Erwartbar unbefriedigend

Die Länderspielpause scheint noch in vollem Gange, dabei sind es auch nur noch vier Tage bis der Ligenbetrieb wieder startet und es für RB Leipzig mit dem Spiel gegen den SC Paderborn weitergeht. In den ersten fünf Spielen der Saison haben die RasenBallsportler acht Punkte gesammelt. Was ungefähr dem entspricht, was man auf dem Rasen an sportlichen Leistungen gezeigt hat. Vielleicht wären ein, zwei Punkte weniger auch angemessen gewesen, aber im Grunde spiegeln acht Punkte (die Hälfte der Liga hat zwischen sechs und acht Punkten) ziemlich genau einen durchwachsenen Saisonstart wieder.

Fünf absolvierte Spieltage sind natürlich noch zu wenig, um ernsthafte Prognosen für den weiteren Saisonverlauf abzugeben (zumal die Transferperiode gerade erst abgelaufen ist und am Ende einige Clubs noch mal Veränderungen vornahmen). Und acht Punkte sind kein Grund, um in Panik auszubrechen. Nur so für den Hinterkopf sollte man allerdings festhalten, dass bspw. in der vergangenen Saison jene Teams, die am Ende die ersten drei Plätze belegten, mit mehr als acht Punkten aus fünf Spielen in die Saison starteten und dass 1,6 Punkte pro Spiel, die acht Punkte aus fünf Spielen bedeuten, nach 34 Spieltagen in den letzten 20 Spielzeiten nur einmal zum dritten Platz reichten. Und das ist auch schon wieder eine ganze Weile her (Mainz 2003/2004).

Die Zahlen unterstreichen letztlich nur den Augenschein, dass sich RB Leipzig in den verbleibenden 29 Spielen wird steigern müssen, um das, was die Konkurrenz von ihnen und sie selber von sich erwarten, nämlich den Aufstieg, am Ende auch erreichen zu können. Im Moment ist man in Bezug auf das spielerische und spieltaktische Auftreten ein durchschnittliches Zweitligateam mit überdurchschnittlicher individueller Besetzung.

Auch hier bieten die Zahlen wieder einen guten Beleg für die These. Wenn man die Anzahl der Torschüsse im Verhältnis zu der Anzahl der Torschüsse des Gegners als Hinweis darauf nimmt, welches Team besser ist in der Balance zwischen Offensive und Defensive (also in der taktischen Ausrichtung) und hierbei vor allem die Schüsse zählen, die aufs Tor gehen, dann hatten die RasenBallsportler in fünf Spielen genau drei solcher Gelegenheiten mehr als ihre Gegenüber. Sprich, man bewegte sich im zentralen Element des Fußballspiels, im Versuch das Tor zu treffen, auf Augenhöhe mit den Gegner. Die bisher noch nicht einmal zu den absoluten Topclubs der Liga gehörten bzw. selbst teilweise Problemlagen zu bewältigen hatten.

Es ist wie schon häufig rund um RB Leipzig. Man betreibt einen Riesenaufwand, aber der Ertrag ist dafür vergleichsweise gering. Auch diese Saison ist man wieder das mit Abstand laufstärkste Team und läuft bisher pro Spiel über einen Kilometer mehr als das zweitstärkste Team (Heidenheim). Dazu absolvierte man die drittmeisten Sprints aller Zweitligisten. Nur führt es nicht dazu, dass am Ende die eigenen Offensivbemühungen die Offensivbemühungen des Gegners deutlich dominieren.

Glück hatte man dabei noch, dass die Gegner nur ein Viertel ihrer Schüsse aufs Tor auch im Tor unterbrachten. Nur vier Zweitligisten sind bisher auf Gegner getroffen, die noch schlechtere Abschlussquoten haben. Auf der anderen Seite sind auch nur drei von zehn RB-Schüssen aufs Tor von Erfolg gekrönt. Was gleich zehn Teams bisher besser hingekriegt haben. Wobei darin auch das Problem durchscheint, dass gegen RB Leipzig gern tief und am und im Strafraum verteidigt wird und entsprechend auch Schüsse aus dem Strafraum oder aufs Tor nur unter großem Druck und nicht immer mit größtmöglicher Zielgenauigkeit abgegeben werden können.

Angesichts der überschaubaren Bilanz wurde der Ton auch in der Öffentlichkeit zuletzt schon deutlicher. Sowohl nach der Niederlage gegen St. Pauli als auch nach dem Testspiel gegen Dukla Prag war Coach Ralf Rangnick deutlich in der Wortwahl und bemängelte wahlweise das individal- und mannschaftstaktische Auftreten oder die Motivationslage bzw. ließ erkennen, dass er sich einige Dinge, wie sich Spieler und Mannschaftskonstrukt auf dem Spielfeld verhalten, für deutlich verbesserungswürdig hält. Zuvorderst das Positionsspiel und die Arbeit gegen den Ball.

Auf den ersten Blick kann es nicht erstaunen, dass die Mannschaft bei im Schnitt etwa fünf neuen Spielern in der Startelf noch so einige Probleme in der Abstimmung und im Gegenpressing hat. Andererseits sind mit Ilsanker, Sabitzer und Bruno auch drei der neuen Spieler (wobei Bruno nur partiell Startspieler war) durch ihre Salzburger Vergangenheit mit der Spielidee vertraut.

Nicht irrelevant für den aktuellen Stand der Dinge auch die Tatsache, dass RB Leipzig mit relativ klarem Abstand bisher im Schnitt mit der jüngsten Mannschaft der zweiten Liga gespielt hat. Bei allem Talent, was im Team steckt, muss sich dies auf dem einen oder anderen Weg bemerkbar machen. Fehlende Konstanz steht als Negativfolge am einen Ende. Viele Möglichkeiten, dass sie die Qualität des Teams durch die Entwicklung der jungen Spieler im Laufe der Spielzeit deutlich erhöht steht am anderen Ende. Wenn denn den Spielern im Saisonverlauf auch das Vertrauen mitgegeben wird, sich zu entwickeln.

Für die gemeinsame Entwicklung als Team hin zu einem (sportlich) funktionierenden Verbund nicht sonderlich förderlich, dass das viele junge Talent im Team auch dazu führt, dass in Länderspielpausen größere Teile des Teams tatsächlich unterwegs sind und nicht zu Hause mit dem Team trainieren können. In dieser Länderspielpause trifft es gleich sieben Spieler (davon sechs mit mindestens 200 Einsatzzeit von bisher 450 Ligaminuten), die zudem noch für das anstehende Freitagsspiel eine extrem kurze Vorbereitung haben.

In diesem Zusammenhang auch auffällig, dass in den bisher neun Testspielen, die in dieser Saison schon gespielt wurden (sieben in der Vorbereitung auf die Saison, zwei während der Spielzeit) insgesamt 43 Spieler eingesetzt wurden. Rani Khedira und Diego Demme, die mit Abstand die meiste Einsatzzeit in den Testspielen abbekamen (469 von 810 Minuten), kamen bisher im Saisonverlauf fast gar nicht zum Zuge. Die häufig eingesetzte Offensivabteilung um Selke, Forsberg, Sabitzer, Poulsen absolvierte dagegen jeweils nur zwischen 135 und 225 Testminuten. Und auch ein Stefan Ilsanker bekam keine 200 Minuten zusammen.

Heißt, dass es in der Vorbereitung kaum Zeit gab, Abläufe unter Wettkampfbedingungen zu testen und die Testspiele in den Länderspielpausen diesbezüglich auch wenig bringen, wenn fast die komplette Offensivreihe in Nationalmannschaften unterwegs ist. Die Testspiele sind schön für Nachwuchsspieler, die dann immer wieder den Profikader auffüllen dürfen, aber im Sinne einer schnellen Entwicklung des Profikaders in Bezug auf das Zusammenspiel eher ohne Effekt.

Vielleicht Teil des damit verbundenen Problems, dass die Optimalformation des Teams noch gar nicht gefunden scheint. Das beginnt schon bei taktischen Fragen. Am Anfang der Saison spielte man noch ein 4-2-2-2, das aber einerseits gegen den Ball nicht die Stabilität bot, die man sich erhoffte und offensiv in der Mitte des Spielfelds zu wenig Kreativität hatte. Durch den Übergang hin zu einem 4-2-3-1 mit einer klarer besetzten Mittelfeldzentrale boten sich gegen tief verteidigende Gegner noch mal andere Möglichkeiten, den Ball auch in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen. Sprich, die Abstände zwischen den Sechsern und der Offensivreihe waren dadurch nicht mehr so unüberwindbar hoch wie noch zuvor.

Im Testspiel gegen Prag probierte man sich nun wieder eher im 4-2-2-2. Zumindest im Pressing, in dem Massimo Bruno als zweiter Stürmer agierte. Mit dem Ball bietet Bruno als Spielertyp dann natürlich alle Möglichkeiten, auch aus einer etwas tieferen Position heraus am Spiel teilzunehmen. Ob das dann taktisch die Idee für die nächsten Spiele ist, wird man sehen.

Die grundsätzliche Spielphilosophie von (Gegen-)Pressing und aggressivem Arbeiten gegen den Ball ist derweil gesetzt und unantastbar. Bei allen Nachteilen, die diese Philosophie haben mag, wenn man gegen den Ball nicht genau genug arbeitet oder Spieler sich aus welchen Gründen auch immer der Balljagd nicht zu 100% verschrieben fühlen.

Diese Saison wird die Philosophie etwas aufgehübscht, indem man sehr genau darauf achtet, dass das übermäßige Spielen des langen Balls und die anschließende Jagd zweiter Bälle nicht mehr betrieben wird. Auch wenn man mit Selke, Quaschner, Poulsen und bald ja vielleicht sogar wieder Boyd inzwischen sogar mehrere Spieler hätte, die für Verwirrung sorgen und den nachrückenden RB-Mittelfeldspielern Zeit geben würden. Doch trotz dieser Spieler wird diese Saison am Flachpassspiel aus der Verteidigung gearbeitet. Auch dies eine Idee, die Abstimmung und Eingespieltheit erfordert.

Bleiben auch noch die Fragen nach der Besetzung der einzelnen Positionen. Die Breite des Kaders hat natürlich den Vorteil, den laufintensiven Stil und mögliche Verletzungen bzw. Sperren auffangen zu können. Andererseits sitzen auf der Bank oder gar auf der Tribüne immer wieder Spieler, die sich dort definitiv nicht sehen dürften. Ein Yussuf Pousen setzt sich natürlich auch mal auf die Bank, aber nur wenn es nicht zur Dauerlösung wird. Ein Anthony Jung wird auf der Tribüne und abgeschoben zur U23 auch einen dicken Hals schieben. Rani Khedira und Dauerläufer Diego Demme, jeweils bisher einmal in der Startelf wären in vielen anderen Zweitligamannschaften gesetzt und wissen das natürlich auch. Und über Quaschner, Gulacsi, Hierländer, undsoweiter hat man da noch nicht mal geredet.

Es stehen aktuell viele Spieler hinten an, die eventuell nicht nur Druck auf die Spieler ausüben wollen, die vor ihnen stehen und spielen, sondern durch Unzufriedenheit eher gar nicht erst in einen sportlichen Flow hinein- oder an ihre Leistungsgrenze herankommen. Wenn man Erfolg hat, dann lässt sich die Unzufriedenheit auch seitens der Spieler vielleicht halbwegs handhaben. Wenn der Erfolg ausbleibt oder durchwachsen ist, werden sich manche Spieler sicherlich fragen, warum man ihnen denn keine Chance gibt, wenn es die Konkurrenten auch nicht besser machen.

Wie schon am Anfang der Saison vermutet, geht es vor allem darum, aus vielen guten Fußballern eine Mannschaft zu bauen. Auf taktischer Ebene, auf spielerischer Ebene und soweit notwendig auch auf menschlicher Ebene. Auf allen Ebenen bedarf es (in unterschiedlichem Ausmaß) noch Weiterentwicklungen. Ob man die Ruhe hat, die Weiterentwicklungen auch zu betreiben, muss man sehen.

Bisher war es rund um RB Leipzig in dieser Saison und das sportliche Abschneiden erstaunlich ruhig. Der eine Punkt aus den letzten zwei Spielen konnte da wenig dran ändern. Noch ein, zwei weitere Spiele ohne Sieg und es könnte von Seiten der medialen und nichtmedialen Öffentlichkeit aber bereits ungemütlich werden. Irgendwo im Tabellenmittelfeld der zweiten Liga zu versacken, gehörte jedenfalls nicht zum Selbstbild des Vereins und würde entsprechende, genüssliche Reaktionen anderswo provozieren. Selbst wenn fast alles, was in dieser Saison bisher passierte, auch erklärbar ist. Stichwort junge Mannschaft, fehlende Eingespieltheit und fehlende Möglichkeiten, sich jenseits des Ligenbetriebs einzuspielen.

Der erwartete oder erhoffte Qualitätssprung ist bei RB Leipzig jedenfalls im Vergleich zur Rückrunde der vergangenen Saison noch nicht eingetreten. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund der enormen Kaderverstärkungen in diesem Sommer aus RB-Sicht ein unbefriedigender Befund. Insgesamt ist aber auch der Weg klar, auf dem sich die Mannschaft zusammen mit den Veranwortlichen befindet bzw. den sich letztere für die Mannschaft ausgesucht haben. Jetzt muss sich halt nur noch zeigen, ob die Mannschaft diesen fußballerischen Weg gehen kann.

Fünf Spiele sind es bis zur nächsten Länderspielpause, darunter eine englische Woche mit den Spielen in Heidenheim, gegen Freiburg und in München. Dazu die Heimspiele gegen Paderborn und Nürnberg. Am Ende dieses zweiten Ligaspielblockes mit einigen Herausforderungen wird man schon genauer wissen, wie RB Leipzig sportlich funktioniert, ob man eine Entwicklung hinbekommt und inwiefern man mit der Spitze (Platz 1 und 2 sind schon sieben bzw. vier Punkte weg) mithalten kann oder weiter Boden verliert.

2 Gedanken zu „Erwartbar unbefriedigend“

  1. Sehr schöner Kommentar, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer: Warum wurde gegen Ingolstadt nicht mit voller Kapelle getestet, waren doch alle da! Werde ich nie verstehen, bin dafür ja gern in die Red Bull Arena mit 2 Kindern gepilgert…

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