Der Trauer folgt das Leipziger Allerlei

Der Leipziger Fußball übertrifft sich in dieser Saison mal wieder selbst. Die Kubald-Demontage bei Lok, nachdem der gern mit RB kooperiert hätte, die Nichtkommunikation von RB Leipzig in Bezug auf ihr Trainingszentrum Ende letzten Jahres, die Personalquerelen und -abgänge bei RB (Felder, Linke, Beiersdorfer), die vor allem bei Lok und RB unbefriedigende sportliche Entwicklung und auch die schöne Geschichte um den Fußballweltreisenden Heiner Backhaus, der kam, um sich bei Lok sehr wohl fühlen zu wollen und spielen und ein bisschen Marketing betreiben zu können und nach gerade einmal fünf Spielen den Verein wieder verließ. Das alles und noch viel mehr hätte für einen Jahresbericht Leipziger Fußball 2010/2011 locker gereicht. Aber den wenig witzigen Höhepunkt des Storytellings lieferte dann doch der FC Sachsen Leipzig mit dem nun feststehenden negativen Abschluss des Insolvenzverfahrens mit der Liquidition und dem darauf folgenden Hauen und Stechen um die Vereinsreste.

Es ist wie so oft in Leipzig. Es muss wieder mal alles ganz schnell gehen. Letzten Dienstag gab Sachsen-Insolvenzverwalter Heiko Kratz bekannt, dass er den Verein zum Jahresende aus dem Spielbetrieb nehmen und versuchen werde, die Mannschaften des FC Sachsen Leipzig bei anderen Vereinen unterzubringen. Das ganze muss bis Ende Mai oder Anfang Juni über die Bühne gegangen sein, da bis dahin die Meldungen für die neue Saison vorliegen müssen. Nach ersten Plänen sollte alles ab der U23 abwärts an die BSG Chemie Leipzig als zweitem grün-weißen Verein in Leipzig gehen, für das Spielrecht der ersten Männermannschaft in der Oberliga interessiert sich nach allgemeinem Kenntnisstand RB Leipzig für das eigene U23-Team. So weit, so gut und im Rahmen der Ereignisse nachvollziehbar. Doch dann kam die SG Leipzig-Leutzsch und damit eine Tradition, die in Leipzig kaum jemand kannte. Der Chemieblogger machte sich bei sich drüben auf die Suche nach der Vergangenheit des Vereinsnamens:

Der Name ist nicht ohne Geschichte. Als die sowjetische Besatzungsmacht nach 1945 den Fußball in der Ostzone reorganisierte, trugen zunächst Stadtteilmannschaften die Wettkämpfe aus. Eine davon war die SG Leipzig-Leutzsch, worauf sich die Neugründung von Bauchspieß, Engel & Co. scheinbar beziehen soll. Wie aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs einst der Arbeiter- und Bauernstaat geschaffen wurde, soll nun also der Leutzscher Fußball begleitet von dem Soundtrack „Auferstanden aus Ruinen“ ein furioses Comeback feiern.

Bernd Bauchspieß und Jamal Engel sind also die Gesichter, die mit Unterstützung einer ominösen Investorengruppe dem neu gegründeten Verein grün-weiße Seele einhauchen und die Nachfolge vom FC Sachsen Leipzig antreten wollen. Ersterer gilt in Leutzsch als ehemalige Legende mit recht zweifelhaften, aktuellen Ansichten und als Gegner der BSG Chemie Leipzig. Zweiterer wurde in den letzten Wochen von den Fans immer mal wieder in verantwortlicher Position (Trainer) beim FC Sachsen erhofft, wozu es nicht mehr kam.

Als der FC Sachsen Leipzig am letzten Wochenende sein letztes Oberliga-Heimspiel und damit das letzte Heimspiel des Vereins überhaupt bestritt, hatte ich als Außenstehender das Gefühl, dass hier tatsächlich ein Verein zu Grabe getragen werden sollte. Viel Trauer war bei den Besuchern sicher im Spiel und viele wären dem FC Sachsen sicher gerne weiter gefolgt, aber ich würde behaupten, dass auch viele Zuschauer da waren, die lange nicht mehr zu Spielen gingen und dem Verein quasi die letzte Ehre erweisen wollten. Der FC Sachsen Leipzig tot mit all dem, was das für die bedeutet, die einem Verein anhängen. Es überlebt nur die vor drei Jahren abgespaltene BSG Chemie, die damit daran gehen kann, das grün-weiße Potenzial in ihrem Verein zu sammeln. So dachten viele beziehungsweise so fühlte sich die Situation an.

Bis eben die SG Leipzig-Leutzsch kam und aus dem Ende des FC Sachsen eine Boulevard-Geschichte machte. Die Motive des neuen Vereins sind derzeit bestenfalls unklar, da man sich öffentlich noch nicht so recht bekannt hat. Woher kommt das Geld, wo will man hin, was sind die Grundlagen des Spielbetriebs, welche Nische sieht man in der Stadt für die eigenen Fußballbestrebungen? Alles offen. Derzeit erscheint die SG Leipzig-Leutzsch lediglich als pures Konkurrenzprodukt zur BSG Chemie Leipzig, frei nach dem Motto „Wenn der FC Sachsen tot ist, dann bloß nicht zur BSG“.

Was letztlich auch nicht unplausibel wäre, denn bereits vor einem Jahr scheiterte der Versuch der BSG, dem FC Sachsen unter der Bedingung beizutreten, dass diese sich BSG Chemie nennen, am Gegenwind der Sachsen-Anhänger und -Mitglieder. Seitdem gab es zwischen beiden Vereinen Annäherungsversuche, ohne dass man sich dabei essenziell näher gekommen wäre. Für mich war der Vorschlag der BSG vor einem Jahr, die Chance, die grün-weißen Kräfte zu bündeln und so eine Zukunft für grün-weiß in Leipzig zu erhalten. Es scheiterte damals an den unauflösbaren Animositäten zwischen den Anhängern beider Vereine, die sich nach der Abspaltung nicht mehr grün wurden und die in Teilen auch fankulturell und politisch einiges trennt. Auch aufgrund dieses Scheiterns der Zusammenarbeit ist der FC Sachsen Leipzig jetzt tot. Dass die SG Leipzig-Leuzsch offenbar danach sucht, die Spaltung der grün-weißen Fußballschar weiter fortzuschreiben, mutet in diesem Zusammenhang absurd an.

Auch absurd mutet in diesem Zusammenhang Jamal Engels Statement aus der BILD vom 24.05. an, wo er behauptete, dass man keine „weitere Spaltung der Fanszene“ anstrebe und man sich vor niemandem verschließe. Mal zusammengefasst. Es gibt zwei grün-weiße Vereine, den einen seit 1990 den anderen effektiv seit 2008. 2011 stirbt der FC Sachsen Leipzig als einer der beiden und vier Tage nach der Bekanntgabe gründet sich die SG Leipzig-Leutzsch und will dieselben Spielrechte übernehmen wie die schon längere Zeit in den Alfred-Kunze-Sportpark zurückdrängende BSG. Wie sieht das denn aus, doch nicht danach, dass man hier versuche „die grün-weiße Familie wieder zu einen“? Doch nicht danach, dass man hier ein für alle offenes Angebot mache? Es sieht nach dem aus, was es wohl auch ist, dass die Animositäten gegenüber der BSG einfach zu groß sind, als das man mit ihnen zusammen den neuen Weg gestalten wolle. Inwieweit das gut oder schlecht, begrüßens- oder verachtenswert ist, müssen die beurteilen, die sich grün-weiß verbunden fühlen. Dass es aber so ist, dass die SG Leipzig-Leutzsch die Spaltung einer sowieso schon nicht riesigen grün-weißen Fanszene und Vereinskultur weiter fortschreibt, kann man aus meiner Sicht nicht leugnen. Dass der FC Sachsen genau daran scheiterte, an einem Umfeld, das nicht stark genug ist, einen klammen Verein durch schwere Zeiten zu bringen, meiner Meinung nach auch nicht.

Noch etwas erscheint erstaunlich, wenn man sich die Lage nach der Sachsen-Liquidition anschaut. Die Behauptung des Insolvenzverwalters geht in etwa so: Der Spielbetrieb sei nicht mehr zu finanzieren, Sponsoren gäbe es keine, der Alfred Kunze Sportpark würde Geld verschlingen, das niemand hätte. Erstaunlich vor diesem Hintergrund, dass sich sowohl die BSG Chemie als auch die SG Leipzig-Leutzsch in der Lage sehen, diese Schwierigkeiten zu meistern. Erstere ein Kreisklassenverein mit sicherlich fester Fanbase, aber auch nicht bekannt für übermäßige Geldmittel. Der zweite ein neuer Verein mit unbekanntem Investorenbackground. Beide werden als Verein nicht stärker oder größer als der FC Sachsen sein. Die BSG Chemie wird ein paar Fanreste des FC Sachsen abbekommen, die keine Lust haben auf einen weiteren Spaltungsversuch. Die SG Leipzig-Leutzsch würde mit einem Umfeld deutlich schwächer als das des FC Sachsen Leipzig anfangen müssen. Beide sehen aber offenbar Möglichkeiten mit einem (nach derzeitigem Stand) Männerteam maximal in der Landesliga und einer kompletten Nachwuchsabteilung das zu schaffen, was dem FC Sachsen nicht mehr gelingen konnte, nämlich genug Geld einzunehmen, um Verein und völlig maroden AKS bewirtschaften zu können. Mir leuchtet das nicht ein. Zumal bei so windigen Nummern, wie der SGL-Ansage, man wolle 20% des Etats in den AKS stecken, was impliziert, dass der FC Sachsen sich nicht genug um den AKS gekümmert hätte. Dass man die 20% vorher auf den Etat draufschlagen muss, um sie zu haben, wird dabei unterschlagen. Auch, dass der FC Sachsen das Geld schlicht und einfach nicht hatte, um in die Infrastruktur zu investieren. Wenn die SG Leipzig-Leutzsch nun plötzlich das in den letzten Monaten dringend benötigte Kleingeld mitbringen kann, bleibt der fade Beigeschmack, dass sie den FC Sachsen haben absichtlich über die Klinge springen lassen. Aber das wohl nur, weil dadurch ein unbelasteter Neuanfang möglich sei. Aha.

Unbelasteter Neuanfang hin oder her. Ein erfolgreich abgeschlossenes Insolvenzverfahren wäre auch wie ein unbelasteter Neuanfang gewesen, man hätte auf bestehende Strukturen zurückgreifen können, keinen Spielrechtsübertragungsquatsch betreiben müssen. Man hätte eben nur schon vor der Liquiditionsansage Anstrengungen für den FC Sachsen übernehmen müssen. Von daher wirkt die Neugründung SG Leipzig-Leutzsch eher so, als sollten damit personelle Vereinszusammenhänge von der Bühne gedrängt werden und insofern wirkt das ganze sehr dubios. Und das öffentliche Echo ist gelinde gesagt nicht gerade wohlwollend. Auch keine guten Startbedingungen.

Womit wir bei der dubiosen Investorengruppe wären. Die bietet sich natürlich an, um allerlei verschwörungstheoretisch angehauchte Theorien, die natürlich mit Red Bull und RB Leipzig zu tun haben müssen, dazu zu entwerfen. Eine, die an verschiedenen Stellen des Internets in unterschiedlichem Ausmaß entworfen wird, hört sich zuerst einmal ganz plausibel an und geht sinngemäß so: Der FC Sachsen wollte mit RB Leipzig in Bezug auf die Jugend eine Kooperation eingehen. Ein Sterben des FC Sachsen bedeutet auch ein Sterben der Kooperation. Ein Übergang aller Nachwuchsmannschaften zur BSG Chemie bedeutet auch, dass RB Leipzig wohl kaum noch zu einer Kooperation käme, da die BSG Chemie in ihrem Umfeld solchen Ideen ähnlich ablehnend gegenüber stehen würde wie das Umfeld von Lok Leipzig. Dann muss eben was anderes her. Und was böte sich mehr an, als ein Verein mit Herrn Bauchspieß als Gesicht, einem Herren, der schon früher der Zusammenarbeit mit RB und ganz früher dem Einstieg von Red Bull in Leipzig nicht abgeneigt schien. Fix eine Investorengruppe erschaffen, die mit Geld von Red Bull ordentlich angereichert wird und schon kann die SG Leipzig-Leutzsch starten, die sich dementsprechend erkenntlich zeigt und mit RB Leipzig kooperiert. Klingt in der Theorie – Stichwort Wirtschaftskrimi – nicht unplausibel. Dass die SG Leipzig-Leutzsch unter diesen Ausgangsbedingungen wohl keine Chance hat tatsächlich zu einem eigenständigen Leipziger Verein mit eigenen Identität, schon gar nicht einer grün-weißen zu werden, scheint auf der Hand zu liegen. Eine solche Konstruktion würde wohl nur sehr, sehr kleine Teile der ehemaligen Sachsen-Anhängerschaft, die beim Abschiedsspiel ihre Vereinsführung angifteten, diese hätte sie an Red Bull verkauft, ansprechen. Womit diese Theorie eigentlich schon wieder überflüssig wird. Passend dazu heißt es bei RB Leipzig zum Thema, dass man (Stand gestern) keinerlei Kontakte zur SG Leipzig-Leutzsch und deren Vertetern gehabt habe. Womit auch die Theorie in sich zusammenbräche, die jetzt schon sagenumwobene Investorengruppe der SG wäre mit Geld von Red Bull erschaffen worden.

Ein zukünftiges Aufeinanderzugehen schließt dies natürlich nicht aus, sollte es mit der SG so laufen, wie sich das deren Protagonisten vorstellen. Ich persönlich denke, dass man bei RB Leipzig da auf absehbare Zeit die Finger von lassen sollte, wäre eine solche Kooperation doch auch eine direkte Parteinahme im grün-weißen Streit um das Chemie- und Sachsen-Erbe. Sich da auf eine Seite zu schlagen, dabei kann man sich eigentlich nur die Finger verbrennen. Man sollte bei RB ein bisschen gucken, dass man bei sich bleibt und Angebote schafft, die für Jugendliche jenseits der direkten Kooperation mit Vereinen interessant sind.

Genau das, nämlich ein bisschen mehr auf sich selbst gucken und aus sich selbst heraus wachsen, böte sich natürlich auch in Bezug auf die Spielrechtsübernahme vom Oberliga-Team des FC Sachsen Leipzig an. Im Optimalfall steigt die zweite Mannschaft von RB Leipzig in diesem Jahr in die Landesliga auf (also eins unter der Oberliga) und könnte dort anfangen, aus der A-Jugend ausscheidende Spieler einzubauen, das Team zu verstärken und wieder unter der Maßgabe oben mitzuspielen und im Idealfall aufzusteigen eine weitere Saison angehen. Womit man im nächsten Jahr auch ganz aus eigener Kraft in der Oberliga ankommen könnte. Andererseits verstehe ich den Anspruch der RB-Verantwortlichen, dem Nachwuchs den bestmöglichen Rahmen zu bieten. Und an der Seite von Ingo Hertzsch (der wohl kommende Saison für die zweite Mannschaft kicken wird) in der Oberliga nach Auerbach, Bautzen oder Zwickau zu fahren, ist sicherlich für die Entwicklung des Nachwuchses zielführender als in der Landesliga nach Eilenburg, Kamenz oder Neugersdorf oder gar in der Bezirksliga nach Torgau, Taucha oder Bad Lausick.

Zwei Fragen bleiben trotzdem relevant. Die erste ist rein formal und betrifft die Anforderung, dass eine Spielrechtsübertragung nur dann überhaupt stattfinden kann, wenn mindestens die Hälfte der Mannschaft des FC Sachsen zusammen mit dem Spielrecht zu RB Leipzig wechselt. Diese Anforderung – mal abgesehen von der Frage, worauf sich die 50% beziehen, auf den aktuellen Kader oder auf den Kader, der noch über die Saison hinaus Verträge hat – muss man zuerst einmal erfüllen und dann liegt es im Ermessen des NOFV, ob dieser einem Antrag auf Spielrechtsübertragung stattgibt.

Woraus gleich die sportliche und zentral relevante Frage erwächst. Kann RB Leipzig um diesen mindestens 50%-Sachsen-Kader herum mit ehemaligen A-Jugendlichen, Neuzugängen und Profianschlusskader (bspw. van den Bosch, Buszkowiak) eine zweite Mannschaft zusammenstellen, die in der Oberliga konkurrenzfähig ist. Wenn man davon ausgeht, dass vom FC Sachsen nicht unbedingt die ersten Elf kommen werden und wenn man in Betracht zieht, wie schwierig es Lok und Sachsen in diesem Jahr hatten, überhaupt die Klasse zu erhalten, dann dürfte dies eine anspruchsvolle Aufgabe sei, von der ich nicht weiß, inwieweit sie zu bewerkstelligen ist. Vor allem auch, weil ich nicht weiß, welche Qualität aus der A-Jugend dazu kommt. Aus der derzeitigen Zweiten (Bezirksliga) von RB Leipzig jedenfalls ist kaum Qualität zu erwarten, die für die Oberliga ausreicht. Entgegen kommen dürfte RB Leipzig die Tatsache, dass ihre zweite Mannschaft als Zweitvertretung eines Regionalligateams noch nicht die Anforderungen einer Profi-Reserve erfüllen muss und dementsprechend nicht mindestens 8 (?) U23-Spieler auf den Platz bringen müsste. Sprich, man könnte für ein Übergangsjahr eine Mischung aus Erfahrung und Nachwuchs aufbieten, die Klasse sichern und ein Jahr später an einer weiteren qualitätsverlustfreien Verjüngung des Kaders der zweiten Mannschaft arbeiten. Quasi eine Mischung aus optimaler Nachwuchsförderung und spielklassenbezogener Kaderplanung.

Trotzdem stellt sich die Frage, inwieweit diese Spielrechtsübertragungen im Fußball überhaupt Sinn machen. Defacto würde RB Leipzig in diesem Jahr nichts anderes machen, als im letzten Jahr mit dem ESV Delitzsch. Klar, da hatten alle was davon und niemandem wurde so recht etwas weggenommen (mal abgesehen von der skurrilen Situation, dass RB Leipzig II aus der Bezirksliga aufstieg, danach wieder zum SSV Markranstädt wurde und anschließend das ‘neue’ RB Leipzig II wieder in der Bezirksliga kickte), weil RB einfach den Delitzscher Platz übernahm. In diesem Jahr ist es zwar faktisch ähnlich, aber auch wieder nicht. Da der FC Sachsen die Saison ordentlich zu Ende spielt, tritt auch nicht ein, was passieren würde, wenn das Geld ausginge, nämlich das Zwangsabsteigen. So kommt der FC Sachsen erst in die Situation sein Spielrecht potenziell weitergeben zu können. Ganz praktisch aber scheitert der Verein gerade an seinen wirtschaftlichen Voraussetzungen. Im Gegensatz zu den Teams, die in der Oberliga gerade noch um den Klassenerhalt kämpfen und die – gedacht sei an Wacker Gotha, VfL Halle und Borea Dresden – angesäuert sein dürften, wenn sie trotz solidem, finanziellen Arbeiten absteigen, der FC Sachsen aber liquidiert wird und vorher noch schnell sein Spielrecht abgibt. Wie gesagt, für die Regularien des NOFV ist der FC Sachsen kein Pleiteclub, was man auch daran sieht, dass der Spielbetrieb bis zum Schluss gesichert ist. Ganz fußballpraktisch kann man das auch anders sehen.

Ich bin mir nicht sicher, ob die hinter der Möglichkeit der Spielrechtsübertragung steckende Logik, dass das Spielrecht quasi an die Spieler gekoppelt ist, nicht so sehr an den Verein und falls diese zusammen gern woanders spielen wollen eben das Spielrecht mitnehmen können und nicht bei Null anfangen müssen, noch zeitgemäß ist. Die Idee von 11, 15 oder 20 Freunden, die zusammen über Jahre Fußball spielen und auch mal den Verein wechseln, greift nicht mal in der Oberliga. Die Spieler des FC Sachsen Leipzig sind ein bunter Haufen, die erst in den letzten zwei Jahren zusammen den FC Sachsen repräsentieren. Von daher wünschte man sich fast, dass das Spielrecht mit dem Verein zusammen aufsteigt, absteigt oder eben liquidiert wird (was einer dementsprechenden Veränderung der Verbandsregularien bedürfte). Andererseits ist eine Spielrechtsübertragung tatsächlich für die Spieler selbst eine Chance eine Zukunft als Fußballspieler zu haben. Nicht für alle würde das auf diesem Niveau gelten, müssten sie sich einen neuen Verein suchen. Womit wir wieder dabei wären, dass die Spieler so einen Wechsel wollen müssen. Kevin Kittler, Kapitän beim FC Sachsen Leipzig ließ ja bereits erkennen, dass ein Wechsel des Teams zu RB durchaus denkbar wäre. Wenn dem so wäre, dann läge es bei den Verbänden, ob sie finden, dass eine negative Entscheidung der Mannschaft die Zukunft verbauen würde oder ob RB ein zukunftsträchtiger Hafen für die ehemaligen Sachsen sein kann.

Fazit: Es ist ein wenig komisch dieser Tage. Die Trauer um den Tod des FC Sachsen Leipzig hatte gar keine Chance sich richtig auszuleben. Ideen, Vorschläge, Pläne, Gerüchte, Theorien, Gesichter und Vereine haben leipzigtypisch sehr schnell die Kontrolle über das Thema übernommen. Mir persönlich ging da vieles zu schnell, auch wenn ich sicherlich keine grün-weiße Seele bin. Mir persönlich ist auch vieles, was jetzt passiert nicht plausibel, auch wenn es sicher, wenn man näher dran wäre, für vieles ganz rationale Gründe gibt. Und ich hoffe, dass RB Leipzig bis auf weiteres bei der bisherigen Linie bleibt. Anstreben der Spielrechtsübertragung unter der Voraussetzung, dass die formalen Verbands- und sportlichen Vereinskriterien erfüllt sind: meinetwegen ja, auch wenn ich die Logik der Verbandsregularien nicht wirklich nachvollziehbar finde. Zusammenarbeit mit der SG Leipzig-Leutzsch unter den derzeitigen Bedingungen und beim jetzigen Stand der grün-weißen Gemengelage: nein. Zu hoffen, dass grün-weiß als Verein irgendwann einmal zu ähnlicher Ruhe findet wie blau-gelb, habe ich hingegen aufgeben. Mal sehen, was die nächsten Tage und Wochen bringen. Die Entscheidungen in Bezug auf den AKS und die Sachsen-Nachwuchsmannschaften müssen jedenfalls schnell fallen. Nicht dass der Insolvenzverwalter den FC Sachsen doch noch ein Jahr länger spielen lässt, weil er die Mannschaften nicht schnell genug anderweitig unterbringt. Wäre ja auch noch ‘ne Option. In Leipzig ist immer (fast) alles möglich..

Noch ein paar Lesetipps: der Chemieblogger begleitet das grün-weiße Treiben dieser Tage mit verschiedenen Texten, bei Lipsia [broken Link] gibt es einen subjektiven Bericht vom AKS-Abschied und bei der Flohbude (broken Link) gibt es den vermutlich poetischsten aller Texte zum Sachsen-Abschied.

7 Gedanken zu „Der Trauer folgt das Leipziger Allerlei“

  1. Zu hoffen, dass grün-weiß als Verein irgendwann einmal zu ähnlicher Ruhe findet wie blau-gelb, habe ich hingegen aufgeben.

    Hui! Nach unzähligen Zeilen der nüchternen Analyse kommt dann einfach mal so ein knallharter Satz – quasi im Vorbeigehen. Bittere Wahrheit?!

    Ein ganz starker Text, nah an den Fakten und Hintergründen, in sich plausibel. Das gilt für die Leutzscher Fußball-Welt hingegen nicht.

    Noch ein paar einzelner Fragen und Anmerkungen:

    Sehr interessant war für mich der Hinweis von Bettina Kudla, dass der alte FC Sachsen seit 2007 (?) offenbar freimütig die Gelegenheit verstreichen ließ, jährliche Fördergelder zu akquirieren (mir Schweben 54 000 Euro im Kopf umher) – leider kann ich die Quelle (war wohl bei lvz-online.de) nicht rekonstruieren. Also offensichtlich Schlamperei auf der ganzen Linie.

    Gerüchten zufolge hat die SG Leipzig-Leutzsch eine längere Vorlaufszeit, als das Gründungsdatum 21. Mai suggeriert. Wenn dieses Konstrukt wirklich 80 % der Nachwuchsspieler hinter sich wissen sollte, dann muss da auch etwas dran sein. Bei einem Bier und zwei Zigaretten kann das nicht zusammengeschustert worden sein. Dennoch – es bleiben die Vorbehalte: Was stimmt, was stimmt nicht.

    Achja: Du schreibst von “personellen Vereinszusammenhängen” – meinst du damit das, was in unseren Kreisen als “Klüngel” mal angeprangert, mal verspottet wird?

  2. Du schreibst von “personellen Vereinszusammenhängen” – meinst du damit das, was in unseren Kreisen als “Klüngel” mal angeprangert, mal verspottet wird?

    Nein, dazu steck ich nun wirklich nicht genug drin in der Materie. Wollte damit nur sagen, dass es von außen scheint, als ginge es bei der Vereinsgründung zuvorderst darum, nur Leute dabei zu haben, die man auch dabei haben will. Um jene, die man nicht will, beim FC Sachsen aber immer dabei hätte, loszuwerden. Ein Eindruck, der sich nicht auf konkrete Personen bezieht, sondern eher aus dem Vorgehen resultiert.

  3. @chemieblogger: die 54000 EUR waren ein jährlicher Zuschuss der Stadt für den Betrieb des AKS (nebenbei: LOK zahlt 50000 / Jahr Miete (!) da das BPS Banken “gehört”). Zusätzlich hätte der FCS, bei entsprechender Eigenbeteiligung, weitere Zuschüsse für die Sanierung bekommen können.
    Ansonsten gehen mir diese Spielrechtsübertragungen ganz gewaltig auf den Keks. 2004 ging kein Weg rein die neue LOK höher als 3 Kreisklasse einzuordnen, die Fusion mit Torgau ein Jahr später war ein juristischer Akt (der Notarielle Vertrag über die Verschmelzung musste auf der MV verlesen werden) und erst letztes Jahr wurde der FSV Zwickau von Herrn Reichenbach abgekanzelt (Übertragung nur bei Schuldenübernahme). Hier weiss noch nicht mal Kratz wie hoch die Deckungslücke seit der Insolvenz ist, scheint aber auch keinen zu interessieren.
    Nun wird höchstwahrscheinlich Sportfreund Oberholz schon die nötigen Papiere aufsetzen.
    PS: Muss der Verein welcher das Spielrecht vom FCS übernimmt nicht auch zwingend das erste Jahr im AKS spielen (vgl. Übertragung DZ -> RB II)? Da ist doch schon der nächste Konflikt vorprogrammiert sollte sich RB das wirklich antun…

  4. Quintessenz: RB II wird 2011/12 mit Ingo Hertzsch als Leader in Leipzig-Leutzsch Oberliga spielen, nach einiger Zeit wird es keinen mehr interessieren, die BSG Chemie könnte wenigstens mit Hilfe von RB den AKS halten, die SGL-L ist ein Fake, am Ende wären alle froh (sehr gewagte Prognose, ich weiß…)!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert