RasenBallsport Leipzig vs. Hamburger SV II 3:0

Langsam schmerzen die Niederlagen gegen Kiel und – die völlig unnötige – in Magdeburg. 4 liegen gelassene Punkte aus diesen Spielen im Sinn könnte man bei RasenBallsport Leipzig derzeit wieder ein bisschen Richtung Tabellenspitze schielen. So bleibt nur die Tatsache, dass man sich durch zwei Siege hintereinander wieder an die Plätze 2 und 3 herangeschoben hat. Stichwort Goldene Ananas.

Abseits der konkreten Tabellensituation stimmt es hoffnungsfroh, dass RasenBallsport Leipzig mit 7:0 Toren und 6 Punkten in 2 Spielen die Rückrunden-Achterbahnfahrt unterbrochen hat. Das Spiel gegen die U23 vom HSV wirkt auf den ersten Blick wie eine Kopie des Mittwochspiels gegen Braunschweig. Wieder zwei späte Tore in Hälfte 1, wieder beide Tore nach Standards. Dazu kurz vor dem Abpfiff noch ein Tor aus dem Spiel heraus. Es fehlte nur das spielentscheidende Tor gleich nach der Halbzeit.

Doch jenseits dieser puren Zahlen war das Spiel von RasenBallsport Leipzig gegen den HSV ein komplett anderes als das gegen Braunschweig. Die Braunschweiger unwillig am Spiel teilzuhaben und zumindest am Mittwoch auch nicht in der Lage, den destruktiven Stil erfolgreich umzusetzen, zeigte der HSV eine insgesamt starke spielerische Leistung, der nur die Torbelohnung versagt blieb. Ball- und Spielkontrolle, das waren die Konzepte des HSV. Damit konnte RasenBallsport Leipzig in Hälfte 1 noch sehr gut umgehen. Bei gegnerischem Ballbesitz (selbst hatte man den Ball vergleichsweise selten) wurden permanent Überzahlsituationen geschaffen, sodass der HSV zwar optisch gefällig kombinierte, aber in Strafraumnähe mit seinem Latein am Ende war. Ausnahme war Reagy Ofosu, der auf der rechten Seite einige Male seinem Verteidigungsgegenüber Fabian Franke entwischen konnte.

RasenBallsport Leipzig hielt das dagegen, was letztlich ihre Stärke ist. Defensiv kompakt und konzentriert arbeiten, sich Bälle bereist im Mittelfeld erkämpfen und dann schnell die Offensivkräfte Schinke, Kammlott, Frahn und Rockenbach einsetzen. Das funktonierte bei weitem nicht optimal, sah aber insgesamt schon nach mehr Selbstvertrauen aus, als noch in der ersten Hälfte gegen Braunschweig. Nachdem Kammlott noch eine super Vorarbeit von Schinke verpasste, kam die Zeit der Standards, die Folge der nicht unansehnlichen Offensivbemühungen RasenBallsports waren. Zweimal war es Paul Schinke vorbehalten, die Kugel in den Maschen zu versenken. Das erste Mal zauberte er den Ball mit links aus 18 Metern in den Winkel, beim zweiten Mal ging seine Freistoßflanke an Freund und Feind (inklusive des hinterher vor sich hin schimpfenden Keepers) vorbei ins Tor. Höchst effektiv.

In Halbzeit zwei wurden die  Gäste noch stärker, begünstigt in der einen oder anderen Situation von der nicht mehr ganz perfekten Defensivarbeit von RasenBallsport Leipzig. Während Ingo Hertzsch zwar im RasenBallsport-Trikot, aber trotzdem für den HSV am Lattenkreuz scheiterte, schossen die HSV-Offensivkräfte aber allesamt vorbei oder die Bälle landeten beim sicheren Christopher Gäng. Dass man bis 10 Minuten vor dem Ende trotzdem immer das Gefühl hatte, die Partie könnte sich ergebnistechnisch noch mal drehen, lag aber nicht nur an starken Hamburgern, sondern auch an den ineffektiven Konterbemühungen der RasenBallsportler, die aus dem Stehgreif erinnerte 3 Großchancen liegen ließen und so ums Zittern nicht drumherum kamen.

Höhepunkt des nicht erfolgreichen Konterspiels sicherlich die 67. Minute, als Carten Kammlott einen weiten Abschlag in vollem Tempo und aus der Luft mitnahm, in den Strafraum laufend noch 1,2 Gegenspieler abschüttelte, um dann perfekt den völlig freien Rockenbach zu bedienen, der aus handgeschätzten 10 Metern übers leere Tor schoss und somit der grandiosen Vorarbeit Kammlotts, die schon allein das Kommen wert war, den verdienten und krönenden Abschluss versagte. Da war man für einen kurzen Moment fassungslos. Auf den Rängen UND auf dem Rasen.

Insgesamt hatte man gegen einen starken Gegner das – in dieser Saison bisher seltene – Gefühl, dass sich RasenBallsport Leipzig sportlich weiterentwickelt. Gar nicht so sehr, weil plötzlich alles funktioniert. Ganz im Gegenteil, aus meiner Sicht ist das Zusammenspiel zwischen Defensivverbund und Offensivreihe weiterhin stark verbesserungswürdig, genauso wie die Abstimmung zwischen Viererkette und defensivem Mittelfeld. Trotzdem scheinen die Spieler das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gefunden zu haben und schienen von Anfang an von ihrem Plan überzeugt zu sein, wie sie zu den 3 Punkten kommen. Genau dieses Vertrauen und das Wissen um einen Plan hatte man bisher – gerade in der Hinrunde – immer wieder vermisst. Schön, dass das nun langsam wächst. Schade, dass es Kiel und Magdeburg als Vorgeschichte gibt.

Vielleicht zieht bei RasenBallsport Leipzig auch nur langsam Regionalliga-Normalität ein. Die Mannschaft wirkt angekommen in der 4.Liga, die sie irgendwie im Vorbeigehen erledigen wollte, für die man aber den ganz normalen Respekt vor Gegnern braucht, die zu 60% alle in der Lage sind, dem Favoriten an einem guten Tag ein schmerzendes Bein zu stellen. Bodenständiger, zielführender Regionalligafußball mit Spaß machenden Farbtupfern in der Offensivbesetzung, das habe ich am Sonntag in der Red Bull Arena gesehen und genau diese Mischung aus Robustheit und Kreativität braucht man für den Erfolg in Liga 4.

Fazit: Ein mit viel Herz erkämpft und erspielter, zu hoch ausgefallener, aber verdienter Sieg gegen starke Gäste. Ein hochunterhaltsamer Regionalliga-Nachmittag. Gerne mehr, gerne weiter so auf diesem Weg, auf dem das leistungstechnische Ziel aber noch lange nicht erreicht sein kann. Zum Abschluss der englischen Wochen folgen 2 Auswärtsspiele in Havelse und Wilhelmshaven. Keine Selbstläufer, ganz sicher nicht.

Lichtblicke:

  • Christopher Gäng: sicherlich hat er sich gegen den HSV nicht berühmt schießen lassen, aber die Wandlung des Christopher Gäng in den letzten 4 Spielen ist beeindruckend. Gegen Kiel still und leise 5 Bälle aus dem Tor geholt. Gegen Magdeburg einen haltbaren Ball nach einem Ausrutscher zum Ausgleich durchgelassen. Gegen Braunschweig schon sicherer und gegen den HSV lauthals seine Vorderleute dirigierend und so positiv-aktiv in das Spielgeschehen eingreifend. Dazu in allen Situationen, in denen er gefordert war absolut sicher und ein Ruhepol. Tadellos. Von den Schwächen bei allem was mit dem Abschlagen des Balles zu tun hat, schweige ich an dieser Stelle.
  • Benjamin Baier: Ist sicherlich noch nicht perfekt in seine Rolle irgendwo zwischen 6 und 10 gewachsen. War gegen den HSV aber ein ganz wesentlicher Aktivposten. Defensiv mit einigen wichtigen Zweikämpfen und Ballgewinnen. Offensiv immer wieder mit dem Versuch, den Ball in die Spitze zu spielen. Benjamin Baier traut sich und das ist mehr als man in der Hinrunde vom Mittelfeld sehen durfte. Sehr agiler Spieler. Ob es dauerhaft für hohe Ansprüche reicht, finde ich schwer zu beurteilen.

Schattenblicke:

  • Thiago Rockenbach: ja, schon wieder. Nicht nur beim Schießen über das leere Tor unglücklich, auch ansonsten meist wirklungslos und vom Gegner zugestellt. Kaum an gefährlichen Offensivaktionen beteiligt. Für das HSV-Spiel ein Nullfaktor. Zugute halten kann man ihm, dass er sich bis zur Auswechslung in das Spiel gebissen hat. Ging keinem Zweikampf aus dem Wege und war so für die Mannschaft dann eben doch wertvoll. Trotzdem geht da mehr. Aber mit der Einstellung von gestern kommt das auch noch.
  • Fabian Franke: Gutes Heimdebüt gegen Braunschweig. Gestern fielen angesichts seines schnellen, wendigen, spielfreudigen Gegenspielers (Ofosu) vor allem auch seine Schwächen im Antritt ins Auge. War in einigen Situationen überfordert, stand aber auch zu oft im 1:1 gegen Ofosu.

Randbemerkung 1: Dass der HSV nur mit 5 Auswechselspielern anreiste, ist ziemlich erstaunlich. Wenn es ein Proficlub dieser Größe nicht schafft, seine U23 aus der Jugend oder aus dem Profiteam so aufzufüllen, dass 18 Spieler zur Verfügung stehen, hat man dann nicht etwas falsch gemacht? Vielleicht waren aber auch nicht mehr Plätze im Bus.

Randbemerkung 2: Der arme Maximilian Watzka. 5 Minuten lang stand er ab Spielminute 80 hoch motiviert auf dem Feld. Dann kam ein unglücklicher Zweikampf, nach dem binnen Sekunden klar war, dass er sich eine schwerwiegende Verletzung zugezogen hat. So wie er da auf dem Boden lag, kann ich mir nicht vorstellen, dass das ganze ohne gerissene Bänder abgegangen ist. Ganz aus meiner unmedizinischen Laienperspektive. Das wäre eine deutliche Schwächung der Tiefe des Kaders, vor allem auf der Backup-Position hinter Thiago Rockenbach. Gute Besserung!

Randbemerkung 3: Dass Timo Rost nicht mal auf der Ersatzbank Platz nahm, führte kurzzeitig zur Frage, ob er sich nun endgültig mit seinem Trainer überworfen habe. Wie es heißt, hat er sich aber nur kurz vor dem Spiel verletzt. Ich hoffe mal, dass dem tatsächlich so ist. Wäre eigentlich eine prima Situation gewesen, in der der Stadionsprecher vor dem Spiel kurz den Sachverhalt schildert und so den Raum für Spekulationen eindämmt. Wäre auch einfach ein netter Service für den Zuschauer..

Randbemerkung 4: Apropos Stadionsprecher. Ich weiß, das ist kein einfacher Job. Und abgesehen von den kleinen, aber unfeinen Pannen, dass es keinen KSV Holstein Kiel gibt und Wilhelmshaven nicht zu Bremen gehört und abgesehen davon, dass ich mir immer noch wünschte, die Halbzeitpause böte Raum für ein Nachwuchsspecial (wo stehen U19, U17 etc., was ist da grad los an diesem Wochenende), fand ich die Ansage zum Anpfiff der 2.Hälfte, dass man nun noch mehr Tore sehen will, nicht sonderlich hilfreich. Ich und ich vermute sehr viele andere der auf ein regionalligaübliches Maß zusammengeschrumpften Zuschauerschar erwarten nicht in jedem Spiel eine Zaubershow mit 4, 5 Toren Unterschied. Eine Abwehrschlacht oder ein dreckiges 1:0 in Minute 77 tun es auch, wenn das Spiel eben danach ist. Gegen den HSV, der in Hälfte 1 schon bärenstark war und nur unglücklich gleich mit 2 Toren zurücklag, nun so zu tun, als ginge es nur noch ums Torverhältnis ist nahe dran an respektlos. Reiht sich meiner Meinung nach ein, in dieses nicht zielführende Bundesliga-Denken und leicht despektierliche Herunterblicken auf die Regionalliga. Es gibt offensichtlich im Verein ein derart fest steckendes Denken, dass die Regionalliga nur Durchgangsstation ist und man die Gegner mit der eigenen Klasse schon irgendwie beherrschen werde, dass man sich ein wenig ängstigen muss, dass man in einer wahrscheinlichen, neuen Regionalliga-Saison plötzlich wieder in die Situation kommt, sich über einen Platz jenseits der Tabellenspitze zu wundern. Die Regionalliga geht nicht mit 90% und Bundesliga im Kopf! Dass muss irgendwie mal rein in die Köpfe. Vielleicht leisten die sportlich Verantwortlichen Oral und Linke da mal ein wenig Aufbauarbeit. Und zumindest die Leistung der RasenBallsportler gegen den HSV wies darauf hin, dass sie die Regionalliga als ihre aktuelle Liga inzwischen angenommen haben.

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Tore: 1:0 Schinke (37.), 2:0 Schinke (42.), 3:0 Frahn (90.)

Aufstellung: Gäng – Sebastian, Hertzsch, Kläsener, Franke – Baier (78. Laas), Rosin – Kammlott, Rockenbach (80. Watzka/85. Kutschke), Schinke – Frahn

Links: RBL-Bericht [broken Link], RBL-Liveticker [broken Link], RB-Fans-Bericht [broken Link], MDR-Bericht [broken Link], HSV-Bericht [broken Link]

Ein Gedanke zu „RasenBallsport Leipzig vs. Hamburger SV II 3:0“

  1. Hab’s mir mal am Sonntag angesehen, die Verlockung auf Sonnenschein im Sektor A war zu groß, konnte ja keiner Wissen das sich so viele Wolken davorschieben. Das Versemmeln der Chancen auf beiden Seiten sorgte meinerseits zu erheblichen Punktabzug In der Wertung, dafür waren die 2 Schinke Freistöße sehenswert.

    Zum Thema Stadionsprecher (oder auch ganz allgemein Tontechnik): Es ist mir nun mehrmals aufgefallen, das man es nicht hinbekommt für eine ordentliche Beschallung zu sorgen. Lied zu Ende und den Sprecher abgewürgt. Ist jetzt nicht nur auf RB Spiele bezogen. Ich verstehe ja das die Bewohner im Waldstrassenviertel ihre Ruhe haben wollen und deshalb darauf geachtet wird, nicht an irgendwelchen Dezibelgrenzen zu kratzen. Das ist aber nicht das Problem sondern der nicht ausgeglichene Pegel. Dadurch wirkt der Stadionsprecher etwas nervig und kann selbst keine Sicherheit finden.

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