Ich hatte im Vorbericht zum Spiel von RB Leipzig in Halberstadt ja bereits angedeutet, dass ich ein Unentschieden für einen nicht unwahrscheinlichen Spielausgang halten würde, wenn denn die Verhältnisse wie prognostiziert schwierig und die Gastgeber nicht wie im Hinspiel vor Ehrfurcht erstarren würden. Es wurde ziemlich reichlich Schnee auf dem Platz und ein hochengagierter Gastgeber, weswegen die Punkteteilung eigentlich absolut in Ordnung geht. Zumal Halberstadt über das ganze Spiel gesehen die besseren Einschussmöglichkeiten hatte, während die RasenBallsportler insgesamt reifer auftraten und bis zum Strafraum mehr vom Spiel hatten (so man denn bei den Bedingungen überhaupt etwas spielanalytisches formulieren möchte).
Dass man mit dem Punkt aber letztlich trotzdem ein bisschen unglücklich sein darf, lag vor allem am Schiedsrichter – und ich würde mich im Normalfall weigern, mit dem Unparteiischen einzusteigen. Der hatte nur einen lichten Moment und der bestand darin, Stefan Kutschke völlig zurecht mit gelb-rot vom Platz zu stellen, nachdem der Stürmer zwei gelbwürdige Fouls der Marke übermotiviert fabrizierte.
Was der Mann in schwarz allerdings dadurch ad absurdum führte, dass er gleich drei Halberstädter Fouls mit gestrecktem Bein nicht mit einer zwingend gebotenen gelben Karte ahndete, den Halberstädter Kapitän Philip Schubert auch beim gefühlt zehnten mal Umstoßen von hinten nicht mit einer Verwarnung einbremste und zu aller Überfluss gleich zwei klare Elfmeter für RB nicht gab (in einer dritten Szene, in der der Gästeblock gern einen Elfer gesehen hätte, lag der Unparteiische zugegebenermaßen richtig). Die Schiedsrichterleistung nahm derart absurde Ausmaße an, dass sich selbst Daniel Frahn wegen Meckerns die gelbe Karte abholte.
Und man konnte das Meckern zu 100% verstehen, denn dieses folgte einem Einsatz im Halberstädter Strafraum, bei dem der Kapitän beim Kopfballversuch einfach nur umgestoßen wurde und anschließend mit brummendem Kopf eine ganze Weile liegen blieb. Wer da aus Angst, er könne das Spiel beeinflussen, weil beim Stand von 0:0 und dem Boden ein Elfer spielentscheidend gewesen wäre, nicht pfeift, handelt nicht nur gegen die Regeln, er agiert auch auf Kosten der Gesundheit der Spieler.
Die zweite Elferszene war nicht ganz so eindeutig und schlug in die Kerbe, auf die auch Thomas Tuchel am Wochenende schon abzielte, als er meinte, er wisse eigentlich nicht mehr genau, wann die Schiedsrichter denn nun Hand pfeifen und wann nicht. Die aktuelle Regelauslegung sieht eigentlich sinngemäß vor, dass immer dann, wenn durch den Einsatz des Arms die Körperfläche vergrößert wird, auch abgepfiffen werden muss. Davon wusste wohl aber das Schiedsrichtergespann nichts (zumindest der Linienrichter hätte das sehen müssen), denn als der Ball vom Halberstädter Abwehrbein an den dazugehörigen Arm sprang, war dieser deutlich vom Körper entfernt. Glasklarer Elfer. Aus meiner Sicht. Und umso ärgerlicher, weil gleich zwei Elfer das Spiel wohl zugunsten von RB Leipzig entschieden hätten.
Sie wurden nicht gepfiffen und das lässt sich nicht mehr ändern. Und man muss zumindest zugeben, dass abseits dieser Szenen RB sicherlich das bessere Team war, aber in zwei, drei Szenen auch das Glück und einen starken Coltorti bemühen musste, um nicht in Rückstand zu geraten. Halberstadt wirkte 90 Minuten lang, als könnten sie mit dem vom Dauerschneefall glatten, aber absolut bespielbaren Boden besser umgehen. Wenn sie den Ball hatten, ging es ohne viel Firlefanz in die Spitze. Auffällig dabei neben dem Kapitän Philip Schubert in der defensiven Mittelfeldzentrale die Winterneuzugänge auf den Außenbahnen André Hofer und Malick Bolivard und der schnelle, technisch versierte Stürmer Nils Gottschick. Da verstanden es die RasenBallsportler einige Male nicht, schon die Zuspiele aus dem Mittelfeld zu verhindern, sodass die Abwehrkette von RB Leipzig viel zu oft in Eins-gegen-Eins-Situationen geriet. Bei den Bodenverhältnissen und der verringerten Antrittsgeschwindigkeit gerade für die Außenspieler eine ganz schwierige Kiste.
Insgesamt hätte man auf Seiten von RB Leipzig erwarten können, dass sie von der Aufstellung her, ganz gut auf die Bedingungen eingestellt sein würden. Mit Kutschke hatte man jedenfalls einen im Gepäck, der sich in so einem Fall noch einmal besonders ins Spiel wirft. Was er auch tat. Aber erstaunlicherweise versuchte man Kutschke vor allem in der ersten Hälfte eher sporadisch als Kopfballverteileranspielstation zu nutzen. So wurde es nur selten das erwartete Spiel mit einem Kutschke der sich als Turm ins Getümmel wirft und die Nachrücker dann den zweiten Ball verwerten. Zumindest hatte ich mir die Aufstellung von Rockenbach genau mit dieser Idee erklärt. Mit seinem technischen Vermögen den zweiten Ball mal für eine Eins-gegen-Eins-Situation nutzen und zum Schuss kommen oder die Lücke für den entscheidenden Pass nutzen. So einfach hatte ich mir das von außen gedacht, aber zumeist lief der Ball dann doch über die Flügel und von dort leider nur im seltensten Fall verwertbar in der Mitte. Bei allem Respekt erschienen Flanken von Franke und Kutschke(!) nicht als das allerprobateste Mittel, um zum Abschluss zu kommen. Zumal die Halberstädter die Außenbahnen auch immer wieder gut zuliefen.
Man kann den RasenBallsportlern absolut nicht den Willen und den Einsatz absprechen. Wie der Gastgeber warfen sie sich unermüdlich ins Schneegetümmel und versuchten das Beste aus dem Tag zu machen. Aber insgesamt schienen sie sich doch viel schwerer damit zu tun, von den gelernten Ballstafetten abzusehen und die einfacheren Wege zu gehen. Kleinklein und verlorene Bälle an der Außenlinie waren nicht selten die Folge. Aber ich stelle mir das auch schwer vor, die täglich (und ohne Schnee) trainierte Spielidee plötzlich zugunsten eines rumpeligen Regionalligafußballs über Bord werfen zu sollen. Das gelang den Gastgebern dann doch deutlich besser..
Neben der insgesamt – auch aufgrund des zu kleinteiligen Spiels – fehlenden Durchschlagskraft im Angriff fielen auch die insgesamt harmlosen Standardsituationen auf. Man hatte einige Ecken und Freistöße in Strafraumnähe, die eigentlich durchgängig keine Gefahr ausstrahlten (wenn man sich nicht ungerechtfertigter Weise manche Unsicherheit des Halberstädter Keepers bei hohen Bällen an die Brust heften möchte). Dabei täten gerade bei rutschigen Bodenverhältnissen, wenn man denn mit spielerischen Mitteln nur schwerlich die gegnerische Abwehr durchdringen kann, die (vermutlich nur theoretisch) ‘einfachen’ Sachen des Fußballs gut. Irgendwo den Kopf oder den Fuß reinkriegen und den Ball über die Linie stochern, wäre bei dem Schnee wohl drei Punkte wert gewesen. Deswegen – um es noch mal zu sagen – waren die nicht gegebenen Elfer doppelt bitter. Deswegen wären funktionierende Ecken und Freistöße auch Gold gewesen.
Wie gesagt, Einsatz und Willen stimmten im Spiel von RB Leipzig gegen Halberstadt auf Top-Niveau, weswegen ich die Zufriedenheit eines Alexander Zornigers nach dem Spiel über den gewonnen Punkt auch grundsätzlich teile (auch wenn es wegen der ausgebliebenen Elfmeterpfiffe ärgerlich bleibt). Trotzdem bleibt es ein wenig irritierend, wenn Niklas Hoheneder sein Team „in allen Belangen“ besser sah. Denn letztlich war man das Team, was Tempo und Verlauf bestimmt hat, aber die klareren Einschussmöglichkeiten hatten die Gastgeber, die den Gästen in Sachen Einsatz in gar nichts nachstanden und zumindest für 60 Minuten gleichwertig waren. Anschließend und auch nach Kutschkes Abgang agierte eigentlich nur noch RB und die vorhandenen Halberstädter Konterchancen verendeten an einer aufopferungsvollen RB-Defensive. Man sollte aber nicht den Fehler machen, nach diesem Spiel so zu tun, als hätte an diesem Tag nur RB stattgefunden.
Noch irritierender allerdings die Aussage Stefan Kutschkes nach dem Spiel, der Schiedsrichter hätte beim Platzverweis mehr „Fingerspitzengefühl“ zeigen können. Nein, dieser Platzverweis hatte mit der schlechten Schiedsrichter-Leistung gar nichts zu tun. 80 bis 90% der Schiedsrichter würden diese zwei Fouls (einmal locker auf den Fuß gestiegen als der Ball schon weg war, einmal in den Torhüter im Fünfmeterraum hineingegrätscht) jeweils mit Gelb ahnden. Macht zusammen: Einmal vorzeitig duschen. Für diesen Platzverweise kann man niemanden die Verantwortung geben außer sich selbst. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Sich nach dem Spiel hinzustellen und die Schuld beim Schiedsrichter zu suchen, geht aus meiner Sicht jedenfalls gar nicht.
Fazit: Das 0:0 ist gleichermaßen ärgerlich, wie es in Ordnung geht. Ärgerlich, weil man nur an der Unwilligkeit des Schiedsrichters scheiterte, auf den Punkt zu zeigen. In Ordnung, weil sich ansonsten zwei hochgradig einsatzwillige Teams gegenseitig einen hübschen Schneefight lieferten. Wobei die schwindenden Kräfte der Gastgeber eventuell in der Schlussviertelstunde noch einmal zum Lucky Punch für RB Leipzig hätten führen können. Aber da waren die RasenBallsportler leider nur noch zu Zehnt. In diesem Spiel stimmten Einsatz und Einstellung gegenüber den Bedingungen zu 100%. Den letzten Drive im Strafraum wird man als Baustelle aber im Auge behalten müssen, denn bis auf eine klare Schulz-Chance gab es da in Halberstadt nicht viel zwingendes zu berichten. Der Ausflug nach Halberstadt war unterm Strich erfolgreich, auch wenn man es verpasst hat, den Vorsprung auf die Konkurrenz auf 15 Punkte zu erhöhen, weil man sich den Punkt gerade nach dem Platzverweis mit viel Laufaufwand redlich verdient hat. Trotzdem sollte man nach dem Spiel nicht vergessen, dass der Gastgeber mit den Bedingungen besser zurecht kam und man selbst viele Situationen nicht mit letzter Genauigkeit ausspielte.
Randbemerkung: Als Sonntag morgen klar wurde, dass es im Vorharz und so auch in Halberstadt schneit und der Schnee auch liegen bleibt, nachdem vorher schon alles vom Regen gut durchnässt wurde, haderte ich lange mit mir, ob ich die ungewisse Reise zum Auswärtsspiel, von dem ich vermutete, dass es im Laufe des Vormittags sowieso abgesagt werden könnte, auf mich nehmen soll. Aber schlimmer als eine Reise ins Nichts empfand ich ein Nichtreisen während dann doch gespielt wird. Erstaunlich aber, dass 300 plus x RB-Anhänger das ähnlich sahen und zu einem Spiel reisten, dass erst nach 12 Uhr auch offiziellerseits zur Austragung freigegeben worden war. Da war wohl nach dreieinhalb Monaten ohne Auswärtsreise bei einigen eine Menge Entzugserscheinung dabei. War auf jeden Fall ein positive Überraschung.
Lichtblicke:
- Fabio Coltori: Hatte in diesem Spiel – wie so oft – nicht viel zu tun. Aber wenn er gefordert war, war er sofort da und hellwach. Sei es bei zwei Halberstädter Großchancen, sei es bei diversen Flanken, Coltorti war ein absolut sicherer Rückhalt. Einer, der kurz vor Schluss auch die Routine hatte, nicht in die Hektik der Nachspielzeit einzusteigen und einen Freistoß schnell nach vorne zu kloppen, um dann noch einen Konter zu riskieren, sondern so lange verzögerte, bis der Schiedsrichter die Partie einfach abpfiff. Woraufhin der Keeper sichtlich angefressen (sicherlich ob der Schiedsrichterleistung) direkt und grußlos vom Platz stapfte. Insgesamt eine sehr gute, weil sehr wache Partie der klaren Nummer 1.
- Niklas Hoheneder: Konnte mit zunehmender Spielzeit die Entscheidungen des Schiedsrichters auch nicht mehr fassen und erklärte ihm das auch direkt nach dem Schlusspfiff. Deswegen gehörte er aber nicht zu den Lichtblicken, sondern weil er als Innenverteidigung eine uneinnehmbare Festung war. Schnell, zweikampfsicher, kopfballstark, viel Spielübersicht. Niklas Hoheneder hat sich im Verlauf der Saison zu einem ganz festen Bestandteil in der Innenverteidigung gemausert. Und Halberstadt war so etwas wie die Manifestation seiner Stärke.
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Tore: Fehlanzeige
Gelb-Rot: Kutschke (69.)
Aufstellung: Coltorti – Müller, Hoheneder, Sebastian, Franke – Morys (67. Röttger), Karikari, Schulz (90. Ernst) – Rockenbach (67. Fandrich)– Kutschke, Frahn
Zuschauer: 1.027 (davon ca. 300 Leipziger)
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Bild: © GEPA pictures/ Roger Petzsche
Wie schon gesagt/ geschrieben, es werden noch weitere “dreckige” Spiele folgen. Schönen Fußball werden wir nicht oft sehen im Liga 4.
Es zählt nur der Aufstieg. Deshalb sind auch solche Spiele wichtig, wo man mit Kampf den Punkt holt.
Danke für die Analyse!
Da fehlt nur noch die Aktion, in der der HBS-Torhüter den Ball außerhalb des Strafraumes in die Hand nahm…
@Rbfreund: Sehe ich ganz genauso. An manchen Tagen nimmst du eben den einen Punkt mit und gut ist.
@ITWolle: Stimmt, die gab es ja auch noch. Wobei ich bei dem Schnee und den unsichtbaren Linien auch nicht gern Schiedsrichter hätte sein wollen. Aber skurril war es, wie Frahn daneben steht und belustigt zeigt, wo der Ball und der Keeper liegen..
Eigenartig finde ich die MDR Reportage, wo die besagten Schussel-Szenen gar nicht zu sehen sind. Dafür zwei mal eine angebliche Tätigkeit von Frahn, die keine war. Eine Punktteilung geht an so einem Tag i.O. Weiter geht’s!
Zitat: “…denn als der Ball vom Halberstädter Abwehrbein an den dazugehörigen Arm sprang, war dieser deutlich vom Körper entfernt. Glasklarer Elfer.”
Das haben alle sog. Experten (Doppelpass, ZDF, ARD, Tante Käte…) beim Mainzspiel aber völlig anders gesehen, sehr fragwürdig.
Wenn ich die Regel richtig verstehe, so war es bei beiden Spielen ein klarer Elfer.
Zieht der Sander jetzt durch, so haben wir jetzt nur noch 7 Punkte Vorsprung, in Jena können wir durchaus verlieren, die “big points” waren noch nie das Ding von RB. Dann könnte es noch einmal eng werden, hoffen wir es nicht…
…der big point wäre, in Jena nicht zu verlieren… :-)
Die Jungs machen das schon!!!