Es gibt sie diese Spiele, nach denen eigentlich alle Beteiligten zufrieden sind. Wenn es eines Beweises für diese Aussage bedurft hätte, wäre das 1:1 zwischen RB Leipzig und dem Berliner AK ein Paradebeispiel. Denn durch das Unentschieden blieb der Berliner AK im heimischen Poststadion ungeschlagen und RB Leipzig vollbrachte das Kunststück eine komplette Regionalliga-Saison ohne Niederlage zu bestreiten. Was trotz der Tatsache, dass die Liga bei weitem nicht mehr die Qualität der letztjährigen Regionalliga hatte, eine famose Leistung ist.
Man muss nur mal das Auftreten der Mannschaft zum Ende der vergangenen Saison mit dem Auftreten der letzten Wochen vergleichen. Die Unterschiede sind phänomenal und wie Alexander Zorniger in dieser Zeit das Team spielerisch nach seinen Vorstellungen auch auf dem Platz sichtbar formte, ist ziemlich beeindruckend. Aus einer Mannschaft mit statischer Spielidee und oftmals auch zu viel Passivität ist ein attakierendes Team geworden, das über verschiedene Varianten verfügt, das gegnerische Tor in Gefahr zu bringen.
Selbst beim starken Berliner AK, als man mit einer durchrotierten Mannschaft auftrat (kein Spieler aus der Jena-Startelf stand in Berlin zu Beginn auf dem Platz), war man über 90 Minuten mindestens gleichwertig und hatte insgesamt sogar die besseren Chancen. Das 1:1 ging ok, aber ein Sieg von RB Leipzig wäre sicherlich auch verdient gewesen.
Dass man nach dem Spiel zu einem solchen Fazit kommen würde, konnte man vorher – auch wenn klar war, dass dem BAK im achten Spiel im Mai eventuell auch langsam die Kräfte ausgehen – nicht unbedingt ahnen. Denn dass die vorgenommenen Änderungen funktionieren würden, war sicherlich nicht ausgemacht.
So feierte beispielsweise Tim Sebastian nach mehrwöchiger Verletzungspause und OP sein überraschend frühes und nicht minder überraschend gutes Comeback in der Innenverteidigung (was Richtung Relegation insofern beruhigend ist, dass man nun hinter Hoheneder und Franke noch einen Ersatzmann hat). Links neben ihm stand in der Innenverteidigung jemand, den wohl kaum jemand da erwartet hätte, nämlich Umut Kocin, der seine Sache auf ungewohnter Position aber auch weitestgehend gut machte.
Vor der Abwehr diesmal wieder eine Dreiermittelfeldkette, in der Henrik Ernst den jederzeit präsenten Sechser gab und rechts neben ihm René Legien, 21jähriger Rechtsfuß, der erst in der Winterpause zur U23 von RB Leipzig stieß, ein überzeugendes Debüt im Profiteam feierte. Sicher fehlt da noch die Abstimmung und die Sicherheit, aber dass man so jemanden wie Legien ins Feuer werfen kann, ohne dass die Welt untergeht, ist ziemlich hübsch.
Als Zehner agierte vor der Dreierkette dann Clemens Fandrich und vor ihm mit Matthias Mory und Tom Nattermann nach Frahns Verletzung die Stürmer 3 und 4. Matthias Morys war es auch, der sicherlich zum Mann des Tages hätte avancieren können. Viel in Bewegung und ständig als Anspielstation gesucht, war er im Offensivspiel unheimlich wichtig und erarbeitete sich gute Chancen. Dass das Spiel trotzdem nicht als Morys-Spiel in die Geschichte eingehen wird, liegt daran, dass er die Chancen allesamt nicht nutzen konnte. Insbesondere eine mit seiner eigentlich großartigen Mischung aus Körperlichkeit und Schnelligkeit in Folge eines langen Balls erarbeitete Großchance allein vor BAK-Keeper Kisiel hätte Mitte der ersten Halbzeit ein Tor verdient gehabt und hätte aus der bescheidenen Sicht eines von außen Zuguckenden drin sein müssen.
Da sie dies nicht war, war es Henrik Ernst vorbehalten, das 1:0 für RB Leipzig zu erzielen, als er schön im Mittelfeld von Juri Judt freigespielt wurde und dann nach kurzem Solo trocken vollendete. Es war dies nach knapp 40 Minuten die völlig verdiente Führung für das Team, das im Laufe der ersten Halbzeit immer mehr das Spiel an sich zog und auch die klareren Chancen hatte.
Dass RB Leipzig mit dieser Führung nicht in die Kabine ging, lag daran dass sich die Rasenballsportler in den nächsten reichlich fünf Minuten bis zur Pause ein, zwei entscheidende Nachlässigkeiten in der Defensive leisteten. Nachdem der BAK die erste Großchance nach einem RB-Ballverlust im Mittelfeld noch liegen ließ, war es Nicolas Hebisch vorbehalten fast mit dem Pausenpfiff den Ausgleich zu köpfen.
Vorausgegangen war ein verlorenes Luftduell von Judt auf der linken Verteidigungsseite, auf der die Berliner Überzahl hergestellt hatten, wodurch sie frei auf dem Flügel standen. Die nach außen nachrückende Abwehrkette von RB Leipzig führte dazu, dass Rechtsverteidiger Koronkiewicz plötzlich quasi Innenverteidiger war und als solcher den in seinem Rücken startenden Hebisch übersah, der deswegen eher am Ball war und den Ball schön im Tor unterbringen konnte.
Sieht man die erste Halbzeit als ganze war der BAK mit dem 1:1 ganz gut bedient. Nimmt man nur die letzten fünf Minuten der ersten Halbzeit war es verdient. Nach der Pause jedenfalls die Berliner noch mal mit Aufwind und einem schönen Schussversuch, den Domaschke schön aus der Ecke kratzt. Und dazu einer Situation im Strafraum, die ich aus einiger Entfernung sofort als Strafstoß gesehen hätte (und die Fernsehbilder unterstützen diese Interpretation). Danach passierte für den Rest des Spiels für die letzte halbe Stunde eigentlich nichts mehr und man hatte den Eindruck als gäbe es eine Art Waffenstillstand. Alles plätscherte dem Abpfiff entgegen, den der insgesamt vernünftig leitende Schiedsrichter überpünktlich vornahm. Was allen Beteiligte aber entgegen kam.
Die Leistung von RB Leipzig beim Berlin war für sich genommen sicher nicht beeindruckend. Zu vieles passte nicht im Zusammenspiel und in der Abstimmung. Konnte es aber natürlich auch nicht angesichts der völlig neu zusammengeschmissenen Aufstellung. Besonders bemerkenswert aber neben der Tatsache, dass individuell mehr Licht als Schatten verzeichnet werden konnte, war, wie sich die Mannschaft trotz aller Schwierigkeiten im Detail als eine kompakt gegen den Ball arbeitende präsentierte, die dem Gegner kaum Luft und sowieso kaum Torchancen ließ.
Gerade in dieser Beobachtung kann man die Entwicklung der Mannschaft erkennen, denn bis runter zur 25 im Team scheinen alle die Spielphilosophie von Zorniger zu kennen und umsetzen zu wollen. Und oft auch zu können. Klar gibt es da insgesamt noch Luft, aber dass eine Elf, die so noch nie zusammen gespielt hat und die bei weitem nicht die stärkste ist, die RB aufs Feld schicken könnte, zum zu Hause ungeschlagenen Berliner AK fährt und dort mal eben mit mindestens guter Umsetzung der Spielidee einen mehr als verdienten Punkt mitnimmt, darf man tatsächlich auch einmal würdigen.
Fazit: Das Spiel des Berliner AK gegen RB Leipzig war insgesamt und nicht zuletzt wegen der Regenrahmenbedingungen sicherlich keine Fußballfeinkost. Aber trotzdem war es positiv zu vermerken, dass sich ein stark verändertes RB-Team sehr gut schlug und die Ungeschlagen-Serie letztlich souverän ins Regionalliga-Ziel brachte. Das mag direkt für die Relegation wenig Aussagekraft haben, aber es sagt sehr viel positives über den Gesamtkader von RB Leipzig und das ist dann indirekt doch wieder aussagekräftig Richtung Generation. Sprich, die Mannschaft ist bis hinein in die letzten Zweige bereit für den letzten anstehenden Schritt in dieser Saison. Möge das Glück ihnen in den letzten zwei Partien vor der Sommerpause hold sein.
Randbemerkung 1: Wettertechnisch war die Saison angesichts von diversen Frostspielen sicherlich nicht sehr optimal. Aber an Regen kann ich mich spontan nicht erinnern. In Neustrelitz schauerte es mal kurz, aber ansonsten blieb man in den unüberdachten Auswärtsstadien von Überraschungen dieser Art verschont. Da sich im Leben letztlich ja alles ausgleicht, gab es dafür in Berlin Regen, Regen, Regen und als man damit fertig war als Zugabe starken Regen. Was dazu führte, dass eine Handvoll der am Einlass verkauften rot-weißen Regenschirme mit BAK-Logo in den Besitz von RB-Anhängern überging. Wie der Rest der Anhängerschaft die Partie völlig durchweicht und mit “Duschen, einfach duschen”- Gesängen überstand, war schon bemerkenswert. Trotzdem hätte zu dem Sommerkick auf dem Rasen und dem allseits positiven Regionalliga-Finale ein bisschen Sonne auch ganz gut gepasst. Vielleicht und hoffentlich waren es ja aber auch nur die ausgiebigen Tränen des Fußballgotts, dass die Regionalliga im kommenden Jahr ohne RB Leipzig stattfinden muss..
Randbemerkung 2: Vielleicht war es ja dem letzten Spieltag und der Entspanntheit, die mit einem solchen oft verbunden ist, geschuldet, dass sich der Berliner AK als freundlicher und zuvorkommender Gastgeber präsentierte (eigentlich vermute ich aber, dass man beim Berliner AK einfach immer so ist). Schon das Titelblatt des Programmhefts zierten Glückwünsche zum Meistertitel und Erfolgswünsche für die Relegation. Eine gewogenen Grundstimmung, die auch im Stadion an jeder Ecke spürbar wurde. Auch wenn der Caterer beispielsweise ziemlich unglücklich darüber schien, dass letztlich nur 70 RB-Anhänger den Weg durch den Regen nach Berlin gefunden hatten. Der Berliner AK ist in seiner Außenwirkung eigentlich ziemlich sympathisch. Dass trotzdem so wenige Berliner Interesse an den guten Leistungen der Männermannschaft zeigen, ist schade, aber auch irgendwie ein Zeichen.
Randbemerkung 3: Champions League am Abend war ja ganz nett. Aber wenn ich mich an dem Tag hätte zwischen dem Spiel Berliner AK vs. RB Leipzig im Stadion und dem zum Kampf um Europas größten Titel augemotzten Bundesligaduell im TV entscheiden müssen, dann hätte ich mich wohl immer für die Regionalliga entschieden. Keine Pointe.
Lichtblicke: Es gab insbesondere mit Tim Sebastian und Henrik Ernst die Spieler, die dem Team besonderen Halt gaben, aber insgesamt war es eine kompakte Mannschaftsleistung aus der niemand wirklich herausragte.
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Tore: 0:1 Ernst (39.), 1:1 Hebisch (45.)
Aufstellung: Domaschke – Koronkiewicz, Sebastian, Kocin, Judt – Legien (68. Röttger), Ernst, Schinke – Fandrich (81. Siebeck) – Nattermann, Morys
Zuschauer: ca. 300/ offiziell 507 (davon 70 aus Leipzig)
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Bild: © GEPA pictures/ Sven Sonntag
Zur Randbemerkung Nr. 3 kann ich nur sagen, dass selbst ich pünktlich zum Anpfiff wieder zu Hause war ;)