Schlagwort-Archive: Frank Willmann

Lesestoff: Mittendrin

Der eine oder andere wird mitbekommen haben, dass in der Länderspielpause hier Ruhe war, weil ich mir eine Auszeit gegönnt und mich mit meiner Frau frisch verheiratet für eine reichliche Woche nach Israel bewegt habe. Lesetechnisch war das durchaus recht anregend, sich mal ein wenig mit lokalen Presseerzeugnissen zu beschäftigen, auch wenn die Auswahl im englischsprachigen Bereich nicht arg groß ist.

Wie schon vor knapp 20 Jahren, als ich mal ein halbes Jahr vor Ort verbrachte, war die Jerusalem Post mein erster Anlaufort (und selbst die ist in Tel Aviv nicht gerade einfach zu kriegen; dafür kriegt man gern ‘ich habe schon seit drei Jahren keine Zeitung mehr gekauft’-Antworten, wenn man fragt, wo man eventuell eine kaufen könnte). Eine Zeitung, mit der man einen ganz guten, inhaltlich und von den Meinungen her sehr breiten und extrem anregenden Einstieg (bzw. Wiedereinstieg) darin kriegt, wie und mit welchem Fokus Themen, zu denen hierzulande meist eine verzerrte Realität gezeichnet wird, vor Ort diskutiert werden.

Schon interessant auch, wie unterschiedlich Sportseiten gefüllt werden können. Während in Deutschland, überspitzt gesagt, nur dann nicht mit Fußball getitelt wird, wenn ein deutscher Einbeiniger im Stabhochsprung Olympiasieger wird, spielte dort Fußball in der Länderspielpause selbst dann nur eine untergeordnete Rolle, wenn am Abend ein Länderspiel Israel gegen Schottland anstand. Herrlich entspannend eine Sportseite zu öffnen und dann erstmal den neuesten Stand in den Playoffs in der Major League Baseball nachlesen zu können. Oder einen Beitrag zum Basketball vorzufinden. Oder was zu Rollstuhl-Rugby oder zu Tennis-Ballkindern in Wimbledon.

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Marketingopfer

RB schickt Werber in die Uni, Freikarten werden flächendeckend in Leipzig verteilt, den Kindern in die Zuckertüten gesteckt. Das zeigt langsam Wirkung. Zuschauertechnisch ist RB in Leipzig inzwischen Krösus. (Frank Willmann via Tagesspiegel)

Wer immer noch glaubt und behauptet, dass deswegen knapp 6.000 gut gelaunte Zuschauer an einem durchschnittlichen Frühmärz-Sonntag zu einem Viertligaspiel 2 gegen 12 (RB gegen Lübeck) gehen, weil die Marketingmaschinerie es ihnen eingeredet hat, der hat von Fußballleipzig tatsächlich noch gar nichts verstanden. Bzw. im Falle Frank Willmanns immer noch nichts.

11Freunde und das Leipziger Fußballelexier

Das selbsternannte Magazin für Fußballkultur 11Freunde fährt in Person von Frank Willmann zum Leipziger Stadtteil-Sechstliga-Duell zwischen BSG Chemie Leipzig und SG Leipzig-Leutzsch. So weit, so gut und unspektakulär, aber wenn man schon zum auserkorenen Rat der Kulturwächter gehört, muss man dann auch noch ein paar Halb-Weisheiten über Fußball-Leipzig in einen Artikel [broken Link] packen. Ein bissel Historie hier: Lok und der Europacup, Chemie und der Rest von Leipzig. Ein bissel Gegenwart dort: Lok rechts, Roter Stern links, FC Sachsen pleite und in zwei gespalten, RB Leipzig eine “Retortenbude”. Weil, so will es das Magazin für fußballkulturelle Grundsatzentscheidungen:

RB Leipzig ist für all jene Leipziger, denen der Fußball Lebenselixier ist, keine Beachtung wert.

Oh man, wie mir dieses Bescheidwissen auf den berühmten und zur Weihnachtszeit erlaubten Sack geht. Hier die wahren, guten Fußballanhänger, die Lok, Chemie oder RSL folgen, dort die Konsumentenfans ohne fußballkulturell vertretbare Bindung, die sich von RB Leipzig einfangen lassen. Geschrieben von einem Autor, der es für das wahrhafte Lebenselexier hält, zu einem Stadtteilduell zweier Sechstligisten zu fahren und hinterher festzustellen, dass dort “nur 2690 Zuschauer beiden Vereinen beim Kicken zuschauen” wollten. Mal abgesehen davon, dass die Zuschauerzahl ziemlich beeindruckend ist, darf auch ein Herr Willmann gern zur Kenntnis nehmen, dass man sich  ein Viertliga-Duell gegen Germania Halberstadt nicht anschaut, weil es der Fußball-Event-Himmel auf Erden ist oder man damit ewige Dauerkarten für mögliche, zukünftige Bundesligaspiele in Leipzig gewinnt, sondern weil man Bock hat auf Fußball, weil man Bock hat auf RB Leipzig und weil man keinen Bock hat, auf irgendwelche platten Vorhaltungen kulturerfahrener Fußballredakteure einer total hippen und angesagten Zeitschrift für die Pseudo-Fußball-Subkultur, deren Lebenselexier es ist, sich selbst und die eigene Weltsicht abzufeiern. Ihr wollt entscheiden, wer zur 11 der Freunde gehören darf? Na dann, schönes Leben noch.