Eine gute Vorbereitung bezahlt noch lange keinen Ferrari

Jeder, der immer mal wieder was zum Nörgeln findet, der soll Trainer von der Mannschaft werden. Dieses ‘Alles toll, aber..’. Manchmal gibt es kein ‘aber’. Und gegen St. Gallen gibt es auch kein ‘aber’. Wenn du eine Mannschaft 2:0 schlägst, die in einer europäischen Liga auf Platz 3 ist, direkt hinter Basel, die letztes Jahr noch die Bayern geschlagen haben, dann gibt es kein ‘aber’. So einfach ist das manchmal. Nur weil einem ein Ferrari gefällt, heißt es noch nicht lange nicht, dass man auch einen bauen kann. Und das sollte man gefälligst auch mal akzeptieren. (Alexander Zorniger zum Abschluss des Trainingslagers im Red Bull Audioplayer [broken Link] vom 29.01.2013)

In der ergiebigen Welt der bildhaften Vergleiche könnte man natürlich gleich weiter machen. Muss man, um mögliche Macken eines Ferraris beurteilen zu können, selber einen bauen können oder reicht es auch, einen zu fahren? Muss ich für eine Filmkritik selber in der Lage sein, ein Drehbuch zu schreiben oder Schnitttechniken beherrschen? Muss ich um in einer hiesigen Lokalzeitung der Journalist vom Dienst für RB Leipzig zu sein, Journalimus studiert haben? Muss man Profifußballer gewesen sein, um Profifußballer zu trainieren?

Fragen über Fragen, die alle auf die Antwort hinauslaufen dürften, dass Fußball (gucken) davon lebt, dass ihn Leute – wie viele andere Freizeitbeschäftigungen auch – ganz amateurhaft verfolgen und kommentieren. Und trotzdem – solange sie ihr Anliegen und ihre Kritik sachlich hervorbringen – und auch ohne Fußballlehrerschein des DFB manchmal vielleicht nicht komplett daneben liegen.

Was direkt zum ‘aber’ führt. Klar scheint es etwas albern nach einem 2:0 gegen einen führenden Schweizer Erstligigsten auf ‘aber’ zu machen. Und es erscheint vermutlich noch alberner, wenn man den sportlichen Weg von RB Leipzig erst seit letztem Sommer verantwortlich bestreitet. Auf der anderen Seite aber haben jene, die das sportliche Treiben rund um RB Leipzig seit 2009 verfolgen, auch allen Grund ein ganz vorsichtiges ‘aber’ einzustreuen, denn hochklassige Vorbereitungen mit super Ergebnissen gegen absolute Topteams gehören eigentlich zum Standard der letzten Jahre. Und fast nie setzte sich das auch in den folgenden Pflichtspielen um, dass man bspw. gegen Champions-League-Teilnehmer nur knapp verlor oder gegen den späteren Bundesligaaufsteiger Hertha BSC mit 2:1 gewann.

Die Erfahrung hierzulande ist nun mal die, dass Test- und Pflichtspiele nicht sonderlich viel miteinander zu tun haben, egal wie hochkarätig die Gegnerschaft in der Vorbereitung gewesen sein mag. Und ein hervorragender Sieg gegen den Schweizer Tabellendritten, der aber auch zuvor in der Vorbereitung gegen zwei Schweizer Zweitligisten und gegen Paderborn (1:4!) sieglos blieb, regt natürlich bei aller Freude über Ergebnis und Stand der Vorbereitung bei RB Leipzig auf hervorragende Art und Weise dazu an, in Richtung Pflichtspiele warnend den Zeigefinger zu heben und ein leises ‘aber’ einzustreuen. Ganz einfach, weil die letzten zwei Jahre Regionalliga und gerade auch deren Rückrundenverläufe, die überwiegend guten bis sehr guten Vorbereitungsspielen folgten, doch noch ziemlich präsent sein dürften. Auch und gerade bei denen, die in ihrem Leben wohl keine Ferraris mehr bauen werden, aber trotzdem aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen beurteilen wollen, inwieweit der Lack Risse hat oder vielleicht einfach nur fürchten, dass unter dem glänzenden Lack Risse zu finden sein werden.

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PS: Ich verstehe durchaus das ja auch hier im Blog von Alexander Zorniger im Interview geäußerte Unverständnis über – nennen wir es mal so – öffentliches Klugscheißen, gerade nach Spielen (frei nach dem Motto ‘Hättet ihr mal..’). Ohne ‘aber’ geht es abseits des Platzes im Fußballmeinungsdiskurs, wo es ja im wesentlichen darum geht, sich in einer eigenen Welt und mit vielen Argumenten und einigem ‘aber’ um die (un)wesentlichen Dinge des Fußballs zu drehen, wohl aber auch kaum. Und ich denke, dass man damit auch leben kann und muss.

Aber auch innerhalb des Trainerteams glaube ich, dass es ein permanentes ‘aber’ gibt und selbst ein Aufstieg nicht der Analyse im Wege stünde, was man verbessern könne und was schlecht lief. Oder anders gesagt: Die Welt eines Matthias Sammer ist sicherlich ein permanentes ‘aber’. Und die Welt eines Alexander Zorniger sieht vermutlich jenseits der natürlich vorhandenen Zufriedenheit, des Lobs und des Stellens vor seine Mannschaft auch nicht viel anders aus.

Mir persönlich ist um die Rückrunde tatsächlich kaum bange. Was aber vor allem aus den Erfahrungen der Hinrunde in Sachen Lern- und Entwicklungsfähigkeit resultiert und nicht aus den teilweise weniger befriedigenden, teilweise übermäßig befriedigenden Testspielen. Und trotzdem würde ich ungern auf den ‘aber’-Finger verzichten, weil es immer und überall ein mögliches ‘aber’ gibt und obiges Beispiel aus der Vereinsvergangenheit auch zeigt, dass ein mögliches ‘aber’ nach dem Sieg gegen St. Gallen durchaus durch ganz reale Erfahrungen gespeist sein könnte.

3 Gedanken zu „Eine gute Vorbereitung bezahlt noch lange keinen Ferrari“

  1. Da hast du in zwei Tagen, zwei Zitate gebracht die ich mir mühsam aus den Audiointerviews rausgesucht habe. Gestern die Geschichte mit Rangnick und den Testspielgegnern die auch wollen und heute Zornigers Ferrari Vergleich.

    Ich find`s aber trotzdem gut :)

  2. Und ich finde es eher bemerkenswert, dass uns dieselben Sachen ins Gehör springen. Jaja, das Hören des Audioplayers (bzw. Angucken der Videos wie im Fall der Testspielgegnergeschichte) ist doch meist eine ganz nette Fundgrube.

  3. Wie wird die Rückrunde?
    Es zählt nur der Aufstieg.
    Was wenn nicht?
    Analyse hin oder her, was zählt ist der Aufstieg.
    Wir werden noch sehr viele Dingen erleben, wo wir eifrig den Kopf schütteln werden.
    Das Umfeld ist reif für den Aufstieg, sind es unsere Fußballer auch?
    Sind die Köpfe klar?
    Ist der goldene Käfig eher hinderlich?
    Wir dürfen gespannt sein und ich freue mich auf packende Duelle.
    Testspiele hin oder her!

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