Eine neue Liga ist wie ein neues Leben. So ein bisschen fühlt es sich mit der dritten Liga jedenfalls an, die in so vielen Dimensionen der öffentlichen Aufmerksamkeit die bisher aus der Regionalliga bekannten Dinge pulverisiert und auch in Sachen Namhaftigkeit der Gegner eine ganz andere Welt ist.
Damit der Übergang nicht ganz so schwer fällt, hatte der DFB unter freundlicher Mithilfe des MDR ein Spiel für den Auftakt organisiert, das es vor einem reichlichen Jahr schon als abschließende Partie in der Regionalliga 2011/2012 gab. Damals wie gestern mit ausverkauftem Haus. Gestern allerdings unter veränderten Vorzeichen, denn für RB Leipzig ging es diesmal um etwas (damals konnte man gar nichts dagegen tun, dem HFC beim Feiern des Aufstiegs zuzugucken), nämlich um Punkte und einen guten Drittligastart.
Vor der Partie konnte man annehmen, dass viele Tore nicht fallen würden. Bisher hatten beide Mannschaften zusammen in vier Aufeinandertreffen gerade dreimal treffen können. Und auch gestern kam nur ein Treffer dazu. Was diesmal aber nicht an überragenden Abwehrreihen, sondern an beidseitiger Ungenauigkeit beim Abschluss und an zwei guten Keepern lag. Coltorti mit gewohnter Stärke im Eins-gegen-Eins. Und Kisiel mit schon in der letzten Saison in der Regionalliga mit dem BAK gezeigter überragender Klasse auf der Linie.
Letztlich konnte es gar nicht anders kommen, als dass ausgerechnet Daniel Frahn in seinem ersten Pflichtspiel nach der Verletzungspause am Ende der vergangenen Saison, die ihn auch die Relegationsspiele kostete, den Siegtreffer erzielte. In drei Jahren RB Leipzig hatte er 62 Tore in Regionalligaspielen geschossen. Reichlich 20 pro Saison also. Und beim Halleschen FC eröffnete er den diesjährigen Drittligatorreigen und schoss gleichzeitig das erste Drittligator für RB Leipzig. Nichts hätte passender sein können, als dass das herausragende Spielergesicht des Vereins auf diese Art den Willkommensgruß an die dritte Liga sendet. Es war ein großartiges Tor, in dem seine ganze Klasse aufblitze. Schön in den freien Raum gelaufen und von Dominik Kaiser perfekt eingesetzt, tunnelt er erst Gegenspieler Lachheb, um den Ball dann von halbrechts mit links perfekt in den Winkel zu schlenzen. Ein tolles Tor, in dem sich an diesem Tag vielleicht der entscheidende Unterschied zwischen Halle und RB manifestierte.
Denn zu Beginn des Spiels und vor allem in den ersten 10 Minuten war der Hallesche FC das gefährlichere Team. Der robuste und auch schnelle Pierre Merkel beschäftigte die Abwehr von RB Leipzig mehr als ausreichend und hätte noch in der ersten Minute die Hausherren in Führung schießen können, wenn er denn nicht nach einem langen Ball zu überhastet abgeschlossen hätte. Dass sich RB Leipzig in dieser Situation nach Ausführen der schon bekannten Anstoßvariante, bei der alle großgewachsenen Spieler nach vorne rennen und vom Anstoß weg ein langer Ball auf sie geschlagen wird, auskontern lässt, war allerdings weit entfernt von gut verteidigt bzw. clever gespielt.
Nach 10 Minuten fand dann RB Leipzig immer besser in die Partie und konnte mit dem hohen Angreifen Wirkung erzielen, auch wenn man immer wieder sah, wie anfällig die Verteidigung ist, wenn der Gegner die ersten Pressingwellen überspielt und dann plötzlich Räume auf den Flügeln bekommt. Wird spannend sein, ob man hier im Verlauf der Saison das offensive Verteidigungsverhalten, bei dem man sehr genau die Gegenspieler markieren und Passwege zumachen muss, noch verbessern kann.
Das 4-3-1-2, das eher mit zwei Achtern und einem Sechser denn mit drei Sechsern gespielt wird und dazu noch zwei hoch agierende Außenverteidiger vorsieht, ist gewissermaßen auch extrem anfällig für Konter über den Flügel, bei denen dann ein Innenverteiger mit nach draußen gezogen wird und in der Abwehrzentrale dadurch Räume entstehen. Halle nutzte diese Räume in den ersten 20 Minuten recht gut, ohne im Anschluss an die Auftaktchance extrem gefährlich zu werden. Andere Teams hätten daraus vielleicht besser Nutzen ziehen können.
Nach dem Führungstreffer durch Daniel Frahn für RB Leipzig kam in der ersten Halbzeit nicht mehr viel vom HFC. Die RasenBallsportler hatten ihre Gegenspieler nun pressenderweise im Griff und was doch durchkam fischte die Abwehrviererkette und insbesondere die Inneverteidigung weg. Und nach vorne fuhr man einige im Ansatz gute Angriffe, mit denen man sich immer wieder gefährliche Situationen erarbeitete, ohne letztlich das Kisiel-Tor ernsthaft in Gefahr bringen zu können.
10 sehr gute Hallenser Minuten. 10 ausgeglichene Minuten. Und eine restliche Halbzeit, die RB im Griff hatte. Das 1:0 zur Pause ging durchaus in Ordnung. Dass man sich auf dieser Führung nicht ausruhen kann, merkte man direkt nach Wiederanpfiff, dem die Hallenser Spieler schon minutenlang auf dem Rasen entgegenfieberten, bevor sich auch Schiedsrichterteam und RasenBallsportler der wartenden Spieler erbarmten und auf den Rasen kamen.
Denn mit dem eingewechselten, ganz frischen Neuzugang Akaki Gogia ging es erst einmal für fünf Minuten fast ausschließlich Richtung Coltorti. Und es zeigte sich wieder einmal, dass RB anfällig ist, wenn der Gegner denn in der Lage ist, am Strafraum mal den Ball zu kontrollieren. Zugegebenermaßen hatte Halle da auch einige gute Ideen, wenn es beispielsweise darum ging, die Kugel von den Seiten in den Rückraum des Strafraums auf völlig frei stehende Mitspieler zu legen. Coltorti, eine Portion Glück und die bekannte Hallenser Abschlusschwäche verhinderten Einschläge.
Auf der Gegenseite muss RB Leipzig das Spiel bis zur 75. Minute eigentlich bereits entscheiden, denn bei drei, vier Hochkarätern hätte zumindest ein Ball den Weg ins Tor finden dürfen. Doch HFC-Keeper Kisiel hatte etwas gegen einen zweiten Gegentreffer und der eine oder andere Angriff war von Seiten der RasenBallsportler nicht genau genug gespielt. Sodass RB Leipzig in der Schlussviertelstunde noch mal erheblich zitterte und gegen den aufopferungsvoll kämpfenden Gastgeber auch ein wenig das Glück bemühte, um über die Runden zu kommen.
Wenn man die 90 Minuten als ganzes sieht, dann geht der Sieg von RB Leipzig sicherlich in Ordnung, auch wenn er eher 4:3 als 1:0 ausgehen hätte können (wie HFC-Kapitän Wagefeld auf nur zwei RB-Chancen kommt, ist dabei ein kleines Rätsel). Wenn man sieht, wieviele Chancen Halle in der zweiten Halbzeit hatte und wie sie die Abwehr von RB Leipzig phasenweise in Verlegenheit stürzten, kann man mit HFC-Coach Köhler natürlich auch der Meinung sein, dass ein Unentschieden das gerechtere Resultat gewesen wäre. Vielleicht war das 1:0 letztlich tatsächlich nur der Unterschied zwischen Daniel Frahn und HFC-Stürmer Merkel.
Wenn man die 90 Minuten als ganzes sieht, dann kann man aber ganz sicher von einem guten und hochunterhaltsamen Drittligaauftakt sprechen. Die spektakuläre, auf hohem Pressing beruhende Spielweise von RB Leipzig begünstigt sicherlich das offene Spiel und so wogte die Partie phasenweise in tollem Tempo auf und nieder, sodass die Zuschauer im Stadion und an den Fernsehgeräten gleichermaßen in den Genuss eines spannenden Spiels kamen. Natürlich mit deutlichen Freudevorteilen auf Gästeseite.
Fazit: Letztlich setzte sich die etwas größere individuelle Klasse alles in allem verdient durch. Für einen Start in die dritte Liga ist es natürlich aus RB-Sicht eine großartige Sache, ausgerechnet vom Ausflug zum hochmotivierten geographischen Nachbarn aus Halle drei Punkte mitzunehmen. Mit diesem ersten kleinen Achtungszeichen kann man entspannt in die nächsten Wochen gucken, in denen mit Münster und Augsburg noch mal ganz andere Kaliber warten. Es ist weiterhin Arbeit an der Abstimmung und Genauigkeit beim Pressing nötig, aber alles in allem sieht es rund um RB Leipzig für einen Ligastart schon mehr als ordentlich aus. Das erste emotionale Saisonhighlight ist damit schon mal weg. Hoffentlich folgen noch ein paar.
Randbemerkung 1: ‘Was für ein Sturmduo’ durfte man beim ersten gemeinsamen Pflichtspielauftritt von Poulsen und Frahn mehrmals denken. Der eine unglaublich schnell und dribbelstark. Der andere unfassbar kaltschnäuzig vor dem Tor. Das Sturmduo hat – soweit kann man sich aus dem Fenster lehnen – durchaus Potenzial für noch höhere Ligen. In der dritten Liga könnte es in der einen oder anderen Partie letztlich den Unterschied machen. Und das alles vor dem Hintergrund, dass die Integration von Yussuf Poulsen noch gar nicht abgeschlossen ist. Schön zu sehen bspw. als Poulsen mit seiner Geschwindigkeit in Hälfte eins perfekt in den Raum startet und frei durchgewesen wäre, wenn denn Kaiser auf diesen Laufweg eingegangen wäre und den Ball sofort und nicht nach einem weiteren Schritt und dann leider ins Abseits gespielt hätte. Wäre bei gelungenem Zusammenspiel eine hundertprozentige Chance gewesen. Insgesamt ist gerade beim letzten Spiel in die Spitze noch ein bisschen Genauigkeitsluft nach oben (außer bei Kaisers Anspiel auf Frahn vor dem Tor natürlich).
Randbemerkung 2: Aufstellungstechnisch wenig überraschendes bei RB Leipzig. Nur ein klitzekleines bisschen überraschend, dass Rockenbach tatsächlich in der Startelf stand, aber damit konnte man auch irgendwie rechnen. Willers statt Sebastian und Fandrich und Schulz neben Kaiser im Mittelfeld konnte man dagegen erwarten. Gänzlich unerwartet kam es für viele Beobachter allerdings, dass André Luge, der in der Vorbereitung eigenlich ordentliche Leistungen abgeliefert hatte, nicht einmal im Kader stand. Hätte ich auch nicht erwartet. Erwartet hatte ich hingegen wiederum, dass der eigewechselte Thomalla sich sehr gut in das Team einpasste. Klar passt da noch nicht alles, aber mit seinen Laufwegen und seinem Zug zum Tor scheint er mir eine sehr gute Ergänzung im Sturm neben Poulsen und Frahn zu sein. Und dass man auch mit drei nominellen Stürmern ein dem 4-3-1-2 am ehesten ähnelndes System spielen kann, hat man in Halle sehen können.
Randbemerkung 3: “Kein Derby! Nur ein lästiges Pflichtspiel!”, hieß es auf einer Zaunfahne, die die HFC-Fans vor dem Spiel an ihrem Block zu hängen hatten. Nun ja, wenn der HFC jedes nur halbwegs lästige Pflichtspiel halbwegs so schnell ausverkaufen könnte, wie das gegen RB Leipzig, würden der örtliche Schatzmeister und die Mannschaft wohl permanent vor Jubel im Kreis springen. Völlig unabhängig davon, ob man das Duell HFC-RBL nun Derby nennen will oder nicht. Ich bin mit dem Begriff ja auch vorsichtig, wie dieser Spielbericht hier zeigt. Aber für ein “lästiges Pflichtspiel” gab es auch in Halle ganz schön viel Euphorie um die Partie..
Lichtblicke:
- Aus der Hintertorperspektive nicht wirklich seriös zu beantworten. Coltorti hatte aber im Tor einen sehr sicheren Tag erwischt. Clemens Fandrich wirkte auf mich sehr agil. Yussuf Poulsen ließ immer mal sein Klasse aufblitzen. Daniel Frahn beim Tor und abseits davon sowieso. Bastian Schulz spielte wieder mal sehr mannschaftsdienlich und sicher. Die Innenverteidigung Hoheneder, Willers fischte viele, viele Bälle in direkten Duellen. Aber das eher als Eindrücke denn als abschließende Urteile. Die gibt es wieder bei besserer Sicht von der Spielfeldgerade.
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Tor: 0:1 Frahn (23.)
Aufstellung: Coltorti – Müller, Hoheneder, Willers, Jung – Fandrich (84. Ernst), Kaiser, Schulz (88. Röttger) – Rockenbach (61. Thomalla) – Poulsen, Frahn
Zuschauer: 14.022 (davon 1.200 Leipziger) – ausverkauft
Links: RBL-Bericht, Liveticker, RB-Fans-Bericht, MDR-Bericht [broken Link], HFC-Bericht [broken Link]
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Bild: © GEPA pictures/ Kerstin Kummer
Toller Start in die Liga. Danke auch für den wie immer qualitativ hochwertigen Bericht.
Für das Heimspiel gegen Preußen Münster würde ich mir einen Start mit Thomalla statt Rockenbach wünschen. Schon eigenartig, wie Zorniger in fast Löw’scher Manie an seinem Liebling Rockenbach trotz seiner deftigen Formkrise festhält. Oder ist es tatsächlich so, dass das Spiel der Rasenballsportler inzwischen zu schnell ist und er durch seine mangelnde Handlungsschnelligkeit als störendes Element empfunden wird?
zur Randbemerkung 3 fällt mir noch etwas ein.
Kurz vor Ende forderten die HFC Fans per Banner die sofortige Abschaffung des Sicherheitszuschlages.
Das der nicht tatsächlich “sofort” abgeschafft wurde, haben dann ein paar HFC´ler wohl fehlinterpretiert und sorgten für etwas Aufsehen und einen ordentlich beschädigten Mannschaftsbus des RBL.
Meine Meinung dazu: Pfui HFC!
Viel schlimmer als der RB Mannschaftsbus sind die vier verletzten Beamten und was weiß ich was noch als Dunkelziffer durch geht.
Habe das Spiel leider nur im Livestream sehen können und da wirkt ja manches anders, daher die Frage, ob Fandrich eigentlich tatsächlich öfter mal desorientiert war und ob ihr den Eindruck hattet, dass RB sein eigenes Spiel durchbringen wollte ohne sich groß von Halle beeindrucken zu lassen? Übertragung (mit all ihren Einschränkungen) hat mich an der ein oder anderen Stelle bisschen bedröppelt drein schauen lassen hinsichtlich des Auftretens.
“Lästiges Pflichtspiel”?
Nicht nur lästig, sondern ekelhaft, sind sogenannte Fanfreundschaftler, die einen Mannschaftsbus mit Flaschen beschiessen müssen.
Und genau diese Typen fordern dann die Abschaffung eines Sicherheitszuschlages, der aufgrund ihres asozialen Verhaltens notwendig ist und den dann ALLE zu zahlen haben…
Perverser geht’s nicht!
Mein erste Auswärtsfahrten in Kurzform:
Eine geile Stimmung! Ein schöner Sieg!
Randnotiz :
Ich habe mich sehr sicher gefühlt.
Dafür ein großen Dank an die Polizei.
…natürlich meine erste Auswährtsfahrt.Die Sonne macht sich schon bemerkbar.;-)