Da hängt man dem RasenBallsport und den einzig wahren RasenBallsportlern an, interessiert sich also im Kern für Fußball, Tore, mehr oder weniger sinnvolle Aufstellungen, Siege und Niederlagen und dann fängt man an, sich plötzlich mit allerlei Fragen zu beschäftigen, denen man früher vielleicht bereits weniger intensiv gefolgt war oder aber auch gar nicht. Kommerz, Fankultur und der moderne Fußball waren sicherlich auch schon früher für mich beobachtete Themen, wurden es aber so richtig erst in den letzten zwei Jahren mit diesem Blog hier. Baurechtsfragen hingegen begegnete ich in meinem Prä-Blog-Dasein z.B. nicht. Oder zumindest nicht, dass es mir eindrücklich erinnerlich geblieben wäre.
Ende 2010 bekam diese Ignoranz ihre erste Delle als der Stadtrat seine Willensbekundung für ein RB-Trainingszentrum am Cottaweg abgab. In den vergangenen Tagen kam noch einmal eine ordentliche Schramme dazu, als die Stadt Leipzig den Bebauungsplan Nr. 384 veröffentlichte [broken Link], mit dem geregelt werden soll, was denn so westlich des Cottawegs also auf dem RB-Trainingsgelände und drumherum gebaut werden soll und kann.
Eigentlich kann man nur jedem empfehlen, sich die gesammelten Pläne mal anzuschauen. Insbesondere der Rahmenplan (pdf) [broken Link] und dessen anschaulichen und interessanten Erläuterungen (pdf) [broken Link] sind mehr als empfehlenswert, wenn man sich nur ansatzweise für das Umfeld des RB-Trainingszentrums und dessen zukünftige Entwicklung interessiert.
Zusätzlich zu den (Online-)Printversionen habe ich am Montag Abend auch noch die mündliche Vorstellung der geplanten Projekte im Rahmen einer öffentlichen Präsentation im Straßenbahnhof Angerbrücke besucht. Was insbesondere deswegen ganz interessant war, weil diese Veranstaltung gleichzeitig die Möglichkeit bot, mehr oder weniger formelle Einsprüche gegen die Planungen zu erheben. Wovon einige Personen Gebrauch machten und sich so auch das Problemfeld ausdifferenzierte.
Zuerst einmal sollte man aber festhalten, dass der Bebauungsplan in seiner aktuellen Form nicht mehr ist als ein erster Planvorschlag, den nun wer will kommentieren und mit Verbesserungs- und Änderungsvorschlägen überziehen darf.. Diese Vorschläge werden dann – je nach Sinnigkeit – in eine überarbeitete Planvariante eingearbeitet und diese neue Variante wieder dem öffentlichen Prozess unterworfen. Falls dann keine größeren Änderungswünsche mehr eingebracht werden, wird die folgende Variante dann den städtischen Gremien zur Abstimmung vorgestellt. Sind die Änderungen allerdings gravierend, folgt eine weitere, öffentliche Planrunde mit einer nochmals überarbeiteten Fassung. Sprich, der aktuelle Stand des Bebauungsplans ist keineswegs als endgültig anzusehen, sondern eher als Diskussionsgrundlage (zumal so ziemlich alles, was Vogel-, Landschafts- und Umweltverträglichkeitsprüfungen oder wie sie alle heißen angeht, erst noch durchgeführt werden müssen).
Die Schwierigkeiten am Cottaweg sind in der Bauplanungsphase mannigfaltig. Das liegt einerseits daran, dass diese Stelle ein ziemlich extrem enger Flaschenhals im eigentlich ansonsten Richtung Norden und Süden extrem breiten Grünstreifen quer durch Leipzig ist. Was die hiesigen Umweltfreunde immer wieder dazu animiert, eine Stärkung dieses Flaschenhalses zu fordern.
Auf der anderen Seite hat man an genau dieser Stelle verschiedene Nutzungsformen, angefangen beim Motodrom im Norden über die Fußballanlagen von RB Leipzig und BSV Schönau bis hin im Süden das wegen des RB-Trainingszentrums verkleinerte Kleinmessegelände. Berechtigte Umweltschutzerwägungen und sehr verschiedene Nutzungserfordernisse treffen an dieser Stelle in einem derart engen Raum aufeinander, dass sich das beauftragte Planungsbüro genötigt sah, scherzhaft zu bemerken, dass man eigentlich mindestens die dreifache Fläche benötigen würde, um sämtlichen Ansprüchen gerecht zu werden. Aber man hat nun mal nur die eine Fläche.
Kernproblem der ganzen Story, um es kurz zu machen, sind Parkplätze. Durch die Entscheidung der Stadt, das Trainingszentrum von RB Leipzig auf dem nördlichen Teil der Kleinmesse zu errichten, sind von eben diesen reichlich weggefallen. Parkplätze zudem, die die Stadt eigentlich vertraglich dem Stadionbetreiber zur Nutzung für Besucher der Red Bull Arena zugesichert hat. Parkplätze für die bisher kein Ersatz geschaffen wurde und für die es nach Lage der Dinge auch keinen adäquaten Ersatz geben wird.
Im Bebauungsplan sind quasi zur Kappung der Spitze des Parkplatznot-Eisbergs 200 bis 250 Parkplätze auf einer Fläche vorgesehen, die derzeit ein Schrottplatz ist. Zudem soll die Erich-Köhn-Straße gekappt und ein Teil davon renaturiert werden, sodass nur noch eine Zufahrt zum Parkplatz von der Jahnallee bliebe. Klingt erst mal unspektakulär, beinhaltet aber offenbar den zentralen Zündstoff in der Debatte.
Während die Umweltverbände – nicht unberechtigt – die Riesenchance wittern, an dieser Stelle tatsächlich durch Renaturierung von Brachflächen und Straße den Flaschenhals etwas zu stärken und so sinnige Ausgleichsmaßnahmen zum Bau des RB-Trainingszentrums direkt vor Ort durchzuführen, also die Parkplätze wegzulassen, findet der Leipziger Schaustellerverein als Pendant am anderen Ende der Meinungsskala die ganze Sache einen Witz, weil man die 600 Parkplätze, die durch RB wegfielen nun versucht durch 200 bis 250 abzuspeisen. Sie wollen und brauchen insgesamt mehr Parkplätze, weil sie der Meinung sind, dass ihre auswärtigen Besucher ohne entsprechende Parkplätze wegbrechen. Sie sehen 750 Parkplätze in der direkten Umgebung als Minumum, die Stadt plant mit etwa 500, von denen die 200 bis 250 neu zu errichtenden ein Teil sind.
Ziel der Diskussion des Bebauungsplans ist übrigens ein Kompromiss. Und nun versuche mal jemand, die Positionen keine Parkplätze vs. mehr Parkplätze in einem Kompromiss zu vereinen. Wer das schafft, hätte wahrscheinlich gute Chancen auf einen Posten bei der Stadt.
Was RB Leipzig damit zu tun hat? Direkt – und das ist die gute Nachricht – nichts. Der Parkplatz um den es geht, würde zwar bei großem Zuschauerandrang auch von RB-Zuschauern genutzt werden, aber die von RB auch baurechtlich vorzuweisenden Parkplätze wird man direkt auf dem eigenen Gelände errichten. Weswegen der Zusatzparkplatz nett, aber aus RB-Sicht nicht wirklich notwendig wäre (was man früher gegenüber den Umweltverbänden auch so kommuniziert hat). Weswegen man sich den Streit eigentlich genüsslich anschauen kann.
Da aber ein final verabschiedeter Bebauungsplan auch Grundvoraussetzung für die eigenen Bauanträge (für die in verschiedenen Varianten bereits geplanten, festen Gebäude, die Geschäftsstelle, Fanshop etc. beheimaten sollen) ist, sieht man die ganze Sache dann aber vermutlich doch nicht ganz so entspannt. Nach derzeitigem Stand der Dinge dürfte 2014 das früheste Datum sein, bis zu dem die zweite Phase des Trainingszentrums mit seinen Hochbauten fertiggestellt werden könnte. Das ist noch ein ziemlich langer Zeitraum.
Interessant fand ich zudem noch die Planungen für die neue Tribüne an jenem Trainingsplatz am Cottaweg, der den derzeitigen Containern am nächsten ist. Diese feste Tribüne soll 1.000 Menschen Platz bieten. Womit aber strenggenommen vom Tisch wäre, dass die U23 dort mittelfristig ihre Spiele austrägt, denn ab der Oberliga, spätestens ab der Regionalliga werden die sicherheitsrelevanten Fragen und auch die formalen Ansprüche an ein Stadion immer größer. Was letztlich darauf hindeutet, dass man bei RB Leipzig kurz- bis mittelfristig mit der Red Bull Arena als Spielstätte für die zweite Mannschaft plant oder gar mit dem Markranstädter Stadion am Bad. Ich persönlich fände ja ein eigenes ‚Amateur’stadion wie es beispielsweise die Berliner Hertha hat großartig, aber das ist wohl schwierig zu realisieren.
Einfacher zu realisieren wäre es, wenn die Kleinmesse nicht wäre. Ein bisschen beschlich mich bei der montäglichen Veranstaltung angesichts der komplexen Interessenslagen das gleiche Gefühl, dass ein Besucher dann sinngemäß so formulierte: ‚Ich frage mich, wie die Stadt die Entscheidung treffen konnte, Trainingszentrum und Kleinmesse am selben Ort unterzubringen’. Woraufhin die Stadt Leipzig in Person von Frau Kirmes, Amtsleiterin des Amts für Sport, antwortete, dass 2010 ein halbes Dutzend Kandidaten in Frage gekommen seien, von denen nur die Fläche am Cottaweg den Anforderungen (Größe, Erreichbarkeit, etc.) genügt hätte. Was auch bedeuten würde, dass es keine adäquaten Ausweichmöglichkeiten an anderem Orte für ein Kleinmessegelände plus Parkplätze gäbe. Wobei ein Umzug der Kleinmesse in der Vergangenheit sowieso auch keinen Anklang bei den politischen Mehrheiten der Stadt fand.
Wenn man ganz nüchtern und ohne Beachtung von komplexen Einzelinteressen an die Fläche am Cottaweg herangehen würde, dann wäre die beste Lösung, alles an Beton abzureißen und die Fläche zu renaturieren, sodass das grüne Band durch ganz Leipzig weht und das Gekreuch und Gefleuch seine Wege findet. Die zweitbeste Lösung wäre sicherlich eine ausschließliche Nutzung durch die ansässigen Fußballvereine. Und die drittbeste Lösung wäre eine ausschließliche Nutzung durch die Kleinmesse (das Motodrom im Norden sei einmal außen vor gelassen; da wird inzwischen auch bereits gefordert, dass die Nutzungsverträge nicht verlängert werden).
Eine Nutzung in der aktuellen Form gehört tatsächlich nicht ansatzweise zu den besten Lösungen und ist eine extreme Herausforderung für die Stadtplaner, vor allem in Bezug auf den ruhenden und nicht ruhenden Verkehr (aber eine Herausforderung, die man sich wohlweislich vor knapp zwei Jahren selbst eingebrockt hat). Eine Herausforderung, die eigentlich niemand bewältigen kann und bei der es leicht absurd anmutet, dass die von Großveranstaltungen betroffene Gesamtfläche von Waldstraßenviertel bis hin zum Lindenauer Markt (Arena, Red Bull Arena, Cottwaeg, Kaufland) bisher nicht zusammengedacht und mit einem gemeinsamen Konzept versehen wird. Denn die Gegend ist aktuell schon ziemlich gebeutelt vom Besucherverkehr und wird es zukünftig aller Voraussicht nach noch mehr sein. Nach städtischen Angaben ist man aber aktuell dabei, die entsprechenden Probleme anzugehen und insbesondere in eine Park-and-Ride-Richtung voranzutreiben.
Wobei vorgestern auffiel, dass nicht nur in der Verkehrsplanung, sondern auch im Bebauungsplan nicht alles 100% durchdacht ist. Da wird schnell mal die Ausfahrt Erich-Köhn-Straße auf die Jahnallee um vier bis fünf Meter erweitert und eine Schallschutzmauer verschoben, ohne dass man sich das mal wenigstens vor Ort anschaut, wo man sofort festgestellt hätte, dass jene vier bis fünf Meter die Freiluftspielstätte und somit die Existenz des RevueTheaters an dieser Ecke zerstören würde. Worauf nun erst der Betreiber des Theaters in der Veranstaltung hinweisen musste. Woraufhin die Stadt dann einen Vororttermin anbot. Warum aber nicht schon bevor man einen ersten Planungsentwurf vorlegte?
Ein ähnlicher Fall trifft die neu einzurichtende Fußgänger- und Rad-Querung von West (Angerstraße) nach Ost auf die Kleinmesse (quasi parallel zur Jahnallee, aber einige gute Meter in die Kleinmesse hinein). Für deren mögliche Einrichtung müssten diverse feste Bauten (wie z.B. Garagen) auf einem Gelände weichen, das derzeit von einem Verein und Selbstständigen genutzt wird. Der Einspruch erhebende junge Mann war nicht wirklich amused, dass er sich aus den Plänen selber rauspicken muss, dass man an seiner Existenzgrundlage kratzt. So etwas muss sich doch in der Planungsphase vermeiden lassen, oder?
Ein letzter, stadtplanerische interessanter Punkt ist die Idee der Verlängerung der Erich-Köhn-Straße als Fuß- und Radweg quasi zwischen RB-Containern und Marktamt-Gebäude hindurch zum Cottaweg und anschließend (so eine der Planungsideen) weiter hinunter zum Wasser. Bisher dachte ich immer, dass der Uferbereich an der Stelle besonders vor dem Zugriff geschützt wäre (der BUND hat dieses Sichtfenster Richtung Wasser auch schon abgelehnt). Und ich höre schon die Skeptiker, die schon vor zwei Jahren ihre Stimme erhoben, weil sie fürchteten der Uferstreifen könnte durch eine Fußgängerbrücke (die sich in Verlängerung der Schneise förmlich aufdrängt) rüber zur Red-Bull-Arena einen schwerwiegenden Eingriff erhalten (was damals allseits verneint wurde).
Ich stand eigentlich bisher nicht im Verdacht, ein Umweltaktivist zu sein und die Idee einer Verknüpfung zwischen Stadion und Trainingszentrum für Fußgänger fände ich (als Idee und Bild) ziemlich geil. Aber letztlich wäre dies genau die Bestätigung für alle, die schon immer warnten, dass die Entscheidung pro Trainingszentrum am Cottaweg auch (quasi scheibchenweise) immer neue, negative Folgen für den umwelttechnischen Flaschenhals hätte. Aber hätte und wenn, Teil des Plans ist die Brücke freilich nicht, nur ein Weg bis ans Wasser ran ist angedacht.
Fazit: Es ist ein ziemlich komplexes Thema mit allerlei Interessen und Ideen und Vorstellungen. Und letztlich wird es sich doch runterbrechen lassen auf die gleichermaßen schlichte wie provinzielle Frage, an der man sich trefflich (ver)streiten kann und die vom Leipziger BUND-Vorsitzenden Jürgen Kasek, der in den letzten Tagen als erster Parkplatzgegner aufgetreten war, in der nötigen Kürze (und den smartphontypischen Mängeln in der Rechtschreibung) via Twitter formuliert wurde: „Das wird dann der entscheidende kampf: pro und kontra stellplaetze.“ Eigentlich traurig, dass ein interessantes und vielschichtiges Thema wie der Bebauungsplan Nr. 384 zum eindimensionalen Kampfthema werden könnte (und das liegt gar nicht einseitig an den Umweltschützern). Und bloß gut, dass RB Leipzig damit diesmal ganz und gar nichts zu tun hat und deshalb ihre Abwesenheit auf der montäglichen Vorstellungsrunde und ihr Schweigen insgesamt noch nicht mal negativ auffällt.
Dass die Veranstaltung lediglich handgeschätzte 30 bis 40 Personen besuchten, die dazu größtenteils aus irgendeiner politischen Ecke (wie dem Stadtbezirksbeirat Leipzig Altwest) kamen oder persönlich Betroffene waren, erscheint angesichts der lautstarken, öffentlichen Debatte als die Trainingszentrumspläne bekannt wurden, ziemlich merkwürdig. Aber so ist das wohl bei gelebter Demokratie. Aufgeschrieen ist schnell und der Unmut leicht ausgedrückt. Wenn es dann aber gilt, sich mit den Problemen der Niederung, also der konkreten Planung auseinanderzusetzen und deren Probleme zu durchdringen, ohne dass sich ein klarer Böser oder DIE Lösung bieten würden, sind ganz viele plötzlich weg.
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PS: „RB-Gelände am Cottaweg: Leipziger BUND gegen Ausbau in Lindenau“ titelte LVZ-Online letzte Woche. Und traf damit dermaßen weit vorbei, dass es schon fast wieder lustig war. Der BUND ist gegen einen vornehmlich für die Kleinmesse zu bauenden Parkplatz und bei der LVZ macht man daraus, dass die Naturschützer gegen den Ausbau des RB-Geländes am Cottaweg sind. Naja, online lebt ja auch ein Stückweit von Klicks..
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Linktipps:
- Der BUND formuliert seine Kritik am Bebauungsplan.
- Die LVZ mit einem Überblick über die Pläne (mit Bildern).
- Die L-IZ mit einem Blick auf den Bebauungsplan [broken Link] (noch bevor er veröffentlicht wurde) und einigen Stimmen lokaler Akteure
- Jürgen Kasek unter dem Titel “Noch mehr Stellplätze sind keine Antwort” [broken Link] im recht informativen Interview mit der L-IZ.
- Die Stadt Leipzig mit allen Informationen und Unterlagen zum Bebauungsplan [broken Link].
… wenn man auf der geplanten “Stellfläche” ein Parkhaus mit 5 Etagen baut (ála Zoo – das hat aber nur 2 oder 3 glaube ich) hätte man 1250 Stellplätze auf der selben Fläche oder mache ich da einen Denkfehler??? ;-) 10 Etagen wären 2500 … mal 5,- € mal 17 Bundesligaheimspiele macht 212500,- Einnahme pro Saison… nur mal so gesponnen…
@lakrue
siehe Plan für den Parkplatz Variante 4 – Parkpalette mit 2 bis 3 Etagen für 500 Plätze auf 2/3 Fläche, Aufforstung auf dem verbleibenden Drittel. Ich denke darauf wird es wohl auch hinauslaufen.