Spieler der Hinrunde: Tim Sebastian

In der Rückschaureihe hier im Blog fehlt nur noch der Spieler der Hinrunde. Wobei die Wahl etwas schwierig ist, nach insgesamt 21 Pflichtspielen, in denen sich niemand so richtig aus dem Team abhob. Zumindest nicht so sehr, dass es unmöglich wäre, an ihm vorbeizukommen.

Anthony Jung wäre sicherlich keine schlechte Wahl gewesen. Der 23jährige Linksverteidiger darf mit Fug und Recht als konstantester Spieler der Hinrunde bezeichnet werden und hat nur wegen einer gelb-roten Karte in Aalen überhaupt Spielminuten verpasst. Anthony Jung hat nach einer ersten Saison in Leipzig mit Höhen und Tiefen in seinem zweiten Jahr noch mal einen erheblichen Sprung gemacht und sich zu einem absoluten Stammspieler mit defensiver Sicherheit und dynamischem Auftreten entwickelt. Offensiv fehlt ihm trotz aller Bemühungen allerdings das letzte Quentchen Gefährlichkeit, das aus einer sehr guten eine überragende Saison gemacht hätte.

Immer nennen könnte man natürlich Yussuf Poulsen, der sich in seinem zweiten RB-Jahr zum absoluten Topstürmer entwickelt hat, der an manchen Tagen die Offensivgefahr fast schon im Alleingang herstellen musste. Mit acht Toren ist Poulsen der mit Abstand treffsicherste Spieler in Leipzig und zeigte an guten Tagen, warum er perspektivisch auf jeden Fall in die erste Liga gehört. Allerdings hatte er zwischendurch auch schlechte Tage, weil er nach einem intensiven Jahr, in dem bis zur Einladung zur Nationalmannschaft ziemlich viel auf ihn einprasselte, irgendwann körperlich und wohl auch mental nicht mehr in Topverfassung war. Dazu kommen gelegentliche Allüren z.B. in Sachen (teilweise nachvollziehbarer) Klagen über den Schiedsrichter.


Weswegen die Wahl heute auf einen fällt, der wahrscheinlich die größte positive Überraschung im Kader von RB Leipzig war und sich den (wertlosen) Titel des Spielers der Hinrunde auch ein wenig für sein bisheriges Lebenswerk bei RB Leipzig verdient hat. Seit 2010 spielt Innenverteidiger Tim Sebastian jetzt in Leipzig. Tomas Oral hatte ihn einst von Rostock nach Leipzig gelockt, als Führungsspieler auserkoren und zum Kapitän gemacht. Eine Rolle, die Tim Sebastian in einer schwierigen Saison nicht komplett ausfüllen konnte. Unter Peter Pacult hatte er es ein Jahr später auch nicht leicht, obwohl er nicht mehr Kapitän war, durfte aber doch in reichlich der Hälfte der Spiele mitmachen. Und auch unter Alexander Zorniger pendelte er lange zwischen Bank und Platz.

Herausragend schon in den vergangenen zwei Jahren unter Zorniger, wie Tim Sebastian mit seiner Rolle als nicht durchgängig gesetzter Spieler umging und immer sofort und ohne Anlaufzeit da war, wenn man ihn brauchte. Selbst wenn er mal ein paar Spiele auf der Bank saß, verlor er nie Ruhe und Selbstvertrauen und konnte dem Team so sofort weiterhelfen, wenn die Reihe eines Einsatzes dann mal wieder an ihm war. Ein zuverlässiger, enorm professioneller Typ.

Im Idealfall immer einen Schritt vor dem Gegenspieler am Ball - Tim Sebastian ist wieder mal Sieger im Zweikampfduell | GEPA Pictures - Roger Petzsche

In dieser Saison war Tim Sebastian dann vom ersten Spiel an gesetzt. Auch weil Fabian Franke durchgängig verletzt war und sich später auch Niklas Hoheneder schwer verletzte. Zuerst an der Seite von Hoheneder, später an der Seite von Marvin Compper zeigte sich Tim Sebastian unbeeindruckt von seiner neuen Aufgabe, über Wochen und Monate auf höchstem Niveau spielen zu müssen, etwas was ihm in der Vergangenheit nicht ganz so leicht fiel. Sodass er zum zentralen Baustein der besten Defensive der zweiten Liga wurde.

Man hatte am Ende der vergangenen Saison schon gedacht, dass Tim Sebastian einer sein könnte, der in der zweiten Liga wichtig werden könnte, eben weil er wie gesagt, immer sofort auf hohem Niveau spielt, wenn er mal in eine Partie geworfen wird und zudem auch noch flexibel neben dem Innenverteidiger auf der Sechs oder im Notfall auch Rechtsverteidiger spielen kann. Ein perfekter Verteidiger für die Kaderplätze 12 bis 18, so hätte man denken können.

Und dann spielt Tim Sebastian erstmals nach vier Jahren wieder zweite Liga und wirkt so, als wäre er nie weggewesen, wäre nicht jahrelang Regionalligaspielern hinterhergerannt, sondern schon immer auf Zweitliganiveau unterwegs gewesen. Beeindruckend. So beeindruckend, dass ihn auch der Kicker in die Herausragend-Kategorie in der Hinrundenrangliste setzte. Und ihn damit in bester Gesellschaft z.B. von Tah, Orban oder Heintz sah.

Dass Tim Sebastian eine prima Hinrunde gespielt hat, zeigt sich auch in den Zahlen. Von allen regelmäßig eingesetzen Feldspielern bei RB Leipzig hatte der 31jährige in den Zweitligaspielen die beste Zweikampfquote und gewann reichlich 59% seiner Duelle, wobei die Quote in Luftduellen sogar 64% betrug. Noch beeindruckender, dass Tim Sebastian mit nicht einmal einem Foul pro Spiel auskam und auch hier den Topwert aller regelmäßig eingesetzten RB-Feldspieler hält. Hier kommt Sebastian sicherlich seine Routine entgegen, mit der er viele Situationen vorausschauend und ohne Zweikampf und erst recht ohne Foulnot lösen kann.

Wichtig ist Tim Sebastian auch für den Spielaufbau. Mit 57 Ballbesitzen pro Zweitligaspiel bewegt er sich im Rahmen seiner Abwehrkollegen. Mit einer Passgenauigkeit von knapp 77% liegt er nur knapp hinter dem Topmann in dieser Kategorie Niklas Hoheneder, der aber auch nur in halb so vielen Spielen auf dem Platz stand. Tim Sebastians Beitrag für den Spielaufbau ist alles in allem in Ordnung, aber ein bisschen Luft nach oben ist da durchaus noch.

Luft nach oben ist sicherlich auch noch bei Offensivaktionen. Sprich, als Innenverteidiger entsprechend vor allem bei Standards. Eine Torvorlage (für ein Eigentor im Spiel gegen St. Pauli) steht hier bei Tim Sebastian zu Buche. Tore in dieser Saison, wie schon in den letzten zwei Spielzeiten unter Zorniger, Fehlanzeige. Das ist für RB-Innenverteidiger-Verhältnisse nicht untypisch, aber nicht nur angesichts von gleich drei Toren noch unter Pacult absolut ausbaufähig.

Insgesamt spielt Tim Sebastian allerdings trotz Torlosigkeit bisher eine sehr gute Saison. Es dürfte schwer werden, diese Leistung auf diesem hohen Niveau auch in der Rückrunde zu bestätigen und sich in den verbleibenden mindestens 16 Pflichtspielen weiterhin als Stammspieler zu etablieren. Zumal RB Leipzig bekanntermaßen einen weiteren Innenverteidiger sucht, der den Konkurrenzdruck weiter erhöhen würde. Wobei die Konkurrenz vor allem mit Compper und Hoheneder schon jetzt eine große ist. Wenn denn beide komplett fit sind.

Tim Sebastian hat noch einen Vertrag bis zum Saisonende, den der Verein per Option bis 2016 verlängern könnte. Spielt Sebastian weiter auf dem aktuell hohen Niveau, darf man davon ausgehen, dass er auch nächste Saison noch in Leipzig spielt. Vielleicht werden sich dann seine Einsatzzeiten langsam ein wenig reduzieren, weil man ligenunabhängig bei RB Leipzig auf der Innenverteidigerposition den Altersumbruch wird wagen müssen, aber gerade einen Tim Sebastian, der in Sachen Zuverlässigkeit und Professionalität ein absolutes Vorbild ist, hat man auch als Ergänzungsspieler für alle Notfälle sehr gern im Kader.

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Bisher so:

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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche

Ein Gedanke zu „Spieler der Hinrunde: Tim Sebastian“

  1. 100%ige Zustimmung RBB!!!
    Bei Youssuf war es zu erwarten, daß er seine Leistungen bringen wird. Aber Tony Jung? Ich war sehr erstaunt, daß er, trotz keiner richtigen Konkurenz, so eine konstante gute Leistung bringt. Das Chemnitzspiel, war irgenwie ein Wachmacher für ihn.

    Zu Tim hast Du ja alles gesagt, was ich komplett so unterschreiben kann. Ich hoffe, er bleibt gesund und kann die gezeigte Leistung in der RR bestätigen!

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