Hätte ich mich nicht für formale Spielberichtsüberschriften entschieden, hätte ich für diesen Bericht zum gestrigen Spiel ein “Die Oberliga zurück in Leipzig” gewählt. Das schon mit Bautzen in Liga 5 vor zwei Jahren mit einem 1:0 bei RB Leipzig erprobte Hoßmangsche Prinzip ‘hinten dicht und vorne hilft der liebe Gott’ praktizierte das Plauener Team des Ex-Bautzener Coachs in einer deprimierenden Perfektion. Dass sie für diese Verletzung des guten Fußballgeschmacks nicht bestraft, sondern auch noch mit einem Punktgewinn belohnt wurden, gehört zu den tiefen Ungerechtigkeiten der Fußballwelt, die ihren geschichtlichen Höhepunkt ja bekanntermaßen 2004 mit dem Europameistertitel unansehnlich mauernder Griechen feierte.
Ich gehöre normalerweise nicht zu denen, die nach Punktverlusten generell das Pech bemühen oder notorisch behaupten, dass man überlegen gewesen wäre, aber das gestrige Spiel war das erste Spiel von RB Leipzig, an dem ich live teilhaben durfte, bei dem der Gast völlig unverdient nicht verlor. Die Heimniederlage gegen den HSV II hätte nicht sein müssen, weil man einen starken Gegner eigentlich im Griff hatte und taktisch unbedarft, ergo selbstverschuldet, ergo verdient dennoch verlor. Die diversen Punktverluste letzte Saison waren alle in irgendeiner Form berechtigt, genau wie das 1:1 gegen Magdeburg kürzlich. Das Heimunentschieden gegen weitgehend talentfreie Plauener musste man hingegen fassungslos zur Kenntnis nehmen.
Der VFC Plauen hatte bei RB Leipzig genau fünf lichte Minuten. Die spielten sich direkt nach der Pause ab, als die RasenBallsportler noch nicht richtig wach wirkten und prompt mit dem 0:1 aus dem Nichts bestraft wurden. Umut Kocin mit einem Fehlpass aus der Abwehr heraus in die Spielfeldmitte. Christian Müller lässt sich wie schon beim Gegentreffer bei Hertha II letzte Woche auf der rechten Abwehrseite überlaufen. In der Mitte stehen die Manndecker in zwei 1-gegen-1-Situationen hinter ihren Gegenspielern und schwupps steht es 0:1. Wie bisher in allen vier Heimspielen, weswegen es auch schwer fällt, das ganze als Pech oder Zufall abzutun. Dass die Gäste beim Jubeln fast schon überrascht wirkten, ob des völlig unverdienten Tores, mag lediglich meine Interpretation sein, passen würde es aber.
Eigentlich war gestern alles für einen perfekten Fußball-Nachmittag angerichtet. Wetter optimal, die Zuschauer überdurchschnittlich gut gelaunt und angemessen zahlreich erschienen, mit Plauen die Mannschaft als Gegner, gegen die RB Leipzig als einziges (von den Regionalliga-Teams gegen die man bereits letztes Jahr kickte) noch ohne Punktverlust und Gegentor war. Das konnte nur gut gehen. Zumal defensiv agierende Gegner jetzt für RB Leipzig auch nicht eine so ungewöhnliche Erscheinung sind.
Ungewöhnlich dann aber doch, dass die Vogtländer praktisch von Minute 1 an mit dem Ergebnis zufrieden waren und ihre Taktik vermutlich auch nach Rückstand nicht umgestellt hätten (nicht umstellen hätten können). (Auch deswegen die Assoziation mit den Gegnern in der Oberliga Nordost vor zwei Jahren.) Insbesondere der Gästekeeper hatte einen trägen Trabetag erwischt, der ihm eigentlich schon frühzeitig hätte gelb einbringen müssen. Die Plauener Art und Weise war nervig, aber man sollte zugegebenermaßen damit leben können. Die Gegner von RB Leipzig müssen die Mittel wählen, die sie haben, um zum Erfolg zu kommen. Wenn sie wie die Plauener eigentlich keine haben, dann muss es eben auch das tun. So richtig beschweren kann man sich darüber jedenfalls nicht, dass ein limitierter Gegner es mit Beton und Zeitspiel versucht.
Womit ich bei den gestrigen Spielfähigkeiten der RasenBallsportler bin, die man als bemüht, aber ohne Durschlagskraft bezeichnen könnte. Zwar spielte man 85 Minuten lang auf ein Tor, aber die ganz großen Torchancen sprangen dabei nicht heraus. Die erste Halbzeit brachte zwei, drei mittelklare Gelegenheiten für RB Leipzig. Was auch die Folge dessen war, dass die Plauener etwas anders verteidigten als die Magdeburger vor zwei Wochen. Während letztere zuguckten wie der Ball auf die Außen gespielt wurde, um dann mindestens zu doppeln, also dem Prinzip folgten, den Strafraum zu verteidigen, versuchten es erstere damit, bereits die Passwege zuzustellen und so die RasenBallsportler vom Strafraum fern zu halten. Das gelang zumindest 45 Minuten lang sehr gut, sodass Zug zum Tor eine Ausnahme auf Seiten von RB war. Da die Offensiv-Formation (häufig ein 4-2-4) zudem zu statisch agierte, passierte oft nicht viel mehr als flüssiges, aber harmloses Mittelfeldgepasse.
Nach dem Rückstand nach der Pause bestand das Spiel aus verzweifeltem Anrennen seitens der RasenBallsportler. Mal in der spielerisch gelungenen Variante, meist in der spielerisch nicht so gelungenen Variante. Nicht zielführend scheint mir jedenfalls das Revival der gepflegten Flanke aus dem Halbfeld zu sein, mit der sich nur zufällig und nicht gegen eine sichere Plauener Innenverteidigung Gefahr erzeugen lässt. Auch nicht zielführend scheint mir zu sein, dass man mehr als die Hälfte der Offensiv-Aktionen mit einem Pass zum rechts wartenden Timo Röttger startet, um dann genüsslich zuzugucken, was der nun wohl gegen seine zwei, drei Gegenspieler anstellen möge. Auch in die Reihe des nicht zielführenden gehört die Angst vor dem Fernschuss. Zumindest gegen Teams wie Plauen. Wenn man in jeder Situation versucht den Ball noch mal zu passen oder noch mal durchzustecken, dann vergibt man sich einige gute Schusschancen. Zu guter Letzt bleiben noch die ungezählten Standards, die fast alle – wie auch schon in den Spielen zuvor – keine direkte Gefahr ausstrahlten.
Auch wenn über die gesamte Spielzeit hinweg die Großchancen Mangelware blieben, müssen die RasenBallsportler diese Partie natürlich gewinnen. Dass sie es nicht taten, lag auch daran, dass man noch mal die kuriose Nicht-Tor-Szene aus dem Auswärtsspiel bei Hertha II in ähnlicher, wenn auch nicht ganz so extremer Form nachspielen musste. Wohl, weil es in Berlin nicht so viele RB-Anhänger mitverfolgen konnten, wie man es schafft, aus drei Metern mit mehreren Versuchen, den Ball nicht über die Linie zu bringen. Während in Berlin rot gegen einen Herthaner und (ein nicht verwandelter) Elfmeter die Folge waren, war diesmal Abstoß (?) die direkte Folge. Wobei der Ball meiner Meinung nach (und meine Sicht auf diese Seite des Spielfeldes ist eigentlich eine recht gute) in einer Situation komplett hinter der Linie war. Da es aber sehr knapp war und auch die Fernsehbilder keinen entgültigen Aufschluss geben, kann man der Entscheidung des Linienrichters, gefällt in Bruchteilen einer Sekunde auch nicht ernsthaft widersprechen.
Hätte der Schiedsrichter das Tor in der 83.Minuten gegeben, dann hätte das Spiel noch zu seinem verdienten Ende gefunden. So blieb es beim enttäuschenden 1:1, bei dem die RasenBallsportler zwar jederzeit klar überlegen waren, sich aber vorwerfen lassen müssen, dass sie in Tornähe zu inkonsequent, ungefährlich und mit zu wenig Kreativität agierten. Mit dem Wechsel der Mittelfeldzentrale weg von Schulz/ Geißler hin zu Lagerblom/ Rost sah zwar einiges besser und zielführender aus, aber auch gegen Bollwerke sollte man in manchen Situationen schneller und genauer spielen können.
Fazit: Positiv gesehen hat man gegen Plauen 85 Minuten lang Ball und Gegner laufen lassen und das Spiel dominiert. Negativ gesprochen war der Ballbesitz gegen Plauen meist ein ineffektiver und brotloser. Positiv gesehen, hat man wieder mal (zum bereits vierten mal in acht Spielen) nach Rückstand nicht verloren. Negativ gesprochen hat man von vier Heimspielen nur eins gewonnen und lag vier mal hinten. In Bezug auf die Tabellenspitze (drei Punkte Rückstand auf Halle) steht man durch den Punktverlust ähnlich wie in der vergangenen Saison nun schon wieder unter dem Druck, gewinnen zu müssen. Zur Vorbereitung auf den Versuch fünfter Auswärtssieg im fünften Auswärtsspiel hat man immerhin zwei Wochen Zeit, findet doch das nächste Spiel (bei Cottbus II) erst amk 15.10. statt. Vielleicht passt das mit der Feinabstimmung zwischen den Mannschaftsteilen nach der Spielpause ja schon wieder ein Stück besser.
Randbemerkung: Ein gutes wird das Verhältnis zwischen RB Leipzig und dem VFC Plauen in absehbarer Zeit nicht. Die Vorgeschichte fand beim Aufeinandertreffen beider Clubs im April statt und drehte sich um eine eskalierende Situation zwischen Plauener Anhängern und Stadion-Security. Zweitere wollte wohl mindestens einen der ersteren aus dem Stadion entfernen und erstere dies verhindern, woraufhin zweitere ihren Wunsch rabiat durchsetzten. (Alles, was es von meiner Seite dazu zu sagen gab, habe ich hier und hier gesagt.) Was einerseits eine Plauener Ultra-Gruppe namens SubkULTuRA 1903, eine Ultragruppe, die ihre Pressemitteilung (genau wie die Homepage) gegen die “Machenschaften” des “Produkts” mit einem vermummten Kämpfer verzierte, zu einem Boykott-Aufruf [broken Link] veranlasste. Und andererseits Präsident Wilfried Hub (“nicht unbedingt ein Freund von RB” – Zitat Homepage VFC) zu der Ansicht trieb, dass es zwar viele Anzeigen gegeben habe, aber die Vorfälle wohl “unter den Teppich gekehrt” werden sollten. Böse Justizia im Auftrag von Red Bull? Naja. Neuster Baustein im leicht feindlichen Verhältnis zwischen RB und VFC ist ein nichtveröffentlichtes Interview von Wilfried Hub, das dieser für das Heimspiel-Magazin von RB gegeben hatte. Die aus Platzgründen notwendigen Kürzungen wollte Hub inhaltlich nicht akzeptieren, weil seine RB-Kritik rausgestrichen worden sein soll, was sich leider nicht belegen lässt, da die Vogtländer zwar das nichtveröffentlichte Interview in der Langversion bei sich publizierten [broken Link], aber nicht den gekürzten Gegenvorschlag seitens RB. Vergiftet war die Atmosphäre aber wohl auch schon vorher, als Präsident Hub öffentlich behauptete, dass RB Leipzig auf die Vorfälle vom April gegenüber den Plauener nicht reagiert habe, der Leipziger Pressesprecher Shoukry dies aber dementierte und davon sprach, dass es Gespräche auch mit Hub gegeben habe. Die aber wenig zielführend waren, angesichts der Tatsache, dass man mit jemandem diskutiert, der “zutiefst beleidigende Schlachtgesänge unterstützt”. (siehe dazu LVZ-Online) To be continued. Spätestens wohl zum Rückspiel.
Lichtblicke:
- Timo Röttger: Aus seinen Aktionen resultierte gestern kein Tor, von daher könnte man ihn auch als ineffizient bezeichnen. Ich hingegen finde seinen Aktionsradius und sein permanentes Anrennen großartig. Timo Röttger dürfte nach einem solchen Spiel und permanenten Duellen im 1 gegen 2 oder 1 gegen 3 einfach nur noch tot umfallen. Großartige Szene in Hälfte 1, als er gegen drei, vier Gegenspieler immer wieder den Ball erobert und letztlich berechtigt Standing Ovations für einen derart erkämpften Einwurf erhielt. Spieler mit einer großartigen Mischung aus Kampf, Robustheit, Schnelligkeit, Technik und manchmal sogar Zug zum Tor.
Schattenblicke:
- Bastian Schulz: Wirkte für mich uninspiriert und wie ein Fremdkörper im Team. Vielleicht nach den aufregenden ersten Wochen des Vereinswechsels nun erst mal in einem kleinen Loch. Für mich überraschend, dass nicht er, sondern sein zentraler Mittelfeld-Kollege Tom Geißler zur Halbzeit draußen bleiben musste. Kurze Zeit später musste aber auch er raus.
- Sebastian Heidinger: Mag ungerecht sein, aber im Vergleich zu seinem Spiel als Einwechsler in Berlin eher die Nacht als der Tag. Versuchte viel, agierte dabei aber entweder glücklos oder zu eigensinnig. Spielte auch oft gegen zwei, drei Gegenspieler und verpasste dabei dann den Pass auf den in seinem Fall (im Gegensatz zu Röttger) desöfteren vorhandenen Nebenmann.
- Daniel Frahn/ Stefan Kutschke: Ist gar keine individuelle Kritik, aber derzeit finde ich, dass sich Kutschke und Frahn nicht wirklich perfekt ergänzen. Oft scheinen sie einander auf den Füßen zu stehen, oft funktioniert das Zusammenspiel (Kopfballablagen!), das letzte Saison noch sehr gut war, nicht gut. Bin nach dem gestrigen Spiel vom Konzept Doppelspitze nicht mehr so recht überzeugt.
————————————————————–
Tore: 0:1 K.Zimmermann (47.), 1:1 Lagerblom (74.)
Aufstellung: Borel – Müller, Sebastian, Franke, Kocin – Röttger, Geißler (46. Lagerblom), Schulz (59. Rost), Heidinger (69. Schinke) – Kutschke, Frahn
Zuschauer: 5137
Links: RBL-Bericht [broken Link], RBL-Liveticker [broken Link], RB-Fans-Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link], VFC-Bericht [broken Link]
Zum Thema Interview, wie wäre es denn wenn einfach RB den gekürzten Gegenvorschlag veröffentlicht? ;)
Ich habe das Interview auch auf der VFC Homapage gelesen …. und mal ganz ehrlich …. aus Platzgründen notwendigen Kürzungen ….. nun ja, ich kenn euer Programmheftchen nicht ….. ABER das will mir nicht einleuchten!
Gruß nach Leipzig
Für Interviews mit dem Gast steht jeweils eine DIN A5 Seite zur Verfügung. Auf der auch noch irgendwas mit Bild untergebracht werden muss. Von daher waren Kürzungen sicher notwendig, der Streitpunkt ist dann tatsächlich, was man kürzt. Wobei auch grundsätzlich die Frage gestellt werden kann, warum Herr Hub ausgerechnet das Heimspiel-Magazin von RB Leipzig als den Ort begreift, an dem er seine Kritik am gastgebenden Verein unterbringen möchte und zum Besten geben will, dass er gern mal einen Text zum Thema „Die Grenzen des Kommerz im Fußballsport“ schreiben würde. Aha. Vielleicht ist es dann das Beste, wenn er sein Interview zurückzieht. Er kann ja die Kritik dann in einem halben Jahr ins eigene Programmheft drucken.
Okay, grundsätzlich hast du natürlich Recht, sich im Heimspiel-Magazin von RB Leipzig über das Thema „Die Grenzen des Kommerz im Fußballsport“ auszulassen bzw kein gutes Haar am Gastgeber zu lassen, ist sicher kein guter Gästestil. Ist der VFC mit der Kritik hier die Ausnahme, sprich gibt es sonst von den Gäste eine Lobhudelei?
Schwer vergleichbar, weil es meistens belanglose Interviews mit Spielern oder Trainer der jeweiligen Gäste sind (was war Dein wichtigstes Spiel, was schätzt Du an Frauen, was würdest Du machen, wenn Du nicht Fußball spielen würdest und Co). Es gab aber auch schon Zeiten, in denen die Gäste per schlichtem Fließtext und wichtigsten Vereinsfakten vorgestellt wurden. Offenbar gibt es da noch keine einheitliche Linie, außer dass es gewöhnlicherweise nicht um RB Leipzig als Verein geht.