Die Rückrunde steht an und da diese für die Leipziger Oberligisten bereits in dieser Woche mit dem Derby, so es denn diesmal wirklich stattfinden wird, losgehen wird und nicht erst in der nächsten Woche, wie beim Regionalligisten RB Leipzig, wird es auch Zeit für die obligatorische Rückrundenvorschau.
RB Leipzig: Zwischen Hoffnung und Realitätssinn
Vor der Saison war das klare Ziel der Aufstieg. Bei 12 Punkten Rückstand (wenngleich auch einem Spiel weniger) auf Chemnitz weiß man gar nicht so recht, was das Ziel für die Rückrunde sein soll. Aus Teamkreisen und vor allem aus dem Betreuer- und Managementstab hört man immer wieder etwas von Angreifen, Gewinnen und da sein, wenn Chemnitz schwächelt. Das ist alles und ganz sicher richtig, nur mit Herzblut dürfte sich das erst füllen, wenn man eventuell wirklich einmal 5-6 Punkte vom Rückstand auf Chemnitz aufgeholt hat. Viel wird darauf ankommen, wie RasenBallsport Leipzig und der Chemnitzer FC aus den Startlöchern kommen. Da bis zum 18.März insgesamt 9 Ligaspiele mit Beteiligung von RB Leipzig stattgefunden haben sollen, kann die Saison schnell noch mal Spannung und Fahrt aufnehmen oder recht schnell langweilig und entschieden sein. Bis Mitte März dürfte jedenfalls klar sein, wohin die Reise für RasenBallsport Leipzig noch gehen kann.
Im eigentlich recht gut aufgestellten Kader von RB Leipzig hat sich in der Winterpause wenig getan. Verlassen musste den Verein der in der Hinrunde sowieso schon ausgemusterte Patrick Bick und in die zweite Mannschaft wurde der wiederholt aufmüpfige Steven Lewerenz verbannt. Zukunftsperspektive für ihn unter dem aktuellen Trainer Tomas Oral: eher negativ. [Update: kurz nach Fertigstellung dieses Artikels wechselte Steven Lewerenz für die Zeit bis zum Saisonende zum Kapfenberger SV in die österreichische Bundesliga] Verpflichtet wurde mit Thiago Rockenbach ein kreativer Mittelfeldspieler, der die Position hinter der/ den Spitze(n) besetzen soll. Ob er in dieser Rolle der Mannschaft die bisher schmerzlich vermisste Kreativität beibringen kann, bleibt abzuwarten und trotzdem zu hoffen. Sehr viel mehr als auf einzelne Spieler wird es aber auf positive Entwicklungen im Spielverständnis und bei automatisierten Spielabläufen gehen. Das Zusammenspiel wie im Schlaf muss das Ziel sein und somit auch so etwas wie das finden einer leistungsfördernden Stammelf, sowohl in Bezug auf die taktische Ausrichtung als auch die konkrete, individuelle Besetzung.
Es steht also das an, was in der Vorrunde permanent propagiert wurde, sich aber nie wirklich eingelöst hat, nämlich das Schritte machen in Punkte Zusammenspiel und Spieldominanz. Vorbereitungsspiele sind in diesem Zusammenhang nicht unbedingt ein Gradmesser, aber bei schnellem Drüberblicken zeigt sich zumindest, dass Tore aus dem Spiel heraus und vor allem Stürmertore immer noch eine Rarität sind. Das spricht nicht unbedingt für perfekte Offensivautomatismen, aber letztlich interessiert die Vorbereitung am 13.02.2011 beim Spiel bei Hannovers U23 keine S… mehr.
Ich freue mich auf die Rückrunde, würde allerdings nicht behaupten, dass der Glaube an den Aufstieg bei mir in den letzten Wochen stark gewachsen wäre, auch wenn ich die teils dürftigen Auftritte der Hinrunde bereits ein wenig verdrängt habe. Interessant ist die Rückrunde natürlich auch in Bezug auf das Zuschauerinteresse. Bleibt es bei den 12 Punkten bzw. zeichnet sich ab, dass Chemnitz nicht mehr unter Druck zu setzen ist, dann kann die Restsaison in der Red Bull Arena durchaus zäh werden. Mich persönlich stören Besucherzahlen um und unter 2.000 nicht unbedingt, ob den RasenBallsportlern solch ein Umfeld Spaß macht, sei vor dem Hintergrund der Statistik, dass RB Leipzig seine Punkte vor allem in Spielen mit wenig Zuschauern hat liegen lassen, mal stark angezweifelt. Falls RasenBallsport Leipzig aber tatsächlich noch einmal in Schlagdistanz zum Chemnitzer FC kommen könnte, dürfte dies auch für weiterhin sehr zufriedenstellende Besucherzahlen und gegen Ende der Saison für Topkulissen sorgen.
Der Chemnitzer FC ist und bleibt der Top-Favorit auf den Aufstieg. Die punktuellen und sehr klug erscheinenden Winterneuzugänge Tüting und Kurbjuweit unterstreichen den Favoriten-Platz. Neben den Chemnitzern wird man auch sehr auf den VfL Wolfsburg achten müssen, auch wenn nach den diversen Veränderungen im Bundesligateam noch unklar ist, ob dies nicht auch zu Substanzverlusten bei der U23 führen wird. Ob der VfB Lübeck noch einmal eine ähnliche Rolle spielen kann wie in der Hinserie, wage ich dezent anzuzweifeln. Zu jung und damit zu instabil erscheint der Kader, sodass sie erst noch beweisen müssen, dass sie über die ganze Saison hinweg ein ernsthafter Chemnitz-Verfolger sein können. Zumindest der Wille ist bei den Lübeckern vorhanden und das erste Spiel der Rückrunde gewannen sie am vergangenen Wochenende bei den relativ heimstarken Cottbussern mit 3:1. Über die genannten Vereine hinaus glaube ich nicht, dass ein anderes Team zum Aufstiegskonkurrenten werden kann.
Fazit: Es wird für RasenBallsport Leipzig schwer bis unmöglich noch den Anschluss an Platz 1 zu schaffen. Realistisch betrachtet und die Hinrunde als Maßstab genommen, würde ich sagen, dass Tomas Oral am Ende der Saison nicht mehr Trainer ist und RB Leipzig irgendwo auf Platz 3 oder 4 einkommt. Da man aber natürlich auch darauf hoffen darf, dass die Konzepte der sportliche Leitung fruchten mögen und die Mannschaft individuell und als Team Klasse entwickelt, tippe ich auf einen ganz knapp durch einen unverdienten 1:0-Auswärtssieg in Chemnitz gesicherten Platz 1. Und falls das mit dem Aufstieg doch nicht klappt, darf es der Gewinn des Sachsen-Pokals und damit die Qualifikation zum DFB-Pokal sein.
FC Sachsen Leipzig: Sportliche Effektivität
Die Chemiker sind genaugenommen ein kleines Wunder. Die grün-weiße Fan- und Vereinsszene weiterhin ohne großartige Aussicht auf Einigung gespalten, der FC Sachsen weiterhin unter Aufsicht des Insolvenzverwalters und mit kleinerer Deckungslücke für die aktuelle Saison, Vorstandssprecher Lars Ziegenhorn – die (hinter dem Insolvenzveralter) faktische Nummer 1 des Vereins – gerade erst zurückgetreten, was eine noch zu füllende Lücke in der Organisationsstruktur hinterließ und die Zuschauerzahlen bei den Heimspielen im Alfred Kunze Sportpark insgesamt eine große (nicht nur finanzielle) Enttäuschung. Der Verein steht wirtschaftlich und fantechnisch nicht gerade überragend da und ist mit jungem und preiswertem Kader trotzdem deutlich die sportliche Nummer 2 in Leipzig.
Das spricht für die hervorragende Arbeit der sportlichen Leitung um den nun bereits fast 3 Jahre in Leutzsch arbeitenden Dirk Heyne. Das spricht auch dafür, dass das taktische Prinzip Heyne weiterhin funktioniert, dass der Kader gut zusammengestellt wurde und dass um das Team herum Vereinsmitglieder mit viel Energie der Mannschaft den Rücken freihalten. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das alles als Paket für den Aufstieg in die Regionalliga reicht und vor allem, dass der Verein finanziell-organisatorisch einer neuerlichen Regionalliga-Saison gewachsen wäre (die letzte endete ja bekanntermaßen in der Insolvenz), trotzdem ist man geneigt, dem sympathischen Team (ganz heimlich natürlich) den einen oder anderen Daumen für die Zukunft zu drücken.
In meinen Prognosen bin ich jenseits der Wünsche hingegen pessimistisch. Die wirtschaftliche Situation wird mittelfristig nicht besser, der Fanzuspruch wird unter der grün-weißen Spaltung weiter leiden und das Prinzip Heyne wird nicht auf alle Ewigkeiten funktionieren, da die fußballerischen Schwierigkeiten im Offensivbereich bereits in die taktische Grundstruktur eingewebt sind. Viel mehr als Oberliga scheint unter den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum möglich.
Fazit: Der FC Sachsen spielt bisher eine gute Saison und wird dies auch weiterhin tun, ohne allerdings ganz oben angreifen zu können. In der Liga springt bestenfalls Platz 3 bis 5 heraus. Im Sachsenpokal ist im Achtelfinale leider Schluss.
Lok Leipzig: Das ist Wahnsinn
Ist das Abschneiden von RB Leipzig in der aktuellen Saison bereits unterdurchschnittlich, dürfte man bei Lok kaum noch passende Worte finden. Doch über das rein sportliche hinaus, ist die Saison in vielen Belangen eine, die in die Geschichtsbücher eingehen könnte. Anfang Februar steht Lok bei lediglich 10(!) absolvierten Ligaspielen. Hochwasser (das die benötigten Polizisten nicht nach Leipzig kommen lässt), Wildschweine (die den Jägerpark von Borea Dresden verwüsten), Winter (der bereits Anfang Dezember den Spielplan fest im Griff hat), die Liste der Absagegründe ist eine Mischung aus Tragik und Komödie. Das Überwintern auf einem eigentlich völlig undiskutablen Abstiegsplatz ist auch Folge der 3-4 Spiele Rückstand auf die Konkurrenz. Angesichts dessen und angesichts der vorhandenen sportlichen Qualität des Kaders, die durch die Verpflichtung des Weltenbummlers und Ex-Leutzscher Heiner Backhaus noch einmal gestärkt wurde, sollte der Klassenerhalt eigentlich selbstverständlich sein und alles andere undenkbar bleiben.
Und so sieht Lok jenseits der konkreten Abstiegssorgen dem wohl wichtigsten Wochenende der jüngeren Vereinsgeschichte entgegen, was ausnahmsweise mal nicht am Derby liegt, das am 06.02. in der Red Bull Arena stattfindet. Ausgelöst durch eine vom Vorstand ausgehandelte und später wieder auf Eis gelegte Kooperationsvereinbarung mit dem Rivalen RB Leipzig entspann und entspinnt sich im Vereinsumfeld eine Identitätsdebatte, die die Zukunft der Loksche entscheidend beeinflussen und die Mitgliederversammlung am 05.02. sicherlich mitprägen wird. Ich bin viel zu weit vom Verein weg, um die Befindlichkeiten und Positionen umfänglich einschätzen und beurteilen zu können. Klar ist nur, dass durch die Mitgliederversammlung die Weichen für das weitere Zusammenarbeiten gestellt werden. Man darf gespannt sein, mit welchen Inhalten die Debatten um den neuen Vereinsvorsitz und die RB-Kooperation gefüllt werden und es wird sich (vor allem im Nachgang der Mitgliederversammlung im nächsten Jahr) zeigen müssen, inwiefern es möglich ist, derzeit verstrittene Fraktionen (Kubald-Gegner und -Anhänger bzw. Kooperations-Anhänger und -Gegner) wieder soweit miteinander zu versöhnen, dass dem Verein nicht wichtige Teile seiner Mitglieder- bzw. Anhängerschaft verloren gehen.
Auffällig vor der Wahl des neuen Lok-Präsidums, dass sich darin so gar keine neuen Namen oder erklärte Kubald-Gegner finden lassen [broken Link]. Ok, vielleicht kenn ich mich bei Lok nicht wirklich aus, aber Frau Pahlhorn gab es bisher nur im Duett mit Kubald, Herr Notzon (Chef bei Lok-Sponsor Goldgas) könnte sich eine Zusammenarbeit mit Kubald als hauptamtlichem Geschäftsführer sehr gut vorstellen, Herr Majetschak gilt eher als Kubald-Vertrauter, vom Herrn Wickfelder (Chef der Frauenabteilung) sind auch keine größeren Meinungsverschiedenheiten mit Kubald bekannt und Herr Dischereit dürfte als Verantwortlicher für den Lok-Jugendfußball vollumfänglich an der Ausarbeitung der RB-Kooperation (über die Steffen Kubald letztlich stolperte) beteiligt sein. Soweit ich das sehe, sind die Ankündigungen der Kubald-Opposition, eigene Kandidaten ins Rennen zu schicken, offenbar versandet und es läuft auf einen Personenkreis hinaus, der an den Zielen des Kubaldschen Wirkens wenig bis nichts auszusetzen hat. Quasi Kubald ohne den Namen Kubald. Im übrigen gibt es 5 Kandidaten für 5 zu wählende Vorstandsposten..
Neben den Themenfeldern Kubald, RB Leipzig, Vereinsvorsitz, Vereinsidentität hat der Verein noch ein Luxusproblem, das unter Umständen auch die Zukunft des Vereins bzw. des Männerfußballs im Verein beeinflussen kann. Lok Leipzigs Frauen schicken sich an, in diesem Jahr den Aufstieg in die 1.Bundesliga zu erreichen. Das wäre natürlich ein schöner sportlicher Erfolg, gleichzeitig aber auch ein kostenintensiver. Frauenfußball ist – wenn ich das richtig sehe – für Lok ein Zuschussgeschäft und wird dies, wenn man konkurrenzfähig sein will auch und vermutlich sogar in größerem Rahmen in der 1.Bundesliga bleiben. Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass man unter tätiger Mithilfe des Sächsischen Fußballverbandes das Nachwuchsleistungszentrum des Landes vom bisherigen Rivalen Leipziger FC übernommen hat. Die Lok-Frauen umfänglich zu (unter)stützen, dürfte auch heißen, dass der Männerfußball finanziell Abstriche machen muss. Das dürfte dem sportlichen Erfolg des Aushängeschildes des Vereins, der 1.Männermannschaft letztlich auch nicht sonderlich zuträglich sein. Was das dann letztlich für das Selbstbild des Vereins bedeutet und ob es überhaupt etwas bedeutet, ist derzeit aus meiner Sicht völlig unklar. Möglich wäre zumindest, dass sich der Verein ganz klar den Erfolg der Frauenmannschaft auf die Zielliste/ Fahne schreibt und darum herum auch seine Identität ein Stückweit neu erfindet. Wäre zumindest eine Möglichkeit, abseits des Leipziger Männerfußballs ein eigenes Feld an sportlichen Geschichten und Erfolgen zu eröffnen.
Fazit: es gibt derzeit für Lok sicherlich wichtigeres als das Sportliche (wenn man denn wie ich davon ausgeht, dass man am Nicht-Abstieg eh nicht vorbei kommt), es gilt, die Handlungsfähigkeit des Vereins zu sichern und nebenbei die gemeinsame Geschäftsgrundlage in Form der Identität zu klären. Lok liegt finanziell und fantechnisch klar vor dem Leutzscher Dauerrivalen. Dass man sportlich trotzdem im Abseits steht ist für den Verein eine mittlere Katastrophe. Nach den vielen Aufstiegen und dem permanenten Wachstum der letzten Jahre, bevor es in der Oberliga in den letzten knapp 2 Jahren stagnierte, bedarf es im Verein offenbar organisatorischer Veränderungen. Wenn sie gelingen, dann hat der Verein sicher eine gute Zukunft (ob mit oder ohne RB-Kooperation ist dabei fast egal). Wenn sie nicht gelingen, kann es auch schnell mal ganz düster aussehen.
Und wieder mal was gelernt, nämlich das Loks Frauenfussballer so erfolgreich sind. Sehr gute Saisonvorschau, you have been twittered! :-)
I have been twittered! Yes hurray! ;-)