Zwei Wochen sind es noch bis das Transferfenster wieder schließt. Zumindest auf der Abgangsseite dürfte man bei RB Leipzig nach vier Wechseln durch sein. Wenn man mal davon ausgeht, dass sich bei Thiago Rockenbach nicht noch was tut. Wonach es akutell nicht aussieht.
Vier Spieler haben RB Leipzig also in den letzten Wochen verlassen. Wobei nur der Abgang von Bastian Schulz einigermaßen überraschend kam. Im vergangenen Jahr noch Aufstiegsgarant, kam Schulz in der aktuellen Saison gerade in der zweiten Hälfte der Hinrunde, also insbesondere nachdem Joshua Kimmich seine Verletzung auskuriert hatte, kaum noch zum Zuge. 25 Minuten in den letzten 10 Spielen vor der Winterpause bei vier Einsätzen waren sicherlich weniger, als sich der 28jährige Mittelfeldmann ausgerechnet hatte. Zumal er in den 11 Spielen davor immer auflaufen durfte, achtmal sogar von Beginn an. Mit drei Treffern zeigte er sich dabei, wie schon im Vorjahr, durchaus abschlussstark.
Bastian Schulz gehörte nach dem schweren Jahr unter Peter Pacult, der ihn überhaupt erst verpflichtet hatte, unter Zorniger, nachdem er sich ins Team gekämpft hatte, lange Zeit überraschend zu den prägenden Personen auf dem Platz, weil er ausgewogen Defensive und Offensive entpuppte und ein sehr gutes Auge für freie Räume hatte, entpuppte sich als wichtig für die Teamchemie und war wie man nach dem Aufstieg lernte auch mitentscheidend für die Stimmung beim Feiern. Man hätte sich einen Bastian Schulz gut als erfahrenen Backup für das Mittelfeld vorstellen können. Quasi eine Mittelfeldausgabe von Tim Sebastian. Nicht mehr allererste Wahl, aber immer sofort da, wenn man ihn mal, für wieviele Minuten auch immer, braucht.
Doch Bastian Schulz entschied sich dafür, lieber woanders feiern zu wollen, nämlich bei der zweiten Mannschaft des VfL Wolfsburg in der Regionalliga, die den Aufstieg in die dritte Liga anstrebt und dafür eine erfahrene Korsettstange gesucht hat. Die Entscheidung geht natürlich in Ordnung und hinterlässt doch ein leichtes Unwohlsein, was er in Leipzig als voll integriertes Teammitglied und Minutenschrubber wohl für ein Loch hinterlässt. Sein Abgang war letztlich im Sinne des RB-Teamumbaus und seiner eigenen Wünsche logisch und hätte im Sommer bei auslaufendem Vertrag wohl sowieso angestanden. Bis dahin wäre einem aber etwas wohler gewesen, hätte man ihn noch im RB-Kader gewusst.
Wenig überraschend dagegen, dass Juri Judt den Verein noch vor der Winterpause verließ. Und später dann in Saarbrücken anheuerte, wo er im Abstiegskampf bestehen will. Gegenüber der Saarbrücker Zeitung bestätigte Judt vor kurzem, was man als Beobachter der Szenerie auch ahnen konnte, dass er in Leipzig nie richtig angekommen sei, auch weil er von seiner Familie getrennt blieb. Möglicherweise lag es aber auch daran, dass er ohne sonderlich ausgeprägten linken Fuß Linksverteidiger spielen musste. Eine Rolle, bei der man zweifeln kann, ob sie Judt tatsächlich auf den Leib geschneidert ist.
Juri Judt war noch von Pacult verpflichtet worden, spielte aber ausschließlich unter Zorniger. Und war dabei immer ein grundsolider, aber auch nie überragender oder stilprägender Linksverteidiger. Mit der ihm eigenen Ruhe löste er seine Aufgaben, aber nur wenig darüber hinaus. Nein, die ganz großen Spuren hat Juri Judt in 26 Liga-Spielen bei RB nicht hinterlassen. Wobei natürlich das schöne Führungstor im Spiel gegen Lok Anfang September im Gedächtnis der Anhänger fortleben wird. Abgesehen davon standen aber auch nur noch zwei Torbeteiligungen in Form von Assists zu Buche. Mal sehen, ob er in Saarbrücken bleibendere Eindrücke hinterlassen kann. Wäre ihm sicherlich zu wünschen.
Gar nicht überraschend der Abgang von Christos Papadimitriou, der in seinem halben Jahr RB Leipzig auf gerade mal 26 Einsatzminuten kam und seine taktischen Defizite nie aufholen konnte. Ich erinnere mich noch gut an das Testspiel gegen HB Køge, als im Minutentakt jemand unter lauten “Papa”-Rufen den griechischen Neuzugang in die richtige Position zu schicken versuchte. Und der damals noch 19jährige völlig überfordert war von den scheinbar völlig unterschiedlichen Anweisungen. Papadimitriou hat Qualitäten in seiner Grundschnelligkeit und am Ball und wenn er taktisch aufholt, kann etwas aus ihm werden. Das schien auch Rangnick so gesehen zu haben, der Papadimitriou kurzerhand in das inoffizielle Red-Bull-Farmteam FC Liefering steckte, wo er sich entwickeln soll. Schafft er das, hat er die Perspektive einer Karriere irgendwo im Sporthause Red Bull. Leise Zweifel darf man aber haben.
Als letzten erwischte es gestern Carsten Kammlott, der eigentlich jedes Jahr seit seiner Ankunft in Leipzig vor dreieinhalb Jahren mit einer (zumindest leihweisen) Rückkehr in seine Erfurter Heimat in Verbindung gebracht wurde. Nun ist es dann so weit und er verlässt RB Leipzig, wo er in 97 Pflichtspielen an 27 Toren beteiligt war. Diverse Male auch, indem er einen Elfmeter herausholte. Was letztlich angesichts der Ansprüche an ihn, der einst eine höhere sechsstellige Ablösesumme gekostet haben soll, zu wenig war. Seinen Stempel konnte er dem Verein nie wirklich aufdrücken. Zuletzt war er im Umfeld einigermaßen umstritten. In Erfurt hat er nun die Chance zu einem Neuanfang. Die Carsten Kammlott im besten Sinne nutzen möge.
Irgendwas zwischen 600.000 und 800.000 Euro sollen von RB Leipzig für den Kammlott-Wechsel 2010 gen Erfurt geflossen sein. Für irgendwas um Nulltarif kriegen die Thüringer ihn wieder zurück. Kein ganz schlechter Deal. Nicht ganz so gut aus Sicht der Erfurter, dass sich RB laut heutiger BILD hat zusichern lassen, dass Kammlott im direkten Aufeinandertreffen beider Vereine nicht auf dem Platz stehen wird. Eine dieser Klauseln, die man durchaus albern finden darf. Entweder man ist nicht überzeugt von einem Spieler, dann sollte man es aushalten, dass er auch gegen einen spielt (und sollte Möglichkeiten haben, ihn zu stoppen) oder man ist überzeugt von einem Spieler, dann gibt man ihn nicht ab. Geht ein bisschen als schlechter Stil durch.
Zu RB Leipzig gewechselt ist derweil Georg Teigl, der als Reaktion auf die schwere Knieverletzung von Christian Müller, der mindestens für die Rückrunde ausfallen wird, von Red Bull Salzburg auf dem kurzen Dienstweg verpflichtet wurde und als Rechtsverteidiger seinen Weg gehen soll. In Salzburg scheiterte Teigl letztlich an einem qualitativ hochwertigem Kader, in dem er auf seiner angestammten offensiven Außenbahn keinen Platz mehr hatte.
Schon in Salzburg hatte man in Tests und im Training Versuche unternommen, den 22jährigen zu einem Rechtsverteidiger zu machen. In Leipzig wird man diese Versuche, denen Teigl bisher eigentlich nicht extrem offen gegenüber stand, weil er die offensiven Außenbahnen als seine Stammpositionen sah, nun verstärken, denn Teigl ist klar als Müller-Ersatz eingeplant und auch wenn er natürlich eine Offensivoption bleibt, soll er genau diese Rolle verinnerlichen.
Teigl wechselte 2009 als größeres Talent nach Salzburg, war österreichischer Nachwuchsnationalspieler und kam insgesamt auf 70-Bundesligaspiele und neun Einsätze in Europa. Wobei er dabei aber nur 23mal von Beginn an auflief. Teigl war demnach (und mit 33 Bundesliga-Einsätzen insbesondere in der vergangenen Spielzeit) ein alltäglicher Bestandteil des Kernkaders von Red Bull Salzburg, ohne dass er sich final durchsetzen und dauerhaft in die Startelf spielen konnte. Immerhin 21 Torbeteiligungen in den 70 Bundesligaspielen (129 Minuten pro Torbeteiligung, letzte Saison sogar eine Torbeteiligung alle 90 Minuten) zeigen aber auch, dass Teigl durchaus über Offensivqualitäten verfügt.
In der aktuellen Saison blieben für Teigl allerdings nur noch 240 Minuten in (Europa-)Pokal und Meisterschaft zusammen. Bei null Torbeteiligungen und einer roten Karte. Die Daten verweisen darauf, dass Teigl in Salzburg karrieretechnisch etwas in der Sackgasse steckte und sich für diese Situation in den nächsten Wochen keine Besserung abzeichnete. Weswegen selbst die Möglichkeit in der dritten deutschen Liga Rechtsverteidiger zu spielen und potenziell eine Zweitligaperspektive zu haben, attraktiver zu sein schien.
Die große Stärke von Georg Teigl, da sind sich alle Betrachter der Szenerie einig, ist seine Schnelligkeit. Mängel werden ihm derweil in Technik und Ballbehandlung nachgesagt. Wobei man hierbei auch vorsichtig sein muss, denn wir reden von einem Spieler, der sich in einer Mannschaft mit Champions-League-Ambitionen durchzusetzen suchte. Da sind technische Mängel auch manchmal ziemlich relativ.
Fakt ist, dass Teigl mit seinen Stärken ein sehr guter Balljäger sein müsste und die Dynamik mitbringen sollte, die es braucht, um den Außenverteidigerposten defensiv einigermaßen sicher zu besetzen. Das Stellungsspiel dürfte dagegen naturgemäß ausbaufähig sein. Zudem dürfte die große Frage sein, wie Teigl, der auch gern als Konterspieler beschrieben wird, bei RB Leipzig auf eine Position passen wird, die offensiv im Normalfall wenig Räume bekommt, um die Geschwindigkeit auszuspielen, sondern eher Passqualitäten gefragt sind, die bei Teigl als ausbaufähig gelten. Durchaus ein völlig offenes Experiment.
Insgesamt dürfte es aber für alle Seiten ein Transfer ohne Risiko sein. Bei Red Bull Salzburg fand man keine Verwendung mehr für Teigl, wollte ihn aber auch nicht innerhalb der Liga zu den großen Konkurrenten wechseln lassen. In Leipzig sucht man zwar einen Rechtsverteidiger, hat im Fall der Fälle, dass Teigl die Rolle nicht ausfüllen kann, aber mit Heidinger und Sumusalo auch Alternativen für die Position. Wenn Teigl einschlägt, dann ist es super und als Notnagel geht er immer. Falls Teigl aber nicht einschlägt, dann wird man dies durch den bestehenden Kader auffangen. Und für Teigl selbst ist es die Chance, bei einem Verein Fuß zu fassen, der eventuell bald Zweitligist ist, also in einer Liga spielen könnte, die für einen österreichischen Spieler der nicht ganz überragenden Klasse durchaus bereits interessant ist.
Dass alle Beteiligten sich die Sache erst mal anschauen und die Entwicklung abwarten wollen, zeigt sich auch darin, dass Teigl erst mal nur einen Vertrag bis 2015 erhalten hat. Teigl hat nun eineinhalb Jahre Zeit, sich bei RB Leipzig zu zeigen, vielleicht ja perspektivisch, falls Müller in dieser Zeit wieder zurückkehrt, auch weiter vorn als in der Außenverteidigung. Wird nicht leicht für ihn, aber es ist eine Chance. Für beide Seiten, Spieler und Verein.
Vier Abgänge, denen allen viel Glück beim nächsten Karriereschritt gewünscht sei. Vier Spieler, die in unterschiedlichem Ausmaß auch den Verein nach außen repräsentierten und nun als Ex-RBLer auch ein wenig Botschafter des Vereins in der weiten Welt sind. Dazu ein Neuzugang, der eher zwangsweise Folge der Müller-Verletzung als selbstgewählte Entscheidung war.
Bliebe (da Müller als Langzeitverletzter aus der Rechnung fällt) bei der üblichen Rechnung von 22 Feldspielern plus drei Torhüter noch ein freier Kaderplatz. Klar, dass da das weiterhin von keiner Seite ernsthaft dementierte Kutschke-Gerücht bleibt. Auch wenn man nicht recht weiß, wo im Sechs-Mann-Sturm von RB noch wirklich Bedarf wäre. Außer man findet eine neue Position für den aktuellen Frahn-Backup Denis Thomalla, den man in den Testspielen bisher zwei Halbzeiten lang auf der Sechs testete. So richtige Kaderlücken findet man jedenfalls nicht, auch wenn mit Benedikt Röcker zuletzt ein Innenverteidiger zugab, ein Angebot von RB gehabt zu haben (wechselte letztlich lieber nach Fürth). Was dafür spräche, dass Zorniger auf dieser Position noch Bedarf sehen würde. Zwei Wochen hat er noch Zeit, seinen Bedarf zu konretisieren und von Rangnick in die Praxis umsetzen zu lassen.
Grobe Einschätzung zu Müller. Bei der Diagnose inkl. des ausgerenkten Kniegelenks etc. geht es nicht darum, ob er für mindestens die Rückrunde ausfällt, sondern darum dass er je wieder schmerzfrei laufen kann. Was ich bisher gelesen habe, würde ich traurigerweise sagen, dass man ihn nicht mehr auf dem Feld sehen wird.
Auf Teigl bin ich sehr gespannt.
@Matthias: Im Hinterkopf weiß ich natürlich um drohende Szenarien, aber ich weigere mich aktuell von was anderem als dem bestmöglichen auszugehen. Schon aus Fairness dem Spieler gegenüber, der vermutlich psychisch und physisch um seine Karriere kämpft.