[Direkt unter dem folgenden Vorbericht vor der Partie von RB Leipzig bei Zenit St. Petersburg (15.03.2018, 19.00 Uhr) befindet sich kein Ticker von der Pressekonferenz einen Tag vor dem Spiel. Die Aussagen von Ralph Hasenhüttl und Diego Demme gibt es im Anschluss an die PK unter dem Vorbericht.]
Rückspiel im Achtelfinale der Europa League. RB Leipzig tritt bei Zenit St. Petersburg an. Es hätte eine entspannte Reise werden können, wenn denn der Anschlusstreffer der Russen im Hinspiel kurz vor Schluss durch einen direkt verwandelten Freistoß nicht gewesen wäre und Timo Werner seine zweite Großchance noch verwandelt hätte. Mit einem 2:1 statt einem 2:0 oder 3:0 nach St. Petersburg zu fahren, ist dagegen nicht wirklich ein Polster, sondern eher so, als würde man bei Null starten. Denn die Gastgeber wären bereits mit einem 1:0 weiter. Nicht unwahrscheinlich, dass RB mindestens einen eigenen Treffer braucht, um weiterzukommen. Was, wenn man Ralph Hasenhüttl glauben darf, auch weiterhin das erklärte Ziel ist.
Ziemlich sicher ist, dass RB Leipzig beim Auswärtsspiel in St. Petersburg auch seine Chancen kriegen wird, um mindestens ein Tor zu schießen. Denn so extrem sattelfest, dass sie alles verhindern könnte, ist die Defensive von Zenit nicht. Das sah man schon im Hinspiel. Und das wird sich bis zum Rückspiel nicht ändern. Zumal man mit Emanuel Mammana im Auswärtsspiel in Rostov am Wochenende einen Stamminnenverteidiger mit Kreuzbandriss verloren hat.
Das hat für die Innenverteidigung direkt keine ganz großen Auswirkungen, denn mit Ivanocic und Mevlja hat man weiterhin ein slowenisch-serbisches Innenverteidigerpaar, dass Mevlja und Mammana nicht nachsteht. Das Problem verlagert sich allerdings dann nach rechts außen, wo man einen Ersatz für Ivanovic finden muss. Erste Alternative dort ist Igor Smolnikov, seines Zeichens russischer Nationalspieler, aber als Gesamtpaket Rechtsverteidiger durchaus ein angreifbarer Punkt im System Zenit.
Bei RB Leipzig war bisher der Umgang mit Europa so, dass man dort seine beste Mannschaft auflaufen ließ, während in der Liga auch immer mal etwas stärker rotiert wurde. Vielleicht ist die Idee bei St. Petersburg ja ähnlich. Denn im Ligaspiel in Rostov verzichtete Mancini nicht nur zwangsweise auf die gesperrten Criscito, Paredes und Erokhin, sondern dazu auch noch auf Torjäger Kokorin und Techniker Rigoni. Zudem bekam Keeper Lunev eine Pause, wobei Yuri Lodygin kaum schlechter hielt.
Fakt ist, dass Mancini sechs Spieler, die normalerweise Stammspieler sind, nicht einsetzte und diese gegen RB Leipzig wieder in die Mannschaft rücken dürften. Das sieht dann doch auch auch so aus, als würde man in St. Petersburg sehr viel wert legen auf ein Weiterkommen. Insbesondere im zentralen Mittelfeld könnte mit Erokhin und vor allem Paredes viel Qualität in das Team zurückkommen, die man gegen RB Leipzig brauchen wird. Fehlen wird aber vermutlich neben Mammana auch Kuzyaev, der in Rostov ebenfalls verletzt vom Platz musste (aber nicht auf der Trage runtergetragen wurde, sondern immerhin nur herunter humpelte).
Die Probleme von Zenit St. Petersburg im Ballbesitz dokumentierten sich im Ligaspiel in Rostov noch mal mehr als deutlich. Auf einem schwer zu bespielenden Acker lieferten sich beide Teams ein irres Bolzspiel, gegen das selbst Stuttgart gegen Leipzig als fußballerischer Hochgenuß erscheinen würde. Klar, auf Zenit-Seite fehlten diverse Spieler, das machte die Sache nicht einfacher. Aber es fehlten auch sämtliche Abläufe, mit denen es möglich gewesen wäre, den Ball gezielt von hinten nach vorn zu spielen.
Kranevitter wurde für die Ballzirkulation irgendwann zwischen Ivanovic und Mevlja gezogen, aber die Innenverteidiger standen dem Sechser manchmal in fünf bei zehn Metern Entfernung auf den Füßen, während die Außenverteidiger teilweise so tief standen, dass selbst im Ballbesitz eine Fünferkette entstand. Man muss kein Raketenwissenschaftler sein, um festzustellen, dass nicht mehr viel Spieler übrig blieben, die nun versuchten, sich gegen zehn verteidende Rostov-Spieler freie Positionen zu erlaufen. Vielleicht war das Spiel, das nach permanentem Improvisieren aussah, aber auch nur ein besonderer Kniff, um das RB-Scouting nachhaltig zu verwirren.
Es ist nicht zu erwarten, dass St. Petersburg die Leipziger im Rückspiel plötzlich mit Hochgeschwindigkeitspassstafetten auseinanderspielen wird. Worauf es hinausläuft, hat man im Hinspiel phasenweise schon gesehen. Und gerade in der Anfangsphase hatte man RB damit auch vor Probleme gestellt. Es geht im Idealfall um schnelles Umschaltspiel nach Ballgewinnen (und damit verbunden auch sofortige Flanken von außen in eine meist gut besetzte Box). Daneben bleibt der lange Ball mit Kopfballverlängerungen in der Doppelspitze (auch Stuttgart versuchte es mit Ginczek und Gomez ein wenig in der Form). Da hatte RB im Hinspiel ein paar Größennachteile, die Zenit zwar nicht zu Toren, aber zu halbwegs gefährlichen Situationen nutzen konnte.
Eine weitere Möglichkeit besteht in allem, was mit ruhenden Bällen zu tun hat. Also das Darmstadt-Prinzip, den Ball an den gegnerischen Strafraum zu bringen und sich dort Standards erarbeiten. Bei Ecken arbeitet Zenit relativ aggressiv. Dass sie direkte Freistöße können, haben sie gezeigt (Criscito kommt nach seiner Sperre in der Liga gegen RB wieder zurück ins Team). Im Hinspiel hat es Leipzig ganz gut hingekriegt, nicht viele Standards am eigenen Strafraum zuzulassen. Man wird bei langen Bällen und sonstigen Zenit-Angriffen sauber arbeiten müssen, damit das auch im Rückspiel klappt. Aber in Stuttgart hatte man ja eine gute Einheit für das Verteidigen langer Bälle. Das kann man in St. Petersburg vielleicht noch mal gebrauchen. Auch wenn man als sicher annehmen kann, dass die Russen mehr Druck Richtung zweitem Ball aus der Mittelfeldzentrale ausüben werden, als das Stuttgart getan hat.
So richtig läuft es für St. Petersburg aber im Jahr 2018 noch nicht. Eigentlich gibt es nur das 3:0 gegen Celtic Glasgow, das man sich positiv zuschreiben darf. In der Liga spielte man zweimal 0:0, nachdem man schon 2017 mit einem 0:0 geendet hatte (wohlgemerkt alles gegen russische Mittelklasseteams bis Abstiegskandidaten). Dazu eine 0:1-Niederlage in Glasgow und ein 1:2 in Leipzig. Ist nicht gerade eine Tormaschine, dieses Zenit St. Petersburg, wobei man paradoxerweise in der Europa League in der Gruppenphase mehr Tore als jede andere Mannschaft geschossen hat.
Das verweist darauf, dass Zenit im Umkehrspiel und wenn sie Räume kriegen, durchaus gefährlich ist, dass sie aber kreativ mit dem Ball wenig bis nichts anzufangen wissen. Wer in Russland was gegen St. Petersburg holen will, lässt Zenit spielen und schlägt dann irgendwann per Konter oder was auch immer zu. Wenn die Gegner denn durchkommen, denn so richtig viele Tore kassiert Zenit im Normalfall nicht. Nur 13 Gegentore in 22 Ligaspielen sind durchaus eine Hausnummer, auch wenn die Abwehr im Detail gar nicht so sicher aussieht, wie es die Zahlen aussagen. Trotzdem könnte das für RB eine zielführende Taktik sein gegen die Russen, dass man ihnen den Ball überlässt und dann guckt, dass man den entscheidenden oder die entscheidenden Konter setzt. Ganz egal ob über Werner oder Augustin. Von der Geschwindigkeit her dürften beide Stürmer für die Zenit-Abwehrreihe schnell genug sein.
Wenn man es rein spielkulturell sieht und die (beidseitig nicht guten) Formkurven nimmt, dann müsste eigentlich RB Leipzig ganz gut im Vorteil sein beim Rückspiel in St. Petersburg. Bleibt halt als X-Faktor der Heimvorteil von Zenit St. Petersburg. Also, welche Rolle spielen Publikum und Bedingungen vor Ort (nein, nicht die Kälte, die ist nur draußen, nicht im überdachten Stadion). Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen, wenn man an Istanbul denkt, wo auch alle vor dem Abflug der Meinung waren, dass sie wüssten, was sie erwartet und man dann vor Ort 20 Minuten lang gesehen hat, dass etwas wissen und damit umgehen eben zwei paar Schuhe sind.
Für RB Leipzig ist das Spiel in St. Petersburg in Bezug auf die aktuellen Stimmungslagen um den Verein eine echte Chance. Viertelfinale in der Europa League wäre als erstes Saisonresultat, das man dann sogar noch verbessern könnte, mehr als vorzeigbar und gibt vielleicht auch noch mal ein bisschen Luft für den Rest der Saison. Ist zwar extrem unwahrscheinlich, dass man sich über die Europa League für die Champions League qualifiziert (weil das nur der Cup-Gewinner schafft), aber ein internationaler Erfolg (und Europa-League-Viertelfinale geht durchaus als solcher durch) hat auch für sich genommen einen großen Wert (in Sachen Renommee, aber auch wirtschaftlich, weil da auf Jahre gesehen relativ viel Geld aus der internationalen TV-Vermarktung dranhängt, was man immer ein wenig vergisst, wenn man darüber spricht, dass die Europa League finanziell nicht lukrativ ist).
Ein bisschen bleibt der Fakt, dass sich Bundesliga und Europa League für RB ein wenig gegenseitig im Weg stehen. Aber die Ansprüche an sich selbst sind im Laufe der Saison gewachsen. Die Forderung, den Spagat mit englischen Wochen anzunehmen und trotzdem in Liga und in Europa gleichermaßen gut aufzutreten, wird auch aus dem Mannschaftskreis lauter und lässt die problemzentrierte Herangehensweise aus der Hinrunde dankenswerterweise etwas in den Hintergrund rücken (zumindest gefühlt).
Fakt ist aber auch, dass die allseits als Ziel ausgegebene erneute Champions-League-Qualifikation der Punkte in der Bundesliga bedarf. Da ist RB Leipzig zuletzt ganz schön ins Hintertreffen geraten, darüber würde auch ein Erfolg in der Europa League nicht hinwegtäuschen. Aber der Einzug ins Viertelfinale wäre für den Verein in seiner internationalen Entwicklung ein kaum zu unterschätzender Gewinn. Unter den letzten acht Mannschaften der Europa League zu stehen, wäre auf jeden Fall ein Ausrufezeichen.
[Update: Marcel Sabitzer fehlt wegen Rückenproblemen. Kevin Kampl ist wieder an Bord.]
Mögliche Aufstellungen:
- Zenit St. Petersburg: Lunev – Smolnikov, Ivanovic, Mevlja, Criscito – Kranevitter (Erokhin), Paredes – Rigoni, Kuzayev (Poloz) – Zabolotny (Driussi), Kokorin
- RB Leipzig: Gulacsi – Laimer (Bernardo), Orban, Upamecano, Klostermann (Bernardo) – Kampl (Demme), Keita (Kampl) – Bruma (Kampl), Forsberg – Poulsen, Werner (Augustin)
Fazit: Wird kein lockerer Ausflug, den RB Leipzig da gen St. Petersburg absolviert. Bei allem, was man so zuletzt von Zenit gesehen hat, ist RB zwar das komplettere Team, das alle Möglichkeiten in der Hand hat, in das Viertelfinale der Europa League einzuziehen. Allerdings bleiben die Russen aufgrund des Heimvorteils, des Hinspiel-Resultats, ihrer Physis und ihrer Effizienz vor dem Tor unberechenbar. Das macht aus der Paarung dann am Ende wohl doch ein 50:50-Spiel.
[Wer das Spiel von RB Leipzig bei Zenit St. Petersburg nicht vor Ort verfolgen kann und am 15.03.2018, ab 19.00 Uhr trotzdem dabei sein will, nutze die üblichen Kanäle, also Liveticker und Vereinsradio. Bilder gibt es live bei Sky. Zusammenfassung bei Sport1 im Anschluss an das Dortmund-Spiel irgendwann gegen 23 Uhr.]
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Bisherige Duelle RB Leipzig vs. Zenit St. Petersburg
- 08.03.2018: RB Leipzig vs. Zenit St. Petersburg 2:1 (Europa League)
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Pressekonferenz einen Tag vor dem Spiel von RB Leipzig gegen Zenit St. Petersburg. Mit Ralph Hasenhüttl und Diego Demme.
Ralph Hasenhüttl: Marcel Sabitzer ist zu Hause geblieben wegen Rückenproblemen. Kevin Kampl ist dafür dabei. Ademola Lookman nicht spielberechtigt. Upamecano Anfang der Woche krank, aber inzwischen wieder fit. 19 Spieler sind mitgeflogen. Eigentlich sogar 20, denn Fabio Coltorti ist für den Notfall als dritter Torhüter mit dabei.
Diego Demme: “Ist so kalt hier, wie wir es erwartet haben. Beiläufig von der Stadt was während der Fahrt gesehen. Sehr beeindruckendes Stadion und die Temperatur, die drin herrscht, ist sehr angenehm.” (Anmerkung: Weil überdacht und beheizt.)
Diego Demme: “An Istanbul ist schwer ranzukommen, aber da das Stadion überdacht ist, kann es auch eine sehr laute Atmosphäre werden. Wir haben uns aber an viele Dinge gewöhnt und das ist für uns nichts besonderes.”
Diego Demme: “Zenit ist eine sehr gute Mannschaft uns sie werden selbstbewusst auftreten. Aber wie sie sich in der Bundesliga schlagen würden, ist schwer zu sagen.” “Wir werden versuchen, das Spiel zu kontrollieren. Aber Zenit wird aktiver agieren als letzte Woche und wahrscheinlich viel mit langen Bällen arbeiten. Wir sind gut vorbereitet und werden die zweiten Bälle festmachen und unser Spiel aufziehen.”
Ralph Hasenhüttl: “Temperatur im Stadion ist ideal. Der Bau ist beeindruckend. Ideale Bedingungen. Werden eine phantastische Europapokal-Atmosphäre erleben. Das Spiel wird das nächste Highlight in der Geschichte unseres Vereins. Werden alles dran setzen, dass wir ein positives Ergebnis mitnehmen.”
Ralph Hasenhüttl: “Zenit tritt zu Hause wesentlich selbstbewusster auf und nicht so reserviert wie in Leipzig. Aber auch da haben sie schon gute Automatismen gezeigt. Ist nicht so einfach, sie unter Druck zu setzen. Man hat aber auch gesehen, dass man die Möglichkeit kriegt, selbst Tore zu erzielen, wenn man es gut macht. Darauf wird es morgen auch ankommen. Defensive allein wird nicht reichen. Müssen versuchen, ein Tor zu schießen. Dementsprechend wird auch unsere Spielanlage sein. Wollen ein Tor schießen, idealerweise das erste.”
Ralph Hasenhüttl zum Ausfall von Mammana bei Zenit: “Ist ein wichtiger Spieler. Aber es gibt genug Qualität in der zweiten Reihe. Zudem kommt Paredes zurück. Das tut ihnen vor allem in der Offensive sehr gut. Zuletzt in der Liga haben sie ein paar Probleme in der Offensive gehabt. Morgen wird ein ganz anderes Zenit-Team auf dem Platz stehen als zuletzt in der Liga. Wird eine Herausforderung für uns.”
Ralph Hasenhüttl: “Wir versuchen Bundesliga und Europa League gleich wichtig zu nehmen. Klar kann man sich auch über die Europa League für die Champions League qualifizieren, aber der Weg bis dahin ist noch sehr weit. Dafür muss man diese Runde überstehen und dann warten noch einige gute Mannschaften. Deswegen kann man davon nicht ausgehen und wir müssen in der Liga auch das Bestmögliche erreichen, um vielleicht noch in die Champions League zu kommen. War für uns nie die Frage, auf welchen Wettbewerb wir uns mehr konzentrieren oder freuen. Wir spielen das erste Mal international und wir wollen alles mitnehmen, was geht. Deswegen haben wir auch immer versucht, die Spiele in Europa mit der bestmöglichen Formation zu bestreiten. Interessiert uns auch nicht, dass wir am Sonntag gegen Bayern München spielen. Wir wollen morgen hier unser Highlight setzen. Dafür werden wir alles tun. Egal in welchem Wettbewerb man erfolgreich ist, Hauptsache man ist es.”