lauter verhandelt werden.

Die letzten Wochen rund um den Aufstieg mit den Unmengen an Warum-RB-Leipzig-so-toll-ist-oder-dadurch-alles-noch-viel-schlimmer-wird-Artikeln haben da schon mal einen Vorgeschmack gegeben. Sich von diesem Grundrauschen, das auch die Neuzugänge erst mal verarbeiten müssen, zu befreien, wird keine Selbstverständlichkeit sein.

Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt natürlich noch viel mehr als in zwei, drei Monaten vieles Stochern im Nebel. Macht ja aber vielleicht trotzdem Spaß, wenn man sich eine Idee verschaffen will, wie es denn sportlich in einer neuen Liga nach dem Aufstieg weitergehen könnte. Der Rest klärt sich dann nach und nach in den nächsten Wochen und Monaten.

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Erster vager Tabellentipp inklusive Spannbreite der möglichen Platzierungen

  • FC Bayern München – 1. bis 2.
  • Borussia Dortmund – 1. bis 3.
  • Bayer Leverkusen – 2. bis 4.
  • Schalke 04 – 3. bis 7.
  • VfL Wolfsburg – 3. bis 7.
  • Borussia Mönchengladbach – 4. bis 9.
  • 1.FC Köln – 5. bis 10.
  • HSV – 6. bis 11.
  • Eintracht Frankfurt – 7. – 12.
  • RB Leipzig – 8. bis 14.
  • FSV Mainz 05 – 9. bis 14.
  • SC Freiburg – 10. bis 15.
  • Hertha BSC – 11. bis 16.
  • TSG Hoffenheim – 12. bis 17.
  • Werder Bremen – 13. bis 18.
  • SV Darmstadt 98 – 13. bis 18.
  • FC Augsburg – 14. bis 18.
  • FC Ingolstadt – 16. bis 18.

4 Gedanken zu „RB Leipzig in der Bundesliga 2016/2017“

  1. Na, aber hallo, mal wieder ein sehr lesenswerter Artikel. Allerdings wäre ich vorsichtig damit, RB so weit oben anzusiedeln. Ich würde da skeptischer sein. Aus den genannten Gründen bzgl. der Mannschaft an sich. Aber eben auch, weil Teams wie die TSG, Augsburg, Ingolstadt und Frankfurt nächste Saison ziemliche Wundertüten sein dürften. Allen voran Augsburg und Ingolstadt. Mein Tipp ist knapp oberhalb der Relegation, also etwa 12 – 15. Und das wäre ja kein Misserfolg.

  2. Spannend für mich vor allem zu sehen, wie es läuft, wenn man jetzt zum ersten Mal nicht Favorit auf den Sieg ist und eher einen gesicherten Tabellenplatz im Mittelfeld anstrebt. Wenngleich man natürlich etwas nach oben schielt

  3. Druck hin oder her, die Jungs werden heiß wie Frittenfett sein, ihre Fehler machen, aber auch überraschende Siege einfahren. Das Matthias ein Bundesliga-Blogger ist, wussten die Unterstützer schon vor vielen, vielen Jahren.

    1. In der ganzen Aufstiegsfeierei ist das etwas untergegangen. Aber klar, nicht nur Rasenballsport Leipzig ist in die 1. Liga aufgestiegen, sondern auch @rotebrauseblog!!!

      Glückwunsch!!

      Zum Blog:
      Obwohl die Liga gerade zu Ende gegangen ist und so mancher Verein Trainerfragen klären und Transfers tätigen muss, ist das eine sehr gute frühe Vorschau.
      Ich schüttle aber immer noch öfters den Kopf. Aufstieg und so.

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