Zweitteams

Ach lieber Ingo Hertzsch: Bei allem Wissen über Ihre lange und verdienstvolle Karriere als Fußballprofi und bei allem Respekt vor Ihrem recht offenen Blick auf die aktuelle Situation (broken Link) bei RasenBallsport Leipzig, aber Ihre Aussage über die U23-Mannschaften der Regionalliga geht eigentlich gar nicht:

Die spielen gegen uns volle Kapelle. Und holen aus den ersten Mannschaften runter was geht, aber gegen Chemnitz treten sie dann mit zehn A-Jugendlichen an. (LVZ-Online vom 09.12.2010)

Mal ganz davon abgesehen, ob die Aussage in einen Kontext a la ‚Aber davon dürfen wir uns nicht beeinflussen lassen, wir müssen solche Spiele trotzdem gewinnen‘ eingebettet war, was man der LVZ nicht entnehmen kann, ist der Satz – freundlich gesagt – unglücklich formuliert und dürfte vor allem Häme von der direkten Konkurrenz zur Folge haben und den U23-Trainern als Motivationshilfe für ihre Teams dienen. Nun ja, wagen wir einmal einen fakten(transfermarkt.de)basierten Vergleich:

Eintracht Braunschweig II: 5 Spieler standen sowohl gegen RB Leipzig als auch gegen den Chemnitzer FC auf dem Platz. Bleiben 6 übrig (wenn man nur auf die  erste Elf guckt), die gegen Leipzig, nicht aber gegen Chemnitz begannen: Daniel Davari im Tor aus dem Profikader (1 mal 3.Liga, 3 mal Regionalliga) (gegen Chemnitz spielte der etatmäßige Regionalliga-Keeper Benjamin Later), Pascal Gos (13 mal Regionalliga), Norman Theuerkauf aus dem Profikader (12 mal 3.Liga, 1 mal Regionalliga). Jan Washausen aus dem Profikader (0 mal 3.Liga, 2 mal Regionalliga, verletzungsbedingt), Patrick Amrhein aus dem Profikader (7 mal 3.Liga, 3 mal Regionalliga), Juri Neumann (13 mal Regionalliga). Marco Calamita war der einzige Spieler, der als Stammeinwechsler zur 1.Mannschaft gehört (11 mal 3.Liga, 2 mal Regionalliga) und der nicht gegen Leipzig, dafür aber gegen Chemnitz gespielt hat. Fazit: Davari, Theuerkauf und Amrhein spielten gegen Leipzig, Calamita gegen Chemnitz. RB Leipzig auswärts mit 0:0, Chemnitzer FC zu Hause mit einem 1:0.

Hannover 96 II: 7 Spieler standen sowohl gegen RB Leipzig als auch gegen den CFC auf dem Platz. Bleiben 4 übrig, die gegen Leipzig, nicht aber gegen Chemnitz begannen: Felix Burmeister aus dem Profikader (0 mal 1.Liga, 10 mal Regionalliga), Fatmir Ferati (8 mal Regionalliga Nord), Florian Büchler (11 mal Regionalliga Nord) und Serdar Dursun (13 mal Regionalliga). Gegen Chemnitz liefen im Unterschied zum Leipzig-Spiel mit Evseev und Rama zwei Fußballer aus dem Bundesligakader auf, die aber bisher nur in der Regionalliga Einsätze erhielten. Dazu kommen mit Bopp und Beil Regionalliga-Akteure. Fazit: Burmeister spielte gegen Leipzig, Evseev und Rama spielten gegen Chemnitz. RB Leipzig zu Hause 1:1. CFC auswärts 2:1.

Hamburger SV II: 5 Spieler standen sowohl gegen RB Leipzig als auch gegen den CFC auf dem Platz. Bleiben 6 übrig, die gegen Leipzig, nicht aber gegen Chemnitz begannen: Tom Mickel im Tor (Regionalliga-Stammkeeper) (gegen Chemnitz hielt der 19jährige Alexander Niklas Meyer – einziger Einsatz bisher), Muhamed Besic aus dem Profikader (2 mal Bundesliga, 10 mal Regionalliga), Florian Brügmann (16 mal Regionalliga Nord), Dennis Diekmeier aus dem Profikader (0 mal Bundesliga, 3 mal Regionalliga, seitdem verletzt), Änis Ben-Hatira aus dem Profikader (eine Einwechslung in der Bundesliga, 12 mal Regionalliga), Christian Groß (10 mal Regionalliga). Gegen Chemnitz lief für Hamburg mit Lennard Sowah ein Spieler aus dem Profikader auf, der allerdings auch ausschließlich über Regionalliga-Erfahrung verfügt (10 mal). Fazit: Besic, Diekmeier, Ben-Hatira spielten gegen Leipzig, Sowah gegen Chemnitz. RB Leipzig auswärts 2:1. Chemnitz zu Hause 6:0.

VfL Wolfsburg II: 7 Spieler standen sowohl gegen RB Leipzig als auch gegen den CFC auf dem Platz. Bleiben 4 übrig, die gegen Leipzig, nicht aber gegen Chemnitz begannen: Im Tor Jonas Deumeland (7 mal Regionalliga) (gegen Chemnitz spielte Profi-Ersatzkeeper Marwin Hitz – 4 mal Bundesliga, 4 mal Regionalliga), Tolga Cigerci aus dem Profikader (2 mal Bundesliga, 6 mal Regionalliga), Philipp Kreuels (15 mal Regionalliga), Kevin Wolze (15 mal Regionalliga). Gegen Chemnitz standen mit Czichos und Granatowski zwei gestandene Regionalliga-Akteure auf dem Feld, die in Leipzig nicht dabei waren, dazu kam der in Leipzig nicht unbekannte A-Jugendliche Kevin Scheidhauer. Fazit Cigerci spielte gegen Leipzig, Hitz in Chemnitz. RB Leipzig zu Hause 0:1. Chemnitz zu Hause 1:1.

Hertha BSC II: 6 Spieler standen sowohl gegen RB Leipzig als auch gegen den CFC auf dem Platz. Bleiben 5 übrig, die gegen Leipzig, nicht aber gegen Chemnitz begannen: Maximilian Scheel aus der A-Jugend (3 mal Regionalliga), Daniel Beichler aus dem Profikader (0 mal 2.Liga, 4 mal Regionalliga), Fanol Perdedaj aus dem Profikader (9 mal 2.Liga, 2 mal Regionalliga), Nico Schulz aus dem Profikader (13 mal 2.Liga, 1 mal Regionalliga), Pierre-Michel Lasogga aus dem Profikader (9 mal 2.Liga, 5 mal Regionalliga). Gegen Chemnitz bot Hertha Sebastian Neumann (6 mal 2.Liga, 4 mal Regionalliga) und Lennart Hartmann (6 mal Regionalliga) aus dem Profikader auf und mit Nonnemann, Stephan und Kargbo regionalligaerfahrene Akteure. Fazit: Beichler, Perdedaj, Schulz und Lasogga spielten gegen Leipzig, Neumann und Hartmann gegen Chemnitz. RB Leipzig zu Hause 2:0. Chemnitz zu Hause 3:1.

Energie Cottbus II: 6 Spieler standen sowohl gegen RB Leipzig als auch gegen den CFC auf dem Platz. Bleiben 5 übrig, die gegen Leipzig, nicht aber gegen Chemnitz begannen: Julien Latendresse-Levesque, der sich im Tor die Einsatzzeiten mit dem gegen Chemnitz haltenden Marvin Gladrow teilt, Marcus Lemke (12 mal Regionalliga), Fernando Lenk (11 mal Regionalliga), Nils Miatke aus dem Bundesligakader (0 mal 2.Liga, 11 mal Regionalliga), Marc-Philipp Zimmermann (12 mal Regionalliga). Gegen Chemnitz bot Energie Daniel Ziebig aus dem Profikader (8 mal 2.Liga, 7 mal Regionalliga) und Tseke, Henkel und Rudnik als regionalligaerfahrene Akteure auf. Fazit: Miatke spielte gegen Leipzig, Ziebig gegen Chemnitz. RB Leipzig auswärts 1:3. Chemnitz auswärts 1:0.

Heißt insgesamt, dass die 6 U23-Teams der Regionalliga gegen RB Leipzig in 6 Spielen 5 Spieler mehr aus dem nominellen Profikader eingesetzt haben als gegen den CFC. Insgesamt hatten die Akteure der Zweiten Mannschaften, die gegen RB Leipzig in der ersten Elf aufliefen 27 Einsätze mehr in erster, zweiter oder dritter Liga auf dem Buckel als die Spieler, die gegen Chemnitz aufliefen. Braunschweig, Hamburg und Hertha versuchten es gegen RB Leipzig mit aufgepeppten 2.Mannschaften, die Chemnitz so nicht zu bespielen hatte. Wolfsburg, Hannover und Cottbus traten gegen Leipzig und Chemnitz mit – in Bezug auf ihr Potenzial – weitestgehend identischen Mannschaften auf. ‚Witziger‘weise haben die RasenBallsportler ihre Punkte vor allem gegen letztere verloren (1 Unentschieden, 2 Niederlagen).

Heißt, in der Tendenz mag sich Ingo Hertzsch bestätigt fühlen, was seine Aussage über aufgepeppte Zweitteams der Proficlubs angeht. Aber über die Tendenz geht es auch definitv nicht hinaus, da der Umstand, dass die RB-Gegner einen Erfahrungsvorteil von 27 Profispielen hatten gegenüber den CFC-Gegnern, bei weitem nicht erklärt, dass RB gegen die Zweitteams nur 8 Punkte (und die vor allem gegen die aufgepeppten Teams) holte, während dies bei Chemnitz gleich 16 waren. Wenn man bei RasenBallsport Leipzig mit seinen Analysen der Hinrunde tatsächlich dabei landet, die Fehlersuche (in der Zuspitzung fehlerhaft) außerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches zu betreiben, dann dürfte die Rückrunde sportlich nicht besser werden als die Hinrunde.

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