Nicht so leicht, wie es aussieht

Letzte Länderspielpause der Saison. Der ausführlichere Überblick über die letzten Wochen folgt dann noch in den nächsten Tagen. Als ersten kleinen Einstieg gibt es erstmal ein paar Bilanzen zu Spielen gegen Teams aus unterschiedlichen Tabellenregionen.

Timo Werner glänzte ja am Wochenende mit dem Satz, dass man jetzt ‘nur noch’ (Betonung auf die Anführungsstriche) die kommenden leichten Spiele gewinnen müsse, nachdem man den Großteil der Spiele gegen Mannschaften von der Tabellenspitze bereits hinter sich hat und dann klappe das schon mit der Champions League.

Mal davon abgesehen, dass das keiner der Trainer der künftigen leichten Gegner hören sollte, steckt der Teufel bei dieser hoffnungsfrohen Zukunftsperspektive im Detail. Zumindest wenn man mit Blick auf die Vergangenheit auf die Zukunft schließen wollte.

Denn genaugenommen ist RB Leipzig furchtbar schlecht, wenn es gegen eigentlich leichtere Gegner geht. Wobei wir als Übersetzung von leicht mal einfach annehmen, dass sich das in dem entsprechenden Tabellenplatz ausdrückt. Wenn man die Tabelle in entsprechende Cluster teilt und oben die sechs Teams nimmt, die zum jetzigen Zeitpunkt um die Champions-League-Plätze kämpfen, unten die vier Teams nimmt, die gegen den Abstieg kämpfen und dazwischen den ganzen Rest nimmt, dann ergibt sich nämlich aus RB-Sicht ein recht skurriles Bild.

Das besteht darin, dass RB Leipzig gegen die fünf Teams, die vor ihnen stehen, bisher im Schnitt mehr Punkte holte, als gegen die vier Teams am Tabellenende. Bis auf Leverkusen hat man alle Teams oben je einmal besiegt. Bayer empfängt man zum nächsten Heimspiel an einem Montagabend Anfang April und kann die Bilanz noch weiter ausbauen. Es wäre das letzte Spiel gegen eines der fünf Topteams, während Frankfurt, Leverkusen und Dortmund noch je drei solcher Spiele absolvieren und sich auch gegenseitig Punkte wegnehmen.

1,56 Punkte holte RB Leipzig im Schnitt gegen die fünf Mannschaften an der Tabellenspitze, mehr als alle Konkurrenten im Kampf um die Champions League. 1,50 Punkte sind es im Schnitt gegen die vier Mannschaften am Tabellenende. Noch interessanter daran ist, dass man in fünf der bisher sechs Partien gegen die Kellerkinder in Führung lag und nur zweimal (in Köln und in Hamburg) gewinnen konnte. In den Heimspielen gegen Mainz, Köln und Hamburg verspielte man jeweils Führungen und holte aus diesen drei Partien nur zwei Punkte.

Die 1,50 Punkte im Schnitt pro Spiel gegen die Kellerkinder sind bisher extrem wenig. Und selbst wenn man die beiden verbleibenden Spiele gegen Wolfsburg und in Mainz gewinnen sollte, bliebe man unter den 2,0 Punkten, die die anderen Teams, die um einen Champions-League-Platz kämpfen (also Leverkusen, Schalke, Dortmund und Frankfurt; Bayern kann man da als außer der Konkurrenz spielend aus der Betrachtung rauslassen) bisher im Schnitt mindestens holten. Dortmund ist mit 19 von 21 Punkten aus bisher sieben Spielen mit fast makelloser Bilanz durchgekommen.

Nicht die ganz großen Unterschiede gibt es zwischen den Champions-League-Anwärtern derweil, wenn es um die Spiele gegen all die Teams geht, die wahrscheinlich mit dem Abstieg nichts mehr zu tun haben, aber weiterhin zumindest Richtung Rang 7 schielen. Da liegen nur rund 0,3 Punkte pro Spiel zwischen Schalke auf Platz 1 und RB auf dem letzten Platz. Und wenn man Schalke abzieht, ist der Unterschied zwischen den Teams ungefähr ein Sieg mehr oder weniger.

Die 20 Punkte, die RB Leipzig bisher gegen diese Mittelklasseteams holte, sind entsprechend nicht überragend, aber sie erklären auch nicht den Punktestand, weil sie keine große Differenz zu den Mitkonkurrenten um die Champions League mit sich bringen.

Es wurde ja zuletzt viel geredet über Erwartungshaltungen und darüber, dass man die Mannschaft nicht überfrachten dürfe und man die Leistungen und Ergebnisse immer vor dem Hintergrund der Doppelbelastung und der Tatsache, dass man erst im zweiten Jahr Bundesliga spielt, sehen müsse.

Das ist alles grundsätzlich richtig und da gibt es auch wenig Dissenz, nur bleibt es wie schon in der Winterpause bei der Analyse der Hinrunde dabei, dass immer auch das ‘Was wäre wenn’ im Hinterkopf bleibt. Damals war es unter anderem die Champions League, aus der RB ja nicht ausgeschieden ist, weil man schwächer als Porto und Istanbul gewesen wäre, sondern weil man weniger aus den Spielen herausgeholt hat, als möglich gewesen wäre. Weil man gegen Porto Standards nicht gut verteidigte und gegen Istanbul trotz Unmengen an Torschüssen erst ganz am Ende der zwei Spiele ein Tor zustande brachte.

Ganz in diesem Duktus präsentieren auch die Zahlen hier und heute aus der Bundesliga ein bisschen auch eine vergebene Chance. Weil RB die Punkte in der Bundesliga nicht verloren hat, weil man gegen bessere Gegner halt mal nichts mitnehmen konnte. Sondern weil man gegen die schwächeren Gegner der Liga eben die Punkte liegenließ. Holt man gegen die letzten vier Teams der Tabelle jene vier, fünf Punkte mehr, die in den Spielen drinlagen bzw. die die anderen Teams von der Tabellenspitze in diesen Spielen holten, dann läge man auf Platz 4 mitten im Pulk der Champions-League-Kandidaten und nicht als Verfolger am Ende.

Trotzdem bleibt Rang 6 natürlich, da muss man sich nicht von Erwartungshaltungsdebatten kirre machen lassen, im Rahmen dessen, was die wirtschaftliche und sportliche Gegenwart des Vereins als möglichen Rahmen vorgeben. Entsprechend liegt man eigentlich gut, aber das spiegelt halt auch nur bedingt wieder, ob man jene Punkte holte, die möglich waren, mehr Punkte geholt hat als möglich waren oder weniger Punkte holte als möglich waren.

Wenn man nach expected Goals geht (also danach, wie wahrscheinlich es ist, dass aus den Torabschlüssen, die man hat, auch Tore fallen, gemessen am Ort, von wo aus geschossen wird), dann hätte RB Leipzig sogar noch drei bis vier Punkte zu viel. Wenn man danach geht, gegen wen man so gepunktet hat und gegen wen nicht, dann sind es halt vier bis fünf Punkte zu wenig.

Letztlich kann man viel über Erwartungshaltungen und die meinetwegen auch zu geringe Wertschätzung gegenüber den Ergebnissen und Co reden. Aber ein bisschen bleibt am Ende halt auch eben der Blick auf die Daten und die sind dann erklärungsbedürftig. Weil gerade die Spiele und Punktverluste gegen die letzten vier der Tabelle eher weniger auf ein Problem der (auch mentalen) Doppelbelastung verweisen, sondern tatsächlich dann eher auf spieltaktische und strukturelle Themen verweisen.

Die Tatsache, dass man gegen drei der vier Mannschaften Vorsprünge verspielte, verweist dabei darauf, dass RB Leipzig auch hier sehr gut funktionierende Ballbesitzmechanismen fehlen. Gerade dann, wenn man gegen aggressiv oder höher verteidigende Teams spielt. Paradebeispiel das Spiel gegen Köln, als man eine Halbzeit lang ohne größeren Gegnerdruck auf den eigenen Spielaufbau den Gast komplett zerspielte (wie man das vorige Saison aus dem Ballbesitz heraus auch schon manchmal machte, wenn der Kontrahend passiv blieb). Und nach der Pause, als Köln hoch anlief, brach das Ganze komplett in sich zusammen und RB war eigentlich immmer nur beschäftigt den Ball immer weiter nach hinten zu kicken, damit ihn Gulacsi dann lang nach vorn schießt.

Das geht mit einem Poulsen in vorderster Linie im Zweifel auch mal, aber sinnvoller und wichtiger sind auch und gerade in solchen Spielen auch mal Fahigkeiten am Ball. Also auch mal die Kugel und den Gegner laufen zu lassen und ihm für drei, vier Minuten zu signalisieren, dass es keine Chance geben wird, das Spiel noch mal zu drehen. Spielkontrolle auch mal mit dem Ball herzustellen und nicht nicht nur durch aggressives Anlaufen, Balleroberungen und Umkehrspiel, sind wichtige nächste Entwicklungsschritte. Gar nicht so sehr, um gegen Bayern, Dortmund und Schalke zu bestehen, wo es auch mal anders geht. Aber eben genau um in Spielen wie gegen Köln oder gegen Mainz geduldig zu sein, den Gegner nicht neuen Mut schnuppern zu lassen und vielleicht auch mal ein 1:0 über die Zeit zu bringen (Ballbesitz quasi auch als Verteidigungsstrategie) oder zumindest so geduldig zu spielen, dass man vielleicht mal die Chance auf die Entscheidung kriegt.

Vermutlich spielen gerade in diesen Spielen auch mentale Probleme eine Rolle. Sich in einer langen Saison in bis zu 50 Spielen auf jedes einzelne gleichermaßen zu fokussieren und zu konzentrieren, ist schlicht nicht möglich. Dass man dann vielleicht gerade in Spielen,  die nicht zu den ganz großen Highlights gehören, auch mal ein bisschen müder und pomadiger auftritt, ist natürlich nicht gewollt, aber trotzdem Teil einer Saison mit ihren Höhen und Tiefen. Aber genau in jenen Situationen braucht es dann halt auch die passenden fußballerischen Mechanismen, wenn man dauerhaft zum Kreis der Topteams gehören und auch dauerhaft Doppelbelastung erleben will. Ballkontrolle gerade in Situationen mit einer Führung, gerade wenn man vielleicht vom Kopf her nicht auf 100% ist, ist dabei unheimlich wichtig, um auch mal einen Sieg nicht im Schongang, aber eben auch nicht mit dem allerletzten Aufwand mitzunehmen.

Diesbezüglich ist man allerdings noch nicht so weit und deswegen fehlen dann am Ende ein paar Punkte, die man als Champions-League-Team gegen Mannschaften aus dem Tabellenkeller eigentlich auch holen sollte. Dass nun Timo Werner ausgerechnet die Punkte gegen jene Teams einfahren will, gegen die man sie bisher liegen ließ, ist eine nette Randgeschichte. Eine bessere Bilanz als bisher gegen die Mannschaften unterhalb von Platz 6 wird man allerdings wirklich brauchen, wenn man noch mal Richtung Platz 4 will.

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Bilanz gegen die Teams auf den Plätzen 1 bis 6 (maximal zehn Spiele)

  • RB Leipzig: 9 Spiele, 14 Punkte, 1,56 Punkte im Schnitt
  • Schalke 04: 8 Spiele, 9 Punkte, 1,13 Punkte im Schnitt
  • Dortmund: 7 Spiele, 7 Punkte, 1,0 Punkte im Schnitt
  • Leverkusen: 7 Spiele, 6 Punkte, 0,86 Punkte im Schnitt
  • Frankfurt: 7 Spiele, 5 Punkte, 0,71 Punkte im Schnitt

Bilanz in Spielen gegen die Plätze 7 bis 14 (maximal 16 Spiele)

  • Schalke: 13 Spiele, 26 Punkte, 2,0 Punkte im Schnitt
  • Frankfurt: 13 Spiele, 24 Punkte, 1,85 Punkte im Schnitt
  • Leverkusen: 12 Spiele, 22 Punkte, 1,83 Punkte im Schnitt
  • Dortmund: 13 Spiele, 22 Punkte, 1,69 Punkte im Schnitt
  • RB Leipzig: 12 Spiele, 20 Punkte, 1,67 Punkte im Schnitt

Bilanz in Spielen gegen die Plätze 15 bis 18 (maximal acht Spiele)

  • Dortmund: 7 Spiele, 19 Punkte, 2,71 Punkte im Schnitt
  • Schalke: 6 Spiele, 14 Punkte, 2,33 Punkte im Schnitt
  • Frankfurt: 7 Spiele, 16 Punkte, 2,29 Punkte im Schnitt
  • Leverkusen: 8 Spiele, 16 Punkte, 2,0 Punkte im Schnitt
  • RB Leipzig: 6 Spiele, 9 Punkte, 1,5 Punkte im Schnitt

Bilanz gegen die Teams auf den Plätzen 2 bis 6 (maximal acht Spiele)

  • Leipzig: 7 Spiele, 11 Punkte, 1,57 Punkte im Schnitt
  • Schalke: 6 Spiele, 9 Punkte, 1,5 Punkte im Schnitt
  • Leverkusen: 5 Spiele, 6 Punkte, 1,2 Punkte im Schnitt
  • Dortmund: 6 Spiele, 7 Punkte, 1,17 Punkte im Schnitt
  • Frankfurt: 6 Spiele, 5 Punkte, 0,83 Punkte im Schnitt

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Gerade gegen die schwächeren Teams der Liga tat sich RB Leipzig bisher schwer. | GEPA Pictures - Sven Sonntag
GEPA Pictures – Sven Sonntag

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Ein Gedanke zu „Nicht so leicht, wie es aussieht“

  1. War klar so ein Blog von Dir kommt. ;-)
    Das ist auch so mein Bauchgefühl gewesen.

    Was macht das dann:

    H96 (A)
    LEV (H)
    Bremen (A)
    Hoffe (H)
    Mainz (A)
    Wob (H)
    Berlin (A)

    2 von oben (nehme da Hoffe mit rein), 3 aus der Mitte und 2 Abstiegskanditaten vor allen am Ende.
    Komme da auf 12-14 Punkte von 21.
    Macht am Ende 55-57.
    Kann, muss aber nicht reichen.
    Das gute, die Teams vor uns müssen ja auch noch viel gegeneinander spielen, na mal sehen, was da raus kommt.
    Und dazwischen ist ja auch noch EL.

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