Fußballrhetorik ist ein ewiger Hort der Metaphern und Analogien, bei denen die meisten weniger über den Gegenstand als über das Weltbild des Sprechers aussagen. Dietmar Hirsch, der aus dem klaren Abstiegskandidaten SV Elversberg binnen weniger Wochen ein Drittligamittelfeldteam machte, ist hierfür ein gutes Beispiel. Vor dem Spiel gegen die zweite Mannschaft des BVB nahm er in der Pressekonferenz das wenig aggressive Zweikampfverhalten seiner Defensivakteure aufs Korn. Und offenbarte dabei, dass Fachkenntnis und modernes Frauen- bzw. Menschenbild nicht zwangsläufig zusammenfallen müssen. Denn seinen Spielern habe er mit folgendem Vergleich die Fußballlage verdeutlichen wollen:
Wenn einer zu euch zur Wohnung kommt, dann hier, da liegt meine Frau, geht doch hin, ich hol euch noch Kondome. Viel Spaß. Das ist das Gleiche. Weil wenn ich hier auf dem Platz bin, dann ist da hinten meine Frau und die habe ich zu verteidigen. Vorne mache ich schon was, da gucke ich, dass ich an die Freundin vom Gegner rankomme. Aber hinten ist es so, da ist das Tor meine Freundin und da soll kein Ding rein. Fertig. Und da tun wir nicht alles für. Finde ich. (Pressegespräch, ab Minute 6:00 [Update: Der Verein hat das File mit der Pressekonferenz bei Soundcloud inzwischen gelöscht, ein Ausschnitt mit der zitierten Passage wurde aber vorher noch ‘gerettet’.])
Wie man darauf kommt, ein Objekt wie ein Fußballtor mit einem Subjekt wie einer Frau zu vergleichen, darf einem sehr schleierhaft sein. Ein freier Willen der Frau, über ihren Körper und Geist selbstbestimmt im Positiven wie im Negativen zu entscheiden, kommt dann schon notgedrungen in dem Vergleich nicht mehr vor. Frauen sind nach diesem Bild letztlich jene Personen, deren Tun durch das Verhalten des Mannes bestimmt wird. Frauen als in Bezug auf ihre Sexualität passive Empfängerinnen des Willens des Mannes, dem Herren über alle Aspekte der Penetration, das ist auf Analogieebene ziemlich harter Tobak.
“Unterhaltsam” [broken Link] findet das Sportportal Spox diese Analogie und schlägt sich damit letztlich auf die Seite von Dietmar Hirsch. Also auf die Seite des nicht witzigen Herrenwitzes, der im Normalfall immer auf Kosten anderer geht und mit seiner sexualisierten Sprache bei gleichzeitiger Abwesenheit von Lust und Sinnlichkeit, die Beziehungen zwischen Menschen auf einen mechanisierten, physischen Kampf um Macht und Kontrolle reduziert.
Fußballer brauchen diese Art von Ansprachen? Immer noch? Ernsthaft?
Fragte sich @LizasWelt bei Twitter angesichts der Tonproben von Dietmar Hirsch. Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass der SV Elversberg das folgende Spiel gegen die zweite Mannschaft des BVB mit 0:5 verlor und sich bei der Verteidigung des Tores außergewöhnlich schlecht anstellte. Beim Fußballmanager Anstoss konnte man als Trainer in der Halbzeit immer Ansprachen halten. Eine der Reaktionen war: “Die Spieler sind verwundert, weil sie so einen Quatsch erzählen.” Es bleibt die Hoffnung, dass die Spieler des SV Elversberg ähnlich reagierten und 0:5 und Traineransprache ein wenig miteinander zusammen hängen. Das wäre dann doch ein positiver Aspekt einer insgesamt ollen Rhetoriknummer.
Ich finde da wird aber auch zu viel Aufhebens drum gemacht. Das war ein salopper Vergleich. Bringt den ein Streich oder ein Klopp, wird er wieder bundesweit dafür gefeiert, hier gibts dann eben den Aufschrei à la Alice Schwarzer.
Der Artikel hat doch deutlich und ausführlich kommuniziert, warum hier “viel Aufhebens” drum gemacht wird. Und nur weil ein Vergleich “salopp” ist, kann er doch trotzdem rassistisch, sexistisch oder sonst wie diskriminierend sein. Bei Vielen hinterlassen Äußerungen wie die von Dietmar Hirsch ein undefinierbar unwohles Gefühl. Der Artikel hier macht sehr gut deutlich, worin genau das Problem liegt. (Und Alice Schwarzer ist auch so ein Totschlag-Argument, um Sexismus zu verteidigen. Und weder Klopp noch Streich – da bin ich mir sicher – würden sich so äußern!)
Ich glaube, dass ein Streich und ein Klopp nie bei einem solchen Vergleich landen würden. Und ich würde vermuten, dass das Gründe hat (zum Beispiel könnte man vermuten, dass ihr Weltbild nicht ganz so rückwärtsgewandt ist)..
Ich bin eine Frau, die unter zumeist Männern studiert hat und arbeitet. Da fallen immer mal so dämliche Sprüche, die sicher nicht immer sonderlich helle sind. Mir geht die ganze Genderdiskussion manchmal reichlich auf die Nerven. Es geht immer um die politische Korrektheit, dabei sind Frauen und Männer nunmal im Denken/Handeln verschieden. Gleichstellung bedeutet für mich nicht als Frau bevorzugt dgl. behandelt zu werden. Klar, dieser Vergleich bedient den platten Humor, wie man ihn von Mario Barth und Co. kennt… es gibt genug Masse, die so etwas lustig findet. Vermutlich gibt es in Elversberg weitaus andere Gründe, weshalb das Spiel so deutlich verloren wurde.
Aber um diesen albernen Vergleich mal weiter zu spinnen: Was wenn man den gegnerischen Torwart (oder den Gegner überhaupt) als Frau betrachten würde… Frau (egal welche) lässt ja auch nicht jeden an sich ran. Im Fussball ist der Gegner ja auch eher der, den man nicht “ranlassen” will. Hätte der “Motivationsversuch” funktioniert, wär’s (Dortmunds Zweite) wohl keine starke Frau gewesen.
Super erläutert!
Ja und beim guten alten Fußball manager ” Anstoß ” hat man nach der Halbzeit nach dem anklicken diverser ansprachen wenigstens noch a Tor erzielt :-).
Frohe Weihnachtszeit aus der Fußball Hochburg Ansbach ;-)
Der erst im September diesen Jahres als erhoffter “Retter” des Drittligisten in Elversberg angeheuerte Trainer D. Hirsch hatte mit seinen sieben Siegen in 11 Spielen gleich einen so nichtgeglaubten Erfolg, dass ihm bei dieser besagten Pressekonferenz scheinbar die Gäule durchgingen. Dieses abstraktes Beispiel unter der Gürtellinie aus dem privaten Bereich, um Motivation tanken zu wollen, ging mit der folgenden hohen 0:5 – Niederlage gegen den Dortmunder BVG- Nachwuchs auch dementsprechend gehörig daneben! Bezeichnenderweise begann die Negativtorserie in diesem Treffen auch noch mit einem Eigentor….
Hirsch, der bisher als Spieler und Trainer auch stets gute Wandereigenschaften bewies, hat allerdings mit seinem bisherigen geschickten Spielerumgang auch die dortigen Verantwortlichen so rasch überzeugt, dass kürzlich sein Vertrag gleich bis 2016 vorzeitig verlängert wurde. Es ist zu vermuten, dass sich der verheiratete und zweifache Familienvater bei seinem an die Spieler gerichteten Appell dabei an eigene negativ erlebte Geschehnisse erinnert hat, um seine Jungs damit aufzustacheln.
Der immer gut recherschierende Brauseblogger hat mit dieser Erwähnung eines fast ulkigen und etwas unnormalen Vorganges bei einem seiner Mitbewerber allerdings nur etwas unnötigen Staub aufgewirbelt, weil in Leipzig der “Rasenballzörniger” allein schon für genügend Motivation sorgen dürfte!