In der Bundesliga fallen heut die letzten Entscheidungen. Direkte Champions-League-Quali. Die Abstiegsfrage. Es ist zwar bei weitem nicht das spannendste Saisonfinale ever, aber auf jeden Fall ein höchst skurriles. Ich jedenfalls könnte mich nicht erinnern, dass es im letzten Spiel jemals zu einem direkten Duell gekommen wäre, bei dem beide Trainer zumindest mit Blick auf die neue Saison gewinnen, wenn sie aktuell verlieren. Die Rede ist – na klar – vom Spiel Freiburg gegen Leverkusen und den Trainern Dutt gegen Heynckes. Für Ersteren würde eine Niederlage bedeuten, dass sein zukünftiger Arbeitgeber Bayer Leverkusen direkt für die Champions League qualifiziert ist. Für zweiteren besteht bei einer Niederlage die Chance, dass seinem zukünftigen Arbeitgeber Bayern München noch die direkte Qualifikation zur Champions League gelingt. Wohl selten haben zwei Trainer so beharrlich darauf bestanden, dass sie darüber nicht nachdenken und 100% für dieses Spiel und einen Sieg geben würden. Wohl noch seltener dürften sich Trainer ernsthaft darüber gefreut haben, wenn 100% nicht zum Sieg reichen..
Drei Etagen weiter unten ist es mit dem Saisonfinale noch nicht ganz so weit. Drei Spieltage stehen für RasenBallsport Leipzig noch auf dem Programm. Dazu kommt noch mindestens ein Spiel im Sachsenpokal. Dabei hat es die kommende Woche in sich. Morgen gegen Halle, am Mittwoch im Pokal gegen Dynamo Dresden, am Samstag beim Chemnitzer FC. Eine namhafte und spannende Woche. Einerseits.
Andererseits geht es gegen den Halleschen FC maximal um Platz vier, was angesichts der Irrelevanz dieses Platz kein übermäßiger Grund für überhöhte Motivation darstellt. Zudem spielen RasenBallsport und Halle beide nächste Woche wichtige Pokalspiele. Für den Halleschen FC geht es im Pokalfinale Sachsen-Anhalts gegen Grün-Weiß Piesteritz um die Qualifikation zum DFB-Pokal und auch um die Lizenz für die kommende Regionalliga-Saison, da in den Etatplanungen die Einnahmen aus dem DFB-Pokal bereits enthalten sind. Verliert man das Pokalfinale steht auch der Etat auf dem Prüfstand und man müsste Einsparungen vornehmen. Für ein Team, das im kommenden Jahr den Aufstieg anpeilt eine unkomfortable Situation. Und eine Situation, in der das Ligaspiel bei RasenBallsport Leipzig nur zwei Tage vor dem Pokalfight zur Nebensache verkommen dürfte.
Das Mittwochsspiel der RasenBallsportler gegen Dynamo Dresden klingt wiederum auch nach einem Highlight, angesichts der Tatsache, dass das Spiel für Dynamo zur Unzeit kommt, bleibt davon unter Umständen auch nicht viel mehr als eine Seifenblase. Qualifiziert sich Dynamo heute Nachmittag für die Relegation zur zweiten Bundesliga, haben sie nur zwei Tage nach dem Spiel bei RasenBallsport Leipzig Relegationsspiel 1 und damit eines der wichtigsten Spiele der jüngeren Vereinsgeschichte vor der Nase. Das Spiel in Leipzig dürfte ihnen unter diesen Voraussetzungen völlig egal werden, zumal sie durch die Ligaplatzierung die Teilnahme am DFB-Pokal bereits in der Tasche haben, sie also den Pokalsieg auch faktisch nicht brauchen. Ein Auftritt mit irgendeinem B-Team wäre die zu vermutende Folge. Versemmelt Dynamo heut die Qualifikation für die Relegation wird das ganze nicht besser, denn dann wäre die Saison der Dynamos praktisch zu Ende. Ein Sieg im Pokal bei RasenBallsport Leipzig würde dank Terminplans des Sächsischen Fußballverbandes bedeuten, dass man die Saison künstlich um vermutlich zwei Wochen verlängern müsste. Geht dann wohl vom Urlaub der Spieler ab. Auch nicht gerade motivierende Voraussetzungen.
Bleibt das Spiel von RasenBallsport Leipzig beim Chemnitzer FC, das man vor der Saison angesichts des Termins am vorletzten Spieltag als Knaller um den Aufstieg hätte voraussehen können. Dass es nur für die Chemnitzer nicht um nichts mehr geht, ist immer noch ein höchst erstaunliches Ergebnis der Saison. Ein Spiel mithin für die RasenBallsportler zum locker auslaufen.
Bleibt das große Aber. Alle drei Spiele sind trotz merkwürdiger Konstellationen, die den sportlichen Wert der Veranstaltungen schmälern mögen, trotzdem Highlights. Für den Halleschen FC geht es zwar nur im Pokal noch um etwas, trotzdem möchte man sehr gerne den finanziell potenten Nachbarn aus Leipzig nur allzugern am Ende der Saison hinter sich stehen sehen. Bei einem Punkt Rückstand auf RasenBallsport Leipzig würde da ein Sieg mehr als Sinn machen, auch wenn. Auch wenn nicht die Topelf aufläuft, höchste Motivation werden die, die spielen auf jeden Fall mitbringen. Und gut organisiert spielen sie beim HFC allemal.
Dynamo Dresden wiederum wird in welcher Konstellation auch immer wenig Bock auf das Pokalspiel in Leipzig haben. Trotzdem wird man alles vermeiden, sich bei einem Viertligisten, der zudem noch von Teilen der Dresdner Fanszene vehement abgelehnt wird, vorführen zu lassen. Egal mit wem Dynamo Dresden anreist, man wird RasenBallsport in jedem Fall Paroli bieten wollen. Ein hochmotiviertes und engagiertes Profikaderanschluss-B-Team ist da fast noch gefährlicher als ein A-Team, das aus Angst vor Verletzungen vor den Relegationsspielen die Füße ein wenig hochnehmen würde.
Bleiben noch die Chemnitzer, die – nimmt man an, dass die derzeitige Situation von 4 Punkten Vorsprung auf Platz 2 auch nächste Woche noch besteht – mit einem Sieg gegen RasenBallsport Leipzig im vorletzten Spiel den Aufstieg perfekt machen könnten. Gegen die Mannschaft also, die vor der Saison als großer Aufstiegsfavorit galt. Die mit dem Geld. Die, denen man gerne ein Schnippchen schlägt. Die, gegen die man am allerliebsten den Aufstieg perfekt machen würde. Müssen die RasenBallsportler bei ihrem Aufwärtsauftritt in Chemnitz die Aufstiegsfeier miterleben, wäre das die Höchststrafe und das I-Tüpfelchen auf eine mehr als durchwachsene Saison. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich das antun wollen..
Aus welcher Perspektive man auch immer die Spiele sehen will und auch wenn alle drei Spiele unter anderen Voraussetzungen größere Knüller wären, als in der jetzigen Situation, für RB-Stümer Stefan Kutschke sieht es so aus:
Das ist für einen Fußballer eine geile Woche. (Red Bull Audioplayer [broken Link] vom 13.05.2011)
Für jeden Fußballanhänger auch, wie ich finde. Ich jedenfalls freue mich auf den morgigen Aufgalopp ins Saisonfinale.
Unter der Woche wurde unterdessen der Bau des neuen Trainingszentrums im Rahmen eines Pressetermins wieder einmal in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Was ich sehr positiv finde, weil ich tatsächlich finde, dass man noch mehr thematisieren kann, dass der Verein sich dort gerade eine Heimat baut. Wenn man mal vor Ort steht, dann kann man diesem Gefühl der neuen Vereinsheimat tatsächlich schon ein wenig nachhängen, wie ich schon Ende März schrieb:
Schön, dass es nun endlich losgeht mit dem Bau des neuen Trainingszentrums, das eine Art Herz des Vereins mit Blick quer rüber auf die Heimspielstätte Red Bull Arena werden könnte. Wenn man dazwischen steht und von der Baustelle zum Stadion und zurück schaut, dann kann man ein klein wenig erahnen, was für ein Klein- (bzw. Groß-)Od da am Entstehen ist. (Am Cottaweg regieren die Bagger)
Im Gegensatz zum von Dieter Gudel verwendeten sinnigen Bild vom Bau einen neuen Zuhauses finde ich die beim Pressetermin auch verwendete Floskel „Wir sind gekommen, um zu bleiben“ komisch. Von der dachte ich eigentlich, dass sie mit dem Abgang Hans-Georg Felders Geschichte werden würde, sie scheint aber wohl doch grundsätzlichere Kommunikationsstrategie bei RasenBallsport Leipzig zu sein. Womit man aber auch immer wieder (mal sprachwissenschaftlich gesprochen) nicht nur Nachhaltigkeit und Vertrauen kommuniziert (wir bleiben), sondern auch etwas fremdes, äußerliches (wir sind gekommen), mithin etwas, was man auch als bedrohlich empfinden kann. Klar, man zielt damit auf die breite, unentschiedene Masse, trotzdem weiß ich nicht, ob das sinnig ist. Die, die das Stadion jetzt schon besuchen, braucht man vom Kommen und Bleiben von RasenBallsport Leipzig wohl nicht überzeugen, die die gegen RasenBallsport Leipzig sind, erreicht man sowieso mit nichts und die, die unentschieden oder beobachtend distanziert sind, kriegt man auch, wenn man einfach bleibt, ohne dauernd vom Bleiben zu reden. Oder so.
Ich hätte mir eher eine umfassendere, kommunikative Begleitung des ‘Haus’baus gewünscht. Die Webcam vom Cottaweg [broken Link] ist sicherlich nett (auch wenn sie derzeit nicht zu funktionieren scheint, zumindest bei mir nicht), der Pressetermin auch wichtig. Für die Vereinsanhänger und -interessierten wären bei diesem epochalen RasenBallsport-Thema aber auch zusätzliche Sachen denkbar gewesen. Zum Beispiel ein Bautagebuch im Netz mit wöchentlichen Fotos und kleinen Detailberichten vom Bau. Oder im Rahmen von Heimspielen Führungen, die man zwei Stunden vor dem Spiel oder eine Stunde nach dem Spiel anbieten hätte können. Oder so.
Bei oder so fällt mir abschließend noch Karsten Oswald, Kapitän beim ZFC Meuselwitz ein. Der hatte Anfang der Woche nach dem 3:3 seiner Meuselwitzer gegen RasenBallsport Leipzig via BILD über den Konkurrenten gelästert, dass dieser zwar Qualität habe, aber die Moral bei seinem Team läge. Ok, die Meuselwitzer haben einen zweimaligen Rückstand in eine zwischenzeitliche Führung verwandelt. Das spricht durchaus für Moral. Dass die RasenBallsportler aber in zweifacher Unterzahl in der Nachspielzeit nach intensivem Spiel noch den Ausgleich erzwingen, mag man der Qualität zuschreiben, spricht aber egal wie man sich das anguckt, definitiv auch für die Moral der Mannschaft. Womit die RasenBallsportler auch selbst beweisen, dass das, was man aus der Mannschaft immer wieder hört, dass das Team Charakter habe, nicht nur eine leere Hülse ist. Was wiederum Mut macht für die letzten „geilen“ Saisonspiele.