Träume von der aufgehenden Fußballsonne

Kaum war er da, ist er auch schon wieder weg. Der indische Nationaltorwart Subrata Pal, der nicht da bleiben wollte, wo der Pfeffer (aber eben nicht fußballerisch) wächst, also in Indien, sondern bei RB Leipzig eine Art zweiwöchiges Probetraining absolvierte. Wobei das etwas irreführend ist, denn niemand in Leipzig hatte je vor, ihn aktuell zu verpflichten. Wäre auch aus zwei Gründen gar nicht gegangen. Einerseits, weil Subrata Pal in Indien ganz frisch einen Vertrag unterschrieben hat und von seinem Verein für seinen Ausflug nach Leipzig nur vorübergehend freigestellt wurde und zweitens weil er als Inder in der deutschen Viertklassigkeit gar nicht spielberechtigt gewesen wäre.

Warum das dann also? Subrata Pal wurde vor kurzem von Red Bull Indien für ein Jahr unter Vertrag genommen. Ihm einen Trainingsaufenthalt in Leipzig zu organisieren, verbuchte man als Unterstützung der sportlichen Ambitionen des 25jährigen. Er solle neue Erfahrungen sammeln und sich weiterentwickeln. Sicherlich wird dies ein Motiv der Reise gewesen sein, das für Subrata Pal wohl auch das relevanteste war:

It’s fair to say that German football development plans are about the best in the world at the moment. It’s always been a dream for me to train in a system that pushes things to the next level. I’m confident that RB Leipzig is the place where I can really push myself and can develop myself into a better and stronger player. (Quelle [broken Link])

Der Rest des Ausflugs dürfte sich relativ eindeutig unter der Rubrik Marketing abbuchen lassen. Einerseits für Red Bull selbst, also den indischen Dosenteil, weil man mit Subrata Pal einen Sportler unterstützt, der in Indien für die dortigen Fußballverhältnisse eine ziemlich große Nummer, eine Art Held ist. Andererseits für RB Leipzig, die sich durch den Trainingsausflug Subrata Pals bei den indischen Fußballinteressierten einen ersten Namen gemacht haben.

Was zumindest insofern relevant ist, da das dortige Interesse am europäischen Fußball nicht unbeträchtlich ist. 120.000 Zuschauer sahen beispielsweise den Schlussstrich unter die Karriere von Oliver Kahn. Sonst profitieren deutsche Vereine aber nicht so recht vom Fußballinteresse des Riesenlandes (1.200.000.000 Einwohner!), während die englische Premier League allein durch Fernsehrechte 10 Millionen Euro direkt aus Indien verdient.

Es gibt zudem, so wird immer wieder aus verschiedenen Richtungen aus Indien kolportiert, eine recht große Sehnsucht, dass sich ein indischer Topspieler in einer der europäischen Ligen durchsetzt. Auch für Subrata Pal gehört Europa zu den großen (und vermutlich unerfüllten) Sportträumen. Wobei es für ihn vor allem die englische Liga ist, die ihn so stark träuem lässt, dass er dort nach eigenen Angaben [broken Link] auch ohne Bezahlung spielen würde. Das jedenfalls ist der Hintergrund, weswegen der zweiwöchige Trainingsausflug des bekannten Nationalkeepers nach Leipzig in Indien durchaus mit einigem Interesse verfolgt wurde.

This is the beginning of a very beautiful friendship? - Subrata Pal und RB-Torwarttrainer Perry Bräutigam | © GEPA pictures/ Roger Petzsche

Und das ist auch der Grund, warum es sich dabei um eine Triple-Win-Situation handelt. Für Subrata Pal selbst (sportlich gesehen), für Red Bull in Indien (getränkemarketing- und imagetechnisch) und für RB Leipzig in einem (ersten) Statement Richtung indischem Fußballmarkt (vereinsmarketingtechnisch und vll. perspektivisch auch sportlich). Wenn Red Bull tatsächlich die großen Fußballträume träumt, dann kommen sie gar nicht umhin, sich auf internationalen Großmärkten zu verankern. Vor allem die englischen Vereine sind in der Beziehung sicherlich Vorreiter.

Das alles sagt natürlich noch nichts über die sportlichen Qualitäten von Subrata Pal aus, der seit dem Asiencup 2011 in seiner Heimat den lobend gemeinten Spitznamen Spiderman trägt. Nationalkeeper bei der Nummer 163 der FIFA-Welt zu sein, ist jetzt nicht per se ein beeindruckender Qualitätsbeweis. Auffällig sind auf jeden Fall die Reflexe des Keepers, wie man sie im Paradenzusammenschnitt vom erwähnten Asiencup beobachten kann (und es gibt viele Paraden, weil Indien als relativ chancenloser Außenseiter meist in der Defensive beschäftigt war). RB-Torwarttrainer Perry Bräutigam lobte nach zwei Wochen Leipzig zudem die Sprungkraft von Subrata Pal.

Aus meiner Sicht etwas gewöhnungsbedürftig oder auch einfach nur mit hiesigen Augen unkonventionell wirkt das Positionsspiel, die Strafraumbeherrschung und die allgemeine Ausstrahlung. Wie ein Ruhepol wirkt er da jedenfalls nicht. Aber letztlich lässt sich so etwas wohl durch Training sehr viel einfacher verbessern als Reflexe, die in vielerlei Hinsicht eine starke biologische Vorprägung haben dürften.

Ich wage sicherlich keine Prognosen über die Chancen Subrata Pals, sich in Europa bzw. in Deutschland durchzusetzen. Aus dem, was man sehen kann, würde ich aber trotzdem behaupten, dass er auch mindestens ein annehmbarer Drittligatorwart sein kann. Ob man ihn dann bei RB Leipzig im nächsten Jahr im Fall der Aufstiegsfälle brauchen könnte, kann ich nicht einschätzen, da man dafür die Gesamtplanung für die drei zu besetzenden Kaderplätze kennen müsste. Spontan würde ich sagen, dass sich RB Leipzig keinen über 23 Jahre alten Keeper auf die Bank setzen wird. Aber das man sich den in Europa unerfahrenen Subrata Pal als Nummer 1 holt, halte ich dann doch für relativ ausgeschlossen. Was aber auch nicht unmöglich heißt.

Die Nummer 1, die Nummer 1, die Nummer 1 der Stadt bin ich - Subrata Pal beim Abschied von RB Leipzig mit seinem Abschiedsgeschenk | © GEPA pictures/ Roger Petzsche

Alexander Zorniger wurde in einem Statement zu Subrata Pal so zitiert, dass es darum gehe herauszufinden, wie man Subrata Pals Fähigkeiten in Zukunft möglicherweise nutzen könne. Wenn ich die Idee von Red Bull Indien richtig verstanden habe, dann sollte das heißen, ob Subrata Pal bei irgendeinem der Red-Bull-Standorte eine Chance habe. Ich würde spontan behaupten, dass die größten Chancen in New York bestünden, was dann aber doch ein ganzes Stück entfernt wäre von Europa und von England.

Ich mag ja solche Träume, wie den von Subrata Pal und seiner Chance in Europa und ich mag es auch, wenn aus solchen Träumen reale Geschichten werden. Wenn ich Fußballgott wäre, bekäme Subrata Pal seine Chance, aber wenn ich Fußballgott wäre, würde RB Leipzig dieses Jahr auch in der dritten Liga spielen..

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Linktipps: Empfohlen seien die Artikel der beiden in Deutschland geborenen und arbeitenden Journalisten Arunava Chaudhuri [broken Link] und Chris Punnakkattu Daniel [broken Link], die den Trainingsaufenthalt von Subrata Pal umfassend begleiteten und schließlich auch nach Leipzig kamen, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Die lokalen Leipziger Medien ignorierten den Aufenthalt dagegen weitgehend.

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Bilder: © GEPA pictures/ Roger Petzsche

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