Kaderrückblick RB Leipzig: Hinserie 2.Liga 2015/2016 – Teil I

Weiter geht es mit den Rückblicken auf die Zweitligarunde. Traditionell dabei auch der subjektiv-qualitative Blick auf alle Spieler und ihre Leistungen. Auch teilweise unter Berücksichtigung ihrer möglichen Zukunftsperspektiven. Geordnet ist das ganze wie immer nach Positionen (Tor, Verteidigung, Mittelfeld, Sturm) und innerhalb dieser Positionen nach Einsatzzeit. Los geht es heute mit den Keepern und den Verteidigern. In den nächsten Tagen geht es dann mit Mittelfeldspielern und Angreifern weiter.

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Tor

Fabio Coltorti (35 Jahre, 20 Spiele, 1781 Minuten): Im vierten Jahr in Folge die Nummer 1 bei RB Leipzig. Dabei bekam Coltorti zum ersten Mal einen ernsthaften Konkurrenten im Kampf um den Platz im Tor vor die Nase gesetzt. Sein Vorteil war, dass Konkurrent Gulacsi zu Saisonbeginn rotgesperrt ausfiel. Diesen Vorteil nutzte Coltorti und gab den Platz im Tor bis zum Winter nicht wieder her. Machte keine groben Fehler und hatte nur in wenigen Spielen leichte Wackler. Zwischenzeitlich fehlte Coltorti ein wenig das Torhüterglück, sodass er in Eins-gegen-Eins-Situationen ein paar Mal am Stück das Nachsehen hatte. Dieses Glück kam dann vor allem in Karlsruhe und Bielefeld wieder zurück an die Seite der Qualität. Insgesamt gab es wie in den drei Spielzeiten zuvor wenig auszusetzen an Coltortis Torwartspiel und an ihm als Typen und Rückhalt des Teams sowieso nicht. Im Ligavergleich hält Coltorti zwar nur sehr durchschnittliche 69% der Bälle, die er auf den Kasten bekommt. Das liegt aber vornehmlich daran, dass bei RB Leipzig Torschüsse meistens auch gleich Großchancen mit einem gegnerischen Spieler frei vor Coltorti sind. Dass dann die Quote der abgewehrten Schüsse sinkt, ist klar. Für die Zukunft stellt sich die Frage, wie Coltorti im internen Konkurrenzkampf besteht. Sowohl im Winter gegen Gulacsi als auch dann im Sommer gegen wen auch immer (falls dann noch mal ein neuer Keeper geholt wird). Bisher gewann Coltorti den Konkurrenzkampf immer. Das muss trotz der Verdienste der letzten dreieinhalb Jahre natürlich nicht so bleiben. Zumal der Schweizer nicht jünger wird.

Auch im vierten Jahr bei RB Leipzig ein sicherer Rückhalt - Fabio Coltorti bleibt die Nummer 1 | GEPA Pictures - Roger Petzsche

Peter Gulacsi (25 Jahre, 1Spiel, 90 Minuten): Kam sicherlich mit der Erwartung nach Leipzig, die Nummer 1 werden zu können. Ralf Rangnick dürfte ihm zumindest einen fairen Wettkampf um die Position im Tor versprochen haben. Hatte das Pech, wegen einer roten Karte im Pokalendspiel in Österreich gesperrt nach Deutschland zu kommen und dann bei einem Einsatz bei der U23 gleich noch mal rot zu sehen und weiter gesperrt auszufallen. Als Gulacsi Ende August endlich einsatzbereit war, war die Position im Tor schon zementiert. Entsprechend hatte der Ungar keine Möglichkeiten, sich in Pflichtspielen zu beweisen. Lediglich beim 0:3 in Unterhaching durfte er in die Kiste. Für das Ergebnis konnte er zwar nichts und grobe Fehler unterliefen ihm auch nicht, Werbung konnte er ausgerechnet in dem Spiel aber auch nicht für sich machen. Gulacsi wird im Winter sicherlich noch mal voll angreifen. Um Coltorti zu verdrängen, müsste er aber sehr deutlich besser auftreten als die bisherige Nummer 1. Ob das in der Kürze der Wintervorbereitung gelingen kann, bleibt abzuwarten. Auch wenn Rangnick sicherlich eine Idee hatte, als er Gulacsi holte und das ein Vorteil für den Ungarn sein dürfte.

Benjamin Bellot (25 Jahre, 0 Spiele, 0 Minuten): Klare Nummer 3 im Tor und damit im Kampf um Einsatzzeiten so aussichtslos hintendran, wie schon lange nicht mehr. Bekommt entsprechend einige Einsätze in der U23, wo er durchwachsene Kritiken erhält. Vertrag läuft noch bis 2018. Mehr als eine gute Nummer 3 zu sein, wird in der Zeit wohl kaum noch drin liegen, wenn nicht ungewöhnliche Dinge passieren. Falls es das nach einem Bundesligaaufstieg immer noch wäre, wäre das aber sicherlich nicht das schlechteste für Bellot.

Verteidigung

Willi Orban (23 Jahre, 19 Spiele, 1691 Minuten): So etwas wie der Königstransfer in der Abwehr. Einer der vor allem auch im Aufbauspiel präzise und gut agiert. Hatte vor allem in der ersten Saisonhälfte noch leichtere Probleme, sich mit dem hohen Verteidigen bei RB Leipzig anzufreunden. Mit unglücklichen Aktionen, bei denen er beide Male in Sachen Geschwindigkeit im Nachteil gegenüber den Gegenspielern schien, die Unentschieden in München und Heidenheim direkt mitverursachend. Anschließend wuchs Orban aber immer stärker in die Rolle des Abwehrchefs hinein und füllte sie Richtung Ende der Saison meist sehr ordentlich aus. Vernünftige Zweikampfquote, viele Ballkontakte, gute Passquote. Orban erfüllt immer stärker die Hoffnungen, die man bei seinem Wechsel von Kaiserslautern nach Leipzig in ihn steckte. Angesichts der Tatsache, dass der erste Anpassungsprozess an die RB-Spielphilosophie nun erst mal geschafft ist, kann die Entwicklung nur noch weiter voran gehen. Aktuell die klare Nummer 1 in der Abwehr, weil der kompletteste der Innenverteidiger.

Innenverteidiger mit fußballerischen Qualitäten - Willi Orban startet als Neuzugang voll durch | GEPA Pictures - Roger Petzsche

Marcel Halstenberg (24 Jahre, 15 Spiele, 1261 Minuten): Er kam, sah und fegte auf der linken Seite alles weg, was sich ihm in den Weg stellte. Wie schnell Marcel Halstenberg nach seinem Wechsel nach Leipzig einschlug, ist durchaus phänomenal. Am letzten Tag der Transferperiode, am 31.08.2015 wechselte Halstenberg vom FC St. Pauli zu RB. Elf Tage später stand der damals 23jährige, ohne eine einzige Testspielminute bestritten zu haben, gegen Paderborn bei seinem Pflichtspieldebüt auf dem Platz und spielte eine herausragende Partie, bei der er einige offene Münder hinterließ. Bis auf ein paar Minuten Schonung in der englischen Woche in München spielte Halstenberg seitdem in der Liga durch und ist unumstrittene Stammkraft auf der linken Verteidigerseite. Nicht unbedingt der Typ Sprinter wie es ein Teigl ist, aber trotzdem unheimlich präsent in der Offensive, ohne seine Defensivaufgaben zu vernachlässigen. War in lediglich 14 Ligaspielen an insgesamt acht Toren per eigenem Erfolg (2), Vorlage (2) oder Mitwirkung an der Entstehung beteiligt. Damit bringt Halstenberg eine offensive Komponente ein, die den anderen Außenverteidigern bisher und auch schon in den letzten ein, zwei Spielzeiten abging.

Lukas Klostermann (19 Jahre, 16 Spiele, 1175 Minuten): Beim Stammrechtsverteidiger vergisst man angesichts der Selbstverständlichkeit seines Auftretens manchmal, dass er erst 19 Jahre alt ist. Hat sich an Teigl und auch Hierländer vorbei seine Position gesichert und spielte diese absolut solide. Klar, dass man in Klostermanns Alter noch nicht perfekt sein kann und so bleibt noch einiges an Entwicklungspotenzial im Zweikampfverhalten, in der offensiven Effizienz und in Sachen Physis. Grundsätzlich bringt Klostermann aber alles mit, was man braucht. Gerade Geschwindigkeit und Ballbehandlung kann ihm keiner mehr nehmen. Ralf Rangnick sieht Klostermann in mittlerer bis ferner Zukunft eher als Innenverteidiger. Da muss aber gerade in Sachen Physis und Zweikampfverhalten doch noch einiges passieren. Bis dahin ist Klostermann rechts außen in der Defensive sehr gut aufgehoben. Es gibt in Liga 2 lediglich drei 19jährige, die regelmäßig Einsatzzeiten bekommen. Klostermann ist derjenige der drei, der am häufigsten zum Einsatz kommt. Trotz Verletzungsausfällen. Beim Spitzenreiter der Liga. Das sagt eigentlich auch schon ziemlich viel darüber, wie viel Qualität Klostermann mitbringt.

Georg Teigl (24 Jahre, 9 Spiele, 740 Minuten): Wo ein Gewinner (Klostermann), da natürlich auch ein Verlierer (Teigl). Diese Saison ein wenig hinten dran. Kommt immer dann rechts hinten zum Einsatz, wenn Not am Mann ist, also Klostermann verletzt ausfällt oder in der Innenverteidigung eingesetzt wird. Bei Teigl scheinen bei der geringeren Einsatzzeit, die ihn sogar schon in die zweite Mannschaft verschlug, Probleme aus seiner Anfangszeit bei RB Leipzig wieder aufzubrechen. Vor allem was das Stellungsspiel auf der Außenverteidigerposition angeht. Da sah er noch unter Zorniger wesentlich sicherer aus. Irgendwie ist gerade die Frage, wo die Reise für den 24jährigen Österreicher nach zwei Jahren RB Leipzig hingeht. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Stand heute wird man ihm wohl weder rechts hinten noch rechts weiter vorn einen Kaderplatz freihalten.

Marvin Compper (30 Jahre, 8 Spiele, 690 Minuten): Sowohl zu Beginn der Saison, als auch kurz vor der Winterpause mit Verletzungsproblemen. Dazwischen acht Spiele (sieben Siege), bei denen Compper zeigte, dass er neben Orban einen unaufgeregten, soliden Innenverteidiger spielen kann, der über seine Routine Situationen löst und der Mannschaft Halt gibt. Ausbaufähig in Sachen Zweikampf und vor allem langem Passspiel kämpft Compper gegen Nukan um den linken Innenverteidigerplatz. Wenn man Perspektive als Kriterium mit hineinnimmt, dann ist Compper in diesem Zweikampf per se ein wenig im Nachteil. Wenn er so ruhig und abgeklärt auftritt, wie in größeren Teilen seiner Auftritte zwischen den Spieltagen 10 und 17, dann hat  er aber auch ein paar Argumente auf seiner Seite.

Anthony Jung (24 Jahre, 14 Spiele, 591 Minuten): Vom absoluten Stammaußenverteidiger und meisteingesetzten Defensivspieler der Vorsaison zum Ergänzungsspieler innerhalb einer Halstenbergverpflichtung. Das hat sich Anthony Jung sicherlich ganz anders vorgestellt, als er erst im letzten Jahr seinen Vertrag bis 2019 verlängerte. Seit Halstenberg in Leipzig spielt, kam Jung in nur noch acht Spielen auf 137 Minuten Spielzeit. Vor allem als Ersatz von Emil Forsberg in späten Phasen des Spiels, um auf der offensiveren, linken Position in das Spiel gegen den Ball noch mal ein wenig Schwung zu bringen. Jungs Vorteil ist, von links hinten und vorn über die Sechs bis hin zur linken Innenverteidigerposition alles spielen zu können. Das ist aber auch gleichzeitig sein Nachteil, denn nirgends ist er die Nummer 1 und auf manchen Positionen noch nicht mal die Nummer 2. So richtig kann man sich gerade nicht vorstellen (ausgenommen Halstenberg verletzt sich), wie Jung zu umfangreicheren Einsatzzeiten kommen sollte. Wenn man bedenkt, dass Jung im ersten Saisonspiel in Frankfurt noch bester Mann auf dem Platz war, ist das ein durchaus heftiger Absturz.

Atinc Nukan (22 Jahre, 8 Spiele, 469 Minuten): Vor allem wegen Verletzungen noch nicht so richtig in Leipzig angekommen. Fiel zwischen August und November drei Monate lang aus. Dazu kommt, dass Nukan durchaus noch braucht, um sich endgültig in das RB-System einzupassen. Was man bisher schon hat, ist ein Innenverteidiger mit sehr gutem Zweikampfverhalten. Vor allem in der Luf, aber auch (grätschend) am Boden. Nukan ist nicht umsonst der (mit Abstand) beste Zweikämpfer aller RB-Feldspieler. Von dieser Qualität ausgehend, dürfte es jetzt darum gehen, an Nukans Stellungs- und Aufbauspiel zu arbeiten. In Sachen Stellungsspiel sieht manches noch arg unkonventionell aus, wenn Nukan beispielsweise seine Position verlässt, um 10 Meter weiter einen Zweikampf zu führen, den ein anderer Mitspieler wesentlich besser hätte führen können. Da steckt ein Eifer drin, der manchmal zu unproduktivem Übereifer wird. Kanalisiert man dies und feilt an ein paar Kanten des Innenverteidigers (z.B. auch seiner Theatralik), könnte aus Nukan tatsächlich ein Topdefensivspieler werden.

Tim Sebastian (32 Jahre, 7 Spiele, 299 Minuten): Mister Zuverlässig stand in Leipzig in der Saison 2015/2016 meist auf dem Abstellgleis. Selbst als am vorletzten Spieltag vor der Winterpause nur noch zwei Innenverteidiger zur Verfügung standen, saß Tim Sebastian nur auf der Tribüne. Zuschulden kommen lassen hatte sich Sebastian bis dahin in seiner wenigen Einsatzzeit nichts. Wenn er gebraucht wurde, war er da, so wie man das aus den fünf Spielzeiten zuvor auch immer kannte, in denen Sebastian öfter mal von der Bank oder als Verletzungsersatz kam. Solide spulte er sein Pensum herunter, ohne dabei herauszuragen. Für Ralf Rangnick offenbar zu wenig, denn er ließ Sebastian im Winter gen Paderborn ziehen. Wird ungewohnt sein, Tim Sebastian nach der langen Zeit bei RB Leipzig in einem anderen Trikot zu sehen. Und ist für den Kader sicherlich auch nicht wirklich positiv, den Spieler zu verlieren, der der solideste und unproblematischste (weil nie Stress machend) Backupspieler war, den man sich nur malen kann.

Stefan Hierländer (24 Jahre, 2 Spiele, 166 Minuten): Erster Spieltag, erste Spielminute, erste Szene. Langer Ball des FSV Frankfurt auf die Seite des Rechtsverteidigers Stefan Hierländer. Der steht falsch zum Ball, kommt zu spät und kann die Situation nur noch durch ein Foul halbwegs bereinigen. Wenn man die gebrauchte Saison des Stefan Hierländer zusammenfassen will, dann steckt alles in dieser einen Szene direkt zu Beginn. Für Stefan Hierländer hätte die Spielzeit eigentlich noch einmal ein Neuanfang sein sollen. Nach einem durchwachsenen Jahr in Leipzig mit überschaubarer Einsatzzeit, wollte Rangnick den Österreicher offenbar auf der rechten Außenverteidigerposition testen. Ein Test der nach 77 Minuten endete und nicht nur keine Fortsetzung fand, sondern auch dazu führte, dass Hierländer nur noch einmal (im Pokal in Osnabrück) zum Einsatz kam. Seit Mitte August sitzt Hierländer auf der Tribüne oder spielt in der Regionalliga. Damit korrespondiert auch, dass Rangnick Hierländer noch im Sommer mitteilte, dass man nicht mehr mit ihm plane und er wechseln könne, falls er das wolle. Wollte Hierländer damals nicht und steckt nun in einer sportlich unbefriedigenden Situation, die nur mit einem Wechsel im Winter halbwegs zufriedenstellend aufgelöst werden kann. Auf mehr Einsatzzeiten in der zweiten Liga als im letzten halben Jahr kann Hierländer, der weder rechts hinten, noch rechts vorn gegen die entsprechende Konkurrenz eine Kaderchance hat, jedenfalls nicht hoffen. Seine Dynamik und seine gute Schusstechnik stünden aber sicherlich manchem Team mit Ambitionen in bspw. Österreichs oberster Spielklasse gut zu Gesicht.

Ken Gipson (19 Jahre, 2 Spiele, 133 Minuten): In Sandhausen nach Klostermann-Verletzung ins kalte Wasser geworfen und gleich mitgeschwommen. Eine Woche später gegen Kaiserslautern gerade im Defensivverhalten einiges Lehrgeld gezahlt. Der erst 19jährige Gipson bringt in Sachen Courage, Dynamik und Offensivgeist schon viel mit, was ein Außenverteidiger bei RB Leipzig braucht. Im Männerbereich anzukommen, braucht wohl allerdings noch einiges an Physis, verbessertem Zweikampfverhalten und Erfahrung im Stellungsspiel. Gipson wird seinen Weg mit ziemlicher Sicherheit über das Regionalligateam gehen müssen. Wohin der Weg dann geht, ist vorerst noch unklar.

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Bisherige Kaderrückblicke:

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Bilder: © GEPA pictures/ Roger Petzsche

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