Wettbewerbsvorteil DFL-Club

Das entscheidende Jahr für den aktuellen Fußball ist 2001. Es war die Gründung der DFL. Sie hat den Profifußball auf eine ganz andere Ebene gehoben. 36 gleichberechtigte Gesellschafter können als Stammverein e.V. oder mit Tochter- und Kapitalgesellschaften in der DFL spielen. Leistungszentren wurden verbindlich. (…) Heute erhalten die Zweitligisten über vier Millionen Euro TV-Geld, die DFL gesamt 550 Millionen. (…) Das ist heute eine „ganz andere Veranstaltung“. (Helmut Kalthoff, ehemaliger Manager beim VfL Osnabrück gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung)

Übersetzt heißt die These, dass sich mit der Gründung der DFL und der Vermarktung der ersten zwei Ligen ein relativ abgeschotteter Kreis an Clubs gebildet hat, in den einzudringen letztlich fast nicht mehr möglich ist, weil die Vereine der ersten zwei Ligen über eine Finanzkraft verfügen, die schwerlich angreifbar ist.

Würde diese These stimmen, dann müsste im Vergleich der damaligen Proficlubs mit den heutigen ziemlich viel Konstanz und wenig Wandel zu finden sein. Was sich auf den ersten Blick bestätigt, denn von den 32 Vereinen, die in den zwei Spielzeiten nach der Gründung der DFL durchgängig in den ersten zwei Ligen aktiv waren, sind nur sieben Clubs aktuell nicht mehr in diesem Kreis zu finden.

Die Liste der Vereine, die in den zwei Spielzeiten zwischen 2001 und 2003 in den ersten zwei Bundesligen spielten. Die Zahl zählt die Tabellenplätze in den zwei Jahren zusammen. Die zweite Liga wird dabei durchnummeriert; Platz 1 in Liga 2 zählt demnach mit 19 Punkten:

  • Borussia Dortmund: 4
  • Bayern München: 4
  • Hertha BSC: 9
  • VfB Stuttgart: 10
  • Schalke 04: 12
  • Werder Bremen: 12
  • Hamburger SV: 15
  • Bayer Leverkusen: 17
  • VfL Wolfsburg: 18
  • TSV 1860 München: 19
  • 1.FC Kaiserslautern: 21
  • Borussia Mönchengladbach: 24
  • Hansa Rostock: 27
  • Hannover 96: 30
  • VfL Bochum: 30
  • Energie Cottbus: 31
  • 1.FC Nürnberg: 32
  • SC Freiburg: 35
  • Arminia Bielefeld: 36
  • 1.FC Köln: 37
  • Mainz 05: 44
  • Greuther Fürth: 46
  • Eintracht Frankfurt: 46
  • Union Berlin: 51
  • FC St. Pauli: 53
  • MSV Duisburg: 55
  • LR Ahlen: 56
  • Alemannia Aachen: 56
  • Rot-Weiß Oberhausen: 62
  • Karlsruher SC 62
  • SSV Reutlingen: 62
  • Waldhof Mannheim: 63
  • Unterhaching, Saarbrücken, Schweinfurt, Babelsberg, Braunschweig, Trier mit jeweils einer Saison.

Nicht ganz zufällig ist aus der oberen Hälfte der Vereine mit Hansa Rostock alleinig einen NOFV-Club derzeit nicht mehr Teil der DFL. Norden und Osten, das ist wirtschaflich ein ziemlich hartes Brot. Trotzdem muss ein ordentlicher Eigenanteil dabei sein, wenn man als langjähriger Erst- und Zweitligaclub in der Versenkung der dritten Liga verschwindet, denn eigentlich hatte man an der Ostsee in Bezug auf Fernsehgelder, Stadion, Nachwuchs und Zuschauerunterstützung alles zusammen, was man brauchte.

Duisburg und Aachen sind jeweils zu Opfern ihrer Stadien geworden. Insbesondere Duisburg wäre ansonsten nicht in die dritte Liga abgestiegen. Reutlingen und Mannheim sind aus unterschiedlichen Gründen wirtschaftlich gescheitert. Für Oberhausen war es im Ruhrgebiet wohl zu eng, um dauerhaft im Profifußball zu überleben. Und der LR Ahlen war ohne Mäzen nicht mehr handlungsfähig.

Aus der oberen Hälfte der Proficlubs von Anfang 2000 droht aktuell noch Energie Cottbus aus dem System DFL zu fallen. Zum ersten Mal seit 1997 könnte man in die Drittklassigkeit rutschen. Cottbus ist gewissermaßen ein Spezialfall, der mit seinem Aufstieg in die Bundesliga im Jahr 2000 nachdem man ab Mitte der 90er in aller Ruhe viel richtig machte, zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Weil man sich mit den steigenden Fernsehgeldern und Vermarktungserlösen im Profifußball etablieren konnte, den die Region als dünn besiedelte und wirtschaftlich schwache so gar nicht hätte stemmen können. Und lange von den in diesen Jahren geschaffenen Strukturen profitierte. Was aktuell passiert, ist quasi das Zurückstutzen auf Normalmaß, denn irgendwas wie Top 40 bis Top 50 in Deutschland ist wohl realistisch und alles, was in den letzten knapp 20 Jahren passierte, das Wunder.

Insgesamt 11 Vereine spielen derzeit in der ersten oder zweiten Liga, die dies vor 10 Jahren noch nicht taten:

  • FC Augsburg
  • TSG Hoffenheim
  • Eintracht Braunschweig
  • SV Sandhausen
  • FSV Frankfurt
  • VfR Aalen
  • SC Paderborn
  • Erzgebirge Aue
  • Fortuna Düsseldorf
  • FC Ingolstadt
  • Dynamo Dresden

Düsseldorf und Dresden sind zwei Clubs, die als fußballaffine Großstädte mit entsprechenden wirtschaftlichen Möglichkeiten fast schon ganz natürlich zum Kreis der Proficlubs gehören und sich trotzdem jeweils unheimlich schwer taten, überhaupt in die zweite Liga aufzusteigen. In Dresden kommt erschwerend das Stadion (und das Fanimage) dazu, das dem Verein die Haare vom Kopf frisst.

Braunschweig und Aue sind quasi die modernen Märchen, die einem eigentlich keiner glaubt. Wobei Aue mittelfristig wohl permanent um den Verbleib in Liga 2 wird kämpfen müssen. Während man Braunschweig, die in den letzten Jahren tatsächlich aus dem sportlichen Nichts heraus unglaubliches leisteten, in der ersten Liga keine Zukunft gibt. Wobei man sich Braunschweig durchaus auch als ‘modernes’ Freiburg, irgendwo am Ende von Bundesliga 1 und an der Spitze von Bundesliga 2 vorstellen kann.

Der FSV Frankfurt ist schwer einzuschätzen. Klassischer Zweitverein eine Großstadt, der unter Trainer Tomas Oral das Glück hatte durch die Ligen bis in die zweite Liga zu spazieren. Und sich dort aus irgendeinem Grund (der vermutlich auch mit Geld zu tun hat) trotz mäßigem Zuschauerinteresse etablieren konnte.

Interessant, dass mit Hoffenheim, Augsburg, Sandhausen, Aalen, Paderborn und Ingolstadt gleich sechs der 11 Vereine mit mehr oder minder großem Einsatz von Privat- oder Firmernvermögen (Sandhausen und Aalen sind da Grenzfälle, die in einer wirtschaftlich extrem potenten Region per se auch bessere Firmenanbindungen haben) in der DFL gelandet sind.

Sprich, diese Vereine mehr oder weniger direkt die Eingangsthese bestätigen, dass die DFL ein ziemlich abgeschotteter Zusammenschluss ist, in den man fast nur noch mit dem Einsatz größerer Geldmittel eindringen kann. Nicht ganz zufällig warten mit Heidenheim und vielleicht auch RB Leipzig aktuell zwei Vereine auf ihre Premiere in der DFL, für die das (wiederum in unterschiedlicher Qualität) ganz genauso gilt.

Wobei man einschränken muss, dass selbst mit erheblichen Geldmitteln wie in Hoffenheim der dauerhafte Anschluss an die europäischen Plätze in der Bundesliga kaum herzustellen ist. Mit Geld kommt man in die zweite Liga und kann sich bei größerem Einsatz von Mitteln auch in der Bundesliga etablieren. Für alles andere braucht es offenbar inzwischen mehr an Ideen und Langfristigkeit.

Leipzig ist als Fußballstadt ein wenig mit Dresden zu vergleichen und gehört daher als fußballaffine Großstadt auch fast ganz natürlich zum Kreis der potenziellen DFL-Clubs. Nur dass man in Leipzig im Gegensatz zu Dresden nie eine einseitig vergebene Vereinsliebe vorfand. Sondern sich immer alles Engagement durch zwei teilte. Und dadurch letztlich in einer Stadt ohne professionelle Fußballinfrastruktur auch zerfaserte.

Red Bull hat dem mit seinem Engagement mehr oder minder ein Ende gesetzt. Bzw. haben sie die Regularien des Fußballmarkts, die anderswo über Jahre (vor allem die letzten 20 Jahre) die jeweiligen Großclubs (wie Bayern oder Hertha) im Konkurrenzkampf mit den mehr oder minder großen Nachbarn haben entstehen lassen, im nachholenden Schnellverfahren von oben durchgesetzt. RB Leipzig ist dadurch so etwas wie eine Mischung aus den Geschichten von Dresden/Düsseldorf und Hoffenheim/Augsburg. Und damit ein sehr naheliegender Anwärter auf die DFL-Teilnahme.

Vor allem Finanzkraft, manchmal ein Standort mit Strahlkraft (es fehlen der DFL letztlich auch nur noch Essen und Leipzig) oder in Ausnahmefällen auch Fußballmärchen sind demnach Möglichkeiten, sich zumindest für kurze Zeit in den DFL-Kreis zu schummeln. Wobei man dabei zwei Spezialfälle übersieht. Nämlich St. Pauli und Union Berlin, die zwar vor 10 Jahren schon zur DFL gehörten, zwischenzeitlich aber sportlich komplett abstürzten und sich anschließend wieder nach oben arbeiteten.

Vor allem Union zeigt dabei, dass auch Manpower und Support aus dem Umfeld einen Verein in die Profiligen führen kann. Ohne den Einsatz der Anhänger bei Tribünenbau und Co (sehen wir über Kölmels Geld mal hinweg) wäre Union wohl aktuell kein prosperierender Zweitligist. Aber Union und St. Pauli sind in Bezug auf die Aktivität ihrer Unterstützer wohl auch ziemlich einmalig im deutschen Fußball.

Nimmt man die Daten, dann hat sich die DFL wohl ironischerweise mit ihrer Gründung fast schon folgerichtig in eine Situation manövriert, in der sie gerade Richtung Spitze eine abgeschottete Vereinigung sind, in die man nur mit Einsatz von zusätzlichem Geld vordringen kann. Was bedeutet, dass das Prinzip DFL die Geldgewinnungsprinzipien Hoffenheim und RB Leipzig quasi direkt (wenn auch eventuell ungewollt) befördert.

Will man diese Ironie auf die Spitze treiben, dann dürfte die aktuelle Situation, dass letztlich die dauerhaften Champions League Teilnehmer die nationalen Titel unter sich ausspielen, nur durch den Einsatz ungeliebter Finanzierungsmodelle zu durchbrechen sein. Manchester City zeigt in England, dass auf anderem Wege eigentlich nicht in die Top 4 einzudringen ist. Und auch in Deutschland wird sich wohl ähnliches zeigen.

Oliver Bierhoff hatte zu dem Thema vor einiger Zeit in einem Interview schon mal sinngemäß angemerkt, dass es letztlich nur zwei Varianten gibt, um in der Bundesliga dauerhaft eine Art Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Entweder man greift auf Prinzipien aus dem nordamerikanischen Sport wie Draftsysteme oder Gehaltsbeschränkungen zurück (vor allem ersteres ist im europäischen Sport nicht organisierbar) oder man lässt den Vereinen völlige Freiheit bei der Art der Kapitalgewinnung.

Da Gehaltsbeschränkungen vermutlich an den Interessen der großen Vereine scheitern würden, läuft es wohl – Financial Fairplay (von dem große Vereine in größeren Städten meist eh nicht betroffen sind) hin oder her – auf letzteres, also eine freie Kapitalgewinnung hinaus. Und das bei der DFL anklopfende Prinzip Red Bull mit der eigenen Vereinsgründung und die mehr oder minder abgeschaffte 50+1-Regel dürften die diesbezügliche Debatte und die möglichen (wie projektiv und ideoligisch aufgeladen auch immer sie sein mögen) Abwehrkämpfe in den Kurven noch befeuern.

Letztlich sollte man bei all dem aber zumindest auf dem Schirm haben, dass die vielgepriesene Chancengleichheit im Fußball schon seit langem keine ist (wenn es sie denn je gab). Und jene, die in den Bundesligastandorten die mögliche Verdrängung durch RB Leipzig beklagen, dürften im besten Fall ahnen, dass ihr eigenes Dasein auch ein ganzes Stück auf einem mit der DFL gegründeten Wettbewerbsvorteil als Schutz vor Eindringlingen beruht.

4 Gedanken zu „Wettbewerbsvorteil DFL-Club“

  1. Sehr guter Artikel. Für mich ein Hauptgrund völlig unvoreingenommen den Fussball Einstieg von Red Bull zu begrüßen. Alle Debatten rundherum, speziell in Richtung Wettbewerbsverzerrung sind reine Augenwischerei. Siehe auch ein Artikel zur Bayern Dominanz: https://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-muenchen/article122214900/Bayerns-Dominanz-wird-die-Bundesliga-erdruecken.html

    Wahr ist doch, das der sportliche Wettberwerb in Liga 1 eine Farce ist. Da treten Mannschaften an, deren Spieler teils einzeln mehr Ablöse kosteten als der Gegner für seine Gesamte Mannschaft zahlt. Gelder, die diese Vereine über ihre erkauften Erfolge aber auch wieder refinanzieren können. Wobei VereinE mit Abstrichen. Eigentlich gibt es nach den Bayern lange nichts. Das sie sogar dem 2., der gerade im Geld schwimmt, den besten Spieler wegkaufen können, sagt alles. Klar gibt es aus dieser Spirale nur den Ausweg externen, nicht selbst erwirtschafteten Geldes. Denn Bierhoff hat recht – ein Draft System oder Salary Cap würde nicht funktionieren in Europa. Speziell letzteres auf Deutschland beschränkt würde die Qualität in der Spitze enorm absenken. Deutsche Vereine hätten keine Chance mehr auf europäische Titel. Wobei, seit 1997 hat kein deutscher Verein mehr einen Europacup gewonnen. Außer den Bayern freilich, diese gleich 2 bei weiteren 3(!) Finalteilnahmen. Der Verlust wäre also verschmerzbar. Nur durchsetzen wird sich das nicht. Nicht solange Fans z.B. in Köln, Kaiserslautern, Frankfurt und Nürnberg auch für ihre zu Fahrstuhlmannschaften verkommenen Teams noch die Stadien füllen. Nicht solange zig Tausende auf St. Pauli ein Anderssein feiern, das es nicht wirklich gibt. Nicht solange die Illusion von ehrlicher Arbeit aufrecht erhalten wird, die einen nach oben führen kann. Kann sie, zumindest in die Topregionen der Bundesliga, nicht. Nicht ohne das auch das wirtschaftliche Potential dahinter steht. Der Wettbewerb um den Klassenerhalt stellt mittlerweile keine Chance für 2. Ligsten, sondern ein weiteres Hindernis für ambitionierte Clubs dar. Siehe Hertha. Ein schlechtes Jahr hat sie durch den Abstieg um Jahre zurückgeworfen. Oben etabliert sich dann logischerweise auch niemand neu. Der eizige Club, dem das über die letzte Generation gelungen ist, ist der VFL Wolfsburg. Immerhin einmal Meister dank der VW Milliarden. Die fliessen dank Werbeeffekt wie auch in Leverkusen langfristig. Im Gegensatz zum persönlichen Hoppschen Engagement in Hoffenheim.

    Trotzdem glaube ich nicht, das RBL ohne weiteres in diese Regionen vordringen kann. Das ist wenn überhaupt noch mindestens 10 Jahre weg.

  2. @SCPBlogger: Klar, ist nicht überraschend. Der leicht neue Punkt ist lediglich, dass es Geschichten wie den wundersamen Aufstieg von Energie Cottbus in die Bundesliga ohne Geld und ohne Infrastruktur oder auch den Aufstieg von Unterhaching Ende der 90er wohl eher nicht mehr geben wird. Und selbst Braunschweig ist da wohl kein gutes Gegenbeispiel, weil sie natürlich eine gewisse Fußballhistorie und damit ganz andere Möglichkeiten in ihrem Umfeld haben. Ein Aufstieg von Aue wäre ein vergleichbares Wunder. Aber an ein solches glaube ich dann eben doch nicht mehr.

    @roger: Ich glaube auch nicht, dass man sich (selbst mit Geld nicht) binnen zehn Jahren an der Bundesligaspitze etablieren kann. Der Schritt von einem Bundesligateam hin zu einem dauerhaften Bundesliga-Spitzenteam ist ein derart immenser, dass selbst dieser einige Jahre dauert und wohl erst geschafft ist, wenn man regelmäßig Champions League spielt. Und wenn man von dieser sportlichen Dimension redet, dann redet man von der Konkurrenz mit in langen Jahren gewachsenen Unternehmen mit Riesenumsätzen, mit denen auch ein Red-Bull-gepimptes Team nur schwerlich mithalten könnte. An der Stelle käme dann Nachwuchsarbeit, Nachhaltigkeit und geschicktes Wirtschaften ins Spiel. Da fließt noch so viel Wasser irgendwelche Flüsse hinunter bis dahin. (Falls es ein bis dahin gibt.)

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