3.Spieltag – 2.Bundesliga 2015/2016

Eine Spitzenmannschaft sollte weniger als ein Tor pro Spiel kassieren. (Fabio Coltorti, 30.10.2013)

Drei Gegentore hat RB Leipzig in den ersten drei Pflichtspielen (naja, knapp drei Pflichtspielen) kassiert. Und ist dabei ziemlich gut weggekommen, wenn man sieht, dass die Kontrahenten und insbesondere Fürth doch einige Chancen liegengelassen haben. Wenn man Fabio Coltortis obige Klassifizierung heranzieht (die zugegebenermaßen noch aus der dritten Liga stammt), ist man also von einer Spitzenmannschaft noch ein Stück entfernt.

Schaut man mal auf die letzten 20 Jahre in der dritten Liga, dann mussten die Mannschaften, die am Ende die ersten drei Plätze belegten, im Schnitt 35,6 mal den Ball aus dem Tor holen, also etwas über dem von Coltorti vorgegebenen Schnitt, der für die zweite Liga bei unter 34 Toren liegen würde. Dabei reichten im Schnitt reichlich 32 Gegentore für Platz 1, reichlich 36 Gegentore für Platz 2 und reichlich 38 Gegentore für Platz 3.

Nimmt man mal nur die letzten fünf Jahre, dann ist die Tendenz deutlich rückläufig, denn in dieser Zeit kassierten die Teams auf den ersten drei Plätzen nur noch 31,5 Tore im Schnitt. Und da sind schon die selbst historisch gesehen sehr hohen 48 Gegentreffer, mit denen Paderborn 2014 aufgestiegen ist, mit drin. Rechnet man Paderborn mal heraus und nimmt nur die zwei Erstplatzierten, also die Direktaufsteiger in die Bundesliga, dann griffen die Torhüter der neun entsprechenden Teams nur noch reichlich 28mal hinter sich, also deutlich weniger als einmal pro Spiel.

Ob das bereits als finaler Trend für die Fußballmoderne durchgeht, werden die kommenden Spielzeiten zeigen. Fakt ist, dass diese Bilanz sehr gut zu dem passt, was man wöchentlich in der zweiten Liga an Versuchen sieht, aus einer kompakt-aggressiven, torsichernden Grundordnung heraus Fußball zu spielen. Passend dazu auch, dass es in den vergangenen 20 Jahren nie drei Erstplatzierte Teams gab, die zusammen weniger Tore kassierten, als die drei Teams an der Tabellenspitze der letzten Saison. Glatt 28 Treffer mussten Ingolstadt, Darmstadt und Karlsruhe 2014/2015 lediglich hinnehmen.

Und selbst die Teams auf den Plätzen 4 und 5, Kaiserslautern und Leipzig kassierten nur 31 Gegentore und liegen damit unter den Top 10 der Teams mit den den wenigsten Gegentoren der letzten 20 Jahre, die am Ende doch nicht aufstiegen. In dieser Statistik liegt Gütersloh ganz vorn, die 1997/1998 mit 26 Gegentoren nur Fünfter wurden. Stuttgarter Kickers und Fürth folgen mit 27 Gegentoren, die 1996/1997 bzw. 2010/2011 nur zu Platz 5 und 4 reichten. Bei Unterhaching waren es 1996/1997 als Sechster mal 29. Und danach folgen schon jeweils sechs Teams mit 31 Gegentoren.

Bedeutet nichts anderes als dass eine geringe Anzahl an Gegentoren relativ verlässlich für einen Aufstiegs- oder Relegationsplatz reichen. In den letzten 10 Jahren stieg nur ein Team, das 30 oder weniger Treffer hinnehmen musste, nicht auf. 11 Teams mit solch einer Bilanz lagen am Ende auf einem der ersten drei Plätze.

Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass man mit vielen Gegentreffern nicht aufsteigen kann. Vor allem historisch gibt es einige Teams, die auch mit einer wackligen Defensive in die Bundesliga aufstiegen. St. Pauli und Ulm schafften es 1999 und 2001 mit jeweils über 50 Gegentoren ins Oberhaus. Und 12mal reichten 40 oder mehr Gegnetore für einen der ersten drei Plätze. In den letzten fünf Jahren war aber einzig Paderborn der statistische Ausreißer, für den deutlich über 48 Gegentore reichten (als Zweiter hatte man mehr als doppelt so viele Treffer kassiert wie Köln auf Platz 1). Was ganz gut zu dem statistischen Ausreißer passt, dass sie als einziges Team der letzten 20 Jahre nach zwei Auftaktniederlagen noch aufstiegen.

Ralf Rangnick seinerseits hat bei drei Bundesligaaufstiegen seit 1998/1999 noch nie die magische Coltorti-Regel von unter einem Gegentor pro Spiel erreicht. Mit Ulm waren es gleich 51 Treffer, die man zuließ (Platz 12 in der Gegentorstatistik der Saison), mit Hannover kam er dann schon mit 37 Gegentoren auf Tabellenplatz 1 und als defensivstärkstes Team ein. Um mit Hoffenheim 2008 bei 40 Gegentoren die viertbeste Defensive aufzuweisen. Bilanzen wohlgemerkt, die in den letzten fünf Jahren allesamt von 13 der 15 Topteams unterboten wurden. Verlässlich war in den Rangnick-Aufstiegsspielzeiten in jedem Fall die Offensive, die zweimal die beste und einmal die viertbeste war.

Was vermutlich ein Stückweit auch stilbildend für die aktuelle Saison sein dürfte. Viel Offensivpotenzial bei nicht immer Defensivpower auf absolut überragendem Niveau. Die Frage ist halt mit Blick auf die Daten, inwieweit sich der Fußball in der zweiten Liga in der nahen Vergangenheit nicht dahingehend verändert hat, dass defensiv stabile Mannschaften über eher in der Offensive starke Mannschaften triumphieren. Aus dem Erfahrungsschatz, den RB Leipzig in der zweiten Liga seit letzten Sommer gewonnen hat, kann man jedenfalls mitnehmen, dass man sich immer wieder schwer tat gegen gut organsierte Defensivketten und die Offensivbemühungen eher umschlugen in eine übergroße Defensivanfälligkeit bzw. als solche zurückschlugen.

Darauf verweisen auch die Daten seit Jahresbeginn, also saisonübergreifend für 2015. In allen Torschusskategorien (Schüsse insgesamt, Schüsse innerhalb des Strafraums, Schüsse aufs Tor) hat RB Leipzig ungefähr eine ausgeglichene bis leicht negative Bilanz. Sprich, die Kontrahenten schießen im Normalfall genauso oft, insgesamt sogar etwas öfter auf das RB-Tor als man selbst auf das gegnerische. Angesichts dessen, dass die Gegner wegen der hohen Verteidigung von RB meist gleich sehr gute Chancen haben, wenn sie denn mal vors Tor kommen, kein beruhigender Befund. Zumal die Tendenz halt auch negativ ist, denn 2014 waren die Torschussbilanzen noch relativ deutlich positiv zugunsten von RB Leipzig.

Nimmt man diese Statistiken, die ein wenig den Augenschein belegen, dass RB Leipzig in der Mannschaftsorganisation gegen den Ball wackliger geworden ist und entsprechend mehr gegnerische Torchancen zulässt und legt das neben den Befund, dass in den letzten Jahren in der zweiten Liga vor allem Mannschaften aufgestiegen sind, die über eine sehr gute Defensivorganisation verfügten (herausragend Köln, die mit dem deutlichen historischen Tiefstwert von 20 Gegentreffern aufstiegen), dann ist dies sicherlich nicht sonderlich vertrauenserweckend für die aktuelle Spielzeit. Selbst wenn man bei ausgeglichenen Torschussbilanzen am Ende immer noch mehr Tore schießen müsste als der Gegner, weil halt die individuellen Qualitäten bei RB gerade im Offensivbereich sehr viel höher sind als bei den meisten Konkurrenten und entsprechend auch die Chancenverwertung besser sein sollte.

Insgesamt bleibt es aber dabei, dass Defense in den letzten Jahren tatsächlich Meisterschaften und (überraschende) Aufstiege gewann. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass RB Leipzig im Saisonverlauf einiges über die Offensive versuchen wird herauzureißen, wird man nicht umhin kommen, zumindest an den Zielvorstellungen von Fabio Coltorti irgendwas bei einem Gegentor pro Spiel zu kratzen. Numerisch ist man dafür bis jetzt auf einem guten Weg. Von den zugelassenen Chancen her ist allerdings noch einige Luft nach oben.

Klar, es sind wie immer nur Statistiken und Paderborn in der vorletzten Saison zeigt deutlich, dass sie im Fall der Fälle eben nichts wert sind und man auch als kleine Schießbude der Liga aufsteigen kann, wenn dafür andere Dinge zusammenpassen. Dass die letzten sechs Zweitligameister allesamt einen Schnitt von unter einem Gegentor pro Spiel vorweisen konnten und fünf gar weniger als 30 Treffer kassierten (also im Schnitt vier Tore pro fünf Spiele), zeigt aber eben auch, dass Fabio Coltorti offenbar absolut recht hat, wenn er unter einem echten Spitzenteam eine Mannschaft versteht, die unter einem Tor pro Partie hinnehmen muss. Wenn man es aus diesem Blickwinkel betrachtet, hat RB Leipzig zu einem Spitzenteam der Liga noch einen ganz schön weiten Weg vor sich.

In der bisherigen Vereinsgeschichte hat RB Leipzig noch nie über eine ganze Saison hinweg ein Gegentor pro Spiel oder mehr kassiert. Der Höhepunkt waren da schon die 31 Treffer in 34 Spielen in der vergangenen Spielzeit. Wobei auch hier gilt, dass die Tendenz negativ ist, denn im Jahr 2015 kassierte man in 17 Ligaspielen bisher 21 Gegentore, lag also erstmals über einen längeren Zeitraum über der magischen Grenze. Wird spannend, wie sich das weiterentwickelt und wie man sich damit im Zweitligaranking einordnen kann.

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Gegentore RB Leipzig in den letzten sechs Spielzeiten (Ligaspiele)

  • 2009/2010 (Oberliga): 30 Spiele – 17 Gegentore – 0,57 Gegentore pro Spiel – 1.Platz
  • 2010/2011 (Regionalliga): 34 Spiele – 29 Gegentore – 0,85 Gegentore pro Spiel – 4.Platz
  • 2011/2012 (Regionalliga): 34 Spiele – 30 Gegentore – 0,88 Gegentore pro Spiel – 3.Platz
  • 2012/2013 (Regionalliga): 30 Spiele – 22 Gegentore – 0,73 Gegentore pro Spiel – 1.Platz
  • 2013/2014 (3.Liga): 38 Spiele – 34 Gegentore – 0,89 Gegentore pro Spiel – 2.Platz
  • 2014/2015 (2.Liga): 34 Spiele – 31 Gegentore – 0,91 Gegentore pro Spiel – 5.Platz

Gegentorbilanzen der drei Topteams der zweiten Liga in den vergangenen 20 Jahren

  • 2014/2015: 32, 26 (Darmstadt), 26 (Karlsruhe)
  • 2013/2014: 20 (Köln), 48 (Paderborn), 38
  • 2012/2013: 28, 34, 33
  • 2011/2012: 27, 33, 35
  • 2010/2011: 28, 27, 35
  • 2009/2010: 28, 37, 40
  • 2008/2009: 36, 37, 29
  • 2007/2008: 38, 40, 44
  • 2006/2007: 41, 30, 40
  • 2005/2006: 26 (Bochum), 36, 33
  • 2004/2005: 33, 37, 39
  • 2003/2004: 45, 37, 34
  • 2002/2003: 32, 45, 33
  • 2001/2002: 37, 38, 49 (Bochum)
  • 2000/2001: 35, 31, 52 (St. Pauli)
  • 1999/2000: 39, 48 (Bochum), 42
  • 1998/1999: 32, 31, 51 (Ulm)
  • 1997/1998: 32, 36, 35
  • 1996/1997: 28, 29, 38
  • 1995/1996: 30, 45, 37

Durchschnittliche Gegentore pro Saison nach Platzierung und für die drei Topplatzierten insgesamt in den letzten 20 Jahren

  • Platz 1: 647/20 = 32,35 Gegentore pro Saison
  • Platz 2: 725/20 = 36,25 Gegentore pro Saison
  • Platz 3: 763/20 = 38,15 Gegentore pro Saison
  • Alle 3 Topteams insgesamt: 2135/60 = 35,58 Gegentore pro Saison

Durchschnittliche Gegentore pro Saison nach Spielzeiten in den letzten 20 Jahren

  • letzte 5 Spielzeiten: 472/15 = 31,47 Gegentore pro Saison
  • restliche Spielzeiten: 1663/45 = 36,96 Gegentore pro Saison

Wenigste Gegentore, ohne dass das in den letzten 20 Jahren zu einem Platz unter den ersten Drei reichte

  • FC Gütersloh: 26 Gegentore – 1997/1998 – 5.Platz
  • SpVgg Greuther Fürth: 27 Gegentore – 2010/2011 – 4.Platz
  • Stuttgarter Kickers: 27 Gegentore – 1996/1997 – 5.Platz
  • SpVgg Unterhaching: 29 Gegentore – 1996/1997 – 6.Platz
  • 1.FC Kaiserslautern: 31 Gegentore – 2014/2015 – 4.Platz
  • Fortuna Düsseldorf: 31 Gegentore – 2009/2010 – 4.Platz
  • FC St. Pauli: 31 Gegentore – 1997/1998 – 4.Platz
  • RB Leipzig: 31 Gegentore – 2014/2015 – 5.Platz
  • TSV 1860 München: 31 Gegentore – 2012/2013 – 6.Platz
  • SpVgg Greuther Fürth: 31 Gegentore – 1998/1999 – 8.Platz

Torschussbilanzen RB Leipzig 2015 (nur Ligaspiele)

  • Torschüsse insgesamt: 191:196
  • Torschüsse innerhalb des Strafraums: 108:128
  • Torschüsse aufs Tor: 66:65

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3.Spieltag

  • SC Paderborn 07 – SV Sandhausen – 1
  • 1. FC Heidenheim – Fortuna Düsseldorf – 2
  • FSV Frankfurt – Karlsruher SC – 2
  • SC Freiburg – VfL Bochum – 0
  • Eintracht Braunschweig – RB Leipzig – 0
  • 1. FC Union Berlin – 1. FC Kaiserslautern – 2
  • FC St. Pauli – SpVgg Greuther Fürth – 2
  • MSV Duisburg – Arminia Bielefeld – 0
  • 1. FC Nürnberg – TSV 1860 München – 1

Tippquote bisher: 6 von 18 (bei RB-Spielen: 1 von 2).

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