Sachsenliga: SG Leipzig Leutzsch vs. BSG Chemie Leipzig 0:1

Während es die Anhänger von RB Leipzig vorzogen, den Samstag bei einem Fanclubturnier im Leipziger Norden zu verbringen, entschied ich mich für den Besuch des grün-weißen Stadtteilderbys. Was weniger daran lag, dass das Duell große Strahlkraft auf mich ausübte, sondern vor allem damit zu tun hatte, dass sich in diesem Rahmen die Möglichkeit bot, einen Fußballnachmittag mit den Blog-Nachbarn von Lipsia, der Flohbude [broken Link] und dem Chemieblogger zu verbringen. Eine Entscheidung, die zumindest diesbezüglich eine vollumfänglich weise war.

Zur Situation in Leutzsch zwischen SGLL und BSG Chemie ist eigentlich hier an dieser Stelle schon vor einem Jahr alles relevante gesagt worden. Seitdem hat sich essenziell nichts verändert, nur die Fronten sind eher härter, denn weicher geworden. Faktisch-pragmatisch-finanziell geht es in Leutzsch nur miteinander. Emotional-fankulturell-identitär führt gerade ganz definitiv kein Weg zusammen, auch wenn es sich die sportlichen Entscheidungsträger immer mal wieder wünschen. Im Rahmen des samstäglichen Derbys waren es bspw. beide Trainer, die die Möglichkeit eines zukünftigen Zusammengehens befürworteten.

Es ist schon eine Crux, dass da mit dem Alfred-Kunze-Sportpark ein Stadion mit Charakter vor sich hin schimmelt und letztlich dauerhaft nur erhaltbar wäre, wenn beide Vereine an einem Strang zögen. Und es aber in beiden Vereinen – zumindest von außen gesehen – vor allem darum zu gehen scheint, dem jeweils anderen möglichst eins auszuwischen. Man bräuchte Partnerschaft und hat doch eigentlich nur Misstrauen.

Dass es nur zusammengeht, zeigt schon ein Blick auf die Finanzierung der Betriebskosten des Alfred-Kunze-Sportparks. Bereits jetzt begleicht der Untermieter BSG Chemie nach Rechnung der L-IZ [broken Link] irgendetwas zwischen einem Viertel und einem Drittel der jährlichen Betriebskosten von 130.000 Euros. Da die Stadt mit knapp der Hälfte den Löwenanteil der Kosten übernimmt, kann man sich leicht ausrechnen, dass bei einem Wegfall eines der beiden Vereine eine respektable Finanzierungslücke übrigbliebe für den jeweils anderen der zwei Vereine, die im Normalfall mehr (SGLL) oder weniger (Chemie) deutlich unter 1.000 Zuschauer begrüßen.

Problematisch daran ist, dass es auch sportlich eigentlich nichts wirklich nennenswertes zu berichten gibt. Beide Vereine leisten unter den jeweiligen Voraussetzungen sicherlich gute bis sehr gute Arbeit, aber ohne dass daraus irgendeine Art größere Perspektive erwachsen würde. Ein Aufstieg in die fünfte Liga blieb in diesem Jahr jedenfalls für beide Clubs ein unerreichbarer Traum. Was sich auf absehbare Zeit unter den aktuellen Voraussetzungen auch nicht ändern dürfte.

Der Besuch im Alfred-Kunze-Sportpark (mein zweiter Besuch, nach einem Ausflug in den untragbaren Gästeblock mit RB diesmal wenigstens auf dem Dammsitz) hat für mich jedenfalls keinerlei Gründe vermittelt, warum man sich Fußball in Leutzsch öfters angucken sollte. Sportlich war es ein Duell, bei dem man lange das Gefühl hatte, dass da zwei Mannschaften – in Analogie zur Gesamtsituation) vor allem darauf bedacht sind, ihr kleines bisschen Hab und Gut (die Null) zu verteidigen. Bloß keine Fehler machen, schien das Motto des Tages zu sein, bei dem aber auch die letzten fünf Prozent Leidenschaft für echtes Derby-Feeling fehlten. Irgendwann machte die BSG dann doch noch ein Tor nach einem Torwartfehler und gewann glücklich und dennoch sicher nicht unverdient. Aber zugegebenermaßen lief das Spiel auch oft an mir vorbei, weil die Unterhaltung am Rande sehr viel mehr Spaß mit sich brachte.

Und auch abseits des Platzes war da wenig zu sehen, wofür es sich lohnen würde, den Weg gen Leutzsch desöfteren auf sich zu nehmen. Am positivsten erschien mir da noch die Tatsache, dass auf dem Dammsitz tatsächlich SGLL- und Chemie-Anhänger 50:50 bunt gemischt sitzen und stehen konnten, was sich beim einzigen Tor des Tages gut beobachten ließ, als die eine Hälfte die Arme streckte und die andere Hälfte bedrückt sitzen blieb. Alles in allem ohne dass dies zu Stress geführt hätte. Trotz einer an manchen Orten Richtung Gästeblock nicht unaggressiven Grundhaltung.

Ansonsten bekam man das geboten, was man erwarten konnte, auf Gästeseite ein gut gefüllter Block, der dauerhaft und ultratypisch lautstark und abwechslungsreich agierte, auf der anderen Seite auf Norddamm und Dammsitz jeweils zwei kleine Häuflein, deren häufigste und lauteste Wahrnehmbarkeit im inzwischen allseits bekannten und in viele Sprachen übersetzten “Nur ein Leutzscher ist ein Deutscher” bestand. Man begründet die Verwendung des Rufes, so ich mich recht erinnere, mit Tradition. Nunja.

Jedenfalls zeigt sich auch darin ein Dilemma, denn beide Vereine haben jeweils etwas, was dem anderen fehlt. Und zuschauertechnisch ist es sicherlich die BSG Chemie, die mit ihrer aktiven und vergleichsweise großen Fankultur bzw. Anhängerschaft tatsächlich auch höherklassiges Potenzial hat. Ohne sich da zu weit aus dem Fenster lehnen zu müssen, aber die SGLL kann da nicht ansatzweise mithalten. Was letztlich nicht nur ein stimmungstechnischer, sondern insgesamt auch ein finanzieller Aspekt ist und auch für den konkreten Einsatz (zum Beispiel bei Umbauten) im Verein relevant sein kann.

Auf der anderen Seite schaffen es die Chemiker, die das Chemie im Gegensatz zur SG Leipzig Leutzsch auch im Namen tragen (beanspruchen tun den Titel ja beide irgendwie für sich), hingegen nicht, so die sportgerichtlichen Entscheide der Saison, das Nachwuchs- bzw. Schiedsrichtersoll zu erfüllen. Heißt, sie haben nicht genug eigene Jugendspieler, die an der Spielgemeinschaft mit der TuS Leutzsch teilhaben und auch nicht ausreichend Schiedrsichter. Und heißt auch, dass es der BSG strukturell auf einigen Ebenen der konkreten Vereinsorganisation mangelt. Was wiederum für die SG Leipzig Leutzsch kein Problem zu sein scheint, denn auch wenn ihre Jugendmannschaften im Jahr 1 des Bestehens noch nicht übermäßig erfolgreich sind, hat der Verein offenbar keine Mühe, eigenständig Jugendausbildung zu betreiben und somit auch eine Basis für die Zukunft zu schaffen.

Wie gesagt, es ginge eigentlich nur miteinander, aber de facto kann es nicht miteinander gehen zwischen zwei Vereinen, die sich inzwischen öffentlich gern nur noch als Hauptnutzer oder Untermieter bezeichnen und deren Spiele nur unter der Begleitung eines massiven Ordner- und Polizeiaufgebots stattfinden können. Blöd daran ist nur, dass bei all den sowieso schon vorhandenen Dilemmata aus dieser Situation auch keinerlei Strahlkraft über die knapp 2.000, die das im Schnitt noch interessieren könnte, hinaus entwickelt. Sprich, finanziell arbeitet man in Leutzsch derzeit schon am Ende der Fahnenstange ohne Aussicht auf Verbesserung und ohne ernsthafte Aussicht auf den dauerhaften baulichen Erhalt des AKS, fankulturell ist man tiefgespalten und ohne Hoffnung, dass dies auf absehbare Sicht anders werden könnte und es gibt noch nicht mal die realistische Chance, dass aus der konkreten Praxis der beiden Vereine eine Strahlkraft über sich selbst hinaus entsteht, die eine bessere Zukunft wahrscheinlich machen würde.

Am besten verdeutlicht sich die Situation in Leutzsch darin, dass die beiden grün-weißen Teams in der kommenden Saison mit zwei Ligen Rückstand auf RB und Lok gegen deren zweiten Mannschaften spielen müssen (so denn Loks U23 noch aufsteigt). Und das, wo der FC Sachsen 2004 nach der VfB-Insolvenz noch der alleinige Sieger der Leipziger Fußballgeschichte zu sein schien und selbst 2007/2008, als man mit der zweiten Mannschaft Derbys gegen Lok spielte, noch deutlich voran war. Aber die fußballerischen Verhältnisse in der Stadt wurden seitdem zu Ungunsten von grün-weiß zementiert. Lok und sowieso RB haben auf allen Ebenen die strukturell deutlich besseren Voraussetzungen und dazu ein recht hohes Zuschauerpotenzial. In Leutzsch gibt es – wie eigentlich schon seit Jahren – nur das Kreisen um sich selbst und im besten Fall noch ein wenig Verzweiflung positiv Verrückter mit grün-weißer Seele, die sich in kreatives Potenzial umsetzt.

Fazit: Der Ausflug in den Alfred-Kunze-Sportpark, in die Heimat der SG Leipzig Leutzsch und der BSG Chemie Leipzig war auf vielen Ebenen ein interessanter, unterhaltsamer und lehrreicher. Irgendetwas, was Optimismus verstrahlt, habe ich dort aber nicht wahrgenommen. Wenn die Vereine und deren Anhänger tatsächlich kurz- bis mittelfristig von höherem träumen, bräuchten sie wohl ein Wunder, das selbst die Dimensionen eines Alfred Kunze deutlich sprengen würde.

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Tor: 0:1 von der Weth (76.)

Aufstellung SGLL: Schmedtje – Nielsen (85. Gerber), Rießbeck, Markus (74. Schröer), Ledwoch, Neidhold, Spitzke, Müller, Schaaf, Bury, Schmidt

Aufstellung BSG: Rudolf, Rieger Staigys, Gothe (89. Paulus), Portleroy, Gröbel, Lee Gandaa (56. Krömer), v.d. Weth, Wolf, Schammer, Bader (59. Hönemann)

Zuschauer: 1993

Links: Flohbude-Bericht [broken Link], Chemieblogger-Bericht, SGLL-Bericht [broken Link], BSG-Bericht [broken Link], MDR-(Video-)Bericht [broken Link]

2 Gedanken zu „Sachsenliga: SG Leipzig Leutzsch vs. BSG Chemie Leipzig 0:1“

  1. “Heißt, sie haben nicht genug eigene Jugendspieler, die an der Spielgemeinschaft mit der TuS Leutzsch teilhaben und auch nicht ausreichend Schiedrsichter.”
    Imho hatte die BSG eine Spielgemeinschaft mit Eintracht Leipzig Süd und erst nächste Saison kommt die TuS Kooperation formaell zum Tragen.

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