Da ist sie also dahingegangen diese Saison und die blöde Sommerpause gewinnt langsam Oberhand. Jaja, ich weiß es wurden für Freitag und nächsten Dienstag noch mal Freundschaftsspiele in der Umgebung vereinbart (Bernburg und Braunsbedra). Aber mal ehrlich, nach Saisonnachgeplänkel steht mir irgendwie auch gar nicht der Sinn (keine Ahnung, wie es den Spielern gehen mag). Für Imagepflege in der Region und Vertrags- und Kadergespräche mag das alles aber durchaus sinnvoll sein.
Wie auch immer, die Zeit ist da, um die Rückrunde in ihren vielen Unzulänglichkeiten noch einmal Revue passieren zu lassen. Wofür es Sinn macht, sich noch einmal den Stand nach der Vorrunde, die RB Leipzig immerhin knapp als Tabellenführer beendete, vor Augen zu führen:
Die bisherige Saison war ergebnis- und stimmungstechnisch gut, spielerisch und spieltaktisch aber maximal befriedigend. Insgesamt also ausbaufähig. Mit einer weiteren Saisonvorbereitung und dem weiteren Verinnerlichen von Spielabläufen sollte sich aber gerade die spielerische Linie weiterentwickeln. (Zwischenbilanzen: RB Leipzig in der Saison 2011/2012)
Ja, so optimistisch ging es in der Winterpause hier im Blog noch zu. Wenn man schon eine Halbserie als Tabellenführer beendet, die in vielen Belangen noch nicht mal optimal lief, was würde erst auf den geneigten Beobachter warten, wenn noch mehr Vorbereitung noch mehr Klasse bringen würde? Es ist schon eine Crux, dass von den Träumen und Wünschen so wenig übrig blieb.
Es ist ja dummerweise nicht so wie in der Vorsaison gewesen, als ein Aufstieg selbst bei optimalem Saisonverlauf gegen bärenstarke Chemnitzer sehr schwer gewesen wäre. In dieser Spielzeit ist RB Leipzig nicht an übermächtigen Gegnern gescheitert, sondern ausschließlich an sich selbst. Man hat sich leider alles, was man sich immer wieder mit viel Kampf und Krampf aufgebaut hatte, selbst wieder zerstört. Durch Unaufmerksamkeiten, Unzulänglichkeiten und einer im Saisonverlauf sogar noch schwächer werdenden spielerischen Linie. Der HFC mag eine gute Serie gespielt haben, aber wer wirklich glaubt, in Halle hätte man ein überragendes Team zusammen, der wird sich vermutlich nächste Saison sehr wundern, denn mehr als Klassenkampf wird beim lokalen Nachbarn in der dritten Liga im Gegensatz zum Chemnitzer FC nicht drin sein.
Die Winter-Neuzugänge
Man fragt sich nach dieser Rückrunde natürlich sofort, an welcher Stelle die Mission Aufstieg mit ihren vereinsseitig ausgerufenen 16 Rückrunden-Endspielen schief gegangen ist. Der eine oder andere wird das falsche Abbiegen schon in die Winterpause verlegen, als RB Leipzig mit Roman Wallner, Niklas Hoheneder und Tomasz Wisio drei (nominell hochkarätige) Neuzugänge vorstellte und die Favoritenrolle noch stärker zu sich herüber zog. Blöd daran war nur, dass alle drei nur Teile der Vorbereitung mitmachen konnten, Roman Wallner gar erst kurz vor Rückrundenstart dazustieß und fast gar keine Möglichkeit mehr hatte, sich spielerisch ins Team zu integrieren.
Alle drei Neuzugänge muss man zumindest kurzfristig als mehr oder weniger gescheitert betrachten. Tomasz Wisio offenbarte links hinten als Ersatz für den dauerverletzten Umut Kocin einige Schwächen in Defensive und Offensive und konnte seine Vorschusslorbeeren höchstens Richtung Ende der Serie in Ansätzen bestätigen. Innenverteidiger Niklas Hoheneder blieb eigentlich durchgehend blass, hätte aber trotzdem mit seinem Führungstor gegen Wolfsburg II am vorletzten Spieltag zum Helden werden können, wenn nicht in der Nachspielzeit noch der aufstiegsverhindernde Ausgleich gefallen wäre.
Und zu Roman Wallner könnte man ein halbes Buch füllen. Mit sehr viel Klasse ausgestattet, wenn er irgendwo zwischen Strafraumgrenze und Elfmeterpunkt an den Ball kommt, wurde er früh in wenig zielführenden Rochaden zwischen Sturmzentrum und Außenbahn (auf der er nie überzeugend wirkte) zerrieben und schließlich desöfteren durch Stefan Kutschke ersetzt. So ein Außeneindruck ist immer schwierig, aber es schien als sei Wallner sowohl spieltaktisch als auch menschlich nie zu 100% ins Team integriert worden. Was seinen Transfer im Nachhinein als sehr verwunderlich erscheinen lässt.
Für mich machte der Wechsel von Wallner von der vermuteten Idee her sehr viel Sinn. Ein zweiter Stürmer neben Frahn, der einen komplett anderen Stürmertypus verkörpert und so den Toptorschützen hätte entlasten sollen und als Bindeglied zum Mittelfeld und zu den Außen hätte fungieren soll. Aber dann hätte man sich spieltaktisch auch darauf einlassen müssen. Der ständige Wechsel zwischen Wallner, den man mit gepflegtem Passspiel ins Boot holen muss und Kutschke, der sich auch in hohe, lange Bälle wirft und sie festmacht oder weiterleitet, führte aus meiner Sicht jedenfalls dazu, dass keine der Varianten zu 100% überzeugend gespielt wurde.
Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass die Verpflichtungen der Winterpause zwar hochkarätig waren, aber eher zu spieltaktischen Problemen führten bzw. sich individuell nicht einlösten. Was zu einem Teil auch die unbefriedigende Rückrunde erklären mag. Ein Kompliment fürs Scouting von RB Leipzig und die Kaderideen der sportlich Verantwortlichen sieht jedenfalls anders aus.
Die Rückrundenpartien
Und dabei ging es trotz allem nach der Winterpause erst einmal famos los. Das 8:2 gegen Wilhelmshaven schien die erhoffte Ansage an die Konkurrenz zu sein, dass diese sich keine Hoffnungen auf Ausrutscher machen brauche. Tatsächlich wirkte man in Halle und Kiel (so zumindest meine Erinnerung) durchaus beeindruckt und flüchtete sich in die typischen ‚Müssen auf uns gucken’-Floskeln. Dumm am Wilhelmshaven-Spiel war, dass auch dieses 8:2 nicht vollständiger Ausdruck eigener Stärke, sondern vor allem auch Folge eines auf Bezirksliga-Niveau verteidigenden Gegners war. Was Wilhelmshaven in dieser Partie defensiv anbot, war ein Witz. Einer, der als Heimzuschauer zwar lustig war, aber auch einer, der eventuell an die RasenBallsportler das falsche Signal sendete, man könne nun jeden Gegner so abfertigen.
Das dem nicht so war, zeigte sich bereits im nächsten Auftritt in Havelse, vor dem sich die BILD in unterirdischstem Niveau fragte, ob RB Leipzig denn dort zweistellig gewinnen werde. Haha. Heraus kam ein 1:1-Unentschieden (der erste Auswärtspunktverlust der Saison!), das an vielen Stellen noch mit einem lapidaren ‚In Havelse kann man auch mal Unentschieden spielen’ kommentiert wurde. Was sicherlich richtig ist, aber zu diesem Zeitpunkt ein fatales Signal an die Konkurrenz sendete, nämlich das, dass man ganz sicher nicht unschlagbar ist, sondern eigentlich noch dieselben Probleme wie in der Hinrunde hat. Durch Schlafmützigkeit in der Anfangsviertelstunde und nicht behobene spielerische Mängel brachte man sich bereits am zweiten Rückrundenspieltag im Aufstiegskampf um das Momentum. Zum aus der Haut fahren.
Es dauerte dann auch nur ein paar Tage, um das Havelse-Erlebnis noch zu toppen. Das Sachsenpokal-Aus in Zwickau, das vermutlich spätestens bei der Auslosung zum DFB-Pokal im Sommer und zur ersten Hauptrunde (ein Wochenende, das dann für RB wohl pflichtspielfrei sein wird) noch mal ordentlich nachschmerzen wird. Die Niederlage war wie schon das Unentschieden in Havelse wieder eine Mischung aus Schlafmützigkeit (früh zurück, spät den entscheidenden Gegentreffer kassiert), individuellen Fehlern, fehlender spielerischer Klasse und ein bisschen Pech. Hach, was dachte man damals noch, dass man sich jetzt eben noch mehr oder erfolgreicher auf die Liga und den Aufstieg konzentrieren könne..
Was folgte war ein Zwischenspiel mit drei Siegen in drei Spielen. Ohne Gegentor. Zwei eher unspektakuläre 1:0-Siege zu Hause gegen Lübeck und gegen Hertha II. Und ein vor allem dank vollem Gästeblock in Erinnerung bleibender 3:0-Sieg bei den noch nicht mal mehr heimschwach zu nennenden Magdeburgern. Ein Sieg, der mit dem Schlüsselbeinbruch von Timo Röttger bezahlt wurde. Auch dies für den einen oder anderen sicher ein entscheidender Faktor, warum es mit dem Aufstieg nichts wurde. Zumindest kann man festhalten, dass die Position von Röttger immer wieder neu besetzt wurde und keiner der Nachfolger vor allem im Zusammenspiel mit Rechtsverteidiger Christian Müller vollständig überzeugen konnte.
Das alles erklärt aber auch nicht die eher blutleere Niederlage beim Hamburger SV II an einem frühen Mittwochnachmittag im März. Eine Niederlage, die so etwas wie der vorläufige negative Höhepunkt der Rückrunde war (aber es sollten ja noch einige kommen). Wieder ein Gegentor kassiert, das eigentlich nicht fallen darf. Und diesmal auch keine Wende mehr geschafft. Nach diesem Spiel war RB nur noch deswegen Tabellenführer, weil man ein Spiel mehr auf dem Konto hatte. Und die Konkurrenz hatte nun endgültig verstanden, dass gegen RB Leipzig auch die Meisterschaft drin liegt.
Es folgte dann wieder einer dieser augenverkleisternden, klaren Siege. 5:1 in Plauen. Wo es doch vorher so schwierig schien, dort zu gewinnen. Dabei übersah man hinterher gerne, dass sich die Plauener mindestens vier der fünf Treffer quasi selbst mit ins Nest legten. Und man übersah auch, dass dieses Spiel, das bereits nach 45 Minuten entschieden war, nun beileibe kein überragendes, sondern eher toretechnisch ziemlich skurril war. Dass dies anschließend beim 1:1 gegen Energie Cottbus II bewiesen werden musste, war dann aber doch überflüssig. Und wieder mal ein neuer Tiefpunkt. Gegen völlig ungefährliche und in dem, was ich in der Saison von ihnen gesehen habe, nicht regionalligataugliche Gäste kurz vor Schluss drei Punkte weggeschmissen, weil man zu früh aufhörte Fußball zu spielen und das 2:0 mitzunehmen. Gott wie war das deprimierend.
Und weiter ging es mit Berg und Tal. Zuerst erklomm man den – ähm – Gipfel St. Pauli II, indem man kurz vor Schluss in einem besonders emotionalen Moment einen 0:1-Rückstand noch in einen Sieg verwandelte. Danach durchschritt zuerst Peter Pacult ein kleines Niveautal, bevor RB Leipzig einen ganz deprimierenden Mittwochabend in der Red Bull Arena gegen wacker kämpfende Gäste aus Meuselwitz mit einem 0:1 veredelte. Ein Spiel, in dem man durch Schlafmützigkeit wieder ganz früh zurück lag und nicht mehr zurückschlagen konnte. Ein Spiel auch, das ganz eklatant alles an spieltaktischer Armut offen legte, was die Saison bis dato gekennzeichnet hatte. Meuselwitz darf man durchaus als Sinnbild des Scheiterns in dieser Saison begreifen.
Was folgte, war dann ein – Stichwort Berg und Tal – überzeugender Sieg bei Hannover 96 II mit einem blitzgeheilten und carbonverstärkten Timo Röttger, der zur neuen Aufstiegshoffnung auserkoren wurde. Auch hier galt aber wieder, dass der Sieg aufgrund seiner Begleitumstände (frühe rote Karte für die Gastgeber) wenig Aussagekraft hatte. Und: Vier Punkte Rückstand waren es nach diesem Spiel schon auf den Halleschen FC. Weswegen der Sieg in Hannover auch in Kiel hätte veredelt werden müssen. Kiel endgültig aus der Liste der Aufstiegskandidaten schießen, das war am fünftletzten Spieltag die Aufgabe. Ein Sonderzug sollte dabei unterstützen. Heraus kam aber nicht mehr als eine passable erste und eine chancenlose zweite Halbzeit, was zum völlig verdienten 1:0 für Kiel führte. Aufstieg ade, das schien schon damals klar. Und man hatte sich auch spätestens seit Cottbus und Meuselwitz schon ein wenig damit anfreunden können.
Dass man noch mal herankam, war zwei knappen, aber verdienten Siegen gegen den Berliner AK und in Halberstadt und einem Unentschieden des HFC zu verdanken. Woraufhin Platz war für die leidlich bekannte Story gegen den VfL Wolfsburg II. Während der HFC parallel in Meuselwitz das seinige dafür tat, dass RB noch mal auf den Aufstiegszug aufspringt und Niklas Hoheneder kurz vor Spielende mit seinem 2:1 für einen kollektiven Hoffnungsschrei sorgte, beendete eine fast schon saisontypische, zum Ausgleich führende Fehlerkette endgültig alle Aufstiegshoffnungen. Fassungslose Gesichter und absolute Stille, beim Einschlag des Balles. Puh.
Das letzte Saisonspiel war dadurch sportlich wertlos. Und wurde es für Gegner HFC im Spielverlauf auch, weil Aufstiegskonkurrent Kiel nicht mehr konkurrieren wollte oder konnte. Fast schon logisch, dass dies zum einzigen 0:0 von RB Leipzig der ganzen Saison führte. Abseits des sportlich belanglosen mit angeschlossener Aufstiegsparty des HFC war an diesem Spiel nur bemerkenswert, dass trotz Nichtaufstiegsenttäuschung etwa 800 Anhänger mit nach Halle reisten und dort demonstrierten, dass man noch lebe.
Überhaupt dürfte man dies als das positivste an der Spielzeit 2011/2012 festhalten, dass gerade der Kern der Anhänger und besonders auch derer, die mit ihrem Team reisen, beständig größer geworden ist. Meuselwitz, Zwickau, Magdeburg, Plauen und Halle dürften prototypisch für ein komplett anderes Fanerleben als noch in der vergangenen Saison mit dem kleinen Auswärtsgrüppchen stehen. Man kann ja vom Verein halten, was man will, aber wenn man wie die Hallenser Fans immer noch mit Begriffen wie seelenlos hantiert, dann hat man von dem, was da gerade in den letzten Monaten auch des Misserfolgs (weiter) gewachsen ist, mal absolut gar keine Ahnung.
Kaderunruhe
So richtig weiß man wohl immer noch nicht, was mit RB Leipzig in den 16 Spielen nach der Winterpause passierte und warum. Dass man in dieser Zeit nur 31 Punkte einsackte und damit durchaus bemerkenswert weniger als vor der Winterpause (in 18 Spielen 42 Punkte) ist angesichts des Kaders fast nicht erklärbar. Von den 80 Punkten, die Kapitän Daniel Frahn vor Beginn der Rückrunde als Aufstiegsmarke ausgab (und die letztlich gereicht hätten) war man ein sehr gutes Stück entfernt.
Ein möglicher Baustein für diese Entwicklung mag die Tatsache sein, dass bei RB Leipzig in der Rückrunde eine erhebliche Kaderunruhe herrschte. Das war zum einen sicher den ganz oben aufgeführten Neuzugängen zuzurechnen. Zum anderen kamen diverse Verletzungen/ Erkrankungen (Röttger, Kocin, Franke) und einige Gelbsperren dazu. Aber Teile der Kaderunruhe waren auch hausgemacht. Vor allem in der Mittelfeldzentrale herrschte abgesehen von Henrik Ernst ein beständiges Kommen und Gehen. Prototypisch dafür der Name Tom Geißler, ein Spielertyp, der offenbar auf dem Wunschzettel von Peter Pacult nicht ganz oben steht und dementsprechend mal rein- und dann wieder rausgeworfen wurde. Was Geißlers Formkurve nicht unbedingt gut tat. Genauso wenig wie dem Spiel von RB Leipzig, das einen kreativen Geißler in Topform auf der Sechs extrem gut hätte gebrauchen können.
Aber auch in der Innenverteidiger schien oft unklar, wer nun eigentlich den Platz neben Fabian Franke besetzen darf. Schließlich pegelte es sich ein wenig auf das Duo Franke/ Sebastian ein. Aber auch dieses Duo sah man wegen Sperren und Verletzungen nur sehr selten. Vom Duo Ernst/ Hoheneder bis hin zu Hoffmann/ Franke gab es glaube ich so ziemlich alles. Unruhig ging es zudem auf der rechten Außenseite zu, wo nach dem Ausfall von Röttger nie eine endgültige und feststehende Lösung gefunden wurde. Wallner, Watzka, Heidinger, Kammlott. Die Liste derer, die da einspringen durfte, war lang. Festgehalten wurde aber an keinem durchgängig.
Taktische Fragen
Über die Taktik von Peter Pacult habe ich mich in diesem Blog eigentlich fast seit dem Beginn der Saison ausgelassen. Schon nach wenigen Spieltagen wusste die Konkurrenz, dass ein Doppeln der Außenpositionen eigentlich ausreicht, um RB Leipzig aus dem Spiel zu nehmen. Trotzdem änderte sich seeeehr lange nichts am Spielaufbau über die Außenverteidiger Richtung Flügel. Die Statik dieses Spiels war an manchen Tagen (wie gegen Meuselwitz) nicht zu ertragen. Die durchschnittliche Erfolgsbilanz auch. Man kann natürlich das Pacultsche 4-4-2 mit zwei Sechsern und Außenfokus erfolgreich spielen, aber ich würde fast soweit gehen, dass man es trotz der taktischen Formation erfolgreich spielen kann und nicht wegen.
In der Endphase der Saison versuchte sich Pacult noch mal in einem 4-4-2 mit Raute, ein System, das ich wegen seiner defensiven Anfälligkeit nicht für zukunftsfähig halte und was wohl außer in Bremen in der mittleren Vergangenheit nirgendwo mehr erfolgreich gespielt wurde. Der Feldversuch gegen Wolfsburg II hat mich auch nicht sonderlich vom Hocker gerissen. Vom Hocker gerissen hat mich dann aber doch, dass Pacult in Halle noch mal auf ein 4-2-3-1 setzte. Das gab es seit den ganz frühen Anfängen der Saison nicht mehr. Blöd, dass Tom Geißler einen rabenschwarzen Tag auf der Zehn hatte und das System so komplett wirkungslos blieb. In der zweiten Hälfte sah man nach Umstellungen und Rockenbach auf der Zehn allerdings auch die Stärke des 4-2-3-1. Ballgewinn und dann hat man in der Zentrale jemanden, der mit dem Ball etwas anzufangen weiß und zwischen den verschiedenen Optionen rechter oder linker Flügel oder Mitte wählen kann. Das Spiel wird so sehr viel weniger ausrechenbar und breiter als das 4-4-2, sodass notgedrungen Lücken im Verteidigungsverbund des Gegners entstehen.
Zugegeben würde ich gerne das 4-2-3-1 fortgesetzt sehen. Allerdings wurde der Kader im Winter im Sturmbereich auf ein 4-4-2 zusammengestellt. Frahn, Wallner und Kutschke, das sind drei Kandidaten, die man aus verschiedenen Gründen nicht längere Zeit auf der Bank sitzen lassen kann. Frahn, weil er Kapitän und Toptorschütze ist. Wallner, weil er einfach ein grandioser und abgezockter Stürmer rund um die Strafraumgrenze ist. Und Kutschke, weil seine Mischung aus ausreichendem Talent und überragendem (manchmal auch über das Ziel hinausschießendem – wobei er da auch ruhiger geworden ist) Einsatz schlicht einzigartig ist. Und in der nächsten Saison kommt noch Tom Nattermann aus dem Nachwuchs dazu und sollte vielleicht auch gelegentlich mal eine Chance bekommen heranzuschnuppern. Ach ja, vergessen wir Carsten Kammlott nicht, der ja eigentlich auch gelernter Stürmer ist. Fakt ist, Pacult hat einen Kader für ein Zweistürmer-System, aber eigentlich wäre ein System mit einem Stürmer, das sehr viel sinnigere. Oder wenn zwei Stürmer, dann eigentlich mit Wallner als hängender Spitze.
Wie auch immer, taktisch war die Saison nicht das gelbe vom Ei und besonders enttäuschend daran war, dass dies auch nach der Winterpause so blieb. Wenn man ein 4-4-2 wie das von Pacult spielen will, dann braucht man anderen Typen im zentralen Mittelfeld. Nämlich die Kroos und Schweinsteiger dieser Welt, die eben eher spielende Sechser sind. Wird wohl eine spannende Frage, ob das der Kaderhebel für die Transferperiode wird. Zumal man mit Schulz, Rost, Lagerblom und Ernst (Geißlers Vertrag läuft nach aktuellem Stand aus) noch einiges an nomineller Qualität für die Position im Kader hat. Allerdings weder mit den gefragten Qualitäten noch scheinbar mit dem Vertrauen des Trainers.
Die Heimschwäche und der Druck
Was fällt sonst noch spontan ein, wenn man Gründe für das Nichtgelingen der Saison sucht? Klar die Heimschwäche, aber das erklärt ja auch noch nichts, denn dann muss man sofort fragen, warum denn diese eklatante Heimschwäche (in 17 Spielen drei Niederlagen und fünf Unentschieden – genauso viel wie Havelse und Hannover 06 II)?
Klar denken da viele gleich wieder an das Stadion. Und klar, jeder Gegner, der nach Leipzig kommt (gerade die kleineren), feiert ein Fest, weil er in einer WM-Arena vor meist annehmbar vielen Zuschauern kickt. Egal ob St. Pauli, Plauen oder Meuselwitz, für alle ist es ein übertrieben diebisches Vergnügen, in Leipzig beim Favoriten in DEM Stadion Punkte abzustauben. Das verstehe ich auch alles psychologisch. Was ich nicht verstehe, dass die Schüssel in ihrer Neubaukarriere ihre jeweiligen Gastgeber so wenig beflügelt hat. Ich meine, ICH gehe mit einer solch Riesenfreude in dieses Stadion, das sollte doch dem Großteil der Spieler auch so gehen. Dieses Stadion durch Leistungen und Erfolge zu füllen, muss doch erheblich motivierend sein. Denke ich immer. Scheint aber nicht immer so.
Möglicherweise erklärt sich die Heimschwäche auch aus taktischen Fragen. Während man auswärts dank des eigenen Willens und nicht ganz so extrem motivierter Gastgeber bei insgesamt etwas mehr Raum zum Spielen, über die Saison hinweg recht gut aussah, kam in den Heimspielen der taktischen Varianz eine sehr viel größere Rolle zu, weil die Gegner hier noch dichter und robuster standen. Und hier die Taktik ihren Dienst versagte.
Vielleicht verdeutlicht sich das mit Blick auf die Rückrunde unter Oral letztes Jahr, als es für die RasenBallsportler nichts mehr zu holen gab und das Wollen meist nicht zu 100% ausgeprägt war. Trotzdem gewann man nach der Pleite gegen Kiel alle Heimspiele, weil Oral sich konzeptionell auf Liga und Gegner eingestellt zu haben schien und man einen akzeptablen, robusten Regionalligafußball mit gelegentlichen spielerischen Elementen spielte. Der aber dagegen auswärts gar nicht mehr funktionierte, weil einfach das Feuer aus der Runde raus war.
In diesem Jahr gab es eigentlich unter Pacult durchgängig Feuer in der Mannschaft von RB Leipzig, dafür aber wenig Konzept, was eventuell zu den entsprechenden Heim- und Auswärtsbilanzen geführt hat.
Vergessen wir auch nicht so etwas wie Druck. Gerade im zweiten Teil der Rückrunde verlor RB Leipzig viel zu viele Punkte. Bis zum 25.Spieltag war die Mannschaft noch Tabellenführer, nach dem 30. Spieltag hatte man bereits sieben(!) Punkte Rückstand auf den HFC. Eigentlich wäre es unglaublich, wenn eine Mannschaft mit solch einer individuellen Qualität und Erfahrung tatsächlich am Druck scheitern würde, aber letztlich sind Fußballer auch nur Menschen und die ewig erzählte Story, dass man nur scheitern kann, setzt sich irgendwann als negative Energie im Kopf fest. Ich halte an der Behauptung fest, dass die Angst vor dem Scheitern irgendwann die Lust auf den Aufstieg dominierte. Was ziemlich schlecht ist für sportliche Höchstleistungen.
Fazit
Es ist irgendwie eine komische Saison gewesen. Es ist nicht so, dass man aus ihr nur mit negativen Erlebnissen herausgehen würde. Positiv fällt einem sofort und herausragend der DFB-Pokal ein, aber auch der Jubel über das 2:1 gegen Kiel. Fantechnisch bleiben wohl die Auswärtsspiele in Meuselwitz, Magdeburg und Halle als besonders positiv in Erinnerung. Gerade Meuselwitz war ein erster Fingerzeig, dass da etwas zusammenwächst, was auch Spaß machen kann.
Aber die Negativerlebnisse überwiegen natürlich. Die oftmals schwerlich erklärbaren Heimleistungen mit den negativen Rückrundenhöhepunkten gegen Energie Cottbus II und gegen den ZFC Meuselwitz, die früh in der Rückrunde gestoppte Aufstiegseuphorie, das taktisch unflexible System. Spielerisch brauchte man eigentlich über das ganze Jahr meist ein dickes Fell. Während es in der Hinrunde punktetechnisch trotzdem erfolgreich war, blieb später dann sogar der Erfolg aus.
Positiv gesagt, ließ man sich von den fehlenden, spielerischen Mitteln nicht aus dem Konzept bringen und riss viele Spiele mit Energie und Willen aus dem Feuer. Leider riss man sich die mühevoll aufgebauten, guten Ausgangspositionen dann wieder selber ein. Halle in der Hinrunde, Havelse, HSV II, Cottbus II und Meuselwitz in der Rückrunde stehen exemplarisch dafür.
Doch der bitterste aller Saisonmomente war sicherlich dieses unsägliche 2:2 gegen Wolfsburg als sich beim Gegentreffer in der Nachspielzeit die ganze Saison zu einer einzelnen Szene komprimierte und die Welt mit fassungslosem Staunen zurückließ. Wenn man auch dem etwas positives abgewinnen will, dann wird dieser bittere Moment des von ziemlich weit oben nach ganz unten Stürzens genauso zu den gemeinsam erlebten Tagen und somit zum kollektiven Vereinsgedächtnis gehören, wie die Siege, die man miteinander feierte. Und es tut sicherlich nicht nur schlecht, wenn man schon mal was durchlitten hat. Die direkte Reaktion seitens der Zuschauer beim Spiel in Halle ließ jedenfalls darauf schließen.
Auf sein Umfeld kann der Verein also sicherlich auch im kommenden Jahr (auf)bauen. Zusätzlich scheint es gesichert, dass die sportlich Verantwortlichen auch kommende Saison weitermachen dürfen. Kontinuität und so. Man kann das sehen wie man will und es gibt sicherlich in Bezug auf Pacult und die Kontinuität Pro und Contra. Ich würde trotz Kritik aber behaupten, dass es gut tut, auch mal zwei Jahre hintereinander in derselben Konstellation anzutreten. Hoffen wir, dass diese Aussage auch in einem Jahr beim nächsten Fazit noch gilt.
Tolles Fazit, steckt wieder viel Arbeit drin.
Man kan es aber auch kürzer auf den Punkt bringen: Pacult war noch schlechter als Oral! Ich hätte nie geglaubt, das einmal sagen zu müssen.
Den direkten Aufstieg gibt es zukünftig nicht mehr, jetzt ist der Zeitpunkt desselben fast schon egal, dauert es eben noch ein paar Jahre.
Die Gleichgültigkeit bei Red Bull und fast schon Selbstverständlichkeit des Scheiterns ist für mich erschreckend, meine große Anfangseuphorie ist total erloschen, der Wimpel aus dem Auto (temporär) entfernt (ich lass mich nicht gerne auslachen).
Red Bull Salzburg ist derzeit der positive Gegenentwurf zu RBL, das ist schon erschreckend, stört den D.M. aber scheinbar nicht wirklich, weil man “dicke Tunke” ist…
Ich gehe erst zum nächsten Punktspiel wieder hin, die Testspiele erspare ich mir, das ist ein neuer Aspekt, würde ich erst bei einem neuen Trainer (wie z.B. Hoßmang) korrigieren.
“Wenn man auch dem etwas positives abgewinnen will, dann wird dieser bittere Moment des von ziemlich weit oben nach ganz unten Stürzens genauso zu den gemeinsam erlebten Tagen und somit zum kollektiven Vereinsgedächtnis gehören…”
Da steckt viel Wahrheit drin.
Letztlich freue ich mich sehr über die bisherige Entwicklung. Ich kann mich nicht mehr erinnern, aber irgendwie hatte ich geradezu das Bedürfniss nach Meuselwitz zu meinem ersten Auswärtsspiel zu fahren. Danach waren wir bei fast allen Auswärtsfahrten dabei.
Die gewachsene Emotionalität war trotz der nicht glanzvollen Rückrunde immer deutlich spürbar.
Hier empfehle ich jeden, der es noch nicht gehört hat, die letzten 10 Minuten gegen Wolfsburg im Fanradio. Muss man gehört haben. Kollektiver Freudentaumel und dann, wenige Minuten später: 7.000facher verzweifelter Aufschrei… (bekomme ich schon beim schreiben Gänsehaut…)
Wenn man der Sache etwas Positives abgewinnen will, dann das durch die Art und Weise des verpassten Aufstiegs und durch das Auftreten der Spieler der Verein mich dazu gebracht hat, regelmäßig auch auswärts mitzufahren, was ich angesichts meines Alters nicht mehr gedacht hätte. Und so geht es sicher auch anderen, es menschelt einfach mehr beim angeblichen Retortenverein.
Ansonsten eine sehr gute Analyse, der es kaum etwas hinzuzufügen gibt. Hoffen wir, das die Verantwortlichen die richtigen personellen Entscheidungen treffen und im mentalen Bereich mehr getan wird, um die Blockaden zu lösen.
Ich finde es wirklich komisch (aber gut), dass trotz einer Rückrunde auf Oral-Niveau tatsächlich die Verbundenheit zum Verein zumindest bei einer gewachsenen Kerngruppe nicht gelitten hat. Cottbus und Meuselwitz zumindest hier quasi folgenlos blieben. Hätte es letztes Jahr glaube ich so noch nicht gegeben. Gründe? Sympathien für die Spieler? Für den Trainer? Langsam wachsende Vergangenheit, auf die man zurückblicken kann? Tappe da etwas im Dunkeln. Vermutlich von allem ein wenig und bei jedem in unterschiedlicher Portionierung.
Ich meine, die Mannschaft hat mit den DFB-Pokalspielen ordentlich beeindruckt und eine neue Fanwelle mitgerissen. Nebenbei ist es auch tatsächlich eine sehr sympathische Mannschaft. Ja und vielleicht spielt sogar noch eine kleine Portion Trotz gegenüber allen Kritikern eine Rolle, jedes Wochenende die Spiele eines “Retortenvereins” mit aller Emotionalität zu erleben, warum auch nicht?
Ja klar, warum auch nicht? Ich finde es ja auch gut. Ich finde nur den Unterschied zum letzten Jahr so erstaunlich.