RasenBallsport Leipzig vs. TSV Havelse 2:0

Das letzte Spiel von RasenBallsport Leipzig in der aktuellen Regionalliga-Saison wurde zu dem, was man vor dem Spiel schon erwarten durfte, zum meistenteils freundschaftlichen Sommerkick. Daran änderte auch die kampfeslustige Aufforderung der Gästeanhänger zum Spielbeginn (‘Nur noch neun’ – 9 Tore und drei Punkte trennten sie vom Nichtabstiegsplatz) nichts. Passender Rahmen des Spiels, das dank Sachsenpokal-Finale nächsten Mittwoch für alle Beteiligten (Spieler und Zuschauer) zur Nebensache wurde, war die Freundschaftsspielkulisse von 1305 Zuschauern bei Beteiligung von 1o Gästefans, 4 davon im aktiven Support. Naja.

Auf dem Platz legten die RasenBallsportler los als hätte man nur 20 Minuten Zeit, um den Sieg sicher zu stellen. Angesichts der sportlichen Konstellation vor dem Spiel ließ man den Ball laufen und hatte in manchen Situationen sogar die Lockerheit hübsche Kombinationen anzubieten. Dass es nicht schon zur Halbzeit 2:0 oder 3:0 stand, lag an einer Mischung aus Inkonsequenz und Pech (zweimal Aluminium in Hälfte 1) beim Abschluss, war aber alles in allem mehr als verkraftbar. Mit ablaufender Spielzeit investierten die RasenBallsportler immer weniger in die Partie und hatten Glück, dass die zumindest sportlich abgestiegenen Gäste (mal sehen, ob die Finanzen anderer Klubs nicht Havelse doch wieder in die nächstjährige Regionalliga bringen) zeigten, warum sie da unten stehen stehen und diverse Großchancen frei vor dem gegnerischen Tor verdaddelten oder am gut aufgelegten Sven Neuhaus scheiterten.

Bemerkensmert am Spiel noch, dass Timo Rost mal wieder eine reichliche halbe Stunde mitspielen durfte. Durchaus gefällig, wie ich fand. Zusammen mit Benjamin Baier sorgte er dafür, dass die Doppelsechs Laas/ Geißler neu besetzt wurde. Man kann dies als Kennzeichen einer tiefen Bank interpretieren, die ohne Substanzverlust einen kompletten Mannschaftsteil ersetzen kann. Man kann dies aber auch als weiterhin nicht vorhandene Stammformation auf dieser Position intepretieren. Für letzteres spräche, dass mit Laas, Geißler, Rost, Baier, Sebastian, Rosin und Kläsener bereits sieben (!) Spieler den Sechser geben durften (falls ich keinen vergessen habe), ohne dass sich daraus über die Saison gesehen irgendetwas wie Konstanz ergeben hätte. Auf einer für den Spielfluss wesentlichen Position sicherlich suboptimal und recht bezeichnend für das sportlich insgesamt enttäuschende Regionalligajahr.

Trotz der sportlichen Enttäuschung war dieses letzte Regionalliga-Heimspiel des Fußballjahres ein versöhnlicher Abschluss. Offenbar hatten alle Beteiligten ein feines Gefühl dafür, dass hier einige Spieler und der Trainer zum letzten Mal (zumindest in der Regionalliga) auf dem Platz stehen würden. Und so wurden insbesondere die Herren Neuhaus, der wieder mal zu Hause von Beginn an spielende Hertzsch und Oral mit individuellen Fanrufen bedacht. Insbesondere bei letzterem ist dies bemerkenswert, wurde doch gerade das Fanumfeld mit Tomas Oral über das gesamte Jahr nicht so recht warm. Ich persönlich halte es für richtig, dass noch unter Ex-Sportdirektor Thomas Linke die Entscheidung getroffen wurde, nicht mit Tomas Oral in die neue Saison zu gehen. Zugebenermaßen tut es mir aber auch leid für Oral, dass ihm kein sportlicher Erfolg beschieden war. Umso schöner, dass die Fans demjenigen, der vielleicht erfolglos war und manchmal in seiner Rhetorik wenig nachvollziehbar daher kam, auch nach Spielschluss mit ihren unterstützenden Bekundungen noch einmal ihren Dank für die trotzdem einjährige, unermüdliche Arbeit unter erschwerten Bedingungen (kein Sportdirektor, motzendes mediales Umfeld, nicht selbst zusammengestellter Kader) aussprachen. Ich gebe zu, ich hatte ein wenig Gänsehaut. Meinen Respekt an die in dieser Situation feinfühlige Fankurve.

Man kann an diesem Ende der Saison (und in den nächsten Wochen wird sicherlich noch gelegentlich Zeit bleiben auf verschiedene Aspekte der Saison zurückzublicken) natürlich konstatieren, dass 18 Punkte und sagenhafte 31 Tore Rückstand auf den Chemnitzer FC zutiefst deprimierend sind. Das nagt natürlich und wird auch bei möglichen zukünftigen Aufeinandertreffen immer wieder im Hinterkopf sein. Man kann konstatieren, dass die Unruhe im administrativen Teil des Vereins maximal suboptimal war. Man kann konstatieren, dass die Saison insgesamt eine enttäuschende war. Doch bei all dem darf man nicht vergessen, dass Enttäuschungen zum Fußball eben dazu gehören und man daraus lernen und die Dinge verbessern muss, die nicht gut waren.

Man darf zudem auch nicht vergessen, dass der Verein RasenBallsport Leipzig vor allem in seinem Auf- und Zusammenwachsen mit dem Umfeld wieder einen großen Sprung gemacht hat. Davon zeugt auch die Tatsache, dass selbst nachdem die Idee vom Aufstieg mit der Kiel-Niederlage abgehakt war, weiterhin ein durchaus beachtlicher Schnitt von geschätzten 2.500 RasenBallsport-Anhängern ihr Team durch die Restsaison begleiteten. Ein harter Kern von Zuschauern, dem offenbar sehr wohl bewusst ist, dass Niederlagen zum Sport dazu gehören und das Leben eben weitergeht.

Bei mir persönlich hält sich die Enttäuschung über die Saison in überschaubaren Grenzen.Was daran liegen könnte, dass sich meine Beschäftigung mit dem Leipziger Fußball in den letzten 10 Jahren sowieso maximal um die Regionalliga drehte und ein anderer Bezugsrahmen fast schon nicht vorstellbar ist. Zugegeben, als der Chemieblogger in einem Gespräch vor der Saison die Frage aufwarf, was passieren würde, wenn die fiktive Situation einträte, dass RasenBallsport Leipzig mit drei Unentschieden am Stück starten würde, habe ich sinngemäß geantwortet, dass das bestimmt nicht passieren würde und selbst wenn, würde man die Sache (sprich den Aufstieg) durchziehen. Stichwort pragmatisch-sportliches, zielorientiertes Arbeiten. Und nach den drei Auftaktunentschieden war für mich immer noch klar, dass zum Schluss der Aufstieg stehen wird. Nun ja, Irren ist menschlich.

Auch wenn meine Erwartungshaltung zu Beginn eine andere war, hat mir die Saison trotzdem Spaß gemacht. Reduziert man das Jahr auf das, was es in der Essenz bedeutet, nämlich das Besuchen von Spielen, dann kann ich mich nicht erinnern, dass ich irgendwann ungern ins Stadion gepilgert wäre. Vielmehr habe ich mich über die zwei verpassten Heimspiele (Magdeburg, Plauen), auch wenn gerade bei zweiterem nichts mehr zu wollen war, sehr geärgert. Das Fußball Gucken in der Schüssel hat, trotz allem sportlichen Misserfolg, Spaß gemacht, schon allein deswegen, weil ich Fußball in der Red Bull Arena immer noch als was unheimlich Großartiges empfinde. Die Mannschaft in ihren Höhen und Tiefen, in ihrem Wollen und Scheitern zuschauend zu begleiten, war zwar nur zu Teilen Freud und zu großen Teilen auch Leid, aber es war auch eine Begleitung, bei der etwas gewachsen ist, bei der einem die Mannschaft und einzelne Charaktere ans Herz gewachsen sind. Ich würde behaupten, dass dies anderen Besuchern der RasenBallsport-Spiele ähnlich ging und so wuchs im Laufe des Jahres ein durchaus angenehmes RasenBallsport-Publikum heran. Klar, die Entwicklung des Publikums und insbesondere der Fankultur ist lange nicht abgeschlossen, aber die abgelaufene Saison hat in Bezug darauf zu mindestens 90% Spaß gemacht.

Wie gesagt, ich sehe es sportlich. Ein Misserfolg bleibt zwar ein Misserfolg und ein Zusatzjahr Regionalliga ist nun wirklich nicht der Himmel auf Erden, aber dieser Misserfolg und das Jahr mehr an Zeit zum Wachsen tun dem Verein vielleicht auch gut. Inwieweit der anstehende, substanzielle Umbruch im Kader und bei den sportlich Verantwortlichen zu einer besseren sportlichen Bilanz beitragen wird, muss man abwarten. Die Wahrheit des Spiels namens Fußball liegt in ganz konkreten Spielen und deren Atmosphäre und dem Mitwachsen und Mitleiden und Mitfreuen mit einer konkreten Mannschaft und eben nicht absolut und ausschließlich in den Ergebnissen. In diesem Sinne freue ich mich auf ein weiteres Jahr Regionalliga mit RasenBallsport Leipzig in der Schüssel. In diesem Sinne auch ein vorläufiges Danke an die Mannschaft und das Umfeld für ein Jahr Fußball in der Red Bull Arena. Möge der RasenBallsport-Saison mit dem Gewinn des Sachsenpokals ein versöhnliches Ende beschert sein, so versöhnlich wie es die Stimmung beim letzten Heimspiel gegen Havelse bereits war.

Fazit: Das Spiel  und der Sieg gegen Havelse zum Regionalliga-Finale fast schon eine Nebensache. Das Spiel trotzdem in seiner Entspanntheit ein ansehnliches. Genauso wie der Faktor Sentimentalität, der wohl zum Saisonabschluss so unweigerlich dazugehört, wie die Sommerpause, die uns ab nächsten Donnerstag wieder in ihre unschönen Finger kriegt.

Randbemerkung 1: Passend zum Thema Versöhnlichkeit die hübsche Randpointe, dass ausgerechnet Tom Geißler mit schönem Schuss das 1:0 markierte. Tom Geißler hat sicherlich lange Zeit weit unter seinen Möglichkeiten gespielt. Warum auch immer. Dass er so ein bisschen den Buh-Mann für die fehlende Kreativität im RasenBallsport-Spiel geben musste, fand ich trotzdem nie gerecht. Ich habe mir von Tom Geißler auch mehr erhofft und fand es schade, dass er oft neben den Schuhen stand. In den letzten Spielen, in denen er koninuierlich mitspielen durfte, sah das ganze insgesamt schon viel besser aus. Dass er nun auch noch sein erstes Saisontor erzielen durfte, freut mich wirklich für ihn. Vielleicht nimmt er das Selbstvertrauen ja in das Sachsenpokal-Finale gegen Chemnitz mit.

Randbemerkung 2: Einen durchaus imposanten Vergleich bot der gestrige Tag dank des abendlichen Champions League Finales. Zuerst Regionalliga in einem Spiel, in dem es um nichts mehr geht und abends der Kampf um die Krone des europäischen Fußballs. Wenn man einen derart direkten Vergleich hat, dann fallen einem die Unterschiede zwischen der europäischen Spitze und den deutschen Ligenniederungen erst einmal so richtig auf. Klar gegen den FC Barcelona sieht auch Manchester United wie ein pures Amateurteam aus. Trotzdem ist der Kontrast zu dem, was man bei RasenBallsport am Nachmittag sehen durfte derart deutlich, dass ich das Gefühl hatte, Barcelona und Manchester würden schlicht und einfach einen andere Sportart betreiben als die RasenBallsportler. Zugeben, ein unfairer Vergleich..

Randbemerkung 3: Noch einmal das Catering (eine finale Bemerkung zum Themenfeld, ein Versprechen an alle, die das Thema langsam langweilig finden). Nach dem Chaos gegen Dynamo heute wieder mal mit dem gegenteiligen Phänomen. Dass man gegen Havelse mehr Stände öffnet als gegen Dynamo, kann man rational schon gar nicht mehr erklären. Dass daraus für den geneigten und durstigen Konsumenten eine absolute Win-Situation entstand, ist natürlich erstmal großartig (Stichwort eins-zu-eins-Betreuung), betriebwirtschaftlich scheint es mir keinen Sinn zu machen, bei reichlich 1.000 Zuschauern mehr Aufwand zu betreiben als bei 7.000. Ich weiß, es ist vorher immer schwer zu planen, wieviele Zuschauer tatsächlich erscheinen. Aber Dynamo! Und dann Havelse!

Lichtblicke:

  • Sven Neuhaus: vielleicht ein wenig der Versöhnlichkeit geschuldet, aber für mich heute ein Lichtblick. Mit seiner ihm eigenen Ruhe hat er gegen Havlese den Sieg gesichert. Mehrmals in eins-gegen-eins-Situationen traf er immer die richtige Entscheidung und wehrte so alle Torversuche des Gegner mit Fuß oder Hand gekonnt ab. Sehr schön. Argumente für eine mögliche Vertragsverlängerung?

Schattenblicke:

  • Ingo Hertzsch: Tut mir leid, zumal es sein letztes Regionalliga-Spiel für RasenBallsport Leipzig war und ich den Spielertypen Hertzsch eigentlich durchaus schätze. Als Rechtsverteidiger ist Hertzsch aber weiterhin ganz deutlich fehlbesetzt. Einige Stellungsfehler, zu langsam, keine offensiven Kreativmittel. Über seine Seite ging offensiv nur sehr wenig, defensiv gab es dagegen einige gefährliche Szenen. Ingo Hertzsch ist Innenverteidiger und wird in den späten Zügen seiner Karriere nichts anderes mehr. Schon gar nicht, wenn man ihn praktisch nie einsetzt und wenn dann doch mal, dann auf dieser nicht eingespielten und von ihm nicht geliebten Position.

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Tore: 1:0 Geißler (31.), 2:0 Frommer (87.)

Aufstellung: Neuhaus – Hertzsch, Kläsener, Franke, Müller – Laas (59. Rost), Geißler – Schinke (59. Baier), Rockenbach – Frahn, Kutschke (74. Frommer)

Zuschauer: 1305

Links: RBL-Bericht [broken Link], RBL-Liveticker [broken Link], RB-Fans-Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link]

2 Gedanken zu „RasenBallsport Leipzig vs. TSV Havelse 2:0“

  1. „Auf dem Platz legten die RasenBallsportler los als hätte man nur 20 Minuten Zeit, um den Sieg sicher zu stellen.“

    So schien es wirklich; und wie es hätte 3:1 für RB zum Ende der 1. stehen können, so hätte es leider auch 1:3 für Havelse in der zweiten Hälfte stehen können.
    Weshalb ich insgesamt und auf die Saison zurückblickend den Eindruck habe, dass der RasenBall gegen Mannschaften der unteren Tabellenplätze schlechter gespielt hat als gegen Mannschaften der oberen Plätze.
    Der Kader respektive seine individuellen Spieler benötigen vielleicht einfach „Klasse“ Gegner (bitte nicht falsch verstehen, dient hier nur zur Unterscheidung von Platz 1 und 18 der Tabelle).

    Ich bin sehr gespannt auf das Spiel am kommenden Mittwoch (vielleicht geht meine Theorie mit einem positiven Ergebnis für RB aus)!

  2. Ja, wenn der Gegner nicht Havelse, sondern Kiel geheißen hätte, dann wäre das Spiel am Samstag wohl ordentlich in die Hose gegangen. So durfte man miterleben, wie Chancenverwertung auf Absteiger geht. Die positive Hoffnung für den Mittwoch teile ich natürlich. Hoffentlich stehen der Mannschaft die unklaren oder negativen Vertragsentscheidungen (Neuhaus!) nicht allzusehr im Weg..

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