Letztlich steht RB Leipzig vor einer Übergangssaison, in der der Umbruch Richtung zweite Liga und Zweitligateam begonnen wurde und es darum geht, sich fußballerisch zu verbessern. Inwieweit diese Saison auf den verschiedenen Ebenen zu einem Selbstläufer wird und man sogar an mehr als dem oberen Tabellendrittel schnuppern kann, muss man abwarten. Dazu müssen zu viele (auch zufällige) Faktoren zusammenpassen, als das man das ernsthaft erwarten oder prognostizieren kann. (Leipziger Fußball 2013/2014)
Wenn man vor der Saison einen realistischen Blick auf die Verhältnisse in der dritten Liga geworfen hat, dann konnte man – so wie auch Halles Trainer Sven Köhler heute in der LVZ – davon ausgehen, dass RB Leipzig im oberen Tabellendrittel mitschwimmen wird, aber nicht unbedingt, dass man den Sprung nach ganz oben schaffen kann.
Dass RB Leipzig nach Ende der Hinrunde tatsächlich auf dem zweiten Platz lag und weiterhin liegt, begründet sich sowohl in den Leistungen der Konkurrenz, als auch in den eigenen Leistungen. In Bezug auf die Konkurrenz ist bemerkenswert, dass mit Münster und Chemnitz gleich zwei der Teams, die vor der Saison als Aufstiegsfavoriten gekennzeichnet wurden und sich selbst dieses Ziel mehr oder weniger offen vorgaben, aktuell fernab der Tabellenspitze in der unteren Tabellenhälfte herumdümpeln. Unglaubliche 13 bzw. 14 Punkte liegt RB Leipzig derzeit vor den beiden Mannschaften. Ein Abstand, den kein Experte vorausgesagt hätte.
Auf der anderen Seite spielt RB Leipzig eine gute bis sehr gute Drittligapremierenrunde, auf die man so hoffen, die man aber so nicht unbedingt erwarten konnte. Keine zwei Niederlagen am Stück, nie schlechter als Platz 7, an 9 von 19 Hinrundenspieltagen auf Platz 2 oder 3, bestes Heimteam, zweitbeste Offensive. Der Tabellenplatz ist kein Zufallsprodukt, auch wenn die schwächelnde Konkurrenz ein Faktor ist. Man hat es im Hinrundenverlauf immer wieder geschafft, negative Erlebnisse direkt wieder auszumerzen und in unterschiedlichen Kaderzusammenstellungen durchgängig Punkte einzufahren.
Die Spiele der Hinrunde
Die Saison begann vom dramaturgischen Bogen her mit dem absoluten Optimum. Auswärtsspiel beim Halleschen FC. Also dort, wo man ein reichliches Jahr zuvor den Aufstiegsfeierlichkeiten des HFC als Gast beiwohnen musste. Eröffnungsspiel der Drittligasaison unter Flutlicht. Ausverkauftes Haus. Voller Gästeblock. Viel mehr ging nicht. Nur Daniel Frahn setzte noch eins drauf und sicherte mit einem phänomenalen Treffer drei Punkte zum Auftakt (die mangelnde Chancenverwertung der Hausherren half beim Sichern), die sofort die Sicherheit gaben, dass man in dieser dritten Liga konkurrenzfähig ist.
Eine Woche später sollte sich dies im Duell mit dem vermeintlichen Ligamitfavoriten bestätigen, denn gegen Preußen Münster bestimmte RB Leipzig über weite Teile bei Gluthitze die Partie und ließ am Ende trotzdem zwei Punkte liegen. Konkurrenzfähig ja, aber noch kein Topteam, das sich für eine gute Leistung auch belohnt.
Dass die dritte Liga kein Selbstgänger sein würde, zeigte sich schon zwei Wochen später als RB Leipzig zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte zu einem Pflichtspiel nach Bayern reiste und bei Wacker Burghausen eine durchwachsene Partie bei schwachen Gastgebern ablieferte. Und doch auch jene Qualität zeigte, die man schon in der Regionalliga hatte. Nämlich immer für ein Tor gut zu sein. Dominik Kaiser sorgte in Unterzahl mit seinem Tor mit der letzten Aktion des Spiels für drei Punkte und ekstatische Zustände auf dem Rasen und im relativ gut besetzten Gästeblock.
Sieben Punkte aus drei Spielen. Der Saisonstart war gelungen und das Selbstvertrauen da. Und auch die Chance, mal einen Punkt liegen lassen zu können, ohne gleich in den Tabellenniederungen zu versinken. So tat auch das 1:1 gegen den MSV Duisburg nicht weg, auch wenn es wie schon gegen Münster eher zwei verlorene als ein gewonnener Punkt war.
Der fünfte Spieltag brachte dann den ersten Heimsieg. Mit dem Spiel gegen Rot-Weiß Erfurt stand in der Red Bull Arena das erste Heimduell mit einem NOFV-Team an. Das RB Leipzig gewann, auch wenn man über 90 Minuten gesehen nicht unbedingt das bessere Team war. Erkenntnis des Nachmittags: RB kann auch dreckige Siege.
Was folgte war eine Niederlage beim SV Wehen Wiesbaden, der in der ersten Saisonphase mit ungeheurer Effektivität glänzte. Auch gegen RB Leipzig machten sie aus ziemlich wenig ziemlich viel, sodass RB trotz guter zweiter Halbzeit ohne Punkt und mit der ersten Niederlage unter Zorniger in einem Ligaspiel nach Hause fahren musste. Kein ganz großer Unfall, aber in der Art und Weise eher unnötig.
Die Punkte holte man sich in einem ziemlich emotionalen Duell an einem Dienstagabend im September gegen den bis dato ungeschlagen auf Platz 2 liegenden Mitaufsteiger Holstein Kiel zurück. Wie schon im Regionalligaduell zwei Jahre zuvor drehte RB dabei einen Rückstand.
Spieltag 8 brachte etwas unerwartet den fußballerischen Tiefpunkt der Saison. 0:1 beim nicht eben starken Aufsteiger SV Elversberg nach einem schlechten Kick, zu dem es passte, dass man sich in der Schlussminute bei eigenem Standard auskontern ließ und noch nicht mal den dreckigen einen Punkt mitnahm. Zu einer Saison gehören ja immer Hochs und Tiefs. Wer an jenem 07.09. in Saarbrücken, wo Elversberg spielte, zusammen mit den insgesamt 900 anderen in einem 30.000er-Stadion das Gekicke verfolgte und anschließend die mehr als 500km wieder zurück nach Leipzig musste, hatte in Bezug auf das Tief jedenfalls fast alles gesehen. Ziemlich gruseliges Gesamtpaket, bei dem die gleichzeitige Abwesenheit von Matthias Morys und Yussuf Poulsen deutlich negativ ins Gewicht fiel.
Dem Tiefpunkt folgte der internationale Höhepunkt der Hinrunde. Denn beim überzeugenden 3:1 gegen den Nachwuchs des VfB Stuttgart gelang der immer mal wieder probierte Anstoßtrick von RB Leipzig und schon nach knapp 9 Sekunden stand es 1:0. Das Video des Tors ging in den Folgetagen einmal um den Planeten und wird auch heute noch via Youtube und Co weiterverbreitet. Abgesehen davon war vor allem die Leistung in diesem Spiel die richtige Antwort, um sich nach dem Elversberg-Kick nicht in Depressionen zu verlieren.
Bitter wurde es einen Spieltag später beim Freitagabend-Flutlichtspiel in Osnabrück, als RB Leipzig 60 Minuten lang eine hervorragende Auswärtspartie bot, sich aber nach zweimaliger Führung jeweils den Ball praktisch selbst ins Tor legte und am Ende mit 2:3 verlor. In Osnabrück feiert man das Spiel immer noch als Highlight der Hinrunde. Es war auch ein tolles Fußballfest mit einem nicht ganz dem Spiel entsprechenden Ergebnis. Aber das Spiel brachte trotzdem die wichtige Erkenntnis, dass man auch auswärts und auch bei einem aggressiven Gegner dominant auftreten kann.
In eine für RB-Verhältnisse kleine Minikrise manövrierte man sich durch ein 2:2 im Folgespiel gegen die spielstarke SpVgg Unterhaching, als man in einem schwachen Heimspiel wieder eine zweimalige Führung durch allerlei Nachlässigkeiten abgab. Was vor dem folgenden Gastspiel beim schon damals überlegenen Spitzenreiter Heidenheim den Druck auf RB etwas erhöhte.
Was folgte war so etwas wie das Erweckungserlebnis für RB Leipzig schlechthin. Denn beim Topfavoriten auf den Aufstieg Heidenheim, der diese Rolle über die ganze Runde sehr gut ausfüllte, gewann RB Leipzig angeführt von einem enorm starken Startelfdebütanten Joshua Kimmich und unterstützt von 400 sehr gut gelaunten Gästeanhängern im schwäbischen Herbst überraschend und überraschend auch verdient mit 2:0. Ein Spiel wie ein bockig-selbsbewusstes Füßestampfens eines Kindes, das sich auf den Weg macht, erwachsen zu werden. Und nach den 60 Minuten von Osnabrück die endgültige Bestätigung, dass RB Leipzig es an guten Tagen mit jedem aufnehmen und aktiv-souverän aufspielen kann.
Von dieser Leistung nahm man nicht allzu viel in das Spiel gegen Regensburg mit, aber gegen harmlose Gäste reichte es trotzdem für einen 2:0-Arbeitssieg, der am 13.Spieltag erstmals auch Platz 2 bedeutete.
Die schlechte Leistung, die schon dieses Spiel prägte, wurde dann in Chemnitz locker unterboten, als man ohne größere Chancen knapp 2.000 Gästefans schließlich mit hängenden Köpfen nach Hause fahren ließ. Das erste Mal in der Saison war man das schlechtere Team und verlor völlig verdient. Und wieder fehlten wie bei der ähnlich depremierenden Niederlage in Elversberg gleichzeitig Matthias Morys und Yussuf Poulsen (der nach seinem schon legendären Verschlafen des Abschlusstrainings aus dem Kader gestrichen worden war).
Doch es zeichnet RB Leipzig in dieser Saison aus, dass sie nach schlechten Leistungen immer sofort wieder zurück in die Spur finden. So auch diesmal, als sie dem 1:3 in Chemnitz ein 1:0 gegen den Nachwuchs von Borussia Dortmund folgen ließen, das sehr viel knapper klingt, als es eigentlich war. Denn RB lieferte ein sehr gutes Spiel ab, ohne dies auch in Tore umzumünzen. Torarmut sollte aber auch die nächsten Wochen wesentlich prägen.
So auch die Partie in Darmstadt, als sich RB Leipzig gegen den Gastgeber eine Abwehrschlacht lieferte, in der Tobias Willers und Fabian Franke zu Hochform aufliefen. Letztlich machte RB aus fast nichts in der Offensive ein Tor durch einen Kaiser-Fernschuss und das reichte auf ganz tiefem Boden bereits für drei Punkte, die RB endgültig auf einem Aufstiegsplatz einkehren ließen.
Gegen Hansa Rostock hatte man dann die Gelegenheit den Kontrahenten in der Tabelle auf 11 Punkte zu distanzieren. Heraus kam eine unglücklich-verdiente Niederlage gegen starke und aggressiv verteidigende Gäste, die zu den richtigen Zeitpunkten die Tore machten und zusammen mit 7.000 Gästefans diesen Sieg überschwenglich feierten. Das Spiel war von Dramaturgie und Co her durchaus vergleichbar mit dem Sieg von RB in Heidenheim.
Doch auch hier hieß es, sich schnell zu schütteln, zu lernen und weiterzumachen. Mit welcher Souveränität, Überlegenheit und Dominanz man dann in Saarbrücken, bei zugegeben defensiv nicht konkurrenzfähigen Gastgebern, das Hansa-Spiel vergessen machte, konnte durchaus beeindrucken. Dass es nur ein 3:2 wurde und man zwischenzeitlich sogar fast mit 1:3 in Rückstand geraten wäre, war eine kurios-absurde Randgeschichte des Spiels.
Bliebe dann noch die letzte Partie der Hinrunde, in der man wieder mal zu einem Arbeitssieg griff und die Stuttgarter Kickers insgesamt ohne Glanz, aber verdient mit 2:1 bezwang.
Wenn wir das Münster-Spiel als erstes Rückrundenspiel mal außen vor lassen, dann bleibt eine Hinrunde, in der RB Leipzig nur in Elversberg und Chemnitz (unter Umständen insbesondere auch wegen der gleichzeitigen Abwesenheit von Matthias Morys und Yussuf Poulsen) richtig schlecht spielte und letztlich nur in Chemnitz das unterlegene und chancenlose Team war. In allen anderen Spielen war man zumindest gleichwertig und hatte bei allen Niederlagen auch die Chance, diese abzuwenden. Und wenn man nicht in gleich drei Spielen eine zweimalige Führung verspielt hätte (Münster, Osnabrück, Unterhaching) hätte man sogar noch ein paar Punkte mehr auf dem Konto haben können.
Neben einigen Arbeitssiegen bleiben vor allem auch jene Auftritte im Gedächtnis, die der Art, in der RB Leipzig Fußball spielen will, schon relativ nahe kamen. Zuvorderst natürlich die Partie in Heidenheim, aber auch jene in Saarbrücken oder die ersten 60 Minuten in Osnabrück. Oder die beiden Heimspiele gegen Dortmund II und den VfB II. Letztlich hat man eine Hinrunde gespielt, in der die positiven Eindrücke vom Geschehen auf dem Feld überwogen.
Klar, in Sachen Abstimmung, Kompaktheit, 90minütiger Konzentration oder auch individueller Entwicklung gab und gibt es immer noch Luft. Aber insgesamt machte man viel richtig, zeigte vor allem nach schlechten Auftritten immer wieder eine sehr gute Reaktion und ließ sich auch nie von Unruhe, Druck oder besonderer Motivation der Gegner aus dem Konzept bringen. Zieht man in Betracht, dass zu einer Saison auch immer schlechtere Spiele gehören, dann war die Hinrunde von RB Leipzig unter der Bedingung, dass sich ein Aufsteiger auch immer erstmal in der Liga zurechtfinden mus, ziemlich nah dran an optimal.
Die Taktik
Taktisch gesehen steht die bisherige Drittligarunde unter dem Motto der Weiterentwicklung. Das in der vergangenen Saison eher festgemeißelte 4-3-1-2 gehört zwar immer noch zum taktischen Grundgerüst, wurde allerdings durch verschiedene ineinander übergehende Systeme ergänzt. Was vor allem eine direkte Folge davon ist, dass sich Thiago Rockenbach nachhaltig aus dem Kader spielte.
Mein persönliches Aha-Erlebnis gab es diesbezüglich beim Testspiel gegen Hertha BSC im Sommer als Rockenbach als Zehner die Aufgabe hatte in der defensiven Grundformation weit nach vorn zwischen die Stürmer zu rücken und dort die Kreise des spieleröffnenden Sechsers der Berliner zu stören. 15 bis 20 Minuten lang machte das Rockenbach ganz gut, sodass der Bundesligist wenig Möglichkeiten für einen geordneten Spielaufbau hatte. Dann begann der Zehner Rockenbach allerdings dem Geschehen aus irgendeinem Grund nur noch hinterherzutraben und das Spiel kippte sofort, weil der Berliner Sechser nun die Freiheiten hatte, den Ball beliebig auf dem Platz, vorzugsweise auf die durchstartenden Außenpositionen zu verteilen. Ein Lehrbeispiel, wie abhängig ein hoch verteidigendes Team wie RB Leipzig von der konzentrierten Arbeit gegen den Ball eines jeden einzelnen Spielers ist.
Einen Ausfall kann man sich da nicht leisten, weil ansonsten das Gesamtgefüge auseinanderbricht. Letztlich der Anfang vom vorläufigen Ende von Rockenbach. Was dann dazu führte, dass andere taktische Wege bestritt. Vor der Viererkette in der Abwehr steht weiter die bekannte Dreierkette bestehend aus dem zentralen Sechser (meist Ernst) und jeweils einem Spieler rechts und links davon, die je nach Spielsituation und Gegner offensiver oder defensiver zwischen Sechs und Acht agieren. Zumeist agieren sie (im Idealfall Kimmich und Kaiser) seitlich verschoben ein Stück vor Ernst und greifen dort früh die gegnerischen Angriffsbemühungen an.
Die drei Offensivspieler vor dem Mittelfeld wurden zumeist von Stürmern gestellt. Wobei es hier die Möglichkeit gibt, mit einem zentralen Stürmer (Frahn) und zwei Außenstürmern (Mory, Poulsen) zu agieren, wobei die Außenstürmer etwas tiefer stehen. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass hinter zwei Stürmern (Frahn, Poulsen) mittig etwas hängend ein Stürmer (Thomalla) oder Zehner (Röttger/ Thomalla) agiert. Letztlich das etwas offensivere System, da die beiden Stürmer nicht ganz so tief stehen wie die beiden Außenstürmer.
Je nach Orientierung der äußeren Achter und der Offensivreihe verschiebt sich dann das System von RB Leipzig zu diversen Systemen und geografischen Figuren. Das kann ein 4-3-1-2 (mit hängendem zentralen Stürmer oder Zehner) genauso sein wie ein 4-1-4-1 (mit zwei hohen, äußeren Achtern und zwei tiefen Flügelstürmern), das sich wiederum leicht in ein 4-3-2-1 oder 4-1-2-3 verschieben lässt. Das was gemeinhin als 4-3-3 durchgeht, kann auf dem Platz völlig unterschiedlich aussehen. Je nachdem, welche Ausrichtung mit welchen Spielern besetzt wird.
(Irreführend ist genaugenommen die 4 in der Viererkette der Abwehr, denn beim Umschalten in die Offensive schieben die Außenverteidiger natürlich nach vorn, sodass ein 2-3-2-3 oder was auch immer entsteht.)
Letztlich läuft alles unter der Prämisse, bei Ballverlusten sofort mit so vielen Spielern in der Nähe zu sein, dass man den Balleroberer unter Druck setzen und seine potenziellen Anspielstationen und -wege zustellen kann. Im Idealfall erobert man so den Ball direkt zurück. Im auch guten Fall ist der Gegner gezwungen, den Ball erst mal hintenrum zu spielen, sodass man selbst wieder Kompaktheit herstellen kann.
Das ganze bleibt natürlich anfällig, wenn der Druck auf den Gegner nicht hoch genug ist oder das Pressing ins Leere läuft und der Gegner in der Lage ist, kontrolliert nach vorn und da vor allem über die Außen zu spielen. Der lange Ball ist für den Gegner in solchen Situationen weiterhin eine ideale Option, um dem Mittelfelddruck auszuweichen und die Räume, die eine hoch verteidigende Defensive bietet zu nutzen. Das bedeutet für die Innenverteidiger vermehrt Eins-gegen-Eins-Laufduelle, bei denen sie permanent konzentriert sein müssen, um nicht wie Willers in Burghausen beispielsweise einen Schritt zu spät zu kommen und dann die Notbremse in Kauf nehmen zu müssen.
Das was die Gegner von RB Leipzig vermehrt spielen, sich nämlich bei RB-Ballgewinnen mit der Verteidigungsreihe sofort tief fallen zu lassen, um von einem Poulsen oder einem Morys nicht überlaufen zu werden, ist auch für die RB-Verteidigung kein unwichtiges Stilelement, bei dem es für die Mittelfeldakteure darauf ankommt, nicht den Kontakt zu den Verteidigern zu verlieren, denn von den Innenverteidigern herausgeköpfte Bälle müssen sie vor dem Gegenspieler sichern und verarbeiten. Das was RB Leipzig zu spielen versucht, verlangt auch kognitiv einige Fähigkeiten, um permanent in Bruchteilen von Sekunden die richtigen Entscheidungen zu treffen und die flexiblen Verschiebungen vorzunehmen.
Für die Winterpause hat Zorniger eine Verfeinerung der taktischen Fähigkeiten angekündigt. Man werde keine neuen Formationen einstudieren, aber intensiver daran arbeiten, nicht einfach nur den Gegner bereits mit den Stürmern zu attackieren, sondern Zonen zu definieren, auf die sich das Pressing fokussiert. Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass man durch entsprechendes Anlaufen der Gegenspieler den Gegner dazu bringt, den Ball auf den Flügel zu spielen, wo man dann die Chance hat, Außenspieler und Ball vom Rest des gegnerischen Teams zu isolieren und Überzahl herzustellen und ergo im Idealfall den Ball zu erobern. Mal sehen, ob man entsprechendes und damit zielgerichteter eingesetztes Pressing in der Rückrunde vermehrt beobachten kann.
Fakt ist, dass die Formationen, mit denen man jetzt arbeitet, einiges an taktischer Varianz basierend auf einem 4-3-1-2 bis 4-3-3 und den entsprechenden Abwandlungen bietet. Varianz, mit der man den Gegner mit viel Laufarbeit und schnellen Außenspielern im Idealfall stark unter Druck setzen kann. Letztlich eine Art des Fußballs, für die man im Ligaalltag von der Konkurrenz doch einges an Lob erhält. Letztlich sprechen die vielen Treffer, aber auch die relativ vielen Gegentore dafür, dass das aggressiv-offensive Verteidigen Früchte trägt, aber eben auch Risiken birgt. Eine Verbesserung der Fähigkeiten dürfte auch direkt zu einer Verbesserung des Verhältnisses von geschossenen und kassierten Treffern führen.
Sonst so
Erinnert sei auch noch an die Pokalwettbewerbe. Zwei mehr oder weniger lockere Siege im Sachsenpokal gegen die unterklassigen Vertreter Lok Leipzig und BSV Gelenau, die das Sachsenpokalfinale schon fast in Sichtweite gebracht haben (im Februar wartet das Viertelfinale beim FC Eilenburg). Wobei man aktuell auch über den Ligaplatz für den DFB-Pokal qualifiziert wäre (Platz 4 in der dritten Liga würde reichen) und den Sachsenpokal gar nicht bräuchte. Aber vielleicht kommt es ja wieder mal zum Finalklassiker gegen den Chemnitzer FC, das wäre ja schon Anreiz genug.
Im DFB-Pokal stand Anfang August noch das Spiel gegen den FC Augsburg an. Die Gäste insgesamt cleverer und durch ein frühes Standardtor im taktischen Vorteil, den sie nicht mehr hergaben. Ein Fußballfesttag, dem letztlich die allerletzte Spannung fehlte. Und der trotz allem zeigte, dass RB Leipzig in einem Spiel so weit von einem Bundesligisten nicht weg ist.
Insgesamt 24 Pflichtspiele wird RB Leipzig inklusive der Pokalbegegnungen bis zur Winterpause bestritten haben (im neuen Jahr warten bis zur Sommerpause noch maximal 20). Das ganze Fußballjahr 2013 wird aus 44 Pflichtspielen mit Beteiligung von RB Leipzig bestanden haben. Ein Pensum, wie es im Profifußball der oberen zwei Spielklassen lediglich für Mannschaften mit Europapokalaufgaben ansteht.
44 Spiele in 10 Monaten. Bzw. wenn man die Sommerpause abzieht in nicht mal neun Monaten. Das heißt Woche für Woche Anspannung, Druck und physische Belastung. Dass man am Ende eines solchen Fußballjahres mit den besonderen emotionalen Momenten Relegation und Sachsenpokal-Finale und der Dauerbelastung dritte Liga körperlich, aber vor allem auch mental auf dem Zahnfleisch kraucht, ist mehr als verständlich. Vor allem auch, weil die Sommerpause wegen der späten Relegation eine sehr kurze war.
Unter diesen Voraussetzungen ist es ziemlich erstaunlich, dass RB Leipzig in der Hinrunde der Drittligasaison keine längere Durststrecke erlebte und nicht nur konstant punktete, sondern zudem noch nach schlechteren Spielen auch immer wieder sehr gute einstreute. Möglicherweise war es dabei hilfreich, über einen breiten Kader zu verfügen, der Formschwankungen oder Ausfälle immer wieder kompensieren konnte.
Dafür könnte sprechen, dass RB Leipzig bisher in der Saison 19 Spieler einsetzte, die mindestens ein Viertel der möglichen Spielzeit absolviert haben (mindestens 450 Minuten, also fünf Spiele). Wehen Wiesbaden folgt als nächstes mit 17 Spielern. Die drei Mannschaften, die mit RB Leipzig an der Tabellenspitze stehen, haben dagegen einen vergleichsweise schmalen Kernkader. Heidenheim mit 13, Rostock mit 14 und Darmstadt mit sogar nur 12 haben alle deutlich weniger Spieler in mehr als einem Viertel der Spielzeit eingesetzt. Insgesamt haben gleich 13 Drittligisten 15 oder 16 Spieler mit mindestens 450 Minuten Spielzeit in ihrem Kader (vor dem 21.Spieltag).
Letztlich bleibt die These aus den vergangenen Regionalliga-Jahren gültig, dass ein eingespieltes Team mit klaren Strukturen bessere Chancen auf Erfolg hat (Chemnitz, Halle, letzes Jahr lange Zeit RB Leipzig). Nur kann man in einem Jahr mit enormen Belastungen mit häufigen Veränderungen im Team und einem relativ breiten Einsatz aller Spieler die Leistungsfähigkeit durchaus verbessern. Ein bisschen mehr an Kaderkonstanz durch weniger Ausfälle, weniger Karten und frischere Spieler, die keine Pause benötigen, könnte in der Rückrunde aber eventuell trotzdem noch mal ein, zwei Prozent zusätzliche Leistung bringen.
Fazit
Irgendwie fühlte sich die Hinrunde in der Öffentlichkeit und im Fanumfeld von RB Leipzig noch nach angezogener Handbremse an. Was angesichts von Platz 2 und angesicht der ausgeglichenen Liga mit strauchelnden Favoriten und ergo einer realistischen Aufstiegschance erstaunlich ist. Vielleicht liegt es daran, dass es keine längere Serie von sehr guten Spielen und somit keinen ‘Flow’ gab. Andererseits gab es auch keine längere Durststrecke. Weswegen RB Leipzig hinter Heidenheim das am konstantesten punktende Team ist. Und somit derzeit auf einem verdienten zweiten Platz steht. Zumal Konstanz vor der Saison als entscheidender Faktor im Kampf um den Aufstieg genannt wurde.
Vor der Saison konnte man davon ausgegangen, dass die größeren Probleme (Anpassung an die Liga, Integration der Neuzugänge, Nachteile wegen kurzer Sommerpause) in der Hinrunde auf RB Leipzig warten. Nimmt man dies immer noch als gegeben an, dann sieht die Zukunft für die RasenBallsporter rosig aus, denn von jetzt an müsste es demnach von einem hohen Ausgangsniveau aus nur noch bergan gehen. Was natürlich angesichts fußballtypischer Unwägbarkeiten Quatsch ist. Wenn man zudem die Erfahrungen der letzten drei Jahre im Kopf hat, dann war die Rückrunde bisher nie besser als die Hinrunde.
Letztlich ist RB Leipzig aber auf einem sehr guten Weg, mit den vorhandenen Mitteln mit einem langsamen Umbau hin zu einer jungen Mannschaft eine Basis für längerfristiges sportliches Arbeiten zu schaffen und auch gleichzeitig Erfolg zu haben. Wenn man es schafft, in einem traditionell eher unruhigen Leipziger Umfeld auch in der Rückrunde mit der Ruhe und Druckresistenz wie in der Hinrunde zu arbeiten, dann darf man sich gute Chancen ausrechnen, zumindest 18 Teams hinter sich zu lassen. Aus der Hinrunde darf man (egal wie das Halle-Spiel am Wochenende ausgeht) jedenfalls ein hübsches Bündel Selbstvertrauen mit in den Weihnachtsurlaub nehmen.
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Bisherige Bilanzen:
- Bilanz: RB Leipzig in der Saison 2011/2012
- Zwischenbilanz: RB Leipzig in der Saison 2012/2013
- Bilanz: RB Leipzig in der Saison 2012/2013
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Annex: Anzahl der Spieler, die mehr als 25% der möglichen Einsatzzeit (mindestens 450 Minuten) bestritten pro Verein
- Leipzig 19
- Wehen Wiesbaden 17
- Münster 16
- Unterhaching 16
- Regensburg 16
- Elversberg 16
- Osnabrück 16
- Saarbrücken 15
- Dortmund 15
- Chemnitz 15
- Erfurt 15
- Halle 15
- Kiel 15
- Burghausen 15
- VfB 15
- Rostock 14
- Kickers 14
- Heidenheim 13
- Duisburg 13
- Darmstadt 12
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Bilder: © GEPA pictures/ 1 x Kerstin Kummer, 2 x Roger Petzsche
Mein Gefühlslage ist ähnlich. Daher endet für mich das Fußballjahr 2014 positiv. Sachsenpokalgewinner, Aufstieg, gegen Heidenheim gewonnen und ein Nachwuchs der einen Freude bereitet. Danke RBL.