Als durchaus erstaunlich durchgehen, darf die Tatsache, dass das Bank-Dasein von Daniel Frahn am vergangenen Wochenende in Düsseldorf kaum mediale Nachwirkungen hatte. Dabei war es fast schon historisch, was dem 27jährigen Kapitän von RB Leipzig da passierte. Denn erst zum zweiten Mal in seiner Zeit bei RB Leipzig, die nun auch schon in ihre fünften Saison geht, saß Daniel Frahn in einem Spiel 90 Minuten lang nur auf der Bank (wenn man von den zwei Relegationsspielen gegen Lotte absieht, als Frahn nach Innenbandriss zwar auf der Bank saß, aber er nicht eingesetzt wurde, weil man seine Gesundheit nicht gefährden wollte bzw. es nicht nötig wurde, die Gefahr auf sich zu nehmen).
Von 139 potenziellen Spielen in Liga und DFB-Pokal bestritt Daniel Frahn also bisher 137 und kam dabei in lediglich fünf Partien von der Bank. 132 Startelfeinsätze unter Oral, Pacult und Zorniger, da kann sich die Reservebank schon mal hart anfühlen. Zumal es bisher lediglich Tomas Oral wagte, Daniel Frahn dort zu belassen. Das letzte Mal, dass Frahn 90 Minuten auf der Bank saß, war am zweiten Spieltag der Saison 2010/2011, als er unter Oral noch nicht seine Rolle gefunden hatte. Weitere viermal ließ Oral ihn zumindest zu Beginn auf der Bank schmoren.
Peter Pacult kam unterdessen nie auf die Idee, Frahn, den er überhaupt erst zum Kapitän befördert hatte, mal auf der Bank zu lassen. Alexander Zorniger bis auf eine Ausnahme letztes Saison am letzten Spieltag bei den Suttgarter Kickers, als es um nichts mehr ging, auch nicht. Und jetzt gleich 90 Minuten. Man darf das durchaus erstaunlich finden.
Zumal angesichts der Ausfälle im Sturm. Boyd ist weiterhin noch nicht soweit, überhaupt auf der Bank zu sitzen. Rebic ist noch nicht fit genug, um mehr als 20 Minuten zu spielen. Poulsen fiel in Düsseldorf kurzfristig wegen einer Oberschenkelzerrung aus. Und Palacios Martinez soll sich aktuell erst mal in der U23 beweisen. Es blieben in Düsseldorf mit Morys und Frahn eigentlich nur noch zwei nominelle, gesunde Stürmer mit Startelfchancen übrig (plus U23-Spieler Tom Nattermann). Womit auch die Option, mit zwei schnellen Stürmern in die Partie zu gehen (Poulsen, Morys), von vornherein auszuscheiden schien.
Dass Alexander Zorniger anschließend Rechtsverteidiger Teigl wegen dessen Geschwindigkeit (viertschnellster Spieler der zweiten Liga) aus dem Hut zauberte, war angesichts dessen dann doch mehr als überraschend. Dass Frahn nicht nur für die Spieltaktik, sondern auch für einen Nichtstürmer geopfert wurde, war von der Idee und später auch von der Umsetzung her nachvollziehbar, im Kontext der letzten reichlich vier Jahre, in denen Spiele ohne Frahn undenkbar waren, aber dann doch fast schon sensationell.
Daniel Frahn war, als er nach Leipzig kam, nicht konkurrenzlos. Mit Frommer war schon einer da, der die Tore erzielte. Mit Kammlott holte man ein neues Gesicht für den Verein. Mit Kutschke kam der alte Babelsberger Kontrahent. Doch mit 16 Toren in 31 Einsätzen machte Frahn schon in seinem ersten Jahr klar, dass er die Nummer 1 im Sturm ist. Es folgten gleich 29 Treffer in 36 Spielen unter Pacult, 20 Tore in 27 Partien in der ersten Zorniger-Saison und 19 Tore im ersten Drittligajahr der Karriere.
Daniel Frahn war dabei immer der Stürmer vor des Gegners Kasten, der die Bälle aus allen Positionen und allen Lagen im Tor unterbringt. Einer der vermutlich weiterhin überragend ist, wenn es darum geht, den Ball mit nur einer Berührung in Richtung Tor zu befördern. Weswegen er in Pacults Flügelspiel-Flanken-Taktik auch komplett aufblühte. Einerseits, weil er hier die Bälle bekam, die er brauchte. Andererseits auch weil er mit Kutschke einen Sturmpartner hatte, der im Sturmzentrum Gegenspieler band und dadurch auch Räume schaffte.
Der Blick zurück soll gar kein Abgesang auf Daniel Frahn sein, sondern eher verstehen helfen, was gerade passiert. Daniel Frahn war lange unumschränkter Herrscher über die gegnerischen Strafräume, aber er stand dabei auch immer für konrekte Qualitäten wie eben das Verwerten von Vorlagen direkt vor dem Tor. Mit dem Rücken zur gegnerischen Verteidigung Bälle zu sichern, über den Flügel ins Dribbling zu gehen oder im Konterspiel der schnellste auf dem Platz zu sein, gehörte nicht unbedingt dazu. Brauchte es aber auch nicht.
Und gerade darin dürfte in der zweiten Liga der Unterschied bestehen. Taktische Flexibilität ist in dieser Liga noch stärker gefragt als zuvor. Was dann eben auch bedeutet, dass Frahn hintenanstehen kann, wenn man den Gegner über zwei schnelle Stürmer in die Knie zwingen will.
Das möglicherweise dauerhafte Problem könnte darin bestehen, dass der zentrale Torjäger, der irgendwo um den Elfer herum lauert und in Bälle spritzt, weil er sie antizipieren kann, wohl gar nicht mehr so recht gefragt ist. Einerseits weil das Spiel von RB Leipzig nicht auf Vorlagen auf einen zentralen Verwerter ausgelegt ist. Andererseits weil die Innenverteidiger der Konkurrenz einen einzelnen Torjäger zumeist gut ausschalten können. Schwierig wurde es bisher vor allem für Braunschweig, die gegen RB drei Stürmer verteidigen mussten, wodurch für Daniel Frahn ein bisschen mehr Platz blieb.
Insgesamt muss Daniel Frahn im Schritt in die zweite Liga sein Fähigkeitsspektrum wohl aber erweitern. Gerade gegen tiefer stehende Gegner wäre Frahn auch als Wandspieler gefragt, der Bälle sichert oder in Kopfballduellen nach langen Pässen aus der Abwehr den Ball für das nachrückende Mittelfeld aufbereitet. Sprich, Daniel Frahn müsste vor allem abseits des Strafraums und vor allem auch in der Luft in der Zweikampfführung mit den Zweitligaverteidigern dieser Welt konkurrieren. Ein Feld, bei dem er im bisherigen Saisonverlauf nicht ganz so gut aussah, gerade wenn man einen Yussuf Poulsen daneben sieht, wie er in manch ein Luftduell einsteigt.
Problematisch in dem Zusammenhang für Daniel Frahn auch, dass mit Terrence Boyd demnächst ein Spieler zurück ins Team kehrt, der insbesondere im Einsatz seines Körpers als Wandspieler ganz große Stärken haben dürfte. Sprich, im Extremfall steht Frahn zurück, wenn schnelle Spieler gefragt sind und steht auch zurück, wenn es um Robustheit gegen tief stehende Mannschaften geht. Man wird gucken müssen, ob nicht von Zeit zu Zeit auch die Dreiersturmlösung mit Poulsen, Frahn und Boyd zur Option wird. Aber man kann vermuten, dass diese Dampfwalzenoption eher eine für die letzte halbe Stunde eines Spiels ist, wenn man zurückliegt.
Zu denken geben dürfte Daniel Frahn auch, dass in Düsseldorf nach 71 Minuten und eigener 2:1-Führung nicht etwa er eingewechselt wurde, der er seine Stärken ja insbesondere auch im Spiel gegen den Ball hat und damit hätte eine wichtige Hilfe sein können, um einer kräftemäßig nachlassenden Mannschaft noch mal defensiv einen Schub zu geben, sondern ausgerechnet Ante Rebic, der gerade in diesem Bereich ja noch seine Schwächen bei der Anpassung an die RB-Spielphilosophie hat.
Inwieweit bei dieser Auswechslung Alexander Zorniger ein Getriebener war, weil die implizite (eigene) Erwartung heißt, dass der 21jährige Stürmer mit dem 4-Millionen-Marktwert langsam spielen und seine Qualitäten für die Mannschaft zeigen muss, bleibt unklar. Fakt ist, dass es für Frahn kein gutes Zeichen ist, wenn er selbst dann hintenansteht, wenn man seinen Einsatz gegen die Innenverteidiger und seinen positiv-emotionalen Einfluss auf das eigene Team eigentlich ganz gut brauchen könnte und die Alternativen zu ihm eigentlich auch nicht im allerbesten Zustand sind.
Fakt ist zudem, dass für Daniel Frahn, auch die Zeit gekommen ist, den nächsten Entwicklungsschritt zu machen. Inwiefern er mit 27 Jahren noch mal in der Lage ist, einen Sprung zu machen, der ihn noch mal auf ein neues Niveau hebt, wird man erst in mittlerer Zukunft beurteilen können. Dürfte alles in allem schwer werden, wenn man es jahrelang gewohnt war, auf Regionalligaebene weniger körperliche Gegenwehr und mehr Räume zu kriegen.
Es wird sich in den nächsten zwei Jahren bis zu Frahns Vertragsende zeigen, ob sich der Potsdamer dauerhaft für eine Karriere in den obersten zwei Spielklassen empfehlen kann. Der eine oder die andere, gerade aus der Kritikfraktion, die es innerhalb der RB-Fans durchaus gibt, dürften dies für zweifelhaft halten. Letztlich ist es aber auch gerade für Stürmer nicht unmöglich, sich auch spät noch weiterzuentwickeln. Wobei hier wieder die Frage ist, inwiefern das Spielsystem von RB Leipzig nicht Anforderungen stellt, die für Frahns Art und Weise eher negativ sind.
Letztlich wäre es natürlich schön für Frahn, der ja weiterhin so etwas wie das Gesicht von RB Leipzig ist, weil er einfach schon lange dabei ist und in- und außerhalb von Leipzig als polarisierend wahrgenommen wurde, wenn er der zweite Spieler nach Andreas Lambertz von Fortuna Düsseldorf werden könnte, der in allen vier obersten deutschen Spielklassen für denselben Verein ein Tor schießt. Aber in letzter Konsequenz ist es halt eben kein Wunschkonzert.
Man sollte Daniel Frahn auf keinen Fall abschreiben. Schon gegen Heidenheim dürfte er in die Startformation zurückkehren, weil es eben ein anderes Spiel und man nicht so viele tiefe Räume für schnelle Spieler finden wird. Und sowieso bleiben Frahns Qualitäten unbestritten. Phänomenal zum Beispiel schon immer seine Bilanzen beim Erzielen des 1:0 von RB Leipzig, das zu deutlich überdurchschnittlichen auf das Konto von Daniel Frahn geht. Auch in dieser Saison war der Kapitän in den sieben Spielen, in denen er spielte, für die Hälfte aller 1:0-Treffer zuständig. Und das wo er doch lediglich insgesamt nur ein Fünftel aller RB-Treffer schoss.
Daniel Frahn dürfte entsprechend seiner Fähigkeiten immer eine Rolle bei RB Leipzig spielen. Zumal er die deutliche Rückendeckung des Trainers hat. Aber die Luft wird für den Kapitän dünner und er wird zunehmend nicht mehr automatisch gesetzt sein, sondern von Fragen der Teamtaktik und des Fitness- und Formstand seiner Konkurrenten abhängen. Mal sehen, wie sich Frahn unter diesen Bedingungen schlagen wird.
Das Gesicht der Mannschaft verändert sich. Poulsen, Kaiser, zukünftig Boyd. Und von etwaigen Wintertransfers aus dem Mutterland mal abgesehen.
Das sehe ich aber im Profigeschäft als normal an. Frahn seine Verdienste sind unbestritten. Ohne seine Tore würden wir nicht in der 2.Liga spielen.
Wir dürfen gespannt sein, wie seine zukünftige Rolle aussehen wird.
Sehr schöner, objektiver Artikel zu unserem Kapitän. Vielen Dank!
Auch der Aspekt, dass Frahni Gesicht unseres Vereins (nicht nur der Mannschaft) auch über die Leipziger Stadtgrenzen hinaus ist und unter Beachtung seiner bisherigen Leistungen sowie seiner Identifikation mit und Loyalität zum Verein (bspw. hätte er uns in der Regionalliga schon Richtung zweite Liga verlassen können) sollten bei den Leuten Berücksichtigung finden, die jetzt über ihn “schimpfen” und ihm eine faire Chance absprechen.