Wir waren bei der WM nicht umsonst so erfolgreich und die ganze Welt will unser Konzept kopieren. Wir sollten es also tunlichst vermeiden, nun wieder alles umzuwerfen, was erfolgreich ist. (Roland Kentsch, Geschäftsführer beim MSV Duisburg am 03.09.2010 bei reviersport.de zu den Gründen gegen die Reform der Regionalliga zu sein)
Noch mal zurück also zur Regionalliga-Reform (die Vorgeschichten gibt es hier und hier und hier) und einem der Argumente gegen diese. Der deutsche Fußball und seine Nationalmannschaft brauche die Wettkampfpraxis der 2.Mannschaften im Männerspielbetrieb für seine Talente. Gut werfen wir einmal einen Blick auf die WM-Fahrer und die Anzahl ihrer Spiele in Zweitvertretungen (Datengrundlage transfermarkt.de):
- Holger Badstuber: 55 Einsätze
- Philipp Lahm: 36 Einsätze
- Thomas Müller: 35 Einsätze
- Manuel Neuer: 25 Einsätze
- Bastian Schweinsteiger: 24 Einsätze
- Jerome Boateng: 24 Einsätze
- Serdar Tasci: 22 Einsätze
- Sami Khedira: 19 Einsätze
- Marko Marin: 16 Einsätze
- Toni Kroos: 13 Einsätze
- Piotr Trochowski: 12 Einsätze
- Mario Gomez: 7 Einsätze
- Hans-Jörg Butt: 4 Einsätze
- Lukas Podolski: 3 Einsätze
- Tim Wiese: 2 Einsätze
- Mesut Özil: 1 Einsatz
- Per Mertesacker: 1 Einsatz
- Marcell Jansen: 1 Einsatz
- Dennis Aogo: 1 Einsatz
- Stefan Kießling: 1 Einsatz
- Arne Friedrich: 0 Einsätze
- Miroslav Klose: 0 Einsätze
- Cacau: 0 Einsätze
Macht summa summarum 302 Einsätze insgesamt. Wovon noch einige Einsätze nicht der Jugendausbildung sondern der Förderung der Spielpraxis bspw. nach Verletzungen dienten. Macht im Schnitt 13,1 Einsätze, nicht einmal eine komplette Halbserie.Wenn man das weiterführen will und annimmt, die Nationalmannschaft hätte in 10 Jahren 100 verschiedene Nationalspieler, die dementsprechend auf etwa 1200 bis 1300 Spiele in Zweitvertretungen kommen würden, dann hätte jedes der in der Regionalliga vertretenen U23-Team statistisch gesehen jedes Jahr einen(!) zukünftigen Nationalmannschafts-Spieler, der in der ganzen Saison 5(!) Spiele absolvieren würde. Das ist die viel gepriesene, absolut notwendige Spielpraxis im Männerbereich für die deutschen Top-Talente? Also, diejenigen mit Nationalmannschafs-Potenzial kommen offenbar sehr gut ohne U23-Teams aus. Bis auf die Bayern, deren A-Team zu stark ist, um den Nachwuchs schon sehr jung aufzusaugen. Und auch da zeigt das Modell Kroos und dessen Jahr in Leverkusen, dass es der U23 nicht unbedingt bedarf.
Die Zahlen sind meiner Meinung nach ein deutlicher Beleg dafür, dass das vielgepriesene Argument, die Profimannschaften vollzögen mit ihren Zweitvertretungen quasi ihren Dienst an der Nationalmannschaft, täten damit also etwas für das Gemeinwohl (was auch immer man überhaupt von dieser Argumentation halten mag), empirisch nicht zu halten ist. Zweitvertretungen sind und bleiben wohl vor allem Institutionen zur Pflege des eigenen Profinachwuchses und der eigenen Identität plus eine elegante Möglichkeit, dem Profi-Anschlusskader gelegentliche Spielpraxis zukommen zu lassen. Was vollkommen ausreichen mag, um als Profiverein daran festhalten zu wollen, die eigene U23 gegen Männermannschaften antreten zu lassen, aber eben nicht selbstlos, sondern den Vorteilen im jeweiligen sportlichen Vereinsalltag geschuldet ist.
Sauber recherchiert und gut aufgelistet. Natürlich geht es nicht um das Gemeinwohl. Das PR Gedöns mit dem Pseudo-Argument – Stützung der Nationalelf – einzelner Vertreter von Fußballvereinen nervt doch etwas und ist zudem sehr durchschaubar. Es geht in aller erster Linie um Eigeninteressen.
Ich kann zumindest ansatzweise nachempfinden dass die BL Mannschaften ihre Zweitvertretungen im regulären Spielbetrieb halten wollen. Ich glaube dass die Herausforderung gegen z.B. Mannschaften wie Magdeburg oder RBL schon eine andere ist als in einem Wettbewerb der Zweitvertretungen untereinander.
Ich verstehe es auch sehr gut, dass die BL-Teams ihre 2.Mannschaften im regulären Spielbetrieb halten wollen. Nur bezweifle ich, dass es ein übergeordnetes Interesse (Deutschland und seine Nationalmannschaft braucht die Zweitvertretungen) gibt. Es gibt die nachvollziehbaren Interessen der Profiklubs und es gibt die dem widerstrebenden, ebenfalls nachvollziehbaren Interessen der kleineren, aber oft auch professionellen (vor allem) Regionalligaklubs. Ein klassischer Interessenskonflikt, den man lösen muss. Und ganz grundsätzlich ist es nicht die Aufgabe des DFB, die Interessen der 36 Profiklubs gegen die Interessen kleinerer Konkurrenten durchzusetzen. Letztlich braucht man eine konstruktive Auseinandersetzung bei dem das Für und Wider auf den Tisch kommt, man verschiedene Modelle durchspielt und dann schaut, wo eventuell eine Lösung läge, die möglichst viele Vereine ins Boot holt.