In Abwandlung einer alten Weisheit, die in der Berichterstattung über den (vor allem amerikanischen) Sport nach Lust und Laune hin- und hergereicht wird, könnte man von der zweiten Bundesliga behaupten, dass man zu Hause Spiele gewinnt, aber auswärts Meisterschaften. Zumindest legen das die Daten der letzten 20 Spielzeiten nahe.
In 12 der letzten 20 Spielzeiten seit Einführung der Dreipunktregel wurde die beste Auswärtsmannschaft am Ende auch Zweitligameister, während dies nur achtmal dem besten Heimteam der Saison gelang. Wobei in fünf Fällen das beste Auswärtsteam auch gleichzeitig das beste Heimteam war. Heißt, dass der Meister nur dreimal gleichzeitig bestes Heimteam und nicht bestes Auswärtsteam war und andersherum der Meister siebenmal bestes Auswärtsteam, aber nicht bestes Heimteam.
Mehr noch, nur zweimal stieg das beste Auswärtsteam der Saison am Ende der Zweitligaspielzeit nicht auf, während das beste Heimteam der Saison in sieben von 20 Fällen den Aufstieg verpasste. Aus Sicht von RB Leipzig beruhigende Zahlen, wenn man ihren Sechspunktevorsprung in der Auswärtstabelle bedenkt.
Interessant vielleicht auch, dass die Statistik ausweist, dass die Anzahl der Heimsiege gerade in den letzten dreieinhalb Spielzeiten deutlich und konstant zurückging. In dieser Saison liegt man bis zum jetzigen Zeitpunkt sogar bei einem historischen Tiefstand von gerade mal einem reichlichen Drittel an Heimsiegen. Sprich, Heimsieg, Unentschieden und Auswärtssieg sind nahezu gleich verteilt. Teams wie Frankfurt oder Kaiserslautern sind also keine Freaks mehr, sondern Prototypen des Trends, dass zu Hause spielen kein Vorteil ist.
Bis 2012 lag die Quote der Heimsiege meist irgendwo knapp unter 50%, dreimal sogar drüber. Ein Ausreißer nach unten war vor allem die Spielzeit 1997/1998, als nur 129 von 306 Spielen Heimsiege waren, ziemlich genau die Quote die in den Spielzeiten seit 2012 die Regel geworden ist.
Naheliegend dies dahingehend zu interpretieren, dass die starke Fokussierung und immer bessere Umsetzung von guter Defensivarbeit und schnellem Umkehrspiel die Entwicklung begünstigt. Während sich das Heimteam abmüht, das Spiel zu machen (bzw. stärker zu machen als in Auswärtsspielen) und dabei auch ein bisschen an den technischen Unzulänglichkeiten im Spiel mit dem Ball und im Torabschluss unter Abwehrdruck, die mit Zweitligaspielern nun mal auch verbunden sind, scheitert, wartet das Auswärtsteam ab, spielt Physis und Laufbereitschaft aus (hinsichtlich derer sich Zweitligateams nicht viel nehmen) und schlägt dann im passenden Moment mit einem gut gesetzten Konter nach Ballgewinn zu.
Diese Gemengelage zu Hause zu durchbrechen, schaffen selbst Spitzenteams wie Freiburg und Leipzig nicht konstant. Die beiden Leipziger Heimniederlagen gegen St. Pauli und Kaiserslautern stehen stellvertretend dafür, wie man gegen kompakt verteidigende Umkehrspielteams verliert. Und das Auswärtsspiel beim FC St. Pauli schlägt letztlich in dieselbe Kerbe, weil Leipzig dort eher wie ein Heimteam agierte und nicht wie ein Auswärtsteam.
Die Zeiten dessen, dass man zu Hause ohne Federn zu lassen durch die Saison kommt, sind jedenfalls scheinbar vorbei. Nur Nürnberg ist diese Saison noch ungeschlagen (hat aber auch nur sechs von elf Spielen gewonnen) und ist auch das einzige Team, das überhaupt weniger als zwei Heimniederlagen auf dem Konto hat.
Womit sich auch begründen könnte, dass in der Liga eigentlich (gefühlt) mehr Teams mit latenter Unzufriedenheit zu kämpfen haben als dass sie Zufriedenheit umgeben würde. Um einen Verein wie Kaiserslautern herum beispielsweise wäre es eventuell ruhiger, wenn man statt drei Heimsiege und fünf Auswärtssiege einzufahren, zu Hause vielleicht sechsmal und auswärts nur zweimal gewonnen hätte. Dann gäbe es zwar immer noch Dinge zu bemäkeln, aber es würde sich vielleicht besser anfühlen, weil die Masse an Zusehern bei ihrem Live-Stadionbesuch eine gute Zeit hatte. Verlierst du häufiger zu Hause als du gewinnst, ist das vermutlich durch (von vielen) nur am Fernseher erlebte Siege emotional nicht zu kompensieren. Selbst wenn es in Bezug auf die Punkteausbeute am Ende keinen Unterschied macht.
Das ist natürlich nur Küchentischpsychologie. Was belegt scheint, ist aber die Tatsache, dass es kaum noch einen Unterschied macht, ob du auswärts oder zu Hause spielst. Und dass man als bestes Auswärtsteam der Liga auch fast immer den Freifahrtschein zum Aufstieg hast.
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Heim-Auswärtsbilanzen seit 1995 – Saison: Heimsiege – Unentschieden – Auswärtssiege (Einführung der Dreipunktregel)
- 2015/2016 (nach 23 Spielen): 73 – 63 – 62 – 36,9%
- 2014/2015: 127 – 97 – 82 – 41,5%
- 2013/2014: 126 – 88 – 92 – 41,2%
- 2012/2013: 129 – 90 – 87 – 42,2%
- 2011/2012: 140 – 91 – 75 – 45,8%
- 2010/2011: 150 – 69 – 87 – 49,0%
- 2009/2010: 145 – 72 – 89 – 47,4%
- 2008/2009: 147 – 87 – 72 – 48,0%
- 2007/2008: 141 – 95 – 70 – 46,1%
- 2006/2007: 135 – 86 – 85 – 44,1%
- 2005/2006: 148 – 67 – 91 – 48,3%
- 2004/2005: 157 – 71 – 78 – 51,3%
- 2003/2004: 142 – 87 – 77 – 46,4%
- 2002/2003: 137 – 82 – 87 – 44,8%
- 2001/2002: 149 – 72 – 85 – 48,7%
- 2000/2001: 154 – 77 – 75 – 50,3%
- 1999/2000: 147 – 95 – 64 – 48,0%
- 1998/1999: 148 – 85 – 73 – 48,3%
- 1997/1998: 129 – 99 – 78 – 42,2%
- 1996/1997: 150 – 93 – 63 – 49,0%
- 1995/1996: 158 – 80 – 68 – 51,6%
Endplatzierungen der besten Heimteams der zweiten Liga seit 1995 (Einführung der Dreipunktregel)
- 2. (aktuelle Saison), 2., 1., 1., 1., 7., 4., 3., 4., 1., 4., 3., 1., 1., 1., 7., 3., 2., 4., 1., 5.
Endplatzierungen der besten Auswärtsteams der zweiten Liga seit 1995 (Einführung der Dreipunktregel)
- 1. (aktuelle Saison), 3., 1., 1., 2., 1., 1., 2., 1., 1., 1., 1., 5., 1., 1., 2., 2., 1., 2., 3., 1.
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23.Spieltag
- SC Paderborn 07 – RB Leipzig – 2
- 1. FC Nürnberg – SpVgg Greuther Fürth – 2
- 1. FC Union Berlin – Karlsruher SC – 2
- SC Freiburg – 1. FC Kaiserslautern – 2
- VfL Bochum – SV Sandhausen – 1
- TSV 1860 München – Fortuna Düsseldorf – 1
- Eintracht Braunschweig – FSV Frankfurt – 1
- 1. FC Heidenheim – Arminia Bielefeld – 0
- MSV Duisburg – FC St. Pauli – 0
Tippquote bisher: 77 von 198 (bei RB-Spielen: 9 von 22).