Spieler der Hinrunde: Emil Forsberg

Bei der Wahl zum Spieler des jeweiligen Fußballhalbjahrs wurde hier auch immer ein bisschen drauf geachtet, nicht immer in den üblichen Duktus von solchen Wahlen zu verfallen und immer auf den Offensivspieler zu schielen, der die meisten Tore beisteuerte oder am spektakulärsten spielte.

Entsprechend schafften es in der Vergangenheit auch immer wieder Verteidiger oder Fleißbienen wie Fabian Franke oder Tim Sebastian oder Diego Demme oder Bastian Schulz aufs virtuelle Cover der Bloglobhudelei. Auch in der abgelaufenen (bzw. fast abgelaufenen, wenn man das fehlende Spiel gegen Frankfurt formal richtig hinzuzählen wollte) Hinrunde der Bundesliga hätte es wieder Kandidaten für diese Rolle gegeben.

Ganz vornweg natürlich Diego Demme, der im Mittelfeld als Balancegeber und Bindeglied zwischen Defensive und Offensive nicht wegzudenken war. Gut die Räume geschlossen und dazu an unheimlich vielen Toren zumindest in der weiteren Vorbereitung als Passstation beteiligt. Das war schon mehr als ordentlich und noch mal eine Steigerung zur sowieso auch schon starken letzten Saison.

Zu nennen wäre auch Willir Orban, der eine sehr konstante, absolut ruhige und abgeklärte Saison gespielt hat und zum Kopf der Innenverteidigung wurde bzw. diese Position behauptete. Nach kleinen Problemen im Zweikampf zu Beginn der Spielzeit agierte er auch in diesem Bereich immer sicherer. Und steuerte sogar noch zwei Tore und eine Vorlage zum Mannschaftserfolg bei. Was ihn zum einzigen torgefährlichen Spieler aus der Viererkette in der Abwehr machte. Es war gewissermaßen die Rückkehr zu jener Kopfballstärke, die ihn schon in Kaiserslautern auszeichnete.

Wenn man dann doch weiter nach vorn Richtung Offensive schaut, dann kommt man natürlich nicht wirklich an Naby Keita vorbei, der an guten Tagen durchaus internationale Klasse verkörperte und RB Leipzig dann auf ein neues Niveau heben konnte. Um Spieler der Hinrunde zu werden, fehlte ihm vielleicht noch ein kleines bisschen Konstanz und ganz gelegentlich auch der Blick für den Mitspieler.

Zu nennen wäre auch noch Timo Werner. Natürlich, bei neun Toren und vier Vorlagen. Einer der Toptorschützen der Bundesliga. Einer, der die ihm zugedachte Rolle als Spieler für die Aktionen in der Tiefe absolut perfekt ausfüllte. Mir persönllich ist er für den Spieler der Hinrunde aber trotzdem auch zu sehr Rollenspieler.

Und sowieso kann man sich nach den ersten 16 Spielen ja auch auf den Kopf stellen. Wenn man Emil Forsberg nicht als überragenden Offensivkopf von RB Leipzig und als herausragenden Spieler des Teams auswählt, dann muss Distinktionsbedürfnis und Anti-Gen schon ganz schön arg ausgeprägt sein. Denn nachdem der Schwede letzte Saison schon spektakulär spielte, spielt er diese Saison noch eine Spur spektakulärer und dazu vor allem auch effektiv. Eine Mischung, die ihn zu einem der besten Offensivspieler der Liga macht. Wenn seine Frau Shanga via Sportbild erklärt, dass das erst 90% des Forsberg-Potenzials waren, dann sollte das die Liga eher als Drohung verstehen.

Dass Emil Forsberg in dieser Saison so durchstarten würde, war im Sommer noch nicht abzusehen. Bei der Europameisterschft spielte er ein mehr als durchwachsenes Turnier und fuhr mit seinem Team nach der Vorrunde wieder nach Hause. Bei RB Leipzig war er zu Beginn der Spielzeit nicht gesetzt, weil ihm die letzten Prozente Fitness und Sopritzigkeit fehlten, um vor allem gegen den Ball auf höchstem Niveau agieren zu können. Eine Situation, die den Schweden sicht- und hörbar irritierte. Seinen ersten Startelfeinsatz hatte Forsberg erst Mitte September beim 4:0 am dritten Spieltag in Hamburg. Erst ab dem sechsten Spieltag stand er permanent in der Anfangsformation.

Von den Spielen, in denen Forsberg von Beginn an auf dem Platz stand, blieb er in nur vier Begegnungen ohne direkte Torbeteiligung. Und in zwei der Spiele blieb RB Leipzig ganz ohne Treffer. Über die 16 Spiele gesehen war der Offensivmann an 21 von 27 Treffern, bei denen er auf dem Platz stand beteiligt.  Fünf Tore, neun Torvorlagen (Bundesliga-Topwert). Achmal spielte Forsberg zudem den vorletzten Pass zu einem Tor (wer mitgerechnet hat, weiß, dass der Schwede damit bei einem Tor den vorletzten Pass spielte und dann auch noch das Tor selber schoss).

Die Daten allein sind schon absoluter Wahnsinn. Seine auch optisch beste Phase hatte Forsberg dabei vielleicht zwischen dem 10. und 13. Spieltag, als er zwei Tore schoss und sechs Tore vorbereitete. Herausragend in dieser Zeit die Partie in Freiburg, als er diverse herausragende Schnittstellenpässe aus dem Fußgelenk schüttelte, von denen jeder einzelne in einem Highlightfilm auftauchen müsste, den man sich dann immer wieder mit einem Lächeln auf dem Gesicht anschauen könnte. Ja, Freiburg war an dem Tag überfordert. Aber das wären wohl 14 von 16 anderen Bundesliga-Teams bei dem Spiel auch gewesen.

Wenn man den Wert von Forsberg weiter in Zahlen ausdrücken will, dann bleibt auch festzuhalten, dass RB Leipzig mit ihm auf dem Platz 2,26 Tore pro 90 Minuten erzielt hat. Wenn der Schwede fehlt, dann sind es gerade mal noch 1,0 Tore pro 90 Minuten. Klar, das hat auch mit veränderten taktischen Vorgaben zu tun (beispielsweise bei Ergebnissicherung nach Forsberg-Auswechslung und einer per se nicht mehr so offensiven Ausrichtung). Aber es sagt auch viel über die Effektivität aus, die durch Forsberg ins RB-Spiel kommt. Und das bleibt die eigentliche Überraschung in seiner Entwicklung. Dass bei seinem spekakulären Spiel auch viel zählbares herauskommt, während er in der zweiten Liga noch oft am letzten Pass oder beim Torabschluss in guter Position scheiterte.

Sehr hoch ist auch die Passquote von Emil Forsberg, zumindest im teaminternen Duell. Fast 80% aller Pässe kommen auch zum Mitspieler. Damit belegt er im RB-Vergleich Platz 2. Was angesichts seiner Position, die auch von risikoreichen Pässen lebt und Spielsystem, dessen schnelles Spiel in die Tiefe die Passquote senkt, durchaus beeindruckend ist. Heißt auch, dass Forsberg nur wenige Bälle verliert und entsprechend auch die eigene Defensive entlastet. Wichtig beim Spiel mit dem Ball zudem Forsbergs Qualitäten, im ersten Kontakt auch unter Gegnerdruck den Ball zu sichern und sich im Eins gegen Eins immer wieder geschickt Räume zu erobern, den Gegner durch Körpertäuschungen aussteigen zu lassen und dann entsprechend aufgehende Räume bespielen zu können.

Doch auch im Spiel gegen den Ball hat er sich zu einem wichtigen Teil des Teams entwickelt. Mit reichlich neun Balleroberungen pro 90 Minuten liegt er in dieser Statistik hinter Naby Keita und Diego Demme auch schon auf Platz 3.  Und damit deutlich vor anderen Offensivkräften. Sprich, Forsberg hat eine gute Positionierung im Raum, die ihn den Ball immer wieder auf aktivere oder nicht so aktive Art zu sichern hilft. Ist ja im auf Balleroberung ausgelegten System von RB Leipzig auch nicht ganz unwichtig.

Wenn man über Emil Forsberg spricht, dann findet man für die ersten 16 Spiele nicht viel, woran man etwas aussetzen könnte. Er bereitet die meisten Torschüsse vor (2,8 pro 90 Minuten), ist vor dem Tor in vernünftigem Maße effektiv (5,6 Schüsse pro Tor, Werner trifft aus besseren Positionen mit jedem vierten Schuss). Zum Zeitpunkt, wenn Forsberg den Platz verlässt, hat RB Leipzig im Schnitt 2,26 Punkte pro Spiel gesammelt (Bestwert im Team) und +1,25 Tore geschossen (zweitbester Wert hinter Compper). Wo wollte man da anfangen zu meckern.

Ein kleiner Schatten liegt durch das Spiel bei den Bayern auf der bis dahin überragenden Hinrunde. Das Foul gegen Philipp Lahm, das berechtigt zum Platzverweis führte, war bitter und unnötig. Und führte zu einer Sperre von drei Spielen, die Spieler und Verein mal so richtig weh tun. Forsberg wird in Zukunft noch nachweisen müssen, dass er in großen Spielen auch in positivem Sinne große Taten vollbringen kann. Gerade wenn über kurz oder lang auch noch mal ein Wechsel zu einem großen europäischen Traumverein wie Liverpool anstehen soll.

Aber Forsberg spielt auch, das darf man dabei nicht vergessen, seine erste Saison in einer europäischen Topliga. Von daher ist es vielleicht nicht ganz erstaunlich, dass ihm die Erfahrung mit Spielen gegen europäische Topklubs wie die Bayern noch ein bisschen fehlt und wenn es Situationen wie die in München gibt, aus denen Forsberg noch lernen muss.

Ralph Hasenhüttl oder andere aus dem Verein haben natürlich recht, wenn sie sagen, dass der Einzelne nur glänzen kann, weil es die Mannschaft gibt und wenn man sich als Teil von ihr präsentiert und die zugewiesene Rolle gut ausfüllt. Der Einzelne glänzt eben nur im Zusammenhang mit den anderen. Trotzdem macht die individuelle Qualität am Ende den Unterschied. Sprich, wenn elf Spieler mit hoher Qualität gut als Team spielen, dann ist das immer auch wertvoller, als wenn elf Spieler mit geringerer Qualität dasselbe machen. Soll nur heißen, dass man am Ende in einem zusammenarbeitenden Team auch eben die individuell herausragenden Leistungen braucht, um besonders erfolgreich zu sein.

In diesem Sinne war Emil Forsberg der herausragende Spieler der Hinrunde (die für diese Rubrik hier einfacherweise vor der Winterpause endete; und da Forsberg jetzt eh gesperrt ist, passt es ja auch). Nicht weil er versucht hätte, sich als Einzelspieler in gutem Licht darzustellen, sondern weil er im System RB Leipzig seine Rolle sehr gut ausfüllte und mit einer individuellen Qualität anreicherte, die die Mannschaft offensiv auf eine wesentlich bessere Stufe hob. Großartige Runde. Hat viel Spaß gemacht zuzugucken. Schade, dass man drei Spiele lang auf dieses Vergnügen verzichten muss.

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Wer wollte, konnte hier seinen Spieler der Rückrunde ankreuzen. Maximal drei Kreuze (falls man sich nicht entscheiden kann). Es standen nur Spieler zur Wahl, die mindestens 50% der Einsatzzeit mitgemacht haben.

Wer war der Spieler der Hinrunde bei RB Leipzig in der Bundesligasaison 2016/2017?

  • Emil Forsberg – 26%
  • Diego Demme – 19%
  • Naby Keita – 15%
  • Willi Orban – 12%
  • Timo Werner – 10%
  • Marcel Sabitzer – 7%
  • Yussuf Poulsen – 5%
  • Stefan Ilsanker – 3%
  • Bernardo – 3%
  • Dominik Kaiser – 1%
  • Marvin Compper – 0%
  • Marcel Halstenberg – 0%
  • Peter Gulacsi – 0%

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Bisher so:

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Spielt eine überragende Runde und war auch gegen Mainz überragend: Emil Forsberg. | GEPA Pictures - Roger Petzsche
GEPA Pictures – Roger Petzsche

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2 Gedanken zu „Spieler der Hinrunde: Emil Forsberg“

  1. Obwohl auch andere Spieler in der Hinrunde Geniales geleistet haben ist auch für mich die Wahl von Forsberg ohne Zweifel.
    Besonders auffällig dabei vor allem die Konstanz mit der er Bestleistungen vollbrachte. In der letzten Zweitligasaison gab es neben sensationellen Spielen auch immer wieder mal schwache Leistungen bei ihm, in der aktuellen Saison war alles was ich selbst gesehen habe wirklich überzeugend. Ein wahrer Augenschmaus, der schon allein einen Stadionbesuch lohnenswert machte.
    Ebenfalls extrem beeindruckend: Wie gut er nach hinten arbeitete, man konnte kaum glauben, wo überall auf dem Platz er zu finden war, um Bälle zu erobern. Er wird uns fehlen in den nächsten 3 Spielen…

  2. Bei solchen Abstimmungen sind Offensivkräfte immer im Vorteil.
    Ich stimme deswegen für Diego Demme.
    Mit Ihm steht und fällt das defensive Mittelfeld.
    Eine Voraussetzung das unsere Offensive so glänzen kann.

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