Treffen darf nur einer, Augustin und sonst keiner

Gerade mal drei Tore schoss RB Leipzig in den letzten vier Pflichtspielen. Die ganz großen kognitiven Fähigkeiten brauchte man als RB-Anhänger also schon aufgrund der Anzahl der Tore nicht, um sich die Torschützen zu merken. Dass es mit Jean-Kevin Augustin nur einen Torschützen gab, machte sogar noch einfacher.

Drei von drei RB-Toren erzielte der französische Neuzugang also. Alle drei Treffer waren Tore zum 1:0. Muss aber auch ein bisschen depremierend sein, wenn man dreimal das 1:0 schießt und am Ende nur ein einziger Punkt aus den Spielen rauskommt.

Mit seinen drei 1:0-Treffern war Augustin voll im Trend seiner bisherigen Saison. Vier von sechs Toren waren Treffer zum 1:0 (gegen Frankfurt sprang dabei in der Hinrunde sogar ein Sieg heraus), ein weiteres war ein Führungstreffer und nur ein Tor schoss der Franzose, wenn RB bereits in Führung lag. Augustin schoss also wenn dann wichtige Tore. Fünf von den zwölf RB-Führungstoren, die fielen, wenn er auf dem Platz stand, schoss er selbt.

Da er insgesamt nur reichlich ein Viertel aller RB-Tore, die in seinen Einsatzzeiten fallen, erzielt, ist die Quote bei den Führungstreffern höher als sie statistisch zu erwarten wäre und sagt im Idealfall, dass der Franzose der Mann für die wichtigen Treffer und nicht für die Treffer 2 bis 4 ist. Konterkariert wird das durch die Spielergebnisse am Ende der Spiele, in denen er den Führungstreffer erzielte (ein Sieg, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen). Aber das hat ja direkt nichts mit den Augustin-Treffern zu tun.

Insgesamt weiß man bei Jean-Kevin Augustin, der immerhin zweitbester Torschütze bei RB Leipzig ist (sechs Tore in der Bundesliga), bisher noch nicht so richtig, woran man ist. In die Anfangsphase der Saison startete er sehr gut. Drei Treffer und vier Assists bereits bis zum achten Spieltag. Danach stagnierte es. Ralph Hasenhüttl und Ralf Rangnick machten unisono deutlich, dass sie den Stürmer in der Hinrunde auch mal einnorden mussten. Sein manchmal etwas laxes Auftreten führte zu einem durchwachsenen Gesamteindruck. Vor allem in der zweiten Hälfte der Hinrunde waren da ein paar schwierige Auftritte mit wenig Arbeit für das Team dabei, die ihn in der internen Hierarchie deutlich zurückwarfen.

Erschwerend kommen dabei seine Sprachdefizite hinzu. Ralph Hasenhüttl merkte kürzlich an, dass man intensiv mit Augustin an seiner Rolle auf dem Platz gearbeitet habe, dies aber aufgrund der Sprachbarriere gar nicht so einfach sei. Trotzdem hatte man zuletzt den Eindruck, dass der Franzose besser in das Teamspiel (auch in das defensive Teamspiel) integriert ist.

Dass er individuell über große Qualitäten verfügt, wusste man vorher auch schon. Vom Potenzial her ist er in jedem Fall Stürmer Nummer 2 im Kader. Weil er eine gute Mischung aus Schnelligkeit, Technik und Torabschluss hat. Als Gesamtpaket ermöglicht ihm das die Ballverarbeitung auch mit dem Rücken zum Tor unter Gegnerdruck. Wo Poulsen in der Ballsicherung eher die Kampfmaschine ist, den man auch mal mit hohen Bällen anspielen kann, ist Augustin eher ein Kombinationsstürmer, der flache Bälle verarbeitet und Mitspieler mitnimmt.

Obwohl Augustin nur ungefähr drei Viertel der Spielzeit von Poulsen hatte, hat er schon mehr Pässe an den Mitspieler gebracht als der Däne. Bei um die 20% besserer Passquote, die irgendwo im Schnitt von RB Leipzig und damit für einen Offensivspieler in einem auf Geschwindigkeit setzenden System ordentlichen Bereich liegt.

Vom Gefühl her nicht ganz so ordentlich eigentlich die Chancenverwertung von Jean-Kevin Augustin. Direkt nach der Winterpause belohnte er sich für ein paar gute Leistungen nicht mit einem Tor. Und auch beim Spiel gegen Köln hatten ihn einige wegen ein paar liegengelassener Chancen nicht ganz zu Unrecht auf dem Kieker.

Rein statistisch gibt es aber keinen Beleg für eine eventuelle Abschlussschwäche von Jean-Kevin Augustin. Alle 159 Minuten trifft der Franzose, so oft wie kein anderer Spieler im RB-Trikot. Mit 2,56 Schüssen pro Spiel hat er deutlich weniger Abschlüsse als Timo Werner und Marcel Sabitzer, aber auf Augenhöhe mit Forsberg auch deutlich mehr Abschlüsse als Yussuf Poulsen. 2,27 Abschlüsse im Strafraum pro 90 Minuten sind absoluter Topwert hinter Timo Werner. Am wichtigsten aber, dass Augustin nur 4,5 Schüsse pro Tor braucht. Das ist mit Abstand der Topwert aller RB-Offensivspieler (wenn man mal Lookman aufgrund seiner bisher noch geringen Einsatzzeit außen vor lässt, weswegen der Engländer hier aus den Statistiken auch komplett rausgenommen wurde). Zum Vorjahresniveau von Werner, der damals in der Bundesliga nur 3,5 Schüsse pro Tor brauchte, fehlt zwar noch ein Stück, aber die Werners und Poulsens dieser Saison (7,2 bzw. 9 Schüsse pro Tor) schlägt Augustin deutlich.

  • Jean-Kevin Augustin: 159 Minuten pro Tor
  • Timo Werner: 174 Minuten pro Tor
  • Naby Keita: 352 Minuten pro Tor
  • Yussuf Poulsen: 415 Minuten pro Tor
  • Bruma: 426 Minuten pro Tor
  • Timo Werner: 3,72 Schüsse pro 90 Minuten
  • Marcel Sabitzer: 3,21 Schüsse pro 90 Minuten
  • Emil Forsberg: 2,58 Schüsse pro 90 Minuten
  • Jean-Kevin Augustin: 2,56 Schüsse pro 90 Minuten
  • Bruma: 2,18 Schüsse pro 90 Minuten
  • Timo Werner: 3,25 Schüsse pro 90 Minuten im Strafraum
  • Jean-Kevin Augustin: 2,27 Schüsse pro 90 Minuten im Strafraum
  • Yussuf Poulsen: 1,52 Schüsse pro 90 Minuten im Strafraum
  • Bruma: 1,41 Schüsse pro 90 Minuten im Strafraum
  • Marcel Sabitzer: 1,32 Schüsse pro 90 Minuten im Strafraum
  • Jean-Kevin Augustin: 4,50 Schüsse pro Tor
  • Timo Werner: 7,20 Schüsse pro Tor
  • Naby Keita: 7,25 Schüsse pro Tor
  • Yussuf Poulsen: 9,00 Schüsse pro Tor
  • Bruma: 10,33 Schüsse pro Tor

Wenn man die Zahlen zusammen mit dem, was man auf dem Feld sieht, interpretieren will, dann ist Jean-Kevin Augustin ein Strafraumstürmer, der mit seinen Laufwegen immer wieder in gute Abschlusssituationen kommt. Im Gegensatz zu einem Poulsen beispielsweise, der oft auch ein etwas tiefer agierender Wandstürmer ist. Vielleicht kann man vom optischen Eindruck her auch weitergehend interpretieren, dass von den 2,56 Torabschlüssen im Strafraum überdurchschnittlich viele Schüsse auch sehr gute Chancen sind. Was dann auch mit dem Eindruck zusammenpassen würde, dass Augustin vor dem Tor bisher noch einiges liegenlässt. Was aber auch bedeuten würde, dass der Franzose sehr gut in der Lage ist, sich immer wieder in sehr gute Abschlusssituationen zu bringen.

Festzuhalten ist bei all dem, dass es in der Rückrunde aber auch kein plötzlicher Sprung ist, den Augustin macht. Er ist etwas effektiver geworden und schießt etwas mehr von innerhalb des Strafraums, aber insgesamt sind die Zahlen im Vergleich von Hin- und Rückrunde nahezu gleich. Bei einer Einsatzzeit in der Rückrunde in der Bundesliga, die schon fast der Einsatzzeit in der Hinrunde entspricht.

Interessant vielleicht, dass bei keinem anderen RB-Spieler mit mindestens 200 Minuten Einsatzzeit mehr Tore fallen, wenn er auf dem Platz steht. 1,99 Tore pro 90 Minuten sind es mit Beteiligung von Augustin. Nur 1,12 Tore pro 90 Minuten sind es in Spielen ohne ihn. Wobei der Effekt auch hauptsächlich aus der Anfangsphase der Saison resultiert. In derRückrunde hat sich Augustins Statistik diesbezüglich auf RB-Normalniveau reduziert.

Ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen Augustin und den anderen Stürmern besteht auch in seinen Fähigkeiten im Eins gegen Eins. Bzw. in seinen Versuchen. Denn mit 4,92 Dribblings pro 90 Minuten liegt er direkt hinter den Topdribblern Bruma und Keita. Mit einer Erfolgsquote von nicht mal 33% bleibt Augustin aber auch deutlich hinter den Topdribblern zurück. Selbst Poulsen hat eine bessere Quote erfolgreicher Dribblings. Nur Timo Werner, dessen Feld das gar nicht ist (und Konrad Laimer und Bernardo, wenn man auch die Defensivakteure dazu nimmt) haben noch schlechtere Quoten im Eins gegen Eins. Augustin kann man also ein gewisses Selbstbewusstsein unterstellen, dass sich auch im Hang zum Dribbling ausdrückt. Die geringen Erfolgsquoten verweisen aber auch darauf, dass da in Sachen Effektivität noch deutlich Luft nach oben ist. Wobei das Gewinnen solcher Duelle in vorderster Linie naturgemäß auch schwieriger ist als in anderen Bereichen des Spielfelds.

  • Bruma: 7,96 Dribblings pro 90 Minuten
  • Naby Keita: 6,26 Dribblings pro 90 Minuten
  • Jean-Kevin Augustin: 4.92 Dribblings pro 90 Minuten.
  • Emil Forsberg: 4,44 Dribblings pro 90 Minuten
  • Timo Werner: 3,46 Dribblings pro 90 Minuten
  • Bruma: 3,66 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten
  • Naby Keita: 3,19 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten
  • Emil Forsberg: 2,49 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten
  • Jean-Kevin Augustin: 1,61 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten
  • Timo Werner: 1,16 erfolgreiche Dribblings pro 90 Minuten
  • Emil Forsberg: 56% erfolgreiche Dribblings
  • Naby Keita: 51,0% erfolgreiche Dribblings
  • Bruma: 46,0% erfolgreiche Dribblings
  • Yussuf Poulsen: 40,0% erfolgreiche Dribblings
  • Jean-Kevin Augustin: 32,7% erfolgreiche Dribblings
  • Timo Werner: 26,9% erfolgreiche Dribblings

Verbunden mit der eher auf Ballkontrolle und Eins-gegen-Eins-Situationen abzielenden Spielweise von Augustin ist auch, dass er vergleichweise häufig den Ball verliert. Nur Yussu Poulsen passiert das noch häufiger. Das ist am Ende aber durchaus gewollt. Zumindest war dies vor allem in der Hinrunde bei RB Leipzig ein Mittel der Wahl, Situationen durch Dribblings aufzulösen und bei Ballverlust über Gegenpressing und die zweite Welle zum Erfolg zu kommen. Ralph Hasenhüttl betonte deswegen ja auch bereits, dass es wichtig sei, dass man es probiert, im Eins gegen Eins durchzukommen, auch wenn man damit immer mal scheitert und den Ball verliert (wobei Ballverluste natürlich nicht nur aus Dribblings resultieren). Je weiter man nach hinten geht in der Formation, desto schwieriger wird es allerdings, Ballverluste auszugleichen.

  • Yussuf Poulsen: 6,07 Ballverluste pro 90 Minuten
  • Jean-Kevin Augustin: 5,96 Ballverluste pro 90 Minuten
  • Naby Keita: 4,60 Ballverluste pro 90 Minuten
  • Emil Forsberg: 4,53 Ballverluste pro 90 Minuten
  • Bruma: 4,23 Ballverluste pro 90 Minuten

Zweikampftechnisch liegt Jean-Kevin Augustin naturgemäß hinter Yussuf Poulsen, bestreitet aber hinter Keita die drittmeisten Zweikämpfe aller RB-Spieler (was wiederum zu Teilen seinem Hang zum Eins gegen Eins geschuldet ist) und liegt damit auch sehr deutlich vor Timo Werner. In Sachen gewonnene Zweikämpfe liegt er ungefähr auf Augenhöhe mit Werner bei unter 40%, einem für eher spielende Stürmer durchaus typischem Wert.

Dass Augustin sehr wohl weiß seinen Körper einzusetzen, zeigt sich auch in seinen Laufwerten. In Sachen Laufaufwand liegt er mit 11,22 km pro 90 Minuten auf Augenhöhe mit Timo Werner. 33,6 Sprints pro 90 Minuten sind über die Saison gesehen bisher der Topwert bei RB (wobei man hier die deutlich geringere Spielzeit von Augustin gegenüber bspw. Werner einrechnen muss). Aber wir haben ja auch schon bei Burke gelernt, dass viel Sprinten nicht unbedingt was heißen muss. Aber zuletzt setzte Augustin seine Sprints im Spiel gegen den Ball auch spieltaktisch recht sauber ein.

Jean-Kevin Augustin ist in vielerlei Hinsicht ein klassischer Strafraum- und Abschlussstürmer. Keine Beteiligung an der Entstehung eines Tors, dafür zehn Torbeteiligungen als Assist oder Tor zeigen das schon relativ deutlich. Als Stürmer, der sich durch gute , technisch saubere Ballverarbeitung, eine vernünftige Geschwindigkeit und gute Laufwege zum Tor auszeichnet, hat Augustin bereits sein Potenzial angedeutet. In einer auf Fußball und nicht auf zweite Bälle ausgelegten Mannschaft muss ein Augustin mit seinen Fähigkeiten eigentlich zwangsläufig zur ersten Wahl werden, wenn er sich nicht solche Auszeiten wie in der zweiten Hälfte der Hinrunde nimmt. Wenn es um einen körperlich robusten Wandstürmer geht, dann kommt man an Poulsen nicht vorbei.

Letztlich auch die Frage, wo die Reise spielerisch und konzeptionell für RB hingeht, die darüber entscheidet, wie Augustins Rolle künftig aussieht und ob er viel oder wenig Spielzeit kriegt. In der Rückrunde hat er jedenfalls bisher überwiegend gezeigt, dass er ein wichtiges Puzzlestück im RB-Spiel sein kann und dass er auch in der Arbeit für die Mannschaft inzwischen in Leipzig angekommen ist. Wenn zukünftig seine Tore auch noch zu Siegen führen, dann wird der Spaß für alle Beteiligten noch größer..

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Jean-Kevin Augustin hatte in jüngerer Vergangenheit wieder vermehrt Grund zum Jubeln. | GEPA Pictures - Kerstin Kummer
GEPA Pictures – Kerstin Kummer

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Datenbasis: eigene Aggregate auf der Basis von whoscored.com und bundesliga.de.

Ein Gedanke zu „Treffen darf nur einer, Augustin und sonst keiner“

  1. Schönes Ding und den vielen Zahlen dazu.
    Ich habe gestern zufällig auch noch das Porträt von Jika im neuen Klubmagazin gelesen und zack heute von Dir der Blog über ihn.

    Ist schon erstaunlich, das er jetzt zur Rückrunde oft das 1:0 erzielte, aber es nie für 3 Punkte reichte.
    Meine Idee wäre nun, 85 Minuten Beton anrühren, Jika einwechseln, 1:0 machen und Abpfiff ;-)

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