Man habe diese Saison keinen Aufstiegsdruck und gehöre auch nicht zu den ganz großen Favoriten der Liga, ließ Ralf Rangnick kürzlich verlauten. Wenn alles perfekt laufe und andere schwächeln, habe man eine Chance und dann wolle man sie nutzen. Wenn das nicht klappe, sei das aber auch nicht so wild.
Stimmt alles sicherlich, wenn man die aktuelle Situation, die Situation vor der Saison und den Kader betrachtet. Könnte aber alles wiederum ganz anders sein, wenn man zur Winterpause ähnlich platziert ist wie aktuell und dann mit zwei, drei Neuzugängen mit Bundesligapotenzial, die man sicherlich erwarten darf, in die letzten 15 Spiele geht. Wenn man in diese mit immer noch zwei bzw. vier Punkte Rückstand auf die direkten Aufstiegsplätze zwei und eins geht (oder gar besser platziert ist), wird man sich sehr wohl zu den Topfavoriten auf den Aufstieg zählen lassen müssen und kann diese Rolle nicht mehr ablehnen.
Der Erfurter Blognachbar Fedor Freytag prägte vor einem Jahr für die dritte Liga das sicherlich auch für die zweite Liga passende Bonmot, dass man bis zur Winterpause noch nichts gewinnen, aber sehr wohl bereits etwas verspielen könne. Aufstiegschancen zum Beispiel. Überträgt man diese Anmerkung auf die aktuelle Saison, dann sind noch nicht viele Mannschaften komplett raus aus dem Kampf um die ersten drei Plätze. Ausschließen kann man wohl die Mannschaften, die man schon vor der Saison ausgeschlossen hätte. Also Sandhausen, Frankfurt, Aue und Aalen. Dazu kommen mit Union und St. Pauli zwei Teams, denen man Außenseiterchancen zugerechnet hätte, die sich aber für die 20 restlichen Saisonspiele eher darum kümmern werden, nicht nach unten aus der Liga zu rutschen.
Bochum, Fürth, 1860 und Nürnberg bilden mit etwas Abstand zur achtköpfigen Spitze so etwas wie das nach oben schielende Mittelfeld. Bei Bochum und Fürth fehlt einem aktuell aber etwas die Phantasie, sich vorzustellen, dass die Teams so viel Konstanz aufbringen können, um noch mal ganz oben reinzurutschen. Nürnberg und 1860 München hätten sicherlich die individuellen Fähigkeiten für den Kampf um die Aufstiegsplätze. Bei beiden muss man aber erst mal abwarten, wie sie sich unter neuen Trainern auf Dauer stabilisieren.
Beiden könnte allerdings das Beispiel von Paderborn letzte Saison Mut machen, die im Extremfall neun Punkte Rückstand auf einen direkten Aufstiegsplatz hatten (nach dem 17.Spieltag) und am Ende trotzdem aufstiegen. Nürnberg und 1860 aktuell mit acht bzw. zehn Punkten Rückstand auf Platz 2 und sieben bzw. neun Punkten Rückstand auf Platz 3.
Bleiben acht Mannschaften, die sich nach 14 Spielen in die beste Ausgangsposition geschoben haben. Fünf Punkte liegen aktuell lediglich zwischen Ingolstadt auf Platz 1 und Kaiserslautern auf Platz 8. Will man aus diesen acht einen größeren Favoriten herausstellen, dann landet man wohl bei Düsseldorf, die mit ihrer Achse der Physis (Tah, Avevor, Benschop) etwas haben, das eventuell in dieser zweiten Liga schon ausreicht, um aufzusteigen. Dazu mit Pohjanpalo und Hoffer zwei treffsichere Stürmer und fertig ist ein spielerisch nicht immer herausragendes, aber doch sehr effektives und gutes Gesamtpaket.
Hinter Düsseldorf kann man dann losen, wen man als zweitgrößten Favoriten sehen will. Ingolstadt war lange sehr dominant, hat sich aber zuletzt mit zwei Punkten aus drei Spielen eine kleine Erfolgsauszeit genommen. Wie bei RB Leipzig hat man auch in Ingolstadt (auf niedrigerem Niveau) die Möglichkeit auf Kaderprobleme kurzfristig zu reagieren (wie die Verpflichtung von Tobias Levels nach der Verletzung von Danny da Costa beweist). Ob das auch bedeutet, dass man über die gesamte Saison hin konstant punkten kann, muss man abwarten.
Die Ex-Bundesligisten Kaiserslautern, Braunschweig und Karlsruhe aktuell fast im Gleichschritt hinter den Aufstiegsplätzen. Kaiserslautern fehlt beim Setzen auf junge und eigene Spieler noch die offensive Durchschlagskraft und Effektivität. Spielerisch ist es vielleicht das beste Team der Liga.
Braunschweig ist nach Anfangsproblemen in der Liga angekommen und mit 12 Punkten aus den letzten vier Spielen eines der heißesten Teams der Liga. Man spielt inzwischen relativ nüchternen, defensiv soliden Fußball, der unanfällig für größere Krisen scheint. Und wer in dieser Liga die wenigsten Krisen hat, dürfte wohl am Ende die besten Aufstiegschancen haben.
Das zweitbeste Auswärtsteam der Liga, der Karlsruher SC könnte sicherlich im Kampf um die ersten drei Plätze auch überraschen. Die zwischenzeitliche Krise mit vier Spielen in Folge ohne Sieg hat man schon hinter sich und zumindest wenn man das Spiel nicht machen muss, dürfte man zu den besten Teams der Liga gehören. Auch wenn man individuell vielleicht hinter manchem Team ein wenig abfällt.
Blieben die Aufsteiger. Sowohl Heidenheim als auch Darmstadt sind enorm heimstark. Bei beiden erwartet man aber auch immer, dass sie dann vielleicht doch bald einbrechen. Insbesondere bei Darmstadt vermutet man dies jedoch schon seit etwa einem Jahr und liegt damit seitdem komplett falsch. Weswegen man wohl auch damit rechnen muss, dass das Team, das wohl im deutschen Profifußball jenes ist, das das meiste aus den eigenen Möglichkeiten macht, auch in der zweiten Liga konstant oben mitspielen kann (zumal man in Sachen Physis auch in der zweiten Liga ein absolutes Topteam ist). Heidenheim hat sicherlich nicht weniger Potenzial als Darmstadt, auf lange Sicht sollten sie aber zumindest für die ersten drei Plätze keine Rolle spielen.
Wenn man sich so die aktuelle Favoritenlage in der zweiten Liga anschaut und bedenkt, dass keines der Teams bisher ohne Schwächephase durch die Saison kam (am ehesten gelang dies noch Darmstadt, die in 11 von 14 Spielen zumindest zwischenzeitlich mal in Führung lagen), dann fallen nicht nur Prognosen für den Rest der Saison schwer, sondern ist natürlich auch RB Leipzig absolut nicht chancenlos im Aufstiegskampf. Denn letztlich hat man schon dann gute Karten, wenn man konstant punktet, weil es keine zwei dominanten Teams gibt (und vermutlich auch nicht geben wird), die durch die Liga marschieren können.
Genau dies ist auch der Grund, warum man die eigentlich aktuell abgeschlagenen Nürnberger und Münchener noch nicht ganz abschreiben sollte. Aber weiter abfallen darf man dabei nicht, braucht doch bspw. Nürnberg schon jetzt selbst bei konservativer Rechenmethodik mehr als zwei Siege aus drei Spielen (also aus den verbleibenden 20 Spielen noch mindestens 14 siege), um am Ende noch zumindest auf Relegationsplatz 3 zu kommen. Eine Niederlage in Braunschweig am Montag wäre da vielleicht sogar schon das Ende aller möglicherweise nach dem Sieg gegen Ingolstadt wieder aufkeimenden Hoffnungen.
Zu diesem Zeitpunkt der Saison kann man mit gutem Gewissen und wenig überraschend sagen, dass man eigentlich noch nicht viel weiß in Sachen Aufstiegskampf. Auch wenn sich das Tabellenbild inzwischen doch schon ausdifferenziert hat. Fakt ist aber, dass der Kreis der Kandidaten relativ groß ist, weil der Kreis an Topfavoriten aktuell so klein bzw. gar nicht vorhanden ist. Gut für die Liga und die Spannung, schlecht für die Nerven derjenigen, die ein Team in der Liga haben, mit dem sie mitfiebern.
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15. Spieltag
- SpVgg Greuther Fürth – 1. FC Heidenheim – 1
- FC Erzgebirge Aue – 1. FC Union Berlin – 2
- SV Darmstadt 98 – Karlsruher SC – 2
- FC Ingolstadt – VfL Bochum – 1
- VfR Aalen – Fortuna Düsseldorf – 0
- TSV 1860 München – FSV Frankfurt – 2
- FC St. Pauli – 1. FC Kaiserslautern – 1
- SV Sandhausen – RB Leipzig – 2
- Eintracht Braunschweig – 1. FC Nürnberg – 1
Bisherige Tippquote: 59 von 126 (Quote bei RB-Spielen: 6 von 14)
Wie immer sehr gut analysiert, das ähnelt also alles der Situation vom letzten Jahr. Somit wird Red Bull Leipzig sicher aufsteigen, wovon ich auch damals fest überzeugt war. Nur Darmstadt hing “wie ein Klotz am Bein” an RB dran, das wird dieses Mal ganz anders sein…
Meine diesbezügliche jetzige Hoffnung begründe ich mit: Poulsen, Boyd, Kalmár, Teigl in die Offensive, evtl. auch Rebic, die sonstigen Leistungsträger (Kaiser, Sebastian & Co.) kennen wir alle…