Größere Uneinigkeit verzeichnete man in den letzten Tagen in der medialen Aufarbeitung eines Gerichtsurteils zum Streit zwischen Lok Leipzig und dem Berliner AK. In dem juristischen Tauziehen wollte Lok dem Regionalliga-Konkurrenten die Behauptung untersagen lassen, dass die Berliner Delegation beim Auswärtsspiel am 01.09.2013 in Leipzig auf der Haupttribüne und im VIP-Bereich rassistisch beleidigt, körperlich angegriffen und mit Bier überschüttet worden seien, wie der BAK nach dem Spiel in einer Pressemitteilung und einem (inzwischen offenbar gelöschten) Bericht auf der eigenen Homepage behauptet hatte.
Den Auftakt im Tauziehen um die Deutungshoheit in Bezug auf das Gerichtsurteil machte die LVZ [broken Link], die am vergangenen Freitag (04.10) online mit dem Titel „Lok Leipzig gewinnt vor Gericht gegen Berliner AK“ aufmachte und sich dabei auf Aussagen von Lok-Präsident Spauke berief. Der Artikel vermittelt den Eindruck, dass Lok mit der Unterlassungsklage uneingeschränkten Erfolg gehabt hätten.
Das nächste Kapitel in diesem Streit öffnete sich nun gestern, als der BAK (vielleicht auch als Reaktion auf die Spauke-Deutung) auf seiner Website [broken Link] bekanntgab, dass „das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 04.10.2013 bestätigt hat, dass es im Rahmen des Regionalliga-Spiels 1. FC Lok-Leipzig und BAK 07 zu rassistischen Beleidigungen auf der Haupttribüne gekommen ist.“ Gleichzeitig informierte man aber auch darüber, dass die anderen Vorwürfe vom Gericht als nicht bewiesen angesehen wurden, ergo auch vom BAK nicht mehr behauptet werden dürfen. Man behalte sich aber Rechtsmittel vor, um gegen das Urteil vorzugehen.
Der Sportinformationsdienst (SID) strickte dann daraus eine von vielen Medien online übernommene Meldung mit dem der LVZ komplett widersprechenden Titel “Gericht bestätigt Rassismus-Vorwürfe”. Was wiederum Heiko Spauke und Lok auf den Plan rief. Die nun in tiefer Empörung ihrerseits eine Pressemitteilung verfassten, in denen sie dem BAK bewusste Falschaussagen vorwerfen.
Denn das Gericht habe eben nicht festgestellt, dass es auf der Haupttribüne zu rassistischen Äußerungen gekommen sei, das Gericht habe lediglich festgestellt, dass man nicht ausreichend beweisen könne, dass es nicht zu rassistischen Äußerungen gekommen sei. Weswegen die Berliner weiter behaupten dürften, dass sie möglicherweise auf der Haupttribüne rassistisch beleidigt wurden, während sie selbiges für den VIP-Raum nicht behaupten dürfen.
Nachdem Lok in seiner Pressemitteilung das Vorgehen der Medien, ungeprüft Behauptungen des BAK zu verbreiten, angeprangert hatte, reagierte der SID mit einer veränderten Mitteilung, die nun den wohl passenden Titel „Gericht untersagt Rassismus-Vorwürfe zum Teil“ trug und es wiederum ins Online-Universum schaffte. Spiegel Online entschuldigte sich gar für den Fehler, die erste SID-Version übernommen zu haben.
Die DPA [broken Link] wiederum spricht der Einfachheit halber und den Sachverhalt ganz gut treffend gleich davon, dass sich „1. FC Lok und Berliner AK weiter um angebliche rassistische Äußerungen streiten“. Und zitiert eine Gerichtssprecherin mit einer Zusammenfassung: „Man muss im Urteil differenzieren zwischen den Vorgängen im VIP-Bereich und auf der Haupttribüne. Rassistische Äußerungen auf der Haupttribüne sind nicht bewiesen, es lägen jedoch konkrete Verdachtsmomente vor.“
Es bleibt also eine Aussage Spaukes von letzte Woche, die einen eindeutig gewonnen Prozess nahelegt. Eine Aussage, die ungeprüft von der LVZ übernommen wurde. Es bleibt eine konträre und in der Sache auch nicht richtige Stellungnahme des Berliner AK, die der SID anfangs ungeprüft übernahm, später allerdings in der Sache korrekt korrigierte. Und es bleibt ein Streitfall, bei dem Vorwürfe im Raum stehen, die sich wohl weder juristisch einwandfrei belegen noch widerlegen lassen und die deshalb eigentlich auf einer anderen Ebene geklärt werden müssten.
Das Maß an Aggressivität, mit dem beide Seiten im konkreten Fall vorgehen, kann den geneigten Beobachter letztlich nur verwundern. Beide Seiten, so scheint es, wähnen sich (mal abseits von Gerichtsurteilen gesprochen) im Recht und pochen ohne Annäherung und unter bevorzugtem Einsatz der Methoden der Öffentlichkeitsarbeit darauf.
BAK-Präsident Mehmet Ali Han schlug zuletzt dann via taz doch noch ein Turnier vor, bei dem Lok und BAK gemeinsam gegen Rassismus spielen sollen: “Wenn Lok Leipzig wirklich etwas gegen Rassismus tun will, würden wir gerne ein solches Turnier mit ihnen veranstalten.” Ein Vorschlag, der in der aktuell aufgeheizten Situation ein wenig naiv wirkt und wohl eher vor vier Wochen mit weniger verhärteten Fronten noch eine Chance gehabt hätte.
Inzwischen ist nämlich man in einer Situation, in der alle Beteiligten Sieger sein wollen und letztlich alle nur verlieren können. Denn völlig unabhängig von möglichen Wahrheitswerten, irgendwas von Rassismus auf der einen und Lügner auf der anderen Seite bleibt wohl in jedem Fall hängen.
Man muss sich nur mal die Kommentare unter der verlinkten Pressemitteilung von Lok (bei Facebook) durchlesen um die grundsätzliche Gesinnung der Lok-Gemeinschaft festzustellen. Schwer vorstellbar, dass es auf der Haupttribüne eben nicht zu diesem Rassismus gekommen ist. Es fällt mir zunehmend schwer den Lok-Fan an sich nicht zu pauschalisieren. Die Beispiele sind mannigfaltig.
Man sollte vielleicht die ganze Angelegenheit vor dem aktuellen Hintergrund sehen, dass Lok krampfhaft nach Sponsoren sucht und wenig Erfolg dabei hat. Wer will schon als Sponsor mit einem Verein in Verbindung gebracht werden, dessen harter Kern sich aus Scenario-Leuten rekrutiert, die bekanntlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden?! Auch die Szene, als sich “Fans” im Stadion zu einem Nazi-Symbol formierten (Foto in LVZ), ist noch im Hinterkopf.