Das erste Testspiel einer Saison ist meist eher speziell. Der sportliche Wert ist ziemlich überschaubar, aber irgendwie ist es dann eben doch der erste Startschuss in eine neue Spielzeit, die wieder Geschichten und Wendungen mit sich bringt, die man jetzt noch gar nicht erahnen kann. Genau diesem Anfang wohnt eben auch ein gewisser Zauber inne.
In diesem Ambivalenzraum spielte sich auch die Partie von RB Leipzig gegen den Berliner AK ab, die aus Benefizgründen (alle Einnahmen gingen an die Stiftung Elsterwerk) in Herzberg, also auf halber Strecke von Leipzig nach Cottbus, ausgetragen wurde. Einerseits war es der Beginn einer neuen Spielzeit. Andererseits war der sportliche Wert schon deswegen überschaubar, weil das Spiel nach dem Lauftrainingslager in Bad Saarow, von dem RB Leipzig direkt anreiste, eher als bessere zusätzliche Laufeinheit mit Ball konzipiert war.
Noch geringer wurde der sportliche Wert auch dadurch, dass enorm viele Spieler fehlten und der Kader deshalb mit neun Spielern aus dem Nachwuchs (wenn man Palacios Martinez dazu zählt sogar zehn) auffüllte, um in den beiden Halbzeiten auch jeweils mit komplett unterschiedlichen Mannschaften spielen zu können. ‘Hauptsache jeder (außer der Torwart Bellot) nur 45 Minuten’ hieß das Motto, wegen dem es bspw. Kapitän Dominik Kaiser links in die Mittelfeldviererkette verschlug.
Neben Coltorti, Teigl und Compper, die zuletzt nur individuell trainierten, fehlten gegen den Berliner AK auch alle Spieler, die bis letzte Woche mit Nationalmannschaften unterwegs waren oder noch unterwegs sind und alle Spieler, die aufgrund späten Saisonendes noch Urlaub haben. Wenn man Bruno und Sabitzer mitzählt, dann waren gleich 12 Spieler als abwesend gemeldet.
Mit am Start waren dagegen die Neuzugänge Willi Orban, Davie Selke und Ken Gipson, denen man auf unterschiedliche Arten ihr Talent und ihr Können anmerkte, die aber in diesem ersten Spiel mit den neuen Kollegen, von denen die Hälfte in Form der Nachwuchsspieler sie gar nicht durch die Saison begleiten wird, auch noch typische Anpassungsschwierigkeiten zeigten und natürlich noch nicht wirklich eingebunden wirkten. Bei Selke konnte man erahnen, dass seine Physis und Dynamik der Offensive guttun werden. Orban zeigte sich bereits als zweikampfstark und passsicher. Und Gipson zeigte trotz Schwierigkeiten in der Abstimmung und im Zweikampf, dass seine Dynamik gewinnbringend einsetzbar ist.
Am Ende des Tages stand ein verdienter 2:0-Sieg für RB Leipzig (wie vor fünf Monaten in der Wintervorbereitung schon) gegen den wacker dagegen haltenden Regionalligisten, mit dem sich die U23 von RB in dieser Saison noch zweimal messen darf. Intensiv und lautstark gecoacht von Ex-Profi Steffen Baumgart arbeitete der Berliner AK lange gut gegen den Ball und machte die Räume geschickt dicht. In der ersten Hälfte hatte man zudem noch drei, vier Chancen bzw. Halbchancen. In der zweiten Halbzeit reichte es auch wegen entsprechender Wechsel nicht mehr für Offensivgefahr.
RB Leipzig setzte auf der anderen Seite auf ein 4-4-2 mit zwei jeweils sehr klaren Sechsern pro Halbzeit, bei dem man durchaus anzweifeln darf, dass es für die kommende Spielzeit stilbildend sein wird. Aus diesem System heraus versuchte man den Gegner über den Spielaufbau über die Sechser unter Druck zu setzen. Was aufgrund teilweise fehlender Dynamik und teilweise aufgrund mangelhafter Abstimmung eher schwierig war.
Auffällig dabei, dass keine langen Bälle aus der Innenverteidigung herausgeschlagen wurden. Als Willi Orban einmal zu solch einem Mittel griff, erschrak man regelrecht, weil es enorm aus den sonstigen Aktionen herausstach. Die Art und Weise, kontrolliert aus der Defensive heraus Fußball zu spielen, kann man sicherlich als stilbildend für die kommende Saison erwarten. Auch wenn schon zu Beginn vergangener Vorbereitungen gegen unterklassige Gegner auf die spielerischen Elemente gesetzt wurde, die dann an den Mühen des Pflichtspielalltags scheiterten.
Man versuchte sich also durch die Reihen des Berliner AK zu kombinieren, blieb dabei aber lange Richtung Strafraum ineffektiv. Palacios Martinez hatte zwei, drei gute Chancen, von außen kommend, in der Mitte Mitspieler freizuspielen, scheiterte aber immer an Abwehrbeinen. Ansonsten war wenig konkrete Torgefahr auszumachen. Sodass das Führungstor folgerichtig nach einem Eckball fiel. Dominik Kaiser hatte den Ball flach hereingespielt. Der erst 17jährige Fridolin Wagner nahm den Ball auf und versenkte ihn von der Strafraumgrenze überlegt im Tor.
In der zweiten Halbzeit wurden die Gäste in ihren Aktionen etwas müder. RB Leipzig mit der Frische einer komplett neuen Mannschaft dagegen weiter um Spiel und Offensivgefahr bemüht, auch wenn das Spiel insgesamt etwas zerfahrener wirkte. Ein paar wenige Chancen spielte man sich im Laufe der zweiten Halbzeit doch noch heraus. Der 18jährige Patrik Dzalto verwertete eine davon auf Zuspiel von Stefan Hierländer, indem er den Ball im kurzen Eck versenkte.
Insgesamt bleibt es ein Test mit wenig sportlicher Aussagekraft, da hier ein Team agierte, wie es so in der Saison nie zusammen in einem Pflichtspiel auflaufen wird. In einem System, das vermutlich nicht das Nonplusultra der kommenden Saison sein wird. Nach einem Lauftrainingslager, entsprechend schweren Beinen und bisher wenig Training mit dem Ball. Man bemühte sich, der eine oder andere Spieler bekam sicherlich auch schon mal ein klein wenig Gefühl für die Anforderungen seiner Position, aber man kann daraus sicherlich nicht ableiten, was in den nächsten Wochen passieren wird und von welchen Spielern man besonders viel erwarten kann.
Positiv festzuhalten bleibt von dem Spiel, dass man einen sehr engagierten Regionalligisten praktisch durchgängig an Offensivgefahr hinderte und im Griff hatte. Positiv auch, dass sich die Nachwuchsspieler fast nahtlos in die Mannschaft einfügten und letztlich durch Wagner und Dzalto auch den Sieg herausschossen. Aber auch daraus lässt sich beileibe nicht ableiten, dass einer der Nachwuchsspieler demnächst ernsthaft eine Etage höher anklopft.
Fazit: Alles in allem war es wie jedes Jahr ein schöner Aufgalopp in die Saison. Weil man in einem Kleinstadtstadion die Chance hatte, sehr nah an der Mannschaft dran zu sein und dem (neuen Co-)Trainer beim Coaching zu lauschen. Und weil es der erste, entspannte Schritt in eine lange Spielzeit war. Sportlich hat sich RB Leipzig im Rahmen der Möglichkeiten von Teamzusammensetzung und Einbettung in intensives Training mindestens gut präsentiert. Wo die Reise hingeht, zeigt sich aber erst in den nächsten Wochen.
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Tore: 1:0 Wagner (42.), 2:0 Dzalto (68.)
Aufstellung 1.Halbzeit: Bellot – Barylla, Klostermann, Orban, Suczuz – Palacios Martinez, Wagner, Khedira, Kaiser – Endres, Selke
Aufstellung 2.Halbzeit: Bellot – Gipson, Sebastian, Reddemann, Jung – Hierländer, Demme, Vogel, Strauß – Mauer, Dzalto
Nicht dabei: Coltorti, Teigl, Compper (nicht fit), Gulacsi, Kalmár, Forsberg, Damari, Ilsanker, Quaschner, (Bruno, Sabitzer) (alle noch im verlängerten Urlaub), Poulsen (U21-EM)
Zuschauer: offiziell 894 in Herzberg
Links: RBL-Bericht, RB-Fans-Bericht
“Als Willi Orban einmal zu solch einem Mittel griff, erschrak man regelrecht”
Ich habe mich beim Lesen auch erschrocken! Sollte “Hoch und Weit auf YP und dann viel Glück” echt der Vergangenheit gehören? Wäre schön und ich bin gespannt, wie RR und AB dies umsetzen wird.