Viel Wirbel hatte das Trainerthema in den letzten Wochen verursacht. Die öffentliche Verhandlung darüber, wer in Bezug auf Markus Weinzierl wem abgesagt oder überhaupt Interesse hatte, war in vielerlei Hinsicht seltsam. Das ewige Spiel medialerseits immer neue Trainernamen auf das Karussell zu werden, war dagegen ebenso erwartbar wie wenig unterhaltend.
Am Ende wurde Ralph Hasenhüttl als neuer Coach und natürlich als “absolute 1A-Lösung” präsentiert. Eine Wahl, an der so ziemlich alle Facetten passen. Außer dass auch diese Personalie nach der Veröffentlichung eines Treffens von Rangnick und Hasenhüttl zu Ostern bereits breit ausgeschlachtet und vom FC Ingolstadt gar zu einem Statement im scharfen Ton [broken Link] gegen das RB-Vorgehen genutzt wurde. Drei Wochen vergingen von da an noch bis zum Wechsel.
Sei doch alles gar nicht so schlimm gewesen, hieß es zum FCI-Statement von Seiten RBs. Man habe sich doch nur mal so in Österreich getroffen, weil man schon länger in Kontakt steht und sich über dies und das austauscht. Wenn man was von Hasenhüttl wolle, werde man sich schon in Ingolstadt melden und überhaupt werde man doch nicht in Ingolstadt fragen, wenn man sich nur mal so am freien Wochenende mit Hasenhüttl zum Essen treffen will.
Interessanterweise hieß es dann bei der offiziellen Bekanntgabe der Hasenhüttl-Verpflichtung, dass man ihn schon vor einem Jahr im Sommer nach Leipzig holen wollte, Hasenhüttl damals aber Ingolstadt nach dem Aufstieg auf keinen Fall verlassen wollte. Vor einem Jahr verlängerte Hasenhüttl dann seinen Vertrag in Ingolstadt vorzeitig bis 2017, witzigerweise am selben Tag bekanntgegeben, an dem Rangnick in Leipzig von Mintzlaff als (natürlich) 1A-Lösung für den RB-Trainerstuhl präsentiert wurde.
Ralph Hasenhüttl (48) unterschrieb nach RB-Zahlung einer Ablöse von irgendwas zwischen kolportierten 1,5 und 2 Millionen Euro bis 2019 in Leipzig, also für einen Zeitraum von drei Jahren. Das dürfte nach Zielvorstellungen der Verantwortlichen ein Zeitraum sein, in dem Hasenhüttl den Verein einmal in einem europäischen Wettbewerb betreut hat. Sprich, im Sommer 2018 sollte es vermutlich spätestens einen Bundesliga-Tabellenplatz geben, der für einen europäischen Wettbewerb berechtigt.
Vermutlich ist Ralph Hasenhüttl dieser Zielrahmen gar nicht so unrecht. Als sehr ehrgeiziger Trainer, der seine Karriereschritte bisher sehr konsequent gegangen ist, ist der Blick Richtung Europa der nächste logische Blick. Und einer, der in dieselbe Richtung wie der von Rangnick oder Mintzlaff geht.
Begonnen hat Hasenhüttl seine Trainerkarriere 2007 bei der SpVgg Unterhaching, wo er für knapp zweieinhalb Jahre an der Linie stand und den Club aus der drittklassigen Regionalliga in der eingleisigen dritten Liga etablierte, bis ihn vereinsinterne Streitigkeiten und durch den Erfolg gestiegene Erwartungshaltungen den Job kosteten.
Nach einem knappen Jahr Pause übernahm er dann beim VfR Aalen in der dritten Liga, blieb dort ebenfalls etwa zweieinhalb Jahre und führte den Club aus der Drittklassigkeit in die zweite Liga und schmiss dort nach einem famosen neunten Platz am Ende des Neulingsjahrs hin. Weil es keine Perspektiven zur Weiterentwicklung gab.
Vier Monate dauerte es, bis er im Oktober 2013 den FC Ingolstadt von Marco Kurz auf dem letzten Platz in der zweiten Liga übernahm. Die Geschichte seitdem dürfte bekannt sein. In diesmal mehr als zweieinhalb Jahren führte er den Club in die erste Liga und errang dort mit seiner Mannschaft souverän den Klassenerhalt. Perspektiven zur Weiterentwicklung des Teams auch hier überschaubar, weil die Möglichkeiten des Clubs weitgehend ausgereizt sind.
Vielleicht erkennt jemand in den Amtszeiten um die zweieinhalb Jahre herum und dem dreijährigen Vertrag in Leipzig ein Muster, der den nächsten Schritt zu den Bayern schon vorausdenkt. Wichtiger aber sicher die Anekdote, die Hasenhüttl selbst erzählt, dass er im Sommer 2014 bei einem Testspiel gegen Red Bull Salzburg entscheidende taktische Inspirationen mitnahm.
Salzburg damals kurz nach der Zeit mit Roger Schmidt noch im Vollgaspressingmodus, den Neu-Coach Adi Hütter, wie er später erklärte, gar nicht mehr so spielen wollte, aber dies von der sportlichen Leitung um Rangnick praktisch weiter vorgegeben wurde. Hasenhüttl fand es jedenfalls gut und übernahm das hohe Verteidigen und frühe Pressing für sein Ingolstädter Team und durchpflügte anschließend die überforderte zweite Liga.
Wenn man es runterbrechen will, dann steckt in Hasenhüttl wieder eine ganze Portion mehr Zorniger als zuletzt bei RB Leipzig zu sehen war. Sprich, lange Bälle, die Jagd nach dem zweiten Ball und viel Intensität prägten die Spielweise von Hasenhüttls Team in den letzten zwei Jahren. Als “eklig” empfanden die Gegner diese Spielweise gelegentlich.
Wer sich noch an das bisher einzige Aufeinandertreffen zwischen Zorniger und Hasenhüttl aus dem Dezember 2014 erinnern kann, wird sich an ein Pressing- und Zweikampfmassaker im besten Wortsinne erinnern. Nicht brutal, aber mit unfassbarer Intensität bestritt man deutlich über 300 Zweikämpfe (zum Vergleich: in der Bundesliga werden im Schnitt ungefähr 200 Zweikämpfe pro Spiel bestritten, in der letztjährigen zweiten Liga waren es ungefähr 240) und ließ sich keinen Zentimeter. Auch beim Testspiel zwischen Leipzig und Ingolstadt, also Rangnick und Hasenhüttl vor der aktuellen Saison begegnete man sich oft mit fast allen Spielern auf einem Rechteck von handgeschätzten 30 mal 20 Metern.
Hasenhüttl-Fußball definiert sich also im Kern über das Spiel gegen den Ball, bei dem lange Bälle, um überhaupt in hohe Pressingsituationen zu kommen, absolut erlaubt sind. Bei RB Leipzig wiederum ist man in den letzten zehn Monaten eigentlich wieder einen Schritt zurückgegangen und hat versucht, gegen robuste und kopfballstarke Defensiven das Spiel mit dem Ball zu kultivieren und sich von den langen Bällen zu lösen, weil man sowieso selten gegen Teams spielte, gegen die man in gute Pressingsituationen kommen konnte, weil sehr tief am Strafraum verteidigt wurde und nur wenige Mannschaften (außer Bochum), es gegen RB versuchten, den Ball spielerisch nach vorn zu tragen. Selbst Freiburg, so gaben sie nach der Partie zu, hätte im Rückspiel auch ohne Schnee darauf gesetzt, die Bälle lang nach vorn zu bolzen.
Rangnick versuchte es also in den letzten Monaten vermehrt über das Spiel mit dem Ball, selbst wenn man weiterhin davon spricht, dass alles auf dem Spiel gegen den Ball beruht und dies natürlich auf dem Platz auch zu sehen ist. Aber man steht inzwischen auch mal mit dem Verbund an der Mittellinie, wartet ab und verschiebt, bis es sich lohnt, Druck zu machen.
Das Ballbesitzspiel, das man sich mehr oder minder notgedrungen aneignete, klappte mal besser und mal schlechter. Auch weil im zentralen Mittelfeld ein wenig die Passstärke fehlt. Aber man versuchte, über die Innenverteidiger und die Außen oder die Mitte die vielen Offensivkräfte vor allem über den Boden einzubinden. Wobei man gerade Richtung Ende der Saison auch wieder eine zunehmene Tendenz beobachten konnte, dass die Innenverteidiger lange Bälle auf Zielspieler Poulsen spielen.
Letztlich wird beim Aufeinandertreffen von Hasenhüttl und RB Leipzig die Frage sein, welche Richtung (und es handelt sich da ja eher um Nuancen als Welten) sich durchsetzt. Das hochgradig intensive Spiel von Hasenhüttl, bei dem das ganze Team als Verbund sehr viel arbeiten muss oder das ein wenig zum Ballbesitz übergeglittene System Rangnicks, das lange nicht mehr so intensiv wie unter Zorniger gespielt wird und in dem nicht jeder gewonnene Ball sofort in die Tiefe geht, sondern immer mal wieder über die Innenverteidigung gesichert wird.
Im besten Fall kriegt man das Beste aus beiden Welten, zumal Hasenhüttl doch eher zu den Trainern gehört, die ihre Marschroute ein Stückweit auch am Team entwickeln können. Im Idealfall kriegt man also ein Team, das bereit ist kompakt und mit hoher Intensität zu pressen, aber auch ein Team, das den Ball laufen lassen und tief stehende Gegner mal geduldig bespielen kann.
Die Frage dabei ist halt auch, inwieweit Hasenhüttl die hohe Intensität und Zweikampflastigkeit seines Spiels gegen den Ball den RB-Spielern vermitteln kann. Nicht alle Spieler, die hier seit der Zorniger-Zeit angekommen sind, würde man als Prototypen für das 90minütige, hohe Pressing sehen. Und damit ist gar nicht gemeint, dass sich da manche zu fein sein könnten dafür. Aber ein Bruno ist bspw. genauso eher ein Spieler für den Ball am Fuß wie bspw. ein Forsberg, von dem man zwischenzeitlich in der Saison den Eindruck hatte, dass er nach 70 Minuten Fußball mit vielen Sprints konditionell am Limit ist.
In diesem Zusammenhang ja auch ganz interessant, dass Hasenhüttl in Leipzig mit völlig anderen Spielertypen arbeiten wird als bisher. Seine letzten drei Stationen waren Vereine mit einer Reihe von Spielern, denen vielleicht nicht viele die ganz große Karriere zugetraut haben und die sich über das intensive Arbeiten gegen den Ball quasi den nächsten Karriereschritt erarbeiten konnten. Für sie mag diese Art des Fußballs logisch und eine Offenbarung gewesen sein. Für den geneigten RB-Spieler mit Nationalmannschaftserfahrung und einem gewissen Wissen um und Vertrauen in die eigenen Stärken mag dies anders aussehen. Und dabei geht es gar nicht um Charakterfragen, sondern tatsächlich um fußballerische Fähigkeiten und Kernkompetenzen.
Damit zusammen hängt auch, dass Hasenhüttl erstmals ein Team mit fast schon übernatürlicher Erwartungshaltung trainiert. Die kommt überwiegend von außen in Form entsprechender, vor allem überregionaler Medienberichterstattung, aber natürlich in Form von Ergebnisdruck auch von innen. Manchem taugt das, manch anderem taugt das nicht. In Bezug auf Ralph Hasenhüttl ist vor allem die Frage, wie er damit umgeht, dass er erstmals keinen Verein übernimmt, der Probleme hat und dem man helfen kann (und der entsprechend vielleicht auch gern Hilfe annimmt), sondern einen Verein, der völlig intakt ist und durchstarten will bzw. muss.
Dabei spielt natürlich auch der lange Schatten von Ralf Rangnick eine Rolle. Der setzte sich vor einem Jahr auf die Bank und führte die Mannschaft nach Startschwierigkeiten lange souverän, später immerhin noch vorzeitig zum Bundesligaaufstieg. Schwierige Phasen in der Bundesliga werden quasi ganz natürlich immer wieder die Blicke gen Sportdirektor wandern lassen, warum der denn nun eigentlich nicht auf der Bank sitzt. Da braucht Hasenhüttl viel Rückhalt im Verein, um nicht frühzeitig für die Öffentlichkeit zur Zielscheibe zu werden.
Kurzfristig im Normalfall keine negative Rolle spielen wird das Verhältnis zu Ralf Rangnick. Das ist zu diesem Zeitpunkt der Zusammenarbeit auf jeden Fall für beide Seiten befriedigend, sonst wäre der Vertrag nicht unterschrieben worden. Ralph Hasenhüttl kommt sicherlich auch mit der Idee nach Leipzig, dass er sich hier noch mal weiterentwickeln und auch dazulernen kann. Die von Mintzlaff einst formulierte Einstellungsvoraussetzung, dass man nicht beratungsresistent sein dürfe, erfüllt Hasenhüttl damit sicherlich auch.
Ob das dann in zwei Jahren mal anders sein mag, weil Hasenhüttl findet, er hat auch genug eigene Ideen oder ob Rangnick in zwei Jahren findet, dass die taktische Entwicklung in die ganz falsche Richtung geht oder Hasenhüttl immer die falschen Spieler will, soll heute noch nicht interessieren. Vielleicht haben sich ja auch 2018 noch alle ganz doll lieb und essen zu Ostern zusammen in einer österreichischen Kneipe zu Mittag.
Die Verbindung Hasenhüttl-Leipzig klingt auf vielen Ebenen perfekt. Ein lernwilliger und ehrgeiziger Trainer kann in Leipzig seinen nächsten Schritt in der Bundesliga mit einem Team machen, das auf jeden Fall binnen der nächsten zwei bis drei Jahre wesentlich höhere Ambitionen hat als der FC Ingolstadt. Hasenhüttl kann RB Leipzig auf dem Weg in die Bundesliga entscheidend mitformen und hat es somit auch mit in der eigenen Hand, irgendwann den Schritt nach Europa zu schaffen.
Taktisch passt es auch ziemlich gut. Der Unterschied zwischen Hasenhüttls Intensivpressingekelfußball und Rangnicks mehr Richtung Ballbesitz gegangenem Fußball ist sichtbar, aber nicht so groß, als dass er nicht überbrückbar wäre, weil beide im Grunde das Spiel gegen den Ball und hohe Ballgewinne als zentrales Moment ihrer Fußballidee sehen.
Ehrgeiz passt, gemeinsam mit RB den nächsten Schritt gehen passt, Fähigkeit zum Einpassen in die RB-Strukturen mit Rangnick passt (zumindest kurz- bis mittelfristig), ähnliche Sichtweisen auf die Spielphilosophie passt, Typ Hasenhüttl und seine Fähigkeit Spieler und Umfeld mitzunehmen passt. Passt doch ziemlich viel. Heißt natürlich noch lange nicht, dass es auch funktioniert und die Idee hinter der Trainerverpflichtung aufgeht, aber es heißt, dass die Idee zum jetzigen Zeitpunkt absolut nachvollziehbar ist und man sich auf die Zeit mit Ralph Hasenhüttl durchaus freuen darf. Der Begriff “1A-Lösung” passt jedenfalls diesmal erstaunlich gut.
Bin auf die nächsten 4 Wochen gespannt, mal gucken was die 2 Ralles für Spieler nach Leipzig holen werden. Bundesliga, … ich kann’s immer noch nicht so recht glauben :D
Auf dem weg IN die Bundesliga wird er uns nicht mehr helfen können ;) auf dem Weg durch die Bundesliga schon ich denke auch das das gut passen könnte.
1A Lösung. Da bekomme ich Stirnrunzeln. Klingt wie perfekte Bedingungen. Der Prof und Zorniger waren auch mal dicke Tinte. Ich bin gespannt, wie lange die zwei R es sind.