Ehemaligenversammlung

Gestern war es soweit und der ehemalige Coach von RB Leipzig Peter Pacult unterschrieb seinen nächsten Arbeitsvertrag. Ausgerechnet und – für mich zumindest – extrem unerwartet bei Dynamo Dresden. Denn erstens hinterließ er mit seinem überstürzten Abschied bei seinem ersten Versuch bei Dynamo, als er 2006 kurz nach Saisonbeginn überraschend um Vertragsauflösung bat, um zum Herzensclub Rapid Wien zu wechseln, nicht nur Freunde, zweitens war seine letzte Station, die er mit Überzeugung(!) ausfüllte, jene bei RB Leipzig, was mit dem durchschnittlichen Dresdner Anhänger nicht zu 100% kompatibel scheint und drittens war Pacults sportliche Expertise im RB-Jahr gerade bezüglich der taktischen Entwicklung des Teams nicht sonderlich beeindruckend.

Wobei letzteres auch wenig Aussagekraft haben könnte, denn mit Dynamo Dresden wird Pacult in den kommenden Monaten kaum in die Situation kommen, gegen tief verteidigende Gegner anrennen zu müssen. Sprich, bei Dynamo wird es nicht unbedingt auf das Spiel mit dem Ball ankommen, wie es das bei RB Leipzig zumeist tat, sondern auf schnelles Umkehrspiel. Und wie das aussehen kann, hat auch Pacults RB Leipzig in Perfektion gegen den VfL Wolfsburg gezeigt. Peter Pacults Umschaltspiel mag aufgrund des fehlenden Pressings nicht sehr modern wirken, aber vermutlich wird das in den kommenden sechs Monaten, in denen es für Dynamo um den Klassenerhalt geht, gar nicht so entscheidend werden.

Mit dem Namen Pacult sind auch aus RB-Perspektive interessante andere, potenzielle Personalien verbunden. Zuerst einmal ist der Wechsel Pacults dahingehend pikant, dass bei Dynamo Ex-RB-und-zuvor-schon-mal-Dynamo-Pressesprecher Enrico Bach als Kommunikationschef arbeitet, der in Leipzig praktisch von Pacult entlassen wurde, indem der seinen eigenen Pressechef mitbrachte, nämlich Sharif Shoukry. Wobei die besondere Pikanterie der Story auch darin bestand, dass Bach bis zuletzt und als schon alle Pressewelt davon schrieb, nichts von seiner Demission wusste und an der Seite Pacults seinen Job machte. Dass die beiden große Freunde werden könnten, liegt zumindest nicht nahe. Dass Shoukry und Bach die Plätze tauschen allerdings auch nicht.

Auf Seiten der Spieler könnte es um Stefan Kutschke interessant werden. Falls Peter Pacult den Sommer 2013 bei erreichtem Klassenerhalt übersteht und seinen Vertrag bis 2014 erfüllt, könnte Kutschke ganz oben auf die Dynamo-Interessensliste gelange. Kutschke und Pacult schätzen einander. Kutschkes erklärte Liebe ist Dynamo. SGD-Sportdirektor Menze soll dem LVZ-Vernehmen nach an Kutschke interessiert gewesen sein. Und zu allem Überfluss läuft Kutschkes Vertrag aus. Kutschkes Wille hölherklassig zu spielen, ist (wie der Flirt mit Wolfsburg im Sommer zeigte) ausgeprägt. Da würden relativ viele Puzzlestücke zusammenpassen.

Das ist bei Timo Röttger nicht ganz so, denn Pacult holte ihn zwar von Dresden nach Leipzig (was in Dresden nach dem Aufstieg in die 2.Liga nicht sonderlich positiv aufgenommen wurde), aber das Verhältnis der beiden zueinander schien im Laufe der letzten Saison eher abzunehmen. Bei Röttger hängt es sowieso vor allem davon ab, wie er sich unter Zorniger ins Team kämpfen kann. Sofort verfügbar für Pacult wären hingegen seine beschäftigungslosen (teils weiterhin suspendiert, teils Vertrag aufgelöst) Wunschtransfers der Vorsaison Lagerblom, Borel und Wisio.

Apropos Ehemalige. Wirft man einen Blick auf die Liste derer, die in den letzten zwei Jahren für RB Leipzig aktiv waren (also Spiele bestritten oder Trainer oder sportliche Leiter waren) und guckt, was denn aus denen geworden ist, dann fällt auf, dass es vor allem die ehemaligen Trainer (Oral, Pacult) sind, die die Karriereleiter hinauf gefallen sind (das gilt in Bezug auf die sportlichen Leiter auch für Linke und Beiersdorfer). Was erstaunt, wenn man die allgemeine Wahrnehmung und Bewertung, sie wären bei RB grandios gescheitert, in Betracht zieht.

Funktioniert RB Leipzig in diesem Bereich offenbar als Karrieremotor, gilt dies im Spielerbereich nicht mal ansatzweise. Sven Neuhaus wurde in Hamburg aufgrund von Verletzungen zwar im vergangenen Jahr zu drei Einsätzen in der Bundesliga gespült, ist dort allerdings trotzdem nur kostengünstiger Ergänzungsspieler. Das im Hinterkopf ist Benjamin Baier der ranghöchste ehemalige RB-Spieler mit regelmäßiger Einsatzzeit. Erstaunlich vor dem Hintergrund, dass Baier in Leipzig gerade mal 13 Partien von Beginn an bestritt. Allerdings steht Baier auch nicht gerade bei einem Topteam der dritten Liga unter Vertrag (Darmstadt).

Ansonsten ist der durchschnittliche Ex-RBLer entweder aktuell Regionalligist oder karriereauslaufenlassender Fünftligist oder beschäftigungslos. Was ein wenig gegen die These spricht, dass RB in den letzten zwei Jahren ein individuelles Überteam gehabt habe. Denn die 21 Spieler, die nicht mehr für RB Leipzig spielen, ergeben zwar weiterhin eine sehr gute (wenn auch alte) Regionalligamannschaft, für mehr reicht es aber anscheinend auf dem Transfermarkt nicht mehr. Die Übersicht:

Bundesliga

  • Sven Neuhaus (34 Jahre) – Hamburger SV (seit 2011, drei Einsätze)

2.Liga

  • Peter Pacult (53 Jahre) – Dynamo Dresden (Trainer, seit 18.12.2012)
  • Tomas Oral (39 Jahre) – FC Ingolstadt (Trainer, seit 11/2011)
  • Thomas Linke (42 Jahre) – FC Ingolstadt (Sportlicher Leiter, seit 11/2011)

3.Liga

  • Nico Frommer (34 Jahre) – 1.FC Heidenheim (seit 2011, 17 Einsätze)
  • Benjamin Baier (24 Jahre) – SV Darmstadt 98 (seit 2011, 47 Einsätze)

Regionalliga

  • Tom Geißler (29 Jahre) – Carl Zeiss Jena (seit 2012, 5 Einsätze)
  • Shaban Ismaili (23 Jahre) – Sonnenhof Großaspach (seit Januar 2012, 30 Einsätze)
  • Maximilian Watzka (26 Jahre) – Eintracht Trier (seit 2012, 19 Einsätze)
  • Christopher Gäng (24 Jahre) – Lok Leipzig (seit 2012, 7 Einsätze)
  • Sebastian Albert (25 Jahre) – ZFC Meuselwitz (seit 2012, 8 Einsätze)
  • Steven Lewerenz (21 Jahre) – Eintracht Trier (seit 2012, 18 Einsätze)

Oberliga

  • Thomas Kläsener (36 Jahre) – SSV Markranstädt (seit 2011, in der aktuellen Saison 10 Einsätze)
  • Patrick Bick (35 Jahre) – SSV Markranstädt (seit Januar 2011, in der aktuellen Saison 13 Einsätze)
  • Richard van den Bosch (20 Jahre) Dynamo Dresden II (seit 2012, 3 Einsätze)
  • Lars Müller (36 Jahre) – Sportlicher Leiter bei der Hammer SpVg (seit November 2012, bis Anfang November dort Spielertrainer mit erreichtem Ziel Aufstieg)

Landesliga

  • Alexander Laas (28 Jahre) – RB Leipzig II (offiziell seit Sommer 2012, inoffiziell seit Anfang 2012)

Ausland

  • Roman Wallner (30 Jahre) – Wacker Innsbruck, Bundesliga Österreich (seit 2012, 11 Einsätze)
  • Dietmar Beiersdorfer (49 Jahre) – Zenit St. Petersburg, Premier Liga Russland (Manager seit 2012)

Administrative Aufgaben

  • Ingo Hertzsch (35 Jahre) – Fanbetreuer, Marketer bei RB Leipzig

Arbeitslos/ Karriereende

  • Daniel Rosin (32 Jahre) – nach langwieriger Verletzung (letztes Spiel am 28.08.2011) vermutlich vor dem Karriereende
  • Pascal Borel – Suspendierung in beiderseitigem Einvernehmen (seit 2012)
  • Tomasz Wisio – Suspendierung in beiderseitigem Einvernehmen (seit 2012)
  • Pekka Lagerblom – Suspendierung in beiderseitigem Einvernehmen, später Vertragsauflösung (seit 2012)
  • Timo Rost – Suspendierung in beiderseitigem Einvernehmen, später Karriereende, Wunsch: Trainer werden (seit 2012)
  • Wolfgang Loos – arbeitslos als Sportlicher Leiter (seit 2012)

(In Klammern jeweils, seit wann die Spieler für den aktuellen Verein aktiv sind und wieviele Ligaspiele sie für den Verein bestritten haben. Daten von transfermarkt.de, die unterhalb der Oberliga keine Daten mehr erfassen. Nicht erfasst wurden für den Beitrag auch Spieler wie Adrian Mrowiec oder Matthias Buszkowiak, die nie für RB Leipzig in einem Ligaspiel aufliefen.)

5 Gedanken zu „Ehemaligenversammlung“

  1. Das Thomas Oral und Peter Pacult die Karriereleiter hinaufgefallen sind, teile ich ganz und gar nicht, sie sind vorher sehr hinabgestiegen und jetzt wieder in etwa im vorherigen Bereich angekommen. Ich würde es also eher so ausdrücken, dass das Jahr in Leipzig letztendlich kein Karrierekiller war, wie es wohl eher bei den Spielern zu sein scheint! Aber mal ganz ehrlich, anfangs setzte RB Leipzig doch sehr auf die erfahrenenen Spieler wie Uwe Neuhaus oder Ingo Hertzsch, die zuvor in ihrem Verein aussortiert worden waren. Das die im Anschluss nicht nahtlos da wieder einsteigen können, ist erwartbar.
    Interessant sind da eher die Spieler wie Daniel Frahn, Sandro Kaiser oder Stefan Kutschke. Werden die sich höherklassig auf Dauer durchsetzen können oder funktioniert das letztendlich nur bei RB?
    Spart ihr jetzt eigentlich wirklich das Gehalt von Peter Pacult oder war die “Auslöse” so hoch, dass er auf seinen Großteil verzichten konnte? Habe dazu in den Medien nicht so richtig was gefunden, vor ein paar Tagen hieß es jedoch, dass RB in etwa die Hälfte des Gehaltes übernehmen würde/im Aufhebungsvertrag in Summe auszahlen würde…

  2. Um das fest zu halten der gute man heisst Dominik Kaiser ;)
    Kutschke hätte durchaus das Potenzial sich bei Dynamo durchzusetzen… Allerdings gehe ich fest davon aus das RB nächstes Jahr auch höherklasssig spielt. Das vielleicht sogar gegen Dynamo ! Ich glaube trotzdem nicht das Kutschke seine aktuelle Position aufgeben würde. Seine Wolfsburg Wechselgerüchte entstanden auch daraus das er unzufrieden war, das er einen Wallner vor der Nase hatte. Wenn im Winter keine Verstärkung für den Sturm kommt (was relativ unwahrscheinlich ist) finde ich steht die Verlängerung von Stefan fast fest. Wenn doch wird sich zeigen wer sich durchsetzt… Und ein Wechsel Kutschkes im Sommer wird wahrscheinlicher.

  3. @Ballsalat

    Zu Oral und Pacult kann man sicher streiten. Aber sie sind in der 4.Liga jeweils mehr oder minder stark gescheitert. Da liegt ein Zweitligaengagement nicht unbedingt nahe. Aber ich kann mich auch auf “kein Karrierekiller” einigen.

    Zu den Spielern: Du hast natürlich Recht. Nur wenige dieser Spieler waren im guten Fußballalter UND (im weiteren Sinne) Stammspieler. Von Tom Geißler vielleicht mal abgesehen. Bei Kutschke bin ich mir nicht sicher, aber bei Frahn und Kaiser darf man sicher davon ausgehen, dass sie die dritte Liga drin haben (egal wo) und die zweite Liga vermutlich gut könnten.

    Thema Abfindung: Keine Ahnung. Da über ein Zwist Mateschitz vs. Pacult nichts bekannt ist, im Gegenteil die Entlassung Pacults einzig der Preis der Verpflichtung Rangnicks gewesen ist, kann man davon ausgehen, dass Pacult auf nicht viel seines Restgehalts verzichten musste. Würde ich vermuten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert