Für RB Leipzig steht ja offiziellerweise diesen Sonntag der Rückrundenstart auf dem Programm. Ich würde aber weiterhin für ziemlich zweifelhaft halten, dass man die Spielstätte in Norderstedt bis dahin spielbereit herrichtet. Es wird die ganze Woche hindurch frosten und vielleicht noch nen bisschen schneien. Winter halt. Der große Gegner des Fußballs in den Niederungen unterhalb der Bundesliga.
Sei es wie es sei, tun wir der Einfachheit halber so, als stünde also der Rückrundenstart für RB Leipzig unmittelbar bevor. Ob dem tatsächlich so sein wird, ist für die Betrachtung des aktuellen Kaders auch eher irrelevant. Der Kader für die zweite Saisonhälfte steht nach dem Ende der Transferperiode und den hochwertigen Neuzugängen Roman Wallner, Niklas Hoheneder und Tomasz Wisio fest, sodass es sich lohnt, noch mal über die einzelnen Positionen im Team zu gucken.
Hier nicht mit verzeichnet sind im Gegensatz zur Hinrunden-Kaderanalyse Alexander Laas und Matthias Buszkowiak, die beide in der ersten Männermannschaft keine Rolle (mehr) spielen und Shaban Ismaili, der zu Sonnenhof Großaspach wechselte (Viel Glück dort!). Mit dabei sind hingegen die Neuzugänge Wallner, Wisio und Hoheneder. Womit RB Leipzig über insgesamt 26 Spielern verfügt, von denen reichlich 20 auch realistische Einsatzchancen besitzen. Steven Lewerenz, Paul Schinke, Daniel Rosin, Andreas Kerner und eventuell auch Maximilian Watzka dürften es hingegen schwer haben, sich in die Mannschaft zu spielen.
Die Kaderbetrachtung ist nach Positionen geordnet. Hinter jeder Position erscheinen die Spieler, die dort – ganz subjektiv bewertet – ihre Stammposition haben, in der Reihenfolge wie ich denke, dass ihre individuelle Stärke ist (ganz vorn steht also die jeweilige Nummer 1 auf jeder Position). Einfache Klammern bedeuten, dass der Spieler dort auch umstandslos spielen kann, doppelte Klammern bedeuten, dass der Spieler auf der Position im Notfall spielen könnte):
Tor: Pascal Borel (33 Jahre), Benjamin Bellot (21), Andreas Kerner (23)
Die Torhüterposition hielt ich vor Saisonbeginn für eine mögliche Baustelle. Das würde ich vor Beginn der Rückrunde nicht mehr behaupten. Pascal Borel hat sich als sicherer und erfahrener Rückhalt mehr als bewährt. Und dahinter hat Benjamin Bellot in den wenigen Einsatzzeiten vor allem in Freunschaftsspielen gezeigt, dass er ein ziemlich sicherer Vertreter ist, den man wohl jederzeit problemlos bringen könnte. Die Verhältnisse sind also klar, die Position sehr gut besetzt und Andreas Kerner auch aufgrund einiger kleinerer Blessuren außen vor.
Rechtsverteidiger: Christian Müller (28 Jahre), Tim Sebastian (28), (Steven Lewerenz, 20)
Auch auf der rechten Verteidigerposition ist die Hackordnung klar. Christian Müller, gefolgt von Christian Müller und dann kommt noch einmal Christian Müller. Und fällt er aus, bricht erst mal Panik aus. Ganz so schlimm ist es nicht, aber nimmt Christian Müller die Form aus der Vorbereitung mit, hat RB Leipzig einen Top-Rechtsverteidiger mit viel Dynamik, der nur schwerlich zu ersetzen ist. Einspringen könnte jederzeit auch Tim Sebastian, der derzeit Mädchen für alle defensiven Positionen zu sein scheint. Optimal wäre es nicht, aber in Meuselwitz hatte Sebastian in der Hinrunde gezeigt, dass man sich auf ihn auch rechts hinten verlassen kann.
Innenverteidigung: Marcus Hoffmann (24 Jahre), Henrik Ernst (25), Niklas Hoheneder (25), Fabian Franke (22), Tim Sebastian (28), (Daniel Rosin, 31)
In der Innenverteidigung hat die Winterpause eine Veränderung in der Hackordnung gebracht. Der in der Hinrunde noch langzeitverletzte Hoffmann gibt ab sofort den gesetzten Abwehrchef und eine Art Kapitän ohne Binde. Sehr präsent und lautstark. An ihm führt kein Weg vorbei. Dahinter ist alles möglich, hängt aber auch alles davon ab, ob Henrik Ernst nun final innenverteidigen oder im zentralen Mittelfeld aktiv sein wird (siehe weiter unten). In der Vorbereitung war er beides. Im letzten Testspiel Mittelfeldspieler, im vorletzten Innenverteidiger. Sieht Pacult ihn ganz hinten wird es für die anderen schwer, wenn Pacult das nicht tut (was derzeit wahrscheinlicher scheint), dann läuft es für den zweiten Innenverteidigerposten auf einen Zweikampf zwischen Niklas Hoheneder und Fabian Franke hinaus. Ausgang aus meiner Sicht offen. Allerdings dürfte Hohenender – als von Pacult verpflichteter Wunschspieler – wohl ein paar Vorteile haben. Dass Franke wie in der Hinrunde keine Spielminute Regionalliga verpasst, dürfte jedenfalls ausgeschlossen sein.
Linker Verteidiger: Tomasz Wisio (30), Umut Kocin (23), (Tim Sebastian, 28), (Paul Schinke, 20), ((Tom Geißler, 28))
Links hinten hat die Verpflichtung von Tomasz Wisio noch mal einen ordentlichen Qualitätsschub gebracht. Nun hat man auf dieser Position zusammen mit Kocin ein ziemlich gleichwertiges, hochklassiges Duo. Da Kocin mehr oder weniger die komplette Vorbereitung verpasst hat, dürfte er etwas hinterher hängen. Holt er den Rückstand auf, wüsste ich nicht wer der bessere Einzelspieler ist. Wisio dürfte zwar mit Vorsprung in die Rückrunde gehen, aber wie sich das im Rest der Hinrunde entwickelt, wage ich nicht zu prognostizieren.
Rechtes Mittelfeld: Timo Röttger (26 Jahre), Sebastian Heidinger (26), Carsten Kammlott (21), Maximilian Watzka (25), (Steven Lewerenz, 20)
Das rechte Mittelfeld ist sicher so etwas wie das Prunkstück bei RB Leipzig. Vier Spieler irgendwo zwischen sehr hohem und ordentlichem Niveau hat man für diese Position. Über allen steht sicherlich Timo Röttger. Wer danach kommt, dürfte immer abhängig sein von der Spielsituation, da außer Watzka alle anderen auch auf anderen Positionen spielen könnten, insbesondere Kammlott in der Vorbereitung vor allem als zweiter Stürmer eingesetzt wurde. Probleme dürfte es auf dieser Position auch bei Ausfällen keine geben.
Defensives, zentrales Mittelfeld: Henrik Ernst (25 Jahre), Pekka Lagerblom (29), Tom Geißler (28), Bastian Schulz (26), Timo Rost (33), (Tim Sebastian, 28), (Daniel Rosin, 31)
Das defensive Mittelfeld ist vermutlich die spannendste aller Positionen bei RB Leipzig. Viel, viel nominelle Klasse und keiner weiß vermutlich, wie die Aufstellung im ersten Punktspiel tatsächlich aussehen wird. Im letzten Testspiel gegen Linz durften Ernst und Lagerblom zusammen von Beginn an ran. Tom Geißler wirkte nach Einwechslung aber auch extrem gewillt. Derzeit etwas zurück scheinen Bastian Schulz und Timo Rost zu liegen, die in der Hinrunde noch ziemlich viele, gemeinsame Spielanteile hatten. Letztlich wird viel davon abhängen, ob Pacult Henrik Ernst tatsächlich im defensiven Mittelfeld oder nicht doch in der Innenverteidigung einsetzen wird. Je nachdem sind es noch ein oder zwei zu vergebene Plätze. Die man auch genausogut auswürfeln könnte. Keine Ahnung, in welche Richtung Pacult geht. Ich jedenfalls würde mich für ein Duo aus dem Personenkreis Geißler, Lagerblom, Ernst entscheiden. Muss mich aber glücklicherweise auch nicht entscheiden.
Linkes Mittelfeld: Thiago Rockenbach (27 Jahre), Sebastian Heidinger (26), Paul Schinke (20), (Timo Röttger, 26)
Das linke Mittelfeld ist nicht ganz so ausgezeichnet besetzt wie das rechte, aber immer noch sehr gut. Thiago Rockenbach wird allgemein ein wenig als fehlbesetzt da außen betrachtet. Ich würde das für jammern auf hohem Niveau halten. Rockenbach ist auch auf links ein exzellenter Vorlagengeber und sehr wichtiges Element im RB-Spiel. Und solange Pacult beim 4-4-2 bleibt, ist Rockenbach auf links jedenfalls gesetzt. Und das ist auch gut so. Dahinter lauert Sebastian Heidinger, der dadurch, dass er rechts und links Backup ist, gute Chancen auf relativ viele Einsatzzeiten hat. Was für Paul Schinke nicht wirklich gilt, der bei Peter Pacult offenbar keinen perfekten Stand hat.
Offensives, zentrales Mittelfeld: Thiago Rockenbach (27 Jahre), Tom Geißler (28), (Maximilian Watzka, 25), (Steven Lewerenz, 20)
Eigentlich eine Position, die im Pacultschen 4-4-2 nicht gebraucht wird und in der Vorbereitung nur in den Spielen besetzt wurde, in denen Pacult mit Dreierkette, also im 3-2-3-2-spielen ließ. Was zumindest in Spielen, die noch mal einer Stärkung der Offensive bedürfen, eine Option wäre. Sowohl Thaigo Rockenbach, als auch Tom Geißler zeigten auf dieser Position, gegen zugegebenermaßen nicht wirklich ernsthafte Gegner, ansprechende Leistungen und wären im Fall der Fälle auch in der Liga die ersten Einsatzkandidaten. Wodurch auch diese Postion doppelt gut besetzt ist.
Sturm: Daniel Frahn (24 Jahre), Roman Wallner (30), Stefan Kutschke (23), Carsten Kammlott (21)
Durch die Verpflichtung von Roman Wallner hat sich die Qualität im Sturm deutlich erhöht. Derzeit kann man fest vom Sturmduo Frahn/ Wallner ausgehen. Da Pacult am Anfang der Saison bekannt gab, dass ein Kapitän bei ihm zur Stammformation gehört und Daniel Frahn immer noch Kapitän ist, dürfte sich daran auch wenig ändern. Bedeutet auch, dass es für Kutschke und Kammlott als vermutlich jeweilige Ersatzleute für Frahn und Wallner eine ziemlich harte Rückrunde werden könnte. Was für die Mannschaft wahrscheinlich gut sein wird, bedeutet für die zwei nicht viel gutes, nämlich die ausschließliche Jokerrolle.
Rundumblick: Bis auf den Rechtsverteidigerposten, auf dem Tim Sebastian gegenüber Christian Müller abzufallen scheint, sind alle Positionen doppelt und zwar mit ziemlicher Klasse doppelt besetzt. RB Leipzig müsste deswegen das Team des Spitzentrios sein, das mögliche Ausfälle am besten kompensieren kann. Mal sehen, ob das noch mal relevant wird.
Sehr gut wirkte in der Vorbereitung bereits das Duo auf der rechten Seite Müller/ Röttger. Etwas ab fiel dagegen das noch nicht eingespielte Duo links Wisio/ Rockenbach. Auch dem Sturmduo Frahn/ Wallner und dem Inneverteidigerpärchen Hoffmann/ Franke (Hoheneder) fehlen noch ein paar Minuten miteinander, um aufeinander abgestimmt zu sein. Und das zentrale Mittelfeld in der Vorbereitung mit Höhen und Tiefen, was die Aufgabe angeht, im Gegensatz zur Hinrunde offensive und defensive Präsenz auszustrahlen. Das bleibt weiterhin der Mannschaftsteil mit dem größten Baustellencharakter.
Insgesamt ist also noch einiges an Luft nach oben. Trotzdem sind bereits acht von elf Positionen in der Mannschaft relativ sicher vergeben. Lediglich ein Innenverteidiger und die zwei Mittelfeldpositionen sind noch (mehr oder weniger) vakant. Die möglichen Aufstellungen in drei verschiedenen taktischen Varianten sehen jedenfalls im Optimalfall so aus:
4-4-2: Borel – Müller, Hoffmann, Franke (Hoheneder), Wisio – Röttger, Ernst (Schulz), Lagerblom (Geißler), Rockenbach – Wallner, Frahn
3-2-3-2: Borel – Müller, Hoffmann, Wisio – Ernst (Schulz), Lagerblom (Geißler), – Röttger, Rockenbach, Heidinger – Frahn (Wallner)
4-2-3-1: Borel – Müller, Hoffmann, Franke (Hoheneder), Wisio – Ernst (Schulz), Lagerblom (Geißler), – Röttger, Rockenbach, Heidinger – Frahn (Wallner)
Sagen wir so: Vor der Hinserie sah die Mannschaftsbesetzung schon ziemlich gut aus. Und es ist zur Rückrunde sicherlich nicht schlechter geworden. Nun muss man sich mit den Neuzugängen sehr schnell finden, um den harten Fight um den Aufstiegsplatz zu gewinnen. Denn dieser Kader gehört, das sollte man ehrlicherweise zugeben, bereits jetzt eine Liga höher. Und sollte mit der Unterstützung seiner Anhänger dort auch landen können.